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Nach dem Tod ihrer Eltern versucht die Journalistin Louise Brown der Endlichkeit des Lebens etwas Sinnstiftendes abzugewinnen. Sie wird Trauerrednerin und Zeugin dessen, was von uns bleibt. Dies verändert nicht nur ihre Einstellung zum Tod, sondern auch ihre Haltung zum Leben. Louise Brown schenkt uns unvergessliche Bilder, die daran erinnern, was uns als Menschen ausmacht. Ein tröstendes und befreiendes Buch, das Mut macht, das Leben auf die Dinge auszurichten, die von Bedeutung sind.

Produktbeschreibung
Nach dem Tod ihrer Eltern versucht die Journalistin Louise Brown der Endlichkeit des Lebens etwas Sinnstiftendes abzugewinnen. Sie wird Trauerrednerin und Zeugin dessen, was von uns bleibt. Dies verändert nicht nur ihre Einstellung zum Tod, sondern auch ihre Haltung zum Leben. Louise Brown schenkt uns unvergessliche Bilder, die daran erinnern, was uns als Menschen ausmacht. Ein tröstendes und befreiendes Buch, das Mut macht, das Leben auf die Dinge auszurichten, die von Bedeutung sind.
Autorenporträt
Louise Brown, geboren 1975 in London, zog als Jugendliche mit ihrer Familie ins norddeutsche Ostholstein. Sie studierte Politikwissenschaft in Nordengland, Kiel und Berlin. Sie ist Journalistin und seit einigen Jahren auch als Trauerrednerin in Hamburg tätig. Dort moderierte sie auch das erste ¿Death Café¿. In ihrem Podcast ¿Meine perfekte Beerdigung¿ spricht sie mit Menschen darüber, wie sie einmal verabschiedet werden wollen. Louise Brown lebt mit ihrem Partner, zwei Kindern und Hund in Hamburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.11.2021

Über den Klang
eines Lebens
„Fahr da noch mal hin. Du weißt nicht, wie lange
du deinen Vater noch hast“: Die Trauerrednerin
Louise Brown im Gespräch
über Abschied, Tod und eigene Dankbarkeit
VON ALEX RÜHLE
Louise Brown war früher politische Journalistin. Heute arbeitet sie als Trauerrednerin und hat über ihre Erfahrungen ein Buch veröffentlicht. „Was bleibt, wenn wir sterben“ (Diogenes, 243 Seiten, 22 Euro) ist kein Ratgeber, sondern ein sehr persönlicher, tröstlicher Text über den Verlust der eigenen Eltern, die heilsame Kraft des Trauergesprächs und den Wunsch, ihre Mutter noch mal bei Kaffee und Kuchen beerdigen zu können.
SZ: Miss Brown, wie würden Sie Trauer definieren?
Louise Brown: Trauer ist der Prozess, den man durchläuft, um einen Verlust zu verarbeiten. Jeder muss seinen Weg finden, um zu lernen, mit diesem Verlust zu leben. Als Trauerrednerin habe ich gesehen, welche Dinge auf diesem Weg ein bisschen helfen können.
Ihr eigener Weg war sehr schwer, die Trauer um den Tod Ihrer Eltern bestimmte jahrelang Ihr Leben. Warum?
Tod und Sterben waren in meiner Familie immer Tabuthemen. Ich durfte nicht auf die Beerdigung meiner Großmutter. Mit meiner Mutter konnte ich selbst auf dem Sterbebett auf der Palliativstation nicht über ihren Tod reden. Wir hatten keinerlei Sprache dafür. Als beide Eltern im Abstand von nur drei Monaten starben, war ich überhaupt nicht darauf vorbereitet und hatte nie erwartet, dass einen die Trauer derart massiv umwerfen kann.
Wie kommt es, dass ausgerechnet Sie dann Trauerrednerin wurden?
Zum einen war Schreiben für mich von Kindheit an ein Weg, einen Sinn oder eine Ordnung zu finden. A place of calm. Außerdem wollte ich verstehen, warum die Trauer solche Dinge mit uns tut. Und was das heißt: ein guter Tod.
Wie würden Sie diese Frage heute beantworten?
Ein guter Tod wäre ein Tod ohne zu viel Reue. Keiner kann sich all seine Träume erfüllen; entscheidend ist, ob man das am Ende zu sehr bereut. Ein guter Tod wäre außerdem ein Tod, bei dem ich nicht zu viel leiden müsste. Ich habe keine Angst vor dem Tod, aber ich habe Angst vor qualvollem Leiden. Und ein guter Tod wäre für mich auch, wenn meine Liebsten bei mir wären. Ich habe erlebt, wie das umgekehrt war. Das war kein schöner Tod für meine Mutter. Und es war im Nachhinein auch für mich nicht schön, dass ich nicht bei ihr war.
Es ist doch seltsam, dass man das als Vakuum erlebt, wenn man nicht dabei war. Warum gibt es einem Trost, dabeigesessen zu haben? Oder warum ist da bei Ihnen bis heute diese nicht zu schließende Wunde?
Die Schwere der Trauer hat oft mit Schuldgefühlen zu tun. Ich fühlte mich schuldig, weil ich nicht bei meiner Mutter geblieben bin, obwohl ich spürte, dass sie stirbt. Ich wollte ihre Worte ja hören, die sagten, fahr nur nach Hause. Ich hatte riesige Angst vor dem Sterben – wie so viele. Eine ältere Dame sagte mal den schönen Satz zu mir: Ich hatte so viel Angst davor, bei meinem Mann im Sterben zu bleiben; aber dann bin ich in der Liebe geblieben. Wenn man es aushält und dabeibleiben kann, fühlt es sich natürlich an. Der Tod ist Teil unseres Lebens, es ist absurd, dass wir ihn so aus dem Leben raushalten. Ich erlebe, dass Familien oft einen anderen Frieden ausstrahlen, wenn sie bis zum Ende da waren.
Rituale können sinnentleert und kalt sein, so wie Sie es selber bei der Beerdigung Ihrer Eltern erlebt haben. Sie können uns aber auch helfen und tragen. Wann, würden Sie sagen, hilft solch ein Ritual?
Rituale bilden einen Rahmen, der Halt geben kann. Leer sind sie, wenn sie lieblos und stumpf abgearbeitet werden. Ich erlebe viele Familien, die immer noch nach diesen Ritualen suchen – aber inhaltlich mehr Individualität suchen. Die Rolle der Rede ist deshalb wichtiger geworden. Ich erzähle andere Dinge, als vielleicht ein Pastor erzählt hätte vor 20 Jahren.
Was machen Sie anders?
Ich versuche, den Klang dieses Menschen aus den Gesprächen mit den Hinterbliebenen herauszuhören.
Wie geht das? Was macht eine gute Rede aus?
Ganz banal erst mal: Die Fakten müssen stimmen. Ich mach das wie früher, als ich als Journalistin recherchiert habe, ruf die Familie noch mal an und frage: War das ’85 oder eher ’86? Lieber blöd nachfragen, es muss einfach richtig sein. Dazu kommt, dass ich selber diese Erfahrung gemacht habe. Jeder Verlust ist einzigartig, aber ich kann es ein wenig mitfühlen, was diese Menschen durchmachen.
Sie schreiben, das Vorgespräch sei fast wichtiger als die Rede selbst. Warum?
Ich bin da, höre den Schmerz und erkenne das an. Das ist für die Angehörigen eine große Erleichterung, dass sie einfach erzählen können. Wir reden meistens erst mal über den Tod und die letzte Zeit. Aber dann gehen wir einmal zurück, um langsam durch das ganze Leben zu gehen. Irgendwann schließt sich dieser Kreis wieder, und das ist für die Angehörigen oft unheimlich schön. Wann hat man das mal, dass man ein ganzes Leben anschaut? Die letzten Bilder vom Totenbett, die sind so stark und präsent. Wenn man aber zurückgeht und das Leben noch mal ausrollt, rutschen diese schmerzlichen Bilder etwas nach hinten, und der lebendige Mensch wird wieder präsenter. Was einen Menschen am Ende charakterisiert, sind keine Abschlüsse, Noten, Posten, sondern die schmutzigen Knie, weil er so gerne im Garten arbeitete. Die Dame, die, wenn sie die Tiere auf dem Hof gefüttert hat, auch vor den Mäuselöchern Krümel ausgelegt hat. Oder die Großmutter, die immer sagte, ihr kleiner Finger sei ganz krumm, weil die Enkel sich beim Spazierengehen so sehr daran festgehalten hätten.
Wenn Sie heute Ihre Freunde sehen – können Sie einschätzen, wie sehr es die jeweils treffen wird, wenn ihre Eltern sterben?
Manchmal möchte ich sie wachrütteln und sagen: Fahr da noch mal hin. Du weißt nicht, wie lange du deinen Vater noch hast. Im Grunde wissen die Menschen, was wichtig ist im Leben, aber manchmal braucht man so einen Realitätscheck. Ich brauchte den Verlust meiner Eltern. Ich lebe das Leben nicht so, als ob ich morgen sterben könnte, aber es hat eine andere Intensität, als läge ein anderer Filter darüber. Vor allem bin ich dankbarer.
Gleichzeitig schreiben Sie: „Mein Leben ist langweiliger geworden.“
Oh ja! Weil ich all die kleinen Dinge schätze. Der tägliche Weg zur Kita kann gut mal eine Stunde dauern statt zehn Minuten, wenn meine Tochter einen Wurm anschauen muss. Früher hätte ich entnervt auf die Uhr geschaut. Heute weiß ich, dass diese Momente zählen.
Sie schreiben, die Trauer komme vom selben Ort, von dem die Liebe kommt. Inwiefern ist die Trauer der Liebe verwandt? Ist sie so eine Art dunkle Schwester der Liebe.
Ja. Wie Licht und Schatten. Wenn man liebt, wird man irgendwann auch trauern müssen, wenn man den Menschen, die Heimat, den Hund wieder verliert.
Trauern wir heute anders als frühere Generationen?
Meine Eltern haben ihre Verlustangst und Trauer komplett weggedrängt. Deckel drauf, nie wieder drüber reden. Das erlebt man oft bei diesen Generationen aus Kriegszeiten. Heute ist der Tod kein Tabuthema, aber wir geben ihm zu wenig Raum. Weil so viel Druck ist auf dem Alltag. Wenn ich einen Termin ausmachen möchte mit den Kindern eines Verstorbenen, und die sagen, oh, nee, da muss ich arbeiten, denke ich: Ihr habt gerade eure Mutter verloren, nehmt doch einfach mal einen Tag frei.
Ein konkreter Raum der Trauer ist der Friedhof. Mein Vater kümmert sich sehr liebevoll um das Grab meiner Mutter. Als wir kürzlich am Friedhof waren und ich ihn fragte, wie es ihm bei diesen Besuchen gehe, sagte er den schönen Satz: „Oh, ich habe mich hier inzwischen wirklich gut eingelebt.“ Sie selbst konnten jahrelang nicht ans Grab Ihrer Eltern. Warum?
Beide Beerdigungen waren furchtbar, ich sehe noch, wie dieser Sarg in die kalte Erde sinkt, das Bild ist bis heute ein Albtraum für mich. Ich dachte, auf dem Friedhof kommt das alles noch mal hoch. Aber wenn ich da heute hinfahre, ist das so ein friedlicher, ruhiger Ort. Man kann alle Schutzhüllen ablegen und einfach die Trauernde sein. Ich finde es schön, da so ein bisschen rumzutüddeln. Die Landschaft ist jetzt nicht mehr kalt und gemein, sondern wie eine Decke um mich.
Kann man denn aus anderen Kulturen etwas lernen übers Trauern?
Vielleicht das Feierliche. Der mexikanische Begriff des Totenfests gefällt mir sehr. So eine Beerdigung ist ja nicht nur ein Abschied, sondern auch eine Lebensfeier, weil wir noch mal ein ganzes Leben in liebevoller Betrachtung würdigen. Außerdem markiert die Feier nicht nur das Ende einer Zeit, sondern auch den Anfang einer neuen Zeit ohne diesen verstorbenen Menschen.
Wenn Sie heute die Totenfeier Ihrer Eltern noch mal machen könnten, wie würden Sie sie gestalten?
Dann würde sie in einem Garten bei Sonnenschein stattfinden, und es würde Kuchen geben, weil meine Mutter es liebte, Kaffee trinken zu gehen.
Ihr Buch beginnt mit Mary Olivers Gedicht: „Someone I loved once gave me / a box full of darkness. It took me years to understand / that this, too, was a gift.“ In welches Geschenk hat sich diese Schachtel aus Dunkelheit in Ihrem Fall verwandelt?
Dazu, dass ich diese Arbeit machen darf. Ich habe immer noch jedes Mal Herzklopfen, wenn ich am Pult stehe. Etwas, was ursprünglich nur schmerzhaft und schwer war, hat sich in etwas Gutes transformiert. Trauer kann Menschen auch öffnen. Indem ich selbst mich in den Gesprächen zu meiner Trauer bekenne, ist manchmal eine tiefe menschliche Verbindung spürbar, die aus der Einsamkeit oder dem Verlust herrührt.
Wie hat sich durch Ihre Arbeit Ihre Sicht aufs Leben verändert?
Ich habe größere Angst vor dem Verlust anderer Menschen, aber weniger Angst vor dem Sterben. Außerdem habe ich den Alltag früher für so selbstverständlich gehalten. Wenn meine Kinder heute beim Essen sitzen, und es fliegt wieder eine Nudel über den Tisch, bin ich froh über dieses chaotische Leben. Um noch mal Mary Oliver zu zitieren: „I don’t want to end up simply having visited this world.“
Sondern? Was ist man, wenn man kein Besucher ist?
Man muss ganz rein in die Welt. Früher bin ich durch den Wald immer nur gejoggt, Kopfhörer auf, Musik an, losrennen. Heute spazier ich da durch, seh diese Bäume und Blätter und kann’s gar nicht fassen, wie schön die sind. Ich bin einfach so dankbar für das Leben, das ich habe.
„Was einen Menschen
charakterisiert, sind keine
Abschlüsse, Noten, Posten.“
„Ich bin einfach so dankbar
für das Leben,
das ich habe.“
Louise Brown, geb. 1975 in England, lebt in Norddeutschland. Sie ist Trauerrednerin, initiierte das erste „Death Cafe“ in Hamburg und betreibt den Podcast „Meine perfekte Beerdigung“. Foto: oh
Jahrelang konnte Louise Brown nicht auf den Friedhof gehen, auf dem ihre Eltern liegen. Zu schmerzhaft war die Erinnerung. Heute ist „diese Landschaft nicht mehr kalt und gemein, sondern wie eine Decke um mich.“
Foto: BenzA IMG/Alamy/mauritius
Louise Brown:
Was bleibt, wenn wir sterben. Erfahrungen einer Trauerrednerin.
Diogenes, Zürich 2021.
256 Seiten, 22 Euro.
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