Berit Glanz
Gebundenes Buch
Automaton
Roman Spannender Gegenwartsroman über die Folgen der Digitalisierung unseres Lebens
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Das Browser-Fenster zum Hof Die junge Mutter Tiff schlägt sich mit schlecht bezahlten Online-Jobs für die Plattform Automa durch, da sie wegen einer Angststörung ihre Wohnung kaum verlassen kann. Ihre zermürbende Akkordarbeit wird als angebliche Überwachungsleistung einer KI teuer verkauft, weshalb sie zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Doch dann wird sie am Bildschirm Zeugin eines Verbrechens ...Ein visionärer Gegenwartsroman, der zwischen der Klaustrophobie der eigenen vier Wände und den Hanffeldern Kaliforniens spielt und von neuen Ausbeutungsverhältnissen und den Chancen virtue...
Das Browser-Fenster zum Hof
Die junge Mutter Tiff schlägt sich mit schlecht bezahlten Online-Jobs für die Plattform Automa durch, da sie wegen einer Angststörung ihre Wohnung kaum verlassen kann. Ihre zermürbende Akkordarbeit wird als angebliche Überwachungsleistung einer KI teuer verkauft, weshalb sie zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Doch dann wird sie am Bildschirm Zeugin eines Verbrechens ...
Ein visionärer Gegenwartsroman, der zwischen der Klaustrophobie der eigenen vier Wände und den Hanffeldern Kaliforniens spielt und von neuen Ausbeutungsverhältnissen und den Chancen virtueller Solidarität erzählt.
»Dieses Buch ist ein Geniestreich. Vordergründig geht es um Kapitalismus, Digitalisierung und Angst, aber im Kern enthält es, was dabei oft vergessen wird: unsere Menschlichkeit. Berit Glanz erzählt wagemutig und klug von einem Gefühl, an dessen Existenz wir kaum noch glauben, obwohl es alles verändern kann. Es ist Hoffnung.« Mareike Fallwickl
»In einer auf den ersten Blick einsamen Wirklichkeit des anonymen Clickworkings, des heimlichen Voyeurismus und der entfremdenden Überwachung lässt Berit Glanz die Hoffnung aufblitzen, dass bei all der künstlichen Intelligenz letztlich doch auch die soziale nicht verloren geht.« Samira El Ouassil
Die junge Mutter Tiff schlägt sich mit schlecht bezahlten Online-Jobs für die Plattform Automa durch, da sie wegen einer Angststörung ihre Wohnung kaum verlassen kann. Ihre zermürbende Akkordarbeit wird als angebliche Überwachungsleistung einer KI teuer verkauft, weshalb sie zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Doch dann wird sie am Bildschirm Zeugin eines Verbrechens ...
Ein visionärer Gegenwartsroman, der zwischen der Klaustrophobie der eigenen vier Wände und den Hanffeldern Kaliforniens spielt und von neuen Ausbeutungsverhältnissen und den Chancen virtueller Solidarität erzählt.
»Dieses Buch ist ein Geniestreich. Vordergründig geht es um Kapitalismus, Digitalisierung und Angst, aber im Kern enthält es, was dabei oft vergessen wird: unsere Menschlichkeit. Berit Glanz erzählt wagemutig und klug von einem Gefühl, an dessen Existenz wir kaum noch glauben, obwohl es alles verändern kann. Es ist Hoffnung.« Mareike Fallwickl
»In einer auf den ersten Blick einsamen Wirklichkeit des anonymen Clickworkings, des heimlichen Voyeurismus und der entfremdenden Überwachung lässt Berit Glanz die Hoffnung aufblitzen, dass bei all der künstlichen Intelligenz letztlich doch auch die soziale nicht verloren geht.« Samira El Ouassil
Berit Glanz, 1982 in der Nähe von Kiel geboren, hat Theaterwissenschaft und Skandinavistik in München, Stockholm und Reykjavík studiert. Ihr Debüt 'Pixeltänzer' (2019) war für den aspekte-Literatur-Preis nominiert und wurde mit dem Hebbel-Preis 2020 ausgezeichnet, 2022 erschien der Roman 'Automaton' sowie 2023 das Sachbuch 'Filter - Digitale Bildkulturen'. Für ein Projekt zu KI erhielt sie die Bremer Netzresidenz 2020. Als Kulturjournalistin schreibt Glanz über Memes, digitale Literatur und andere Aspekte der Internetkultur. Außerdem ist sie Redaktionsmitglied des digitalen Feuilletons 54books. Sie lebt mit ihrer Familie in Reykjavík.
Produktbeschreibung
- Verlag: Berlin Verlag
- Seitenzahl: 288
- Erscheinungstermin: 24. Februar 2022
- Deutsch
- Abmessung: 134mm x 207mm x 36mm
- Gewicht: 524g
- ISBN-13: 9783827014382
- ISBN-10: 3827014387
- Artikelnr.: 62693181
Herstellerkennzeichnung
Berlin Verlag
Hedemannstraße 14
10969 Berlin
info@piper.de
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Wiebke Porombka schätzt, wie wenig "pauschal" Berit Glanz' Roman verfährt. Denn auch wenn es darin um eine durch ihre Arbeit traumatisierte Content Cleanerin namens Tiff und die in anderweitig prekären Arbeitsbedingungen tätige Stella geht, deren Handlungsstränge durch einen verschwindenden Mann verknüpft sind, liegt hier keine Technik-Dystopie vor, meint Porombka. So stehe der zermürbenden digitalen Arbeit Tiffs nicht nur plakativ der nachbarschaftliche Zusammenhalt in der analogen Welt gegenüber, sondern darf auch der digitale Raum ein solidarischer sein, wie die Kritikerin anerkennend feststellt. Durch solche Differenzierungen wird der Roman für sie zur Anti-Dystopie, die sich nicht zum simplen technikkritischen "Fatalismus" verleiten lässt, lobt Porombak - über die sprachliche Schlichtheit sieht sie angesichts dieses "Muts zum Optimismus" gerne hinweg.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Gar nicht so unheilvolle Technik
Berit Glanz hat mit ihrem Roman "Automaton" das Gegenmodell einer literarischen Dystopie geschrieben.
Beta hieß die Protagonisten aus Berit Glanz' Debütroman "Pixeltänzer" aus dem Jahr 2019, der die gegenwärtige Start-up-Welt mit der Kunstszene der Weimarer Republik verbindet und unter anderem für den Aspekte-Literaturpreis nominiert war. Tiff - ähnlich wie die Bezeichnung des digitalen Bildformats - lautet nun der Name der Hauptfigur aus "Automaton", dem jüngsten Roman der 1982 geborenen Glanz, der in den vergangenen Jahren als Autorin, Literaturwissenschaftlerin an der Universität Greifswald und Redakteurin des Onlinefeuilletons "54books" einige Aufmerksamkeit zuteilgeworden
Berit Glanz hat mit ihrem Roman "Automaton" das Gegenmodell einer literarischen Dystopie geschrieben.
Beta hieß die Protagonisten aus Berit Glanz' Debütroman "Pixeltänzer" aus dem Jahr 2019, der die gegenwärtige Start-up-Welt mit der Kunstszene der Weimarer Republik verbindet und unter anderem für den Aspekte-Literaturpreis nominiert war. Tiff - ähnlich wie die Bezeichnung des digitalen Bildformats - lautet nun der Name der Hauptfigur aus "Automaton", dem jüngsten Roman der 1982 geborenen Glanz, der in den vergangenen Jahren als Autorin, Literaturwissenschaftlerin an der Universität Greifswald und Redakteurin des Onlinefeuilletons "54books" einige Aufmerksamkeit zuteilgeworden
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ist.
Schon dieses zwischen Analogem und Digitalem aufgespannte Portfolio mag als Hinweis darauf dienen, dass ein naheliegender Schluss aus den Figurennamen ein verkürzter, weil allzu einseitiger sein könnte - dass nämlich die technische Sphäre nicht nur die Lebenswelt der Figuren, sondern gleichsam deren Körper durchdrungen habe und dies eben, wie es Vertreter der Kritik der instrumentellen Vernunft oder der Postmoderne wie etwa der französische Philosoph Paul Virilio beschworen, mit ausschließlich unheilvoller Perspektive. Ähnlich scheint es um die Funktion der Kapitelüberschriften in "Automaton" bestellt: Obgleich sie zum einen lateinische Bezeichnungen aus Flora und Fauna tragen, zum anderen Begriffe aus Baumkunde und Holzfällerhandwerk, wird hier zwar eine vermeintlich heile, ursprüngliche Gegenwelt benannt, aber nicht, um die andere Seite (jene des technischen Fortschritts) als vollends dem Untergang geweiht zu begreifen.
Versehrt durch ihre Arbeit als Content-Cleanerin ist die alleinerziehende Tiff allerdings sehr wohl. Nachdem sie in ihrem Job über Wochen hinweg im Akkord verstörende Bilder prüfen und aus dem Netz hat entfernen müssen, leidet sie an einer Angststörung, die ihr die alltäglichsten Verrichtungen - den Einkauf, den Weg zum Kindergarten, überhaupt das Verlassen der Wohnung - zu kaum zu bewältigenden Herausforderungen hat werden lassen. Was den Nutzern nicht zugemutet werden sollte, hat sich in Tiffs Psyche schmerzhaft eingeschrieben. Ein Auffangnetz findet sie in der Nachbarschaft: durch den zwar nur sporadisch anwesenden, aber sie regelmäßig auch finanziell unterstützenden Mikael und durch eine ältere Mieterin, die als Ersatz-Oma beherzt einspringt, wenn der Besuch eines Kindergartenfestes Tiff vor Angst lähmt. Solidarität in der analogen Sphäre, Destruktivität im digitalen Raum? Ja, aber eben auch in dieser Hinsicht gilt: Ganz so pauschal verhält es sich, jedenfalls bei Glanz, nicht.
Auch im zweiten, in den Vereinigten Staaten angesiedelten Handlungsstrang des Romans schildert Berit Glanz prekäre Arbeitsverhältnisse, in denen Arbeitende miserablen Strukturen oder der Willkür von Leitungsfiguren ausgesetzt sind. Stella, die Protagonistin dieser Episoden, musste sich früher in einer Fischfabrik und auf einer Hanfplantage verdingen und dabei erleben, dass es mit dem Zusammenhalt unter Beschäftigten nicht weit her war, sondern man sich durchaus auch gegenseitig um den hart verdienten Lohn brachte, vom gemeinsamen Aufbegehren gegen die Erwerbsbedingungen ganz zu schweigen. Stella betreibt nun, womöglich als Reaktion auf das Erlebte, eine Suppenküche für Bedürftige.
Verbunden werden die beiden Handlungsstränge des Romans durch einen neuen Klick-Job, den Tiff annehmen muss, ebenfalls zu Niedriglohn, wenngleich weniger zermürbend als die Tätigkeit als Content-Cleanerin, sowie durch einen kriminalistischen Dreh, den Glanz ihrem Roman gibt. Während Tiff, angeblich für die Entwicklung einer Sicherheits-KI, in der Regel ereignisarme Aufnahmen von Überwachungskameras auswerten muss, meint sie auf ein Verbrechen, mindestens aber Unglück zu stoßen: Ein obdachloser Mann, den sie immer wieder in den Überwachungsvideos sieht, verschwindet, sein Hund bleibt offenkundig verstört zurück. Die Verbindung zur Suppenküche und zum zweiten Handlungsstrang mag an dieser Stelle auf der Hand liegen.
Unterstützt von den Billiglohn-Kollegen der KI-Firma, die in aller Welt sitzen und unter denen sich über die Chatfunktion eine Art freundschaftliches Miteinander entwickelt hat, macht sich Tiff auf die Suche nach dem Verschwundenen. In dieser digitalen Gemeinschaft Gleichgesinnter - und gleich Benachteiligter - setzt sich die junge Frau erstaunlich angstfrei und ohne zu zaudern, über die harschen Reglementierungen des Auftraggebers hinweg, etwa was das Teilen von Inhalten angeht. Eine Schwarmaktion für die gute Sache, in der technisches und menschliches Potential zusammenkommen.
Und so lässt sich "Automaton" lesen als ein Widerspruch gegen einen in der Technikkritik verbreiteten Fatalismus, wie er sich in der Kontraproduktivitätsthese niedergeschlagen hat, der zufolge technische und ethische Kompetenz zwangsläufig auseinanderfallen. Auch aus einer allzu einseitigen und voraussehbaren Dystopie-Dramaturgie bricht Berit Glanz damit aus. Angesichts dieses Muts zum Optimismus mag man darüber hinwegsehen, dass "Automaton" sprachlich kaum zu überraschen vermag. WIEBKE POROMBKA.
Berit Glanz: "Automaton". Roman.
Berlin Verlag, Berlin 2022.
288 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schon dieses zwischen Analogem und Digitalem aufgespannte Portfolio mag als Hinweis darauf dienen, dass ein naheliegender Schluss aus den Figurennamen ein verkürzter, weil allzu einseitiger sein könnte - dass nämlich die technische Sphäre nicht nur die Lebenswelt der Figuren, sondern gleichsam deren Körper durchdrungen habe und dies eben, wie es Vertreter der Kritik der instrumentellen Vernunft oder der Postmoderne wie etwa der französische Philosoph Paul Virilio beschworen, mit ausschließlich unheilvoller Perspektive. Ähnlich scheint es um die Funktion der Kapitelüberschriften in "Automaton" bestellt: Obgleich sie zum einen lateinische Bezeichnungen aus Flora und Fauna tragen, zum anderen Begriffe aus Baumkunde und Holzfällerhandwerk, wird hier zwar eine vermeintlich heile, ursprüngliche Gegenwelt benannt, aber nicht, um die andere Seite (jene des technischen Fortschritts) als vollends dem Untergang geweiht zu begreifen.
Versehrt durch ihre Arbeit als Content-Cleanerin ist die alleinerziehende Tiff allerdings sehr wohl. Nachdem sie in ihrem Job über Wochen hinweg im Akkord verstörende Bilder prüfen und aus dem Netz hat entfernen müssen, leidet sie an einer Angststörung, die ihr die alltäglichsten Verrichtungen - den Einkauf, den Weg zum Kindergarten, überhaupt das Verlassen der Wohnung - zu kaum zu bewältigenden Herausforderungen hat werden lassen. Was den Nutzern nicht zugemutet werden sollte, hat sich in Tiffs Psyche schmerzhaft eingeschrieben. Ein Auffangnetz findet sie in der Nachbarschaft: durch den zwar nur sporadisch anwesenden, aber sie regelmäßig auch finanziell unterstützenden Mikael und durch eine ältere Mieterin, die als Ersatz-Oma beherzt einspringt, wenn der Besuch eines Kindergartenfestes Tiff vor Angst lähmt. Solidarität in der analogen Sphäre, Destruktivität im digitalen Raum? Ja, aber eben auch in dieser Hinsicht gilt: Ganz so pauschal verhält es sich, jedenfalls bei Glanz, nicht.
Auch im zweiten, in den Vereinigten Staaten angesiedelten Handlungsstrang des Romans schildert Berit Glanz prekäre Arbeitsverhältnisse, in denen Arbeitende miserablen Strukturen oder der Willkür von Leitungsfiguren ausgesetzt sind. Stella, die Protagonistin dieser Episoden, musste sich früher in einer Fischfabrik und auf einer Hanfplantage verdingen und dabei erleben, dass es mit dem Zusammenhalt unter Beschäftigten nicht weit her war, sondern man sich durchaus auch gegenseitig um den hart verdienten Lohn brachte, vom gemeinsamen Aufbegehren gegen die Erwerbsbedingungen ganz zu schweigen. Stella betreibt nun, womöglich als Reaktion auf das Erlebte, eine Suppenküche für Bedürftige.
Verbunden werden die beiden Handlungsstränge des Romans durch einen neuen Klick-Job, den Tiff annehmen muss, ebenfalls zu Niedriglohn, wenngleich weniger zermürbend als die Tätigkeit als Content-Cleanerin, sowie durch einen kriminalistischen Dreh, den Glanz ihrem Roman gibt. Während Tiff, angeblich für die Entwicklung einer Sicherheits-KI, in der Regel ereignisarme Aufnahmen von Überwachungskameras auswerten muss, meint sie auf ein Verbrechen, mindestens aber Unglück zu stoßen: Ein obdachloser Mann, den sie immer wieder in den Überwachungsvideos sieht, verschwindet, sein Hund bleibt offenkundig verstört zurück. Die Verbindung zur Suppenküche und zum zweiten Handlungsstrang mag an dieser Stelle auf der Hand liegen.
Unterstützt von den Billiglohn-Kollegen der KI-Firma, die in aller Welt sitzen und unter denen sich über die Chatfunktion eine Art freundschaftliches Miteinander entwickelt hat, macht sich Tiff auf die Suche nach dem Verschwundenen. In dieser digitalen Gemeinschaft Gleichgesinnter - und gleich Benachteiligter - setzt sich die junge Frau erstaunlich angstfrei und ohne zu zaudern, über die harschen Reglementierungen des Auftraggebers hinweg, etwa was das Teilen von Inhalten angeht. Eine Schwarmaktion für die gute Sache, in der technisches und menschliches Potential zusammenkommen.
Und so lässt sich "Automaton" lesen als ein Widerspruch gegen einen in der Technikkritik verbreiteten Fatalismus, wie er sich in der Kontraproduktivitätsthese niedergeschlagen hat, der zufolge technische und ethische Kompetenz zwangsläufig auseinanderfallen. Auch aus einer allzu einseitigen und voraussehbaren Dystopie-Dramaturgie bricht Berit Glanz damit aus. Angesichts dieses Muts zum Optimismus mag man darüber hinwegsehen, dass "Automaton" sprachlich kaum zu überraschen vermag. WIEBKE POROMBKA.
Berit Glanz: "Automaton". Roman.
Berlin Verlag, Berlin 2022.
288 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Berit Glanz' Geschichte besticht insbesondere durch ihren inhaltlichen Balanceakt.« Alain Claude Sulzer NZZ am Sonntag 20220327
Gar nicht so unheilvolle Technik
Berit Glanz hat mit ihrem Roman "Automaton" das Gegenmodell einer literarischen Dystopie geschrieben.
Beta hieß die Protagonisten aus Berit Glanz' Debütroman "Pixeltänzer" aus dem Jahr 2019, der die gegenwärtige Start-up-Welt mit der Kunstszene der Weimarer Republik verbindet und unter anderem für den Aspekte-Literaturpreis nominiert war. Tiff - ähnlich wie die Bezeichnung des digitalen Bildformats - lautet nun der Name der Hauptfigur aus "Automaton", dem jüngsten Roman der 1982 geborenen Glanz, der in den vergangenen Jahren als Autorin, Literaturwissenschaftlerin an der Universität Greifswald und Redakteurin des Onlinefeuilletons "54books" einige Aufmerksamkeit zuteilgeworden
Berit Glanz hat mit ihrem Roman "Automaton" das Gegenmodell einer literarischen Dystopie geschrieben.
Beta hieß die Protagonisten aus Berit Glanz' Debütroman "Pixeltänzer" aus dem Jahr 2019, der die gegenwärtige Start-up-Welt mit der Kunstszene der Weimarer Republik verbindet und unter anderem für den Aspekte-Literaturpreis nominiert war. Tiff - ähnlich wie die Bezeichnung des digitalen Bildformats - lautet nun der Name der Hauptfigur aus "Automaton", dem jüngsten Roman der 1982 geborenen Glanz, der in den vergangenen Jahren als Autorin, Literaturwissenschaftlerin an der Universität Greifswald und Redakteurin des Onlinefeuilletons "54books" einige Aufmerksamkeit zuteilgeworden
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ist.
Schon dieses zwischen Analogem und Digitalem aufgespannte Portfolio mag als Hinweis darauf dienen, dass ein naheliegender Schluss aus den Figurennamen ein verkürzter, weil allzu einseitiger sein könnte - dass nämlich die technische Sphäre nicht nur die Lebenswelt der Figuren, sondern gleichsam deren Körper durchdrungen habe und dies eben, wie es Vertreter der Kritik der instrumentellen Vernunft oder der Postmoderne wie etwa der französische Philosoph Paul Virilio beschworen, mit ausschließlich unheilvoller Perspektive. Ähnlich scheint es um die Funktion der Kapitelüberschriften in "Automaton" bestellt: Obgleich sie zum einen lateinische Bezeichnungen aus Flora und Fauna tragen, zum anderen Begriffe aus Baumkunde und Holzfällerhandwerk, wird hier zwar eine vermeintlich heile, ursprüngliche Gegenwelt benannt, aber nicht, um die andere Seite (jene des technischen Fortschritts) als vollends dem Untergang geweiht zu begreifen.
Versehrt durch ihre Arbeit als Content-Cleanerin ist die alleinerziehende Tiff allerdings sehr wohl. Nachdem sie in ihrem Job über Wochen hinweg im Akkord verstörende Bilder prüfen und aus dem Netz hat entfernen müssen, leidet sie an einer Angststörung, die ihr die alltäglichsten Verrichtungen - den Einkauf, den Weg zum Kindergarten, überhaupt das Verlassen der Wohnung - zu kaum zu bewältigenden Herausforderungen hat werden lassen. Was den Nutzern nicht zugemutet werden sollte, hat sich in Tiffs Psyche schmerzhaft eingeschrieben. Ein Auffangnetz findet sie in der Nachbarschaft: durch den zwar nur sporadisch anwesenden, aber sie regelmäßig auch finanziell unterstützenden Mikael und durch eine ältere Mieterin, die als Ersatz-Oma beherzt einspringt, wenn der Besuch eines Kindergartenfestes Tiff vor Angst lähmt. Solidarität in der analogen Sphäre, Destruktivität im digitalen Raum? Ja, aber eben auch in dieser Hinsicht gilt: Ganz so pauschal verhält es sich, jedenfalls bei Glanz, nicht.
Auch im zweiten, in den Vereinigten Staaten angesiedelten Handlungsstrang des Romans schildert Berit Glanz prekäre Arbeitsverhältnisse, in denen Arbeitende miserablen Strukturen oder der Willkür von Leitungsfiguren ausgesetzt sind. Stella, die Protagonistin dieser Episoden, musste sich früher in einer Fischfabrik und auf einer Hanfplantage verdingen und dabei erleben, dass es mit dem Zusammenhalt unter Beschäftigten nicht weit her war, sondern man sich durchaus auch gegenseitig um den hart verdienten Lohn brachte, vom gemeinsamen Aufbegehren gegen die Erwerbsbedingungen ganz zu schweigen. Stella betreibt nun, womöglich als Reaktion auf das Erlebte, eine Suppenküche für Bedürftige.
Verbunden werden die beiden Handlungsstränge des Romans durch einen neuen Klick-Job, den Tiff annehmen muss, ebenfalls zu Niedriglohn, wenngleich weniger zermürbend als die Tätigkeit als Content-Cleanerin, sowie durch einen kriminalistischen Dreh, den Glanz ihrem Roman gibt. Während Tiff, angeblich für die Entwicklung einer Sicherheits-KI, in der Regel ereignisarme Aufnahmen von Überwachungskameras auswerten muss, meint sie auf ein Verbrechen, mindestens aber Unglück zu stoßen: Ein obdachloser Mann, den sie immer wieder in den Überwachungsvideos sieht, verschwindet, sein Hund bleibt offenkundig verstört zurück. Die Verbindung zur Suppenküche und zum zweiten Handlungsstrang mag an dieser Stelle auf der Hand liegen.
Unterstützt von den Billiglohn-Kollegen der KI-Firma, die in aller Welt sitzen und unter denen sich über die Chatfunktion eine Art freundschaftliches Miteinander entwickelt hat, macht sich Tiff auf die Suche nach dem Verschwundenen. In dieser digitalen Gemeinschaft Gleichgesinnter - und gleich Benachteiligter - setzt sich die junge Frau erstaunlich angstfrei und ohne zu zaudern, über die harschen Reglementierungen des Auftraggebers hinweg, etwa was das Teilen von Inhalten angeht. Eine Schwarmaktion für die gute Sache, in der technisches und menschliches Potential zusammenkommen.
Und so lässt sich "Automaton" lesen als ein Widerspruch gegen einen in der Technikkritik verbreiteten Fatalismus, wie er sich in der Kontraproduktivitätsthese niedergeschlagen hat, der zufolge technische und ethische Kompetenz zwangsläufig auseinanderfallen. Auch aus einer allzu einseitigen und voraussehbaren Dystopie-Dramaturgie bricht Berit Glanz damit aus. Angesichts dieses Muts zum Optimismus mag man darüber hinwegsehen, dass "Automaton" sprachlich kaum zu überraschen vermag. WIEBKE POROMBKA.
Berit Glanz: "Automaton". Roman.
Berlin Verlag, Berlin 2022.
288 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schon dieses zwischen Analogem und Digitalem aufgespannte Portfolio mag als Hinweis darauf dienen, dass ein naheliegender Schluss aus den Figurennamen ein verkürzter, weil allzu einseitiger sein könnte - dass nämlich die technische Sphäre nicht nur die Lebenswelt der Figuren, sondern gleichsam deren Körper durchdrungen habe und dies eben, wie es Vertreter der Kritik der instrumentellen Vernunft oder der Postmoderne wie etwa der französische Philosoph Paul Virilio beschworen, mit ausschließlich unheilvoller Perspektive. Ähnlich scheint es um die Funktion der Kapitelüberschriften in "Automaton" bestellt: Obgleich sie zum einen lateinische Bezeichnungen aus Flora und Fauna tragen, zum anderen Begriffe aus Baumkunde und Holzfällerhandwerk, wird hier zwar eine vermeintlich heile, ursprüngliche Gegenwelt benannt, aber nicht, um die andere Seite (jene des technischen Fortschritts) als vollends dem Untergang geweiht zu begreifen.
Versehrt durch ihre Arbeit als Content-Cleanerin ist die alleinerziehende Tiff allerdings sehr wohl. Nachdem sie in ihrem Job über Wochen hinweg im Akkord verstörende Bilder prüfen und aus dem Netz hat entfernen müssen, leidet sie an einer Angststörung, die ihr die alltäglichsten Verrichtungen - den Einkauf, den Weg zum Kindergarten, überhaupt das Verlassen der Wohnung - zu kaum zu bewältigenden Herausforderungen hat werden lassen. Was den Nutzern nicht zugemutet werden sollte, hat sich in Tiffs Psyche schmerzhaft eingeschrieben. Ein Auffangnetz findet sie in der Nachbarschaft: durch den zwar nur sporadisch anwesenden, aber sie regelmäßig auch finanziell unterstützenden Mikael und durch eine ältere Mieterin, die als Ersatz-Oma beherzt einspringt, wenn der Besuch eines Kindergartenfestes Tiff vor Angst lähmt. Solidarität in der analogen Sphäre, Destruktivität im digitalen Raum? Ja, aber eben auch in dieser Hinsicht gilt: Ganz so pauschal verhält es sich, jedenfalls bei Glanz, nicht.
Auch im zweiten, in den Vereinigten Staaten angesiedelten Handlungsstrang des Romans schildert Berit Glanz prekäre Arbeitsverhältnisse, in denen Arbeitende miserablen Strukturen oder der Willkür von Leitungsfiguren ausgesetzt sind. Stella, die Protagonistin dieser Episoden, musste sich früher in einer Fischfabrik und auf einer Hanfplantage verdingen und dabei erleben, dass es mit dem Zusammenhalt unter Beschäftigten nicht weit her war, sondern man sich durchaus auch gegenseitig um den hart verdienten Lohn brachte, vom gemeinsamen Aufbegehren gegen die Erwerbsbedingungen ganz zu schweigen. Stella betreibt nun, womöglich als Reaktion auf das Erlebte, eine Suppenküche für Bedürftige.
Verbunden werden die beiden Handlungsstränge des Romans durch einen neuen Klick-Job, den Tiff annehmen muss, ebenfalls zu Niedriglohn, wenngleich weniger zermürbend als die Tätigkeit als Content-Cleanerin, sowie durch einen kriminalistischen Dreh, den Glanz ihrem Roman gibt. Während Tiff, angeblich für die Entwicklung einer Sicherheits-KI, in der Regel ereignisarme Aufnahmen von Überwachungskameras auswerten muss, meint sie auf ein Verbrechen, mindestens aber Unglück zu stoßen: Ein obdachloser Mann, den sie immer wieder in den Überwachungsvideos sieht, verschwindet, sein Hund bleibt offenkundig verstört zurück. Die Verbindung zur Suppenküche und zum zweiten Handlungsstrang mag an dieser Stelle auf der Hand liegen.
Unterstützt von den Billiglohn-Kollegen der KI-Firma, die in aller Welt sitzen und unter denen sich über die Chatfunktion eine Art freundschaftliches Miteinander entwickelt hat, macht sich Tiff auf die Suche nach dem Verschwundenen. In dieser digitalen Gemeinschaft Gleichgesinnter - und gleich Benachteiligter - setzt sich die junge Frau erstaunlich angstfrei und ohne zu zaudern, über die harschen Reglementierungen des Auftraggebers hinweg, etwa was das Teilen von Inhalten angeht. Eine Schwarmaktion für die gute Sache, in der technisches und menschliches Potential zusammenkommen.
Und so lässt sich "Automaton" lesen als ein Widerspruch gegen einen in der Technikkritik verbreiteten Fatalismus, wie er sich in der Kontraproduktivitätsthese niedergeschlagen hat, der zufolge technische und ethische Kompetenz zwangsläufig auseinanderfallen. Auch aus einer allzu einseitigen und voraussehbaren Dystopie-Dramaturgie bricht Berit Glanz damit aus. Angesichts dieses Muts zum Optimismus mag man darüber hinwegsehen, dass "Automaton" sprachlich kaum zu überraschen vermag. WIEBKE POROMBKA.
Berit Glanz: "Automaton". Roman.
Berlin Verlag, Berlin 2022.
288 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Hoffnung auf ein gutes Ende
Die alleinerziehende junge Mutter Tiff arbeitet von zu Hause aus im Akkord: online erledigt sie schlecht bezahlte monotone Klick- und auch Video- Überwachungsjobs für die Plattform Automa. Tiff leidet an einer Angststörung, sie kann nur unter …
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Hoffnung auf ein gutes Ende
Die alleinerziehende junge Mutter Tiff arbeitet von zu Hause aus im Akkord: online erledigt sie schlecht bezahlte monotone Klick- und auch Video- Überwachungsjobs für die Plattform Automa. Tiff leidet an einer Angststörung, sie kann nur unter Schwierigkeiten das Haus verlassen, macht sich Vorwürfe wegen ihres Sohns, dem sie kaum etwas bieten kann und der natürlich ebenfalls unter ihren psychischen Problemen leidet, und sie ist einsam.
Unterstützung und Beistand erfährt sie von zwei Wohnungsnachbarn und da gibt es noch die beiden Chatpartner, Kollegen, mit denen sie sich im Geheimen austauscht. Sie musste einen Verschwiegenheitsklausel unterschreiben, denn ihre Arbeit wird den Kunden als Überwachungsleistung einer KI verkauft.
Es gibt einen zweiten Handlungsstrang um die verwitwete Stella und einen Freund, den sie jahrzehntelang nicht gesehen hat, beide haben ebenfalls Erfahrung mit prekären Arbeitsverhältnissen.
Das Verschwinden eines Obdachlosen, der oft auf einem der Überwachungsvideos zu sehen war, bedeutet eine Unterbrechung der monotonen Bildschirmarbeit und wird für Tiff zum Anlass, sich aktiv um die Aufklärung dieses Verschwindens zu bemühen. Ihr unbedingter Wunsch, dass „diese Geschichte gut ausgeht“, erscheint wie ein Gegengewicht zu den furchtbaren Bildern, die sie in ihrem vorigen Onlinejob moderiert hat und die ihre Angststörung verursacht haben. Das Internet wird für Tiff auch zur Möglichkeit, etwas in Gang zu setzen und die Geschichte des Obdachlosen mit Hilfe ihrer befreundeten Nachbarn und Kollegen aufzuklären.
Berit Glanz schildert die Lebenssituation der jungen Mutter glaubwürdig, berührend und authentisch und beleuchtet die monotone, anstrengende Tätigkeit der „clickworker“, die allein, auf sich gestellt und nicht abgesichert, schlecht bezahlte Arbeit leisten. Die Erzählung ist latent spannend, weiß Tiff (und damit auch der Leser) doch nie, was auf den Bildern oder in den Videos zu sehen sein wird. Der Handlungsstrang um Stella und ihren Freund nimmt für mich jedoch zu viel Platz ein, obwohl es Parallelen im Leben der beiden Frauen gibt und die beiden Erzählebenen schließlich zusammengeführt werden.
Der Schreibstil ist flüssig und lebendig, sehr angenehm zu lesen, die Kapitel sind kurz und werden durch Chatprotokolle ergänzt.
Der Klappentext ist irreführend, denn er deutet eine Entwicklung an, die nicht eintritt, weshalb ich einen halben Stern abziehe. Ich hatte auf Grund des Verlagstextes eine andere Geschichte erwartet. Am Schluss bleibt offen, wie es für Tiff weitergeht, aber das Buch endet in einer hoffnungsvollen Stimmung.
Ich vergebe 3,5 Sterne.
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Vernetzt und überwacht
"Automaton" von Berit Glanz ist ganz besonderes Buch. Es erzählt die Geschichte einer jungen Frau, Tiff, die sich wegen Angststörungen kaum auf die Straße traut. Ihr Geld verdient sie sich mühsam bei Online-Portalen mit Klickjobs, …
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Vernetzt und überwacht
"Automaton" von Berit Glanz ist ganz besonderes Buch. Es erzählt die Geschichte einer jungen Frau, Tiff, die sich wegen Angststörungen kaum auf die Straße traut. Ihr Geld verdient sie sich mühsam bei Online-Portalen mit Klickjobs, Überwachung am Bildschirm anstelle einer KI.
Gleichzeitig erzählt es auch die Geschichte eines Verlustes und Wiederfindens und von Freundschaften und Menschlichkeit. Sehr gut wird auch die Kälte einer Welt gezeigt, wo es immer unpersönlicher und digitaler wird und es alles nur noch um Geld geht.
Auch Stella ist eine Protagonistin, die eine ganz andere Geschichte lebt und erlebt hat und als Leser beginnt man sich zu fragen, was diese Menschen miteinander verbindet. Auch das wird sich klären.
Was mich beim Lesen erst stutzen ließ und mir dann sehr viel Spaß machte, waren die Überschriften der einzelnen Kapitel. Diese bestanden aus lateinischen Namen von Tieren, Insekten oder Pflanzen, die man bei aufmerksamen Lesen im Text wiederfinden konnte.
Tiff ist in ihrem Job auch noch in einem Online-Forum und hier gab es einige der Cahtverläufe zum nachlesen, das war erfrischend anders und trieb auch die Geschichte voran.
Die Schreibweise gefällt mir und die Geschichte begann mich sehr schnell zu interessieren, letztendlich waren es für imch fast zu viele Themen, die hier angerissen wurden, zu denen ich gerne mehr gelesen und erfahren hätte. Das Buch hat mir sehr gut gefallen und mich recht nachdenklich zurückgelassen.
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Dem Roman "Automaton" von Berit Glanz liegt ein ungewöhnliches Thema zugrunde: Die alleinerziehende und unter Angststörungen leidende Mutter Tiff schlägt sich mit schlechtbezahlten Online-Jobs für die Plattform Atoma durch. Damit künstliche Intelligenz in der …
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Dem Roman "Automaton" von Berit Glanz liegt ein ungewöhnliches Thema zugrunde: Die alleinerziehende und unter Angststörungen leidende Mutter Tiff schlägt sich mit schlechtbezahlten Online-Jobs für die Plattform Atoma durch. Damit künstliche Intelligenz in der Zukunft funktionieren kann, muss sie erst von menschlicher Intelligenz gefüttert werden. Und so sehen sich Tiff und weitere clickworker Tag für Tag langweilige Videoaufnahmen von Lagerhallen und anderen Objekten an, um anschließend festzuhalten, ob darauf irgendwelche Veränderungen zu verzeichnen sind. Ein wenig Abwechslung bringt das Erscheinen eines Obdachlosen, der sich mit seinem Hund vor einer der Lagerhallen niederlässt und diesem regelmäßig aus einem Buch vorliest.
Eines Tages ist der Obdachlose verschwunden. Zurück bleibt der Hund, an welchem Tiff Zeichen von großem Stress zu erkennen meint. Zusammen mit ein paar Co-Workern macht sie sich auf die Suche nach "Mr. Beard", ohne zunächst zu wissen, in welchem Land und in welcher Stadt sie überhaupt suchen sollen.
In einem zweiten Erzählstrang lernt man als Leser(in) die junge Stella kennen, die einen ähnlich monotonen Job wie Tiff ausübt: sie arbeitet in einer Fischfabrik in Kalifornien, beschließt dann aber auf einer Hanfplantage ihr Glück zu versuchen.
Wie all das zusammenhängt erschließt sich erst allmählich und wird am Ende schließlich zufriedenstellend aufgelöst. Für mich war der Roman "Automaton" ein Blick in die mir bis dato unbekannte Welt der clickworker, die genau wie Erntehelfer und Fabrikarbeiter meist mit unterbezahlten Jobs ihren Lebensunterhalt bestreiten, noch dazu anonym und vertraglich zu absoluter Geheimhaltung verpflichtet. Doch Berit Glanz zeigt in ihrer Geschichte auch, was Menschen durch Solidarität, Empathie und Beobachtungsgabe alles erreichen können; alles Fähigkeiten, zu denen eine KI eben nicht in der Lage ist.
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Fenster zum Leben
Nach ihrem Erfolgsdebüt „Pixeltänzer“ leuchtet die Literaturwissenschaftlerin und Autorin Berit Glanz nun auch in ihrem neuen unterhaltsamen Roman „Automaton“ faszinierend die nahtlosen Verbindungen zwischen der analogen und der digitalen Welt aus …
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Fenster zum Leben
Nach ihrem Erfolgsdebüt „Pixeltänzer“ leuchtet die Literaturwissenschaftlerin und Autorin Berit Glanz nun auch in ihrem neuen unterhaltsamen Roman „Automaton“ faszinierend die nahtlosen Verbindungen zwischen der analogen und der digitalen Welt aus – und betrachtet feinfühlig die Menschen, ihre Leben und Probleme darin. Dabei lässt sich Glanz konzentriert Zeit beim Erzählen und dem subtilen Aufbauen zweier Erzählstränge aus zwei Frauenleben auf zwei unterschiedlichen Kontinenten, die sich dank der digitalen Vernetzung langsam und hoffnungsvoll verbinden.
Protagonistin Tiff (schöne Anspielung auf das gleichnamige Bildformat) ist alleinerziehende Mutter eines Sohnes und leidet an starken Angststörungen, die sie an ihre Wohnung fesseln – sie ist Content-Managerin und Clickworkerin, hat für eine große Social Media Firma moderiert und anstößigen Inhalt sowie gewaltvolle Bilder gefiltert, bis sie diese nicht mehr losgelassen haben und sich in ihrem Kopf eingebrannt haben. Gefangen in Armut und prekären Arbeitsverhältnissen arbeitet sie von zuhause aus als Automaton: Über Foren zieht sie sich monotone Jobs, sogenannte Autobs, ans Land, in denen sie Inhalte wie Bilder, Texte oder Videos ansehen und verschlagworten muss. Eine Arbeit, die laut ExtraEye angeblich von KI durchgeführt wird, doch leisten sie in Wahrheit schlecht bezahlte, menschliche Clickworker. Auch hier besteht die Gefahr, dass sie hilflos verstörenden Content ansehen muss, doch die meisten Aufträge erweisen sich zwar als stupide und repetitiv, aber harmlos. In einem Auftrag der Firma ExtraEye überwacht sie Überwachungskamera-Aufzeichnungen einer amerikanischen Lagerhalle – auf mehreren Aufnahmen ist ein bärtiger, obdachloser Mann zu sehen, der seinem Hund liebevoll etwas vorliest und vor den Toren übernachtet. Dann verschwindet der Mann, doch der Hund bleibt verstört und verängstigt zurück, bis auch er nicht mehr zu sehen ist.
Tiff entscheidet diesmal, nicht hilflos zuzusehen, wie die Menschen in den Videos aus ihrem Leben verschwinden und sie nicht weiß, wie ihre Geschichte endet – anders als eine KI hat sie menschliche Emotionen. Entgegen ihrer Existenz- und anderen Ängsten stellt sie sich ihrer Hilflosigkeit und erhält solidarische, digitale Hilfe ihrer Chat-Freunde aus den Automaton-Foren. Gemeinsam gehen sie virtuell auf Spurensuche nach Mr. Beard und seinem Hund – sie wird sie an die amerikanische Westküste zu Stella führen, die den zweiten Erählstrang des Romans ausmacht: Sie arbeitet auch in prekären Arbeitssituationen, aber in der analogen Welt auf einem Marihuana-Feld in Kalifornien und hilft nebenbei in der Suppenküche aus. Auch sie hat mit Traumata aus der Vergangenheit, Einsamkeit und Enttäuschung zu kämpfen, doch der Fall von Tiff aus Deutschland wird auch ihr neue Hoffnung schenken.
Mit einer subtilen Spannung, einem ruhig-eindringlichen Schreibstil, der sich mit mehreren Chatprotokollen mischt, und einer klaren Sprache zeigt Berit Glanz deutlich und empathisch auf, wie sich prekäre Arbeitssituationen in der analogen und digitalen Welt ähneln und unterscheiden. Die Kapitelüberschriften in Tiffs Welt gleichen einer lateinischen Nomenklatur der Tier- und Pflanzenwelt und haben eine puzzleartige Bedeutung in den jeweiligen Kapiteln, bis am Ende der schöne covergebende Hauhechel-Bläuling das Ende berührend abrundet. Die Überschriften in Stellas Leben spielen mit dem Gegensatz der physischen Arbeit in der Natur, größtenteils mit Holz in der Anspielung auf die aussterbende Holzfällerarbeit des Großvaters.
Tiffs Ängste, aber auch ihr Fenster zum Hof (Hitchcock lässt grüßen), ihr Blick durch das Browserfenster hindurch ins analoge Leben eröffnet ihr selbst Heilungs- und Handlungsmöglichkeiten im eigenen Leben. Glanz spielt in ihrem klug arrangierten und vielschichtigen Roman gekonnt mit den neuen Möglichkeiten im digitalen Raum und entwickelt eine zutiefst menschliche Geschichte über Zusammenhalt, Hoffnung und Solidarität in einer W
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Die alleinerziehende Mutter Tiff arbeitet für die Plattform Automaton und führt für diese Aufträge aus - ob sie dabei KI trainiert oder kostengünstig deren Aufgaben übernimmt, bleibt offen. Zuvor hatte sie für ein Unternehmen den hochgelandenen Content der User …
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Die alleinerziehende Mutter Tiff arbeitet für die Plattform Automaton und führt für diese Aufträge aus - ob sie dabei KI trainiert oder kostengünstig deren Aufgaben übernimmt, bleibt offen. Zuvor hatte sie für ein Unternehmen den hochgelandenen Content der User kontrolliert und dabei soviel traumatisches gesehen, dass sie nun unter einer Angststörung leidet. Bei einem Automaton Job, bei dem sie Videomaterial sichtet, fällt ihr dann das Verschwinden eines Menschen auf.
Automaton ist ein Roman, der viele hoch aktuelle Themen rund um Digitalisierung, KI und Überwachung behandelt. Ungeschönt berichtet er bzw. Tiff von den Schattenseiten, hat mich aber trotzdem nicht bedrückt, denn es geht auch um Solidarität und Empathie in einer digitalen und anonymen Welt.
Gelesen habe ich Automaton sehr gerne, ich mochte den Schreibstil, die Themen und allem voran mochte ich die Protagonistin Tiff. Trotzdem habe ich zwei kleine Kritikpunkte: Zum einen wurde mir "das Verbrechen" zu einfach aufgelöst, es war mir irgendwie zu glatt und hätte es gern lieber etwas weniger vorhersehbar gehabt.
Und zweitens wird der Roman nicht nur aus Tiffs Perspektive erzählt, sondern auch von Stella, von der man lange Zeit nicht weiß, wie sie mit der ganzen Sache zusammenhängt. Es wird ihre Geschichte aus den 70ern auf Hanfplantagen geschildert, und auch wenn ich diese überhaupt nicht unspannend fand, hat sie mir im Kontext des Romans etwas zu viel Raum eingenommen. Tiff war so eine interessante Protagonistin, dass ich viel lieber mehr von ihr (und vielleicht auch von ihrem vorherigen Job) erfahren hätte.
Trotzdem ein echt guter Roman und ich verleihe hiermit auch schonmal den Preis für "schönstes Cover im Jahr 2022" - glaube kaum, dass das für mich nochmal getoppt wird
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Spannendes Setting. Spannung natürlich auch vorhanden und eine bedrückende Atmosphäre. Die so fein geschilderten zwischenmenschlichen Beziehungen haben mich gefesselt und mir hat der Roman im Großen und Ganzen gut gefallen.
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eBook, ePUB
Panikattacken fesseln die junge Mutter Tiff an ihre Wohnung. Schon der Weg zum Kindergarten ihres Sohnes Leon ist oftmals eine Herausforderung, an arbeiten außerhalb des geschützten Raums ist gar nicht zu denken. Glücklicherweise findet sie auf der Internetplattform Automa immer …
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Panikattacken fesseln die junge Mutter Tiff an ihre Wohnung. Schon der Weg zum Kindergarten ihres Sohnes Leon ist oftmals eine Herausforderung, an arbeiten außerhalb des geschützten Raums ist gar nicht zu denken. Glücklicherweise findet sie auf der Internetplattform Automa immer wieder Aufträge, die zwar schlecht bezahlt sind, aber von Zuhause aus erledigt werden können. Oftmals muss sie Bilder verschlagworten, mehr und mehr jedoch sieht sie sich Überwachungskameras an und notiert, wenn dort etwas passiert. Mit ihren Kollegen, die sie nur unter ihren Pseudonymen kennt, tauscht sie sich über die Videos aus, manche Menschen und Szenerien dort tauchen immer wieder auf und scheinen fast wie alte Bekannte zu sein. Bis plötzlich ein Mann verschwunden ist.
Berit Glanz greift in ihrem zweiten Roman „Automaton“ gleich mehrere aktuelle Gesellschaftsthemen auf. Zum einen ist ihre Protagonistin durch ihre Psyche stark in ihrem Leben und ihren Möglichkeiten eingeschränkt, was jedoch außer ihrem unmittelbaren Nachfeld niemanden zu interessieren scheint. Zum anderen prekär bezahlte Arbeit und die Reichweite des Internets in den normalen Alltag der Menschen. Eine Geschichte, die sich am Rand unserer Gesellschaft abspielt und diesen sichtbar macht.
Tiffs Situation ist in jeder Hinsicht schwierig. Die finanziellen Probleme, mit denen die alleinerziehende Mutter zu kämpfen hat, und die dem Wunsch gegenüberstehen, dem Sohn auch etwas zu bieten, was durch die Panikattacken zudem erschwert wird. Auch wenn sie glaubt, Leon eine unbeschwerte Kindheit ermöglichen zu können, wird doch immer wieder klar, dass der Junge trotz seines Alters sehr wohl spürt, wie die Lage seiner Mutter ist und seine Bedürfnisse zurückstellt. Ein Schicksal, dass Leon mit vielen Kindern teilt, die von klein auf Verzicht kennen und ihre Eltern nicht noch mehr belasten wollen durch eigene Wünsche.
Die online Jobs, die Tiff übernimmt, scheinen zunächst zur Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz zu dienen. Sie sind von Monotonie geprägt, doch die Menschen hinter den Bildschirmen lassen sich nicht auf automatische Reaktionen reduzieren, sondern werden umso humaner, als sie den Verdacht eines Verbrechens hegen. Die globale Vernetzung wird plötzlich zur Chance, vom heimischen Computer aus etwas zu bewegen und sich des mechanischen Daseins zu entledigen.
Berit Glanz spielt geschickt mit der Ambivalenz zwischen stupiden Arbeitsabläufen und einförmigem Alltag und dem Wunsch nach Ausbruch und einem lebenswerten Leben. Im Hinterhof kann Tiff plötzlich etwas gestalten, während sie gleichzeitig an Wohnung und Computer gefesselt ist. Äußere und innere Freiheit konkurrieren im Roman und lösen bisweilen scheinbare Widersprüche auf.
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