Nora Bossong
MP3-CD
Reichskanzlerplatz
Ungekürzte Lesung mit Cédric Cavatore (1 mp3-CD). 426 Min.. Lesung
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Berlin, 1919: Als Hans die junge Stiefmutter seines Schulfreunds Hellmut Quandt kennenlernt, ahnt er nicht, welche Rolle Magda in seinem Leben spielen wird - für ihn persönlich, aber auch Jahre später als fanatische Nationalsozialistin und Vorzeigemutter des Dritten Reichs. Noch ist die Weimarer Republik im Aufbruch und Hans hoffnungslos in Hellmut verliebt. Doch nach einem Unglücksfall beginnen Hans und Magda eine Affäre, von der sie sich Trost und Vorteile versprechen: Sie will aus ihrer Ehe ausbrechen, er seine Homosexualität verbergen. Als Magda Joseph Goebbels kennenlernt und der NS...
Berlin, 1919: Als Hans die junge Stiefmutter seines Schulfreunds Hellmut Quandt kennenlernt, ahnt er nicht, welche Rolle Magda in seinem Leben spielen wird - für ihn persönlich, aber auch Jahre später als fanatische Nationalsozialistin und Vorzeigemutter des Dritten Reichs. Noch ist die Weimarer Republik im Aufbruch und Hans hoffnungslos in Hellmut verliebt. Doch nach einem Unglücksfall beginnen Hans und Magda eine Affäre, von der sie sich Trost und Vorteile versprechen: Sie will aus ihrer Ehe ausbrechen, er seine Homosexualität verbergen. Als Magda Joseph Goebbels kennenlernt und der NSDAP beitritt, kommt es zwischen ihnen zum Bruch.Ungekürzte Lesung mit Cédric Cavatore1 mp3-CD ca. 7 h 6 min
Nora Bossong, 1982 in Bremen geboren, schreibt Lyrik, Romane und Essays, für die sie mehrfach ausgezeichnet wurde, zuletzt mit dem 'Joseph-Breitbach-Preis', dem 'Thomas-Mann Preis' und dem 'Elisabeth-Langgässer-Literaturpreis'. Nora Bossong lebt in Berlin.
Produktdetails
- Verlag: Der Audio Verlag, Dav
- Gesamtlaufzeit: 426 Min.
- Erscheinungstermin: 15. August 2024
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783742433169
- Artikelnr.: 70317428
Herstellerkennzeichnung
Audio Verlag Der GmbH
Hardenbergstraße 9A
10623 Berlin
info@der-audio-verlag.de
»Eine Autorin mit Blick für große politische Zusammenhänge.« Deutschlandfunk Kultur
Gebannt vom Meisterspiel der Täuschung
Das Buch ist 126 Seiten alt, da taucht er doch noch auf: "Seine Miene ist nicht so düster wie auf den Plakaten, er lauscht aufmerksam der Musik, tritt einen Schritt näher und blickt mir über die Schultern auf die Finger. Schubert, sage ich. Es geht zu Herzen, antwortet Hitler."
Natürlich war er zuvor schon immer präsent, denn wer einen Roman über eine der prominentesten Frauen der NS-Zeit schreibt, setzt dessen Handlung unvermeidlich in den Schatten Hitlers. Aber als er dann persönlich auftritt, lang erwartet, doch zuvor nie erwähnt, ist das ein kleines Virtuosenstück, weil es eben so beiläufig geschieht. Wobei Nora Bossong um die Wirkung nur zu genau weiß, platziert
Das Buch ist 126 Seiten alt, da taucht er doch noch auf: "Seine Miene ist nicht so düster wie auf den Plakaten, er lauscht aufmerksam der Musik, tritt einen Schritt näher und blickt mir über die Schultern auf die Finger. Schubert, sage ich. Es geht zu Herzen, antwortet Hitler."
Natürlich war er zuvor schon immer präsent, denn wer einen Roman über eine der prominentesten Frauen der NS-Zeit schreibt, setzt dessen Handlung unvermeidlich in den Schatten Hitlers. Aber als er dann persönlich auftritt, lang erwartet, doch zuvor nie erwähnt, ist das ein kleines Virtuosenstück, weil es eben so beiläufig geschieht. Wobei Nora Bossong um die Wirkung nur zu genau weiß, platziert
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sie den zitierten Auftritt doch am Ende eines Kapitels, sodass der Name nachhallt in die Zäsur der Lektüre.
"Reichskanzlerplatz" heißt ihr Roman, und schon der Titel könnte die Erwartung wecken, es ginge um Hitler. Aber das ist eine der vielen geschickten Täuschungen in Bossongs literarischem Spiel, denn der Reichskanzlerplatz in Berlin hatte mit der NS-Regierung gar nichts zu tun - die benannte ihn sofort 1933 um in Adolf-Hitler-Platz, weil der alte Name auch die Regierungschefs aus den von den Nazis als "Systemzeit" geschmähten anderthalb Jahrzehnten der Republik ehrte. Nach dem Krieg bekam der Platz seine alte Bezeichnung zurück, ehe er 1963 dann jenen Namen erhielt, unter dem er sich zum Verkehrsknotenpunkt von Westberlin entwickelte: Theodor-Heuss-Platz. Aber dass diese neuralgische Adresse nun einen Romantitel abgibt, verdankt sich allein einer Anwohnerin, die dort 1931 einzog. Und so ist der von Nora Bossong für ihre Geschichte gewählte Titel genauso ein reines Stimmungsphänomen wie der Auftritt Hitlers.
Der Name der Anwohnerin am Reichskanzlerplatz? Sie trug viele. Als sie einzog, hieß sie Magda Quandt, bald danach Magda Goebbels, geboren wurde sie 1901 unter dem Familiennamen ihrer damals unverheirateten Mutter, Behrend, nach deren Eheschließung wurde daraus Friedländer und 1920 Ritschel (der Name des biologischen Vaters von Magda, denn einen jüdisch klingenden wollte sie nicht mehr). Diese Frau wechselte ihren Namen noch häufiger als der Reichskanzlerplatz. Und doch ist auch sie nicht die Hauptfigur dieses Romans.
Das scheint Hans Kesselbach zu sein, ihr sieben Jahre jüngerer Geliebter und der Icherzähler von "Reichskanzlerplatz". Magda Quandt lernte er als Gymnasiast kennen, weil sie die Stiefmutter eines Klassenkameraden war, in den er sich verliebte, und die gleichzeitige Faszination des homosexuell affizierten Halbwüchsigen für die noch junge Frau macht Bossong mehr durch dessen Irritation als durch juvenile Schwärmereien deutlich. Er beobachtet diese Dame der Gesellschaft, reich verheiratet und von den beiden Freunden mit der erotisch konnotierten Bezeichnung "Madame Quandt" bedacht, die wie auf einer Bühne agiert - der geliebte Freund sagt über seine Stiefmutter, "dass Madame Quandt auch unseren Namen nur wie eine Maske trägt". Das ist schon auf Seite 17 des Romans zu lesen, auch an einem Kapitelende. Und so ist früh der Ton gesetzt für das, was von Hans Kesselbach über Magda Quandt/Goebbels erzählt wird. Und über sich selbst.
Nora Bossong war mit ihrem Vorgängerroman "Schutzzone" vor fünf Jahren die literarische Aufsteigerin in Deutschland: Kranichsteiner Literaturpreis, Wilhelm-Lehmann-Preis, Thomas-Mann-Preis, Joseph-Breitbach-Preis - alles innerhalb nur eines Jahres. "Schutzzone" erzählte aus der Perspektive einer Mitarbeiterin der Vereinten Nationen über das Dilemma, Politik, Moral und Privates in Übereinstimmung zu bringen. Das hätte auch das Grundthema von "Reichskanzlerplatz" werden können (und der Klappentext behauptet so etwas Ähnliches), aber Bossong ist an anderem interessiert: der allmählichen Verfertigung einer Persönlichkeit beim Leben. Und einem Sittenbild (im buchstäblichen Sinne) aus nachtschwarzer Epoche. Die eigentliche Hauptfigur dieses Romans ist eine imaginäre: das Fremdbild einer Frau, das nichts zu tun hat mit deren Realität. Und deshalb vom Urheber auch immer wieder selbst in Zweifel gezogen wird. "Weniges wollen wir so sehr wie betrogen werden", sagt sich der Icherzähler, "und Meisterschaft bedeutet ja nichts anderes, als zu wissen, wie man täuscht."
Das gilt auch für Nora Bossong. Ihr Hans Kesselbach sieht die charakterlichen Schwächen von Magda Quandt schon, bevor sie Magda Goebbels wird. Aber es rettet ihn nicht: Bossong beschreibt die charakterlichen Schwächen ihres Icherzählers. Denn der ist zwar ein Außenseiter, passt sich aber doch ins Gefüge seiner jeweiligen Umgebungen ein und gibt eigene Überzeugungen auf, wenn es die Umstände erfordern. So wird "Reichskanzlerplatz" zum Porträt der deutschen Gesellschaft in prekärer Zeit, zur Studie eines autonom scheinenden Charakters, der sich den Autoritäten beugt. Und der das weiß, weshalb der Zweifel auch ihm selbst gelten muss.
In gewisser Weise ist Hans Kesselbach als literarische Figur dadurch ein Erbe Adrian Leverkühns. Man kann sagen, dass Nora Bossong als seit Langem in Berlin lebende Autorin über große Kenntnisse der Hauptstadt verfügt, die ihrem Buch zugutekommen, die Sprache aber aus Lübeck hat - in ihrer Dankesrede zum Thomas-Mann-Preis gab sie eine Liebeserklärung ans literarische Vorbild des Namensgebers der Auszeichnung ab (F.A.Z. vom 14. Juni 2021). Der Tonfall ihrer Prosa in "Reichskanzlerplatz" ist erkennbar daran geschult - was sich ja auch stilistisch angesichts der Handlungszeit auch anbietet. Wobei die Prosa allerdings auch bisweilen in ein Thomas Mann fremdes hohles Pathos abgleitet: "Ich spürte jenen dunklen Sog, den Schwindel beim Blick in den Abgrund, der uns entsetzt und dem wir uns deshalb umso hemmungsloser hingeben, und im Fallen stoßen wir an die grausamen Mächte in uns."
Zum Zeitpunkt der Handlung, als dieser Satz fällt, ist Magda Quandt mit Joseph Goebbels verheiratet. Diese durch die hohe Zahl der gemeinsamen Kinder (fünf Töchter, ein Sohn) und deren schreckliche Schicksale (vor dem Suizid ihrer Eltern wurden sie alle im Berliner Führerbunker vergiftet) seinerzeit wie heute prominenteste Familie des "Dritten Reichs" spielte vor fast dreißig Jahren schon einmal eine Rolle in einem herausragenden deutschen Roman: Marcel Beyers "Flughunde" aus dem Jahr 1996. Bossong nun nimmt nicht nur eine Fokussierung auf Magda Goebbels vor, sondern sie spart auch das Ende der Familie aus; die erzählte Geschichte endet 1944. Das ist mutig, denn die erwartbare Katharsis des Untergangs entfällt. Auch darin erliegen wir einer meisterhaften Täuschung.
Nora Bossong hat ihren Erzähler an einer realen Person orientiert: Fritz Gerber, einem Liebhaber Magda Goebbels, über den wenig bekannt ist. Wie auch so ziemlich alles, was im Roman von Magda Goebbels berichtet wird, jene Lücken füllen muss, die dieses Leben hinterlassen hat - es gibt außer ihrem Abschiedsbrief keine schriftlichen Selbstzeugnisse.
Diesen Brief schrieb sie ihrem an der Front stehenden Sohn aus erster Ehe. Harald Quandt sollte nach 1945 einer der einflussreichsten deutschen Wirtschaftskapitäne werden, aber darüber verliert "Reichskanzlerplatz" nur zwei Sätze, allerdings seine beiden letzten. Was Nora Bossong an den Schluss ihrer Abschnitte setzt, verdient Beachtung. Denn dort eröffnet sie weitere Erzählungen, die über den eigentlichen Inhalt ihrer Geschichte hinausgehen. ANDREAS PLATTHAUS
Nora Bossong:
"Reichskanzlerplatz".
Roman.
Suhrkamp Verlag,
Berlin 2024.
296 S., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
"Reichskanzlerplatz" heißt ihr Roman, und schon der Titel könnte die Erwartung wecken, es ginge um Hitler. Aber das ist eine der vielen geschickten Täuschungen in Bossongs literarischem Spiel, denn der Reichskanzlerplatz in Berlin hatte mit der NS-Regierung gar nichts zu tun - die benannte ihn sofort 1933 um in Adolf-Hitler-Platz, weil der alte Name auch die Regierungschefs aus den von den Nazis als "Systemzeit" geschmähten anderthalb Jahrzehnten der Republik ehrte. Nach dem Krieg bekam der Platz seine alte Bezeichnung zurück, ehe er 1963 dann jenen Namen erhielt, unter dem er sich zum Verkehrsknotenpunkt von Westberlin entwickelte: Theodor-Heuss-Platz. Aber dass diese neuralgische Adresse nun einen Romantitel abgibt, verdankt sich allein einer Anwohnerin, die dort 1931 einzog. Und so ist der von Nora Bossong für ihre Geschichte gewählte Titel genauso ein reines Stimmungsphänomen wie der Auftritt Hitlers.
Der Name der Anwohnerin am Reichskanzlerplatz? Sie trug viele. Als sie einzog, hieß sie Magda Quandt, bald danach Magda Goebbels, geboren wurde sie 1901 unter dem Familiennamen ihrer damals unverheirateten Mutter, Behrend, nach deren Eheschließung wurde daraus Friedländer und 1920 Ritschel (der Name des biologischen Vaters von Magda, denn einen jüdisch klingenden wollte sie nicht mehr). Diese Frau wechselte ihren Namen noch häufiger als der Reichskanzlerplatz. Und doch ist auch sie nicht die Hauptfigur dieses Romans.
Das scheint Hans Kesselbach zu sein, ihr sieben Jahre jüngerer Geliebter und der Icherzähler von "Reichskanzlerplatz". Magda Quandt lernte er als Gymnasiast kennen, weil sie die Stiefmutter eines Klassenkameraden war, in den er sich verliebte, und die gleichzeitige Faszination des homosexuell affizierten Halbwüchsigen für die noch junge Frau macht Bossong mehr durch dessen Irritation als durch juvenile Schwärmereien deutlich. Er beobachtet diese Dame der Gesellschaft, reich verheiratet und von den beiden Freunden mit der erotisch konnotierten Bezeichnung "Madame Quandt" bedacht, die wie auf einer Bühne agiert - der geliebte Freund sagt über seine Stiefmutter, "dass Madame Quandt auch unseren Namen nur wie eine Maske trägt". Das ist schon auf Seite 17 des Romans zu lesen, auch an einem Kapitelende. Und so ist früh der Ton gesetzt für das, was von Hans Kesselbach über Magda Quandt/Goebbels erzählt wird. Und über sich selbst.
Nora Bossong war mit ihrem Vorgängerroman "Schutzzone" vor fünf Jahren die literarische Aufsteigerin in Deutschland: Kranichsteiner Literaturpreis, Wilhelm-Lehmann-Preis, Thomas-Mann-Preis, Joseph-Breitbach-Preis - alles innerhalb nur eines Jahres. "Schutzzone" erzählte aus der Perspektive einer Mitarbeiterin der Vereinten Nationen über das Dilemma, Politik, Moral und Privates in Übereinstimmung zu bringen. Das hätte auch das Grundthema von "Reichskanzlerplatz" werden können (und der Klappentext behauptet so etwas Ähnliches), aber Bossong ist an anderem interessiert: der allmählichen Verfertigung einer Persönlichkeit beim Leben. Und einem Sittenbild (im buchstäblichen Sinne) aus nachtschwarzer Epoche. Die eigentliche Hauptfigur dieses Romans ist eine imaginäre: das Fremdbild einer Frau, das nichts zu tun hat mit deren Realität. Und deshalb vom Urheber auch immer wieder selbst in Zweifel gezogen wird. "Weniges wollen wir so sehr wie betrogen werden", sagt sich der Icherzähler, "und Meisterschaft bedeutet ja nichts anderes, als zu wissen, wie man täuscht."
Das gilt auch für Nora Bossong. Ihr Hans Kesselbach sieht die charakterlichen Schwächen von Magda Quandt schon, bevor sie Magda Goebbels wird. Aber es rettet ihn nicht: Bossong beschreibt die charakterlichen Schwächen ihres Icherzählers. Denn der ist zwar ein Außenseiter, passt sich aber doch ins Gefüge seiner jeweiligen Umgebungen ein und gibt eigene Überzeugungen auf, wenn es die Umstände erfordern. So wird "Reichskanzlerplatz" zum Porträt der deutschen Gesellschaft in prekärer Zeit, zur Studie eines autonom scheinenden Charakters, der sich den Autoritäten beugt. Und der das weiß, weshalb der Zweifel auch ihm selbst gelten muss.
In gewisser Weise ist Hans Kesselbach als literarische Figur dadurch ein Erbe Adrian Leverkühns. Man kann sagen, dass Nora Bossong als seit Langem in Berlin lebende Autorin über große Kenntnisse der Hauptstadt verfügt, die ihrem Buch zugutekommen, die Sprache aber aus Lübeck hat - in ihrer Dankesrede zum Thomas-Mann-Preis gab sie eine Liebeserklärung ans literarische Vorbild des Namensgebers der Auszeichnung ab (F.A.Z. vom 14. Juni 2021). Der Tonfall ihrer Prosa in "Reichskanzlerplatz" ist erkennbar daran geschult - was sich ja auch stilistisch angesichts der Handlungszeit auch anbietet. Wobei die Prosa allerdings auch bisweilen in ein Thomas Mann fremdes hohles Pathos abgleitet: "Ich spürte jenen dunklen Sog, den Schwindel beim Blick in den Abgrund, der uns entsetzt und dem wir uns deshalb umso hemmungsloser hingeben, und im Fallen stoßen wir an die grausamen Mächte in uns."
Zum Zeitpunkt der Handlung, als dieser Satz fällt, ist Magda Quandt mit Joseph Goebbels verheiratet. Diese durch die hohe Zahl der gemeinsamen Kinder (fünf Töchter, ein Sohn) und deren schreckliche Schicksale (vor dem Suizid ihrer Eltern wurden sie alle im Berliner Führerbunker vergiftet) seinerzeit wie heute prominenteste Familie des "Dritten Reichs" spielte vor fast dreißig Jahren schon einmal eine Rolle in einem herausragenden deutschen Roman: Marcel Beyers "Flughunde" aus dem Jahr 1996. Bossong nun nimmt nicht nur eine Fokussierung auf Magda Goebbels vor, sondern sie spart auch das Ende der Familie aus; die erzählte Geschichte endet 1944. Das ist mutig, denn die erwartbare Katharsis des Untergangs entfällt. Auch darin erliegen wir einer meisterhaften Täuschung.
Nora Bossong hat ihren Erzähler an einer realen Person orientiert: Fritz Gerber, einem Liebhaber Magda Goebbels, über den wenig bekannt ist. Wie auch so ziemlich alles, was im Roman von Magda Goebbels berichtet wird, jene Lücken füllen muss, die dieses Leben hinterlassen hat - es gibt außer ihrem Abschiedsbrief keine schriftlichen Selbstzeugnisse.
Diesen Brief schrieb sie ihrem an der Front stehenden Sohn aus erster Ehe. Harald Quandt sollte nach 1945 einer der einflussreichsten deutschen Wirtschaftskapitäne werden, aber darüber verliert "Reichskanzlerplatz" nur zwei Sätze, allerdings seine beiden letzten. Was Nora Bossong an den Schluss ihrer Abschnitte setzt, verdient Beachtung. Denn dort eröffnet sie weitere Erzählungen, die über den eigentlichen Inhalt ihrer Geschichte hinausgehen. ANDREAS PLATTHAUS
Nora Bossong:
"Reichskanzlerplatz".
Roman.
Suhrkamp Verlag,
Berlin 2024.
296 S., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Bitterböser Verriss! Allein weshalb Nora Bossong nun ausgerechnet einen Roman über Magda Goebbels schreiben musste, ist dem Rezensenten Jens Jessen ein Rätsel. Aber das Ergebnis unterbietet seine Erwartungen. Nichts, was nicht Wikipedia über Goebbels, das "It-Girl des Dritten Reiches" verrät, enthält dieser Roman, seufzt er: Alles was anstößig sein könnte oder über Altbekanntes hinausgeht, wurde getilgt, meint Jessen. Dass sich Bossong wenig für ihre Hauptfigur interessiert und dafür deren Liebhaber, den Studenten Kesselbach, ins Feld führt, der sich nachts im Berliner Schwulenmilieu der Dreißiger und Vierziger herumtummelt, könnte der Kritiker zwar verzeihen. Aber selbst hier werden nur Bilder aus Filmen von Cabaret bis Babylon Berlin wiedergekäut, klagt er. Jessen kann sich Bossons Impuls, diesen Roman zu schreiben nur so erklären: Entweder sie hat einfach ein Treatment für einen Film, der bei Fördergremien gut ankommt, verfasst. Oder schlimmer noch: Das Buch ist von einer KI verfasst wurden - stilistisch würde es den Rezensenten nicht wundern. Wir ahnen es: Keine Leseempfehlung.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»... schon nach wenigen Seiten konnte ich kaum aufhören zu lesen. Ja, es braucht dringend dieses kluge, mitreißende Buch.« Katja Iken DER SPIEGEL 20241202
Gebundenes Buch
die Lebensgeschichte eines Liebenden
Eigentlich könnte es ein harmloses Buch sein, eine Geschichte, die wir unendlich oft gehört haben, eine Dreiecksbeziehung. Doch selten ist zum einen, dass der Liebende schwul ist und dies in der Nazi-Zeit verbergen will und zum anderen ist es …
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die Lebensgeschichte eines Liebenden
Eigentlich könnte es ein harmloses Buch sein, eine Geschichte, die wir unendlich oft gehört haben, eine Dreiecksbeziehung. Doch selten ist zum einen, dass der Liebende schwul ist und dies in der Nazi-Zeit verbergen will und zum anderen ist es außergewöhnlich, dass die Geliebte Magda Quandt heißt.
Quandt ist bis heute eine der reichsten Unternehmerfamilien Deutschlands, was auch problematisiert wird, da das Unternehmen während der Nazi-Zeit von Zwangsarbeitern profitierte.
Noch viel brisanter wird die Geschichte, wenn man weiß, dass Magda Quandt sich scheiden ließ und Josef Goebbels heiratete. Die beiden waren die Vorzeigefamilie der Nazis, obwohl der Mann etliche Seitensprünge machte. Da zählt der eine Liebhaber Magdas ja nur als Vergeltung. In Wikipedia steht das der Führer selbst die Ehe retten musste, hier wird das eher am Rande erwähnt, weil in den Kriegsjahren die Hauptfigur in der italienischen Botschaft arbeitet und den direkten Kontakt zu Marta verliert.
Ein Buch über die existentiellen Dinge des Lebens, auch weil Magdas und Quandts Sohn Helmut stirbt, was historisch nicht stimmt. Dieser Sohn leitete mit seinem Halbbruder die Firma. Ich habe das Buch schnell und gerne gelesen. Selbst wenn, wie die Zeit schreibt, der Wikipedia- Artikel von Magda Quandt ausreichen würde, man muss ihn erstmal finden. Und dieses Werk ist viel emotionaler.
5 Sterne für ein Buch der Longlist, die im letzten Jahr viele gute Bücher hatte. Ich hoffe, dass ich die drei von mir noch nicht gelesenen Bücher der Shortlist genauso gut finde.
Zitate: Haben Sie schon Charlotte gesehen? […] In ihrem Dekolleté könnte man Fledermäuse verstecken! (76)
Die Weimarer Republik mit ihren kleinteiligen Parteien und Anliegen hatte sich nicht bewährt in dieser Zeit, in der eine Wirtschaftskrise auf die nächste folgte und die Menschen sich am Abend ins Bett legten, das schon verpfändet war, ehe sie wieder aufwachten. Weimar war etwas Gutes, solange die Suppenküche nur die drei, vier Verlorenen des Viertels bediente, die die Köchin beim Vornamen kannte, und nicht die Massen, die straßauf, straßab anstanden, Großfamilien, Kleinfamilien, einsame Alte, zuversichtliche Junge, die jeden Morgen auf die Straße traten, dass es auch wieder besser werden würde. (146)
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Gebundenes Buch
Stilistisch ein sehr gelungenes Buch. Die Autorin vermag es, mit Worten umzugehen. Bei dem ein oder anderen Satz musste ich doch an Thomas Mann Bücher denken und war dann ein wenig positiv verwundert dass die Autorin sogar mit diesem Preis nominiert wurde. Historisch sehr interessiert hatte ich …
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Stilistisch ein sehr gelungenes Buch. Die Autorin vermag es, mit Worten umzugehen. Bei dem ein oder anderen Satz musste ich doch an Thomas Mann Bücher denken und war dann ein wenig positiv verwundert dass die Autorin sogar mit diesem Preis nominiert wurde. Historisch sehr interessiert hatte ich mir aber inhaltlich ein wenig mehr davon versprochen. Insbesondere ist meines Erachtens die Person Frau Göbbels in diesem Buch zu wenig gut rübergekommen. Auch der Werdegang des Hauptcharakters hat nicht überzeugt. Zum Schluss hin auch ein wenig gelangweilt, insofern von mir hier nur drei Sterne. Der historische "Stoff" hat m E bei der Fähigkeit des guten Schreibens eine "bessere Geschichte" verdient.
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Gebundenes Buch
Wer Corinna Harfouch als Magda Goebbels in "Der Untergang" gesehen hat, wird die gnadenlose Kälte der ersten Frau im Dritten Reich nicht so schnell vergessen. Bei Nora Bossong ist sie eine unglückliche Ehefrau des Unternehmers Günther Quandt und danach von Joseph Goebbels, …
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Wer Corinna Harfouch als Magda Goebbels in "Der Untergang" gesehen hat, wird die gnadenlose Kälte der ersten Frau im Dritten Reich nicht so schnell vergessen. Bei Nora Bossong ist sie eine unglückliche Ehefrau des Unternehmers Günther Quandt und danach von Joseph Goebbels, die am Ende ihrem Liebhaber im Sanatorium ihr Leid klagt. Dieser Hans Kesselbach hat Magda benutzt, um seine homosexuellen Neigungen zu kaschieren und aus Angst vor der Entdeckung wird er zum unauffälligen Mitläufer im diplomatischen Dienst. Erst als er vor den Greuel der SS nicht mehr die Augen verschließen kann, versucht er sich in die Schweiz abzusetzen. Aber der Zug kommt nur bis Gotha. Am Ende besucht Hans den Friedhof seines Jugendfreunds Hellmut und der Schluss bleibt so vage, wie vieles in diesem Buch. Aber vielleicht soll diese Vagheit ein bewusstes Stilmittel in diesem Roman sein, der vieles anreißt, aber nicht zu Ende führt.
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Gebundenes Buch
Der Name Magda Goebbels und der Reichskanzlerplatz waren mir noch Begriffe aus den Erzählungen von meinen Großeltern, deswegen fiel mir das Buch sofort ins Auge. Es ist ein Roman von Nora Bossong, erschienen im Suhrkamp Verlag. Der lose Buchumschlag dazu wirkt schrill, bunt, kalt und auch …
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Der Name Magda Goebbels und der Reichskanzlerplatz waren mir noch Begriffe aus den Erzählungen von meinen Großeltern, deswegen fiel mir das Buch sofort ins Auge. Es ist ein Roman von Nora Bossong, erschienen im Suhrkamp Verlag. Der lose Buchumschlag dazu wirkt schrill, bunt, kalt und auch explosiv. Der Roman zeichnet das intensive Porträt der Frau, die Magda Goebbels wurde, die Vorzeigemutter und First Lady des Dritten Reichs. Vieles davon, was Nora Bossong hier recherchiert hat, kenne ich noch aus den Erzählungen meiner Großeltern bzw. Eltern. Ich begegne hier Charakteren, denen ich heute so nicht mehr begegnen möchte, die in der Vergangenheit aber bekannte Größen waren. Nora Bossong hat einen mitreißenden Schreibstil, hier wurde gekonnt historisches mit fiktiven Geschehnissen in Szenen gesetzt. Ich bin mit über den Kurfürstendamm flaniert, habe an Festessen teil genommen, Walzer getanzt, habe aber zusätzlich noch viel über die damalige Zeit erfahren können. Die Charaktere Magda und Hans sind sehr lebendig gezeichnet. Auch die Ortschaften hat man stets vor Augen. Es macht total Spaß den Roman zu lesen und durch die Zeit von 1919 - 1944 zu reisen. Ein Buch, das man unbedingt lesen sollte.
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eBook, ePUB
Das Buch wurde nominiert für den Deutschen Buchpreis 2024 und beinhaltet 296 Seiten. Das Buch hat mit optisch wie auch inhaltlich angesprochen, somit ist die Wahl, es lesen zu wollen, gefallen. Es wird erbarmungslos erzählt, wie aus dem kleinen Bösen das grosse Böse wächst. …
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Das Buch wurde nominiert für den Deutschen Buchpreis 2024 und beinhaltet 296 Seiten. Das Buch hat mit optisch wie auch inhaltlich angesprochen, somit ist die Wahl, es lesen zu wollen, gefallen. Es wird erbarmungslos erzählt, wie aus dem kleinen Bösen das grosse Böse wächst. Es ist ein Roman über die Schuld eines Mitläufer.
Als Hans die junge schöne Stiefmutter seines Schulfreund Helmut Quant kennenlernt, ahnt er nichts schlimmes. Sie ist die Tochter eines wichtigen jüdischen Kaufmanns. Aber welche Rolle Magda mit der Zeit in seinem Leben spielt, für ihn persönlich als fanatische Nationalsozialistische und Vorzeigemutter des Dritten Reiches. Die Weimarer Republik ist noch im Aufbruch, Hans ist hoffnungslos in Helmut verliebt. Nach einem Unglücksfall beginnt Hans eine Affäre mit Magda, von der er sich Trost und Vorteile verspricht. Helmut stirbt an einer verschleppt Krankheit. Hans und Magda werden eins. Jeder möchte dadurch etwas für sich gewinnen. Magda möchte aus ihrer Ehe raus, Hans möchte seine Homosexualität verbergen. Magda macht einen grossen politischen Schritt. Sie tritt der NSDAP bei. Dort lernt sie Joseph Goebbels kennen. Seitdem läuft es mit Hans nicht mehr so gut und intensiv. Währendd sie mit ihren Kinder in Warschau auftritt, gerät Hans zunehmend in Gefahr. Ihre Wege trennen sich für immer.
Magda wird Goebbels Frau, ihr Liebhaber gerät in Vergessenheit, Magda wird erste Frau im Dritten Reich.
Der Leser erfährt, wie sie es wurde und, wer sie war. Eine Romanerzählung über Menschen und ihre Abgründe, es ist keine direkte Biographie. Man erlebt auch Magdas letzte Stunden, den Mord an 6 ihrer Kinder im Führer Bunker. Das Buch wird aus der Sicht von Hans erzählt. Der Schreibstil ist literarisch, trotzdem leicht, flüssig und verständlich. Es ist spannend und interessant erzählt. Man erfährt viele historische Aspekte und Begegnungen, die vorgefallen sind. Die wurden gut aufgegriffen und detalliert dargestellt. Habe es mit viel Interesse gelesen, deshalb vergebe ich 4 Sterne und eine Weiterempfehlung.
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eBook, ePUB
Historische Fakten treffen auf Fiktion
Homosexualität war bis 1969 unter Strafe gestellt und endete während der Naziherrschaft bei Bekanntwerden nicht selten mit der Verbannung in ein Konzentrationslager. Der Protagonist und Ich-Erzähler des Romans 'Reichskanzlerplatz' von Nora …
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Historische Fakten treffen auf Fiktion
Homosexualität war bis 1969 unter Strafe gestellt und endete während der Naziherrschaft bei Bekanntwerden nicht selten mit der Verbannung in ein Konzentrationslager. Der Protagonist und Ich-Erzähler des Romans 'Reichskanzlerplatz' von Nora Bossong, Hans Hesselbach lernt während seiner Schulzeit den aus vermögendem Haushalt stammenden Hellmut Quandt kennen und lieben. Diese Liebe wird allerdings nicht erwidert. Aber auch die nur wenige Jahre ältere Stiefmutter Magda Quandt von Hellmut, später verheiratet mit Joseph Goeppels, dem Reichspropagandaminister, übt eine starke Anziehungskraft sowohl auf ihren Stiefsohn als auch auf Hans aus. Beide gehen nacheinander mit Magda eine Liebesbeziehung ein. Hans versteckt seine wahre Veranlagung hinter dieser Affäre, wird aber seine Angst nicht los, doch eines Tages einem Verrat zum Opfer zu fallen. Hans ist ein Mitläufer, dessen Geschichte von 1918 bis 1944 erzählt wird.
Der Roman wurde für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert.
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Gebundenes Buch
Geschichte zweier Opportunisten
Eine schillernde Figur, Magda Goebbels, steht im Mittelpunkt des neuen Romans von Nora Bossong, Protagonist und Ich-Erzähler jedoch ist Hans Kesselbach, ein Homosexueller, mit dem sie in jungen Jahren kurzzeitig eine Affäre hat. Entlang der deutschen …
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Geschichte zweier Opportunisten
Eine schillernde Figur, Magda Goebbels, steht im Mittelpunkt des neuen Romans von Nora Bossong, Protagonist und Ich-Erzähler jedoch ist Hans Kesselbach, ein Homosexueller, mit dem sie in jungen Jahren kurzzeitig eine Affäre hat. Entlang der deutschen Geschichte von 1919 bis 1945 schreibt die Autorin über die «Vorzeigemutter» des Dritten Reichs, von der außer ihrem Abschiedsbrief an den ältesten Sohn aus erster Ehe nichts Schriftliches erhalten ist, Ganz im Gegensatz zu ihrem Mann, dem verbrecherischen Propaganda-Minister, der als einer der eifrigsten Tagebuch-Schreiber gilt, von seinen jedenfalls sind hunderte erhaltenen geblieben. Und ob sich hinter der Romanfigur des schwulen Liebhabers der Student Fritz Gerber verbirgt, das ist ebenfalls unsicher, reichlich Raum also für Fiktives in diesem Roman.
Eine Friedhofs-Inschrift, die dem Buch eine bedrohliche Grundstimmung unterlegt, ist als Motto vorangestellt: «Was Ihr seid - das waren wir; was wir sind - das werdet Ihr». Die junge Magda hat den aufstrebenden Industriellen Günther Quandt geheiratet, der mit Textilien für die Wehrmacht den Grundstein für sein industrielles Imperium gelegt hat. Helmut, der jüngste ihrer beiden Stiefsöhne, freundet sich mit seinem Klassenkameraden Hans an und lädt ihn über Jahre hinweg immer wieder in die pompöse Villa seines reichen Vaters ein. Seine junge Stiefmutter Magda, die er spöttisch nur Madame Quandt nennt, findet ebenfalls Gefallen an Hans. Als aber Hans sich seinem Freund eines Tages unsittlich zu nähern versucht, bricht Helmut den Kontakt für längere Zeit komplett ab. Später lebt ihre Freundschaft wieder auf, und Magda, die in ihrer Ehe sehr unglücklich ist, hat eine Liebesbeziehung mit Hans, der inzwischen studiert. Während sie Trost sucht, schützt ihn die Liaison vor Anfeindungen, denn Homosexualität ist nach §175 ein Straftatbestand zu jener Zeit.
Magda lässt sich scheiden und bezieht eine repräsentative Wohnung am titelgebenden «Reichkanzlerplatz», in deren Salon sich bald schon die Prominenz von Berlin zum geselligen Beisammensein trifft. Dort verkehrt auch der Österreicher, und als Hans eines Abends am Flügel sitzt und spielt, tritt jener näher und blickt ihm auf die Finger. «‹Schubert›, sage ich. ‹Es geht zu Herzen›, antwortet Hitler». Das war’s auch schon, dieser Name kommt im gesamten Roman nur dieses eine Mal vor, ein gekonnter literarischer Winkelzug der Autorin. Hans geht nach dem Jurastudium in den diplomatischen Dienst und arbeitet im Konsulat in Mailand, weit genug entfernt von den politischen Umtrieben und allem Militärischen, dem er nichts abgewinnen kann, obwohl ihn sein im Ersten Weltkrieg hochdekorierter Vater dafür vorgesehen hatte.
Könnte es sein, fragt man sich nach der Lektüre, dass entgegen der literarischen Absicht der Handlungsstrang mit Magda Goebbels in Umfang und Bedeutung hinter den mit Hans Kesselbach zurückfällt. Während Magda ziemlich farblos bleibt und entgegen ihres historischen Ranges im Roman keinerlei Anteil hat an den Verstrickungen des verbrecherischen Regimes, ist Hans in seiner diplomatischen Mission sehr vertraut damit, was die Nazis da gerade anrichten. Obwohl das damalige Geschehen äußerst komplex war, erscheint es im Buch leichtverständlich und leider auch leichtverdaulich. Man wird auch nicht durch das Wort KZ als Synonym für das Unfassbare belästigt, denn weder Magda noch Hans sind damit konfrontiert, was mit Juden und anderen Systemopfern tatsächlich passiert. Nicht nur die beiden Hauptfiguren bleiben blass, auch die Nebenfiguren sind ziemlich konturlos. Aber warum eigentlich muss Hans im Roman denn unbedingt schwul sein? Ist das etwa der Grund: ‹Wenn Hans ein richtiger, ein gestandener Mann gewesen wäre, der Magda hätte befriedigen können in ihren unerfüllten Sehnsüchten, dann wäre sie auch nicht Frau Goebbels geworden.› So einfach gestrickt ist diese Geschichte zweier Opportunisten!
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eBook, ePUB
Dieser historische Roman beschert uns Einblicke in eine Zeit des Umbruchs und gleichzeitig in das Leben der 1901, als Johanna Maria Magdalena Behrend (zunächst) unehelich geborenen Tochter eines Dienstmädchens. Als ihre Mutter in zweiter Ehe den jüdischen Kaufmann Richard …
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Dieser historische Roman beschert uns Einblicke in eine Zeit des Umbruchs und gleichzeitig in das Leben der 1901, als Johanna Maria Magdalena Behrend (zunächst) unehelich geborenen Tochter eines Dienstmädchens. Als ihre Mutter in zweiter Ehe den jüdischen Kaufmann Richard Friedländer heiratet und der das Mädchen adoptiert, wächst sie in einem bürgerlichen Umfeld auf. 44 Jahre später wird sie im Führerbunker ihre sechs Kinder vergiften und anschließend Selbstmord verüben. Der geneigte Leser wird nun wissen, von wem die Rede ist, nämlich von Magda Goebbels, geschiedene Quandt.
Wir lernen die junge Johanna Maria Magdalena Friedländer kennen, die mit knapp 19 Jahren den verwitweten Industriellen Günther Quandt (und seine Söhne) heiratet und den gemeinsamen Sohn Harald bekommt. Doch recht bald langweilt sie das komfortable Leben und Madame Quandt, wie man sie nennt, betrügt ihren Mann mit wechselnden Liebhabern.
Wenig später, nach der, für sie lukrativen, Scheidung (1929) von Günther Quandt, zieht sie in eine Wohnung am Reichskanzlerplatz und schließt sie sich gänzlich der NSDAP an. Dort erregt sie die Aufmerksamkeit von Joseph Goebbels und Adolf Hitler. Als Ehefrau des Propagandaministers wird sie nun Magda genannt und, nachdem sie in schneller Abfolge, insgesamt sechs weitere Kinder zu Welt bringt, zur Vorzeigemutter des Reiches hochstilisiert.
Als sich Goebbels 1938 in die tschechische Schauspielerin Lida Baarová (1914-2000) verliebt und eine Menage à trois von Magda verlangt, wendet sich Magda an Hitler, der Goebbels eine Scheidung verbietet.
Meine Meinung:
Die Erzählweise ist recht ungewöhnlich gewählt, denn es ist der fiktive, schwule Hans Kesselbach, der als Ich-Erzähler fungiert. Kesselbach ist mit Hellmuth Quandt in dieselbe Klasse gegangen, beide schwärmen für die schöne Madame Quandt, die nur wenige Jahre älter ist. Er beginnt eine Affäre mit ihr, um seine Homosexualität zu vertuschen, die in Deutschland verboten ist .
Immer wieder kreuzen sich die Lebenswege von Hans Kesselbach und Magda Goebbels. Dass Magda Goebbels keinen Finger für vom Regime bedrohte Menschen rührt, ist an jener Stelle zu lesen, als sich völlig ungerührt, ganz nebenbei erzählt, dass ihr Stiefvater Richard Friedländer sei im KZ Buchenwald an einer „Lungenentzündung“ verstorben. Ein jüdischer Stiefvater passt so gar nicht in das Leben der fanatischen Vorzeigemutter.
„Siehst du Hans, es wird niemand bevorzugt, auch wir nicht. Wir essen unseren Eintopf und zahlen unseren Teil.“ (S. 249)
Dieser historische Roman lässt zahlreiche reale Prominente aufmarschieren. Von Auwi, dem Sohn des ehemaligen Kaisers über zahlreiche Größen des NS-Regimes bis hin zu zahlreichen Verfolgten.
Der Roman kommt ohne direkte Rede aus, was mich diesmal eigenartigerweise nicht allzu sehr gestört hat. Geschickt sind die Lebensläufe der realen Personen mit jenen der fiktiven verquickt. Eine Biografie der Magda Goebbels ist dieser historische Roman nicht. Wer eine solche lesen möchte, muss zu anderen Büchern greifen.
Interessant ist, wie sich der fiktive Hans Kesselbach durch die für Homosexuelle höchst bedrohliche Zeit laviert. Dabei kann er deutlich sehen, wie es den gleichgeschlechtlich Liebenden ergeht. Eine pro-Forma-Hochzeit, die für ihn nützlich sein könnte, lehnt er recht lange ab.
Der Schreibstil ist eindringlich und zeichnet ein gelungenes Bild jener Zeit.
Fazit:
Gerne gebe ich diesem historischen Roman 5 Sterne.
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Gebundenes Buch
Wer war Magda Goebbels wirklich ???
Von einer völlig außergewöhnlichen Seite, nähert sich Nora Bossong der Person Magda Goebbels. Es ist keine Biografie der ersten Dame in Hitlers tausendjährigem Reich, es ist das Porträt einer Frau, die sich verleiten lies, aus …
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Wer war Magda Goebbels wirklich ???
Von einer völlig außergewöhnlichen Seite, nähert sich Nora Bossong der Person Magda Goebbels. Es ist keine Biografie der ersten Dame in Hitlers tausendjährigem Reich, es ist das Porträt einer Frau, die sich verleiten lies, aus der etwas wurde und die dann in den Abgrund stürzte.
Hans, der seine homosexuellen Neigungen nicht vor dem Stiefsohn der späteren Magda Goebbels verheimlichen konnte oder auch nicht wollte, kommt nach dem Tod seines Schulfreundes Magda immer näher . . .
Und so begleite ich Hans und Magda rund 20 Jahre lang durch ihr Leben und dies ist geprägt vom Verfall der Weimarer Republik, Hitlers Größenwahn und dessen Abgesang. Das Wesentliche in diesem Roman ist für mich wie die Autorin aufzeigt, wie Menschen sich positionieren, wie weit sie sich mit dem neuen tausendjährigem Reich identifizieren. Magda schwenkt um und wird zur glühenden Anhängerin von Hitlers Visionen. Hans wird zum Mitläufer.
Dieser Roman ist kein Sachbuch und dennoch ist er ein Musterbeispiel dafür, wie Menschen leicht zu verführen sind, wie sie bereit sind eigene bisher gelebte Werte über Bord zu werfen und wie sie auch bereit sind Widerstand zu leisten bzw. sich dem grausamen tausendjährigem Reich rechtzeitig entzogen haben. Schuldzuweisungen braucht es von Nora Bossong nicht, es reicht völlig aus, der Handlung zu folgen und ich begreife langsam, dass dieser Roman nicht nur in unserer Geschichte spielt, sondern sehr aktuelle Themen aufgreift.
Selbstverständlich ist es besonders reizvoll sich mit der Person der Magda Goebbels zu beschäftigen. Als Leser erfahre ich etwas aus ihrer ersten Ehe, viel von ihrem Denken und mir wird ein mal mehr bewusst, dass ich mit moralischen Verurteilungen zurückhaltender werden sollte. Ein jeder Mensch bringt seine Biografie mit ins Leben und diese bestimmt seinen weiteren Lebensweg. Entschuldigt wird damit nichts, aber um des besseren Verstehens willen darf man sich auch mit Porträts von Menschen beschäftigen, die aus einem politischen Sumpf kommen, dem man lieber aus dem Weg geht oder ihn politisch bekämpft.
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