Gary Shteyngart
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Willkommen in Lake Success (MP3-Download)
Roman Gekürzte Lesung. 816 Min.
Sprecher: Lacher, Shenja / Übersetzer: Herzke, Ingo
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Bissig, brandaktuell, berührend - eine turbulente Reise durch das gespaltene Amerika der Vor-Trump-Ära Der Wall-Street-Millionär Barry Cohen führt ein perfektes Leben. Doch als er erfährt, dass sein Sohn autistisch ist und dann auch noch eine Untersuchung der Börsenaufsicht gegen ihn eingeleitet wird, packt er seine geliebte Uhrensammlung in einen Rollkoffer und macht sich auf den Weg. Sein irrwitziger Plan: nach zwanzig Jahren seine College-Liebe Layla wiederzutreffen – in der Hoffnung, mit ihr das einfachere, ehrlichere Leben von damals fortzuführen. In dieser Great American Novel n...
Bissig, brandaktuell, berührend - eine turbulente Reise durch das gespaltene Amerika der Vor-Trump-Ära Der Wall-Street-Millionär Barry Cohen führt ein perfektes Leben. Doch als er erfährt, dass sein Sohn autistisch ist und dann auch noch eine Untersuchung der Börsenaufsicht gegen ihn eingeleitet wird, packt er seine geliebte Uhrensammlung in einen Rollkoffer und macht sich auf den Weg. Sein irrwitziger Plan: nach zwanzig Jahren seine College-Liebe Layla wiederzutreffen – in der Hoffnung, mit ihr das einfachere, ehrlichere Leben von damals fortzuführen. In dieser Great American Novel nimmt uns Bestsellerautor Gary Shteyngart mit auf eine turbulente Reise durch das gespaltene Amerika der Vor-Trump-Ära. Bissig, brandaktuell, berührend! Gelesen von Shenja Lacher. Mit Bonuslesung des Autors (Track 296-312) (Laufzeit: ca. 13h 18)
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D ausgeliefert werden.
Gary Shteyngart wurde 1972 als Sohn jüdischer Eltern in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, geboren und kam im Alter von sieben Jahren in die USA. Er legte 2002 mit »Handbuch für den russischen Debütanten« seinen Erstling vor, ein New-York-Times-Bestseller, der u.a. mit dem National Jewish Book Award for Fiction geehrt wurde. Es folgten die vielfach ausgezeichneten Erfolgsromane »Absurdistan« und »Super Sad True Love Story« sowie zuletzt sein autobiografisches Buch »Kleiner Versager«. »Willkommen in Lake Success« ist der vierte Roman des New Yorker Kultautors, er wurde mehrfach zu einem der besten Bücher des Jahres 2018 gekürt und wird von HBO als Serie mit Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle verfilmt.
Produktdetails
- Verlag: Der Hörverlag
- Gesamtlaufzeit: 816 Min.
- Erscheinungstermin: 15. April 2019
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783844532340
- Artikelnr.: 55435237
»Ein Meister der Satire.« DIE ZEIT
Selbst der Schuft hat eine Seele
In der Not hilft nur noch ein Trip mit dem Greyhound-Bus: Gary Shteyngart karikiert die New Yorker Elite im Sommer vor der Trump-Wahl
Barry Cohen besitzt ein Vermögen von sechzig bis hundertfünfunddreißig Millionen Dollar und ein ziemlich ärmliches Leben. Ersteres lässt sich in seiner Branche, der New Yorker Hedgefonds-Welt, nicht so genau bemessen. Letzteres ist dafür umso offensichtlicher.
Mit seiner Frau Seema, die er - und die ihn - nicht mehr liebt, wohnt Barry in einem Manhattaner Hochhaus, dessen obere drei Stockwerke Rupert Murdoch gehören, geht zu Dinner-Verabredungen mit Nachbarpärchen, die er nicht leiden kann, und hat das kleine Problem, dass jederzeit das FBI
In der Not hilft nur noch ein Trip mit dem Greyhound-Bus: Gary Shteyngart karikiert die New Yorker Elite im Sommer vor der Trump-Wahl
Barry Cohen besitzt ein Vermögen von sechzig bis hundertfünfunddreißig Millionen Dollar und ein ziemlich ärmliches Leben. Ersteres lässt sich in seiner Branche, der New Yorker Hedgefonds-Welt, nicht so genau bemessen. Letzteres ist dafür umso offensichtlicher.
Mit seiner Frau Seema, die er - und die ihn - nicht mehr liebt, wohnt Barry in einem Manhattaner Hochhaus, dessen obere drei Stockwerke Rupert Murdoch gehören, geht zu Dinner-Verabredungen mit Nachbarpärchen, die er nicht leiden kann, und hat das kleine Problem, dass jederzeit das FBI
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durch die Tür stürzen könnte - Börsenbetrug. Seinen dreijährigen Sohn Shiva hat Barry zwar lieb, sieht ihn aber vor allem als eines: nicht normal. Jüngst wurde bei Shiva Autismus diagnostiziert - was im Laufe des Romans erfreulicherweise nicht witzereißend weggewinkt, sondern durchaus sensibel vertieft wird. Der Vater aber begreift seinen Sprössling nicht. Warum nur lässt Shiva sich nicht von Papas Luxusuhrensammlung begeistern? Barry hat genug. Er braucht das Allheilmittel für unruhige Herzen: den Greyhound-Bus und eine Reise nach Westen.
Wie heutzutage eine Roadtrip-Geschichte schreiben, ohne sich bloß mit Klischees zum Affen zu machen? Zum Beispiel: indem man sich absichtlich mit Klischees zum Affen macht. Zwar könnte Barry ja problemlos erste Klasse fliegen oder zumindest Zug fahren, "aber dies war die freie Straße, und wenn du erst einmal auf der freien Straße warst, dann eilte das ganze Land herbei, um dich zu begrüßen und deinen Eistee nachzufüllen". Der "weltgrößte Verfechter des Trickle-down-Effekts" dürstet nach Authentizität und wird Tourist im Land der Brotlosigkeit. Schon bald landet die Kreditkarte im Müll; nur von seinen Uhren mag er sich noch nicht trennen. In der Greyhound-Halbwelt riecht es zwar nach Fuß, Fischbrötchen und Urin, aber das bringt Barry nicht vom Ziel ab: seine College-Freundin im texanischen El Paso auftreiben, möglicherweise ein paar Kinder mit ihr zeugen, sexy und glücklich sein. Und nebenbei die einfachen Leute verstehen, die in diesem Sommer 2016 mit dem absonderlichen Gedanken spielen, Donald Trump zum Präsidenten zu wählen.
Barry kennt die Gebrauchsanweisung. Jack Kerouacs 1957 erschienener Beat-Roman "On the Road" (deutsch: "Unterwegs") ist für viele junge Männer, meist weiße Mittelschichtssöhne mit geisteswissenschaftlichem Studienabschluss, eine Art Bibel. Gepredigt werden sexuelle Befreiung und literarisches Vagabundentum. Zu dieser Gemeinde gehört auch Barry, der in Princeton im Nebenfach Kreatives Schreiben studiert hat, Hemingways supermännliche Prosa bewundert und sich mit Anfang vierzig noch einbildet, in ihm schlummere ein Schriftsteller. "Sogar seine Träume von einer Reise quer durchs Land waren von der Möglichkeit unterfüttert, seine Erinnerungen eines Tages zu Papier zu bringen. So eine Art Unterwegs, nur in nachdenklicher, gereifter Sprache." Zur Beruhigung sei schnell gesagt, dass der Autor Gary Shteyngart viel zu scharfsinnig ist, um unironisch in der Road-Erotik Kerouacs zu schwelgen. Barry zeichnet er als narzisstischen Loser, der elegante Tragik mit Selbstmitleid verwechselt.
Dass einem dreijährigen Kind und dessen junger Mutter durchaus Besseres widerfahren kann als ein eskapistischer Vater, fällt Barry nicht ein. Dessen Odyssee unterbrechen Kapitel aus Sicht der in New York gebliebenen Seema, der Shivas Erziehung nun allein zufällt. Seema ist zwar deutlich jünger als Barry, emotional aber weitaus reifer. Unlängst hat sie sich eingestanden, dass der Finanz-Machismo ihres Mannes genau der Systemfehler ist, durch den "der zutiefst gestörte New Yorker Geschäftsmann" Trump gerade ins Amt zu kommen droht (Seema unterstützt Hillary Clinton, Barry Marco Rubio). Und statt Shivas Autismus weiter zu leugnen, beginnt Seema zu erkennen, dass ihr Kind eben so ist, wie es ist. So ängstlich, so eigen, so phantasievoll, so schön.
Fröhlich, unverfroren und mitunter ganz unkomödiantisch zeigt der Roman die Prätentionen der berüchtigten oberen 0,1 Prozent. Mit Vorliebe veralbert Shteyngart Gesellschaftsgruppen, denen er selbst angehört, vor allem wohlhabende Manhattanites. Denn die meisten Milieus, das ein vertrauter Shteyngart-Modus, sind gleichzeitig liebenswürdig und lächerlich. Schon in seinem Satireroman "Absurdistan" (2006) machte er sich vergnügt über einen jüdischen russisch-amerikanischen Schriftsteller namens Jerry Shteynfarb lustig. Shteyngart selbst wurde 1972 in Leningrad geboren und emigrierte als Siebenjähriger mit seinen Eltern in die Vereinigten Staaten. 2002 veröffentlichte er seinen Erstling "Handbuch für den russischen Debütanten". Noch immer, sagt er, verstehe er Russland besser als Amerika. "Willkommen in Lake Success" beweist nun, dass er auch Trumps Amerika und "die Langeweile eines kriegerischen Landes, das keinen richtigen Krieg zur Hand hatte", bestens begreift.
Außerdem ist er bekannt dafür, pausenlos Empfehlungen auf den Klappentexten anderer Autoren unterzubringen (empfohlen sei die kurze, sehr lustige Youtube-Doku "Shteyngart Blurbs"). Auch in seinem vierten Roman lässt er es nicht aus, liebevoll die Literatenzunft zu karikieren. Für Barrys verhassten Nachbarn etwa, den Schriftsteller Luis, ist "jede Art von Realismus reaktionär. Luis jedenfalls gab sich nicht der Illusion hin, er könne die Welt verändern. Er wollte bloß in seinen schlecht verkäuflichen Büchern über sie schreiben und sie für seine neunhundert Twitter-Follower in der Luft zerreißen."
Es wird kaum Zufall sein, dass der Vorname des Protagonisten sich auf den des Autors reimt. Und es macht großen Spaß, die Absurditäten zu lesen, die Shteyngart sich für dieses Buch ausgedacht hat. Obwohl "adaptiert" es vielleicht besser träfe. So erwirtschaftet ein Pharmaunternehmen, in das Barry Millionen investiert hat, ordentlich Kapital damit, den Monatspreis eines lebensrettenden Medikaments mal eben von dreißig auf siebenhundert Dollar zu erhöhen. Man fühlt sich sofort an den mittlerweile im Gefängnis sitzenden Hedgefonds-Manager Martin Shkreli erinnert, dessen price-hiking-Strategie ihm den unschmeichelhaften Spitznamen Pharma-Bro einbrachte. Barry and Shkreli hätten sich verstanden.
Unser Held hält sich dennoch für einen inspirierten Philanthropen. Vorübergehend plant er, "Milliardärssammelkarten für arme Kinder herauszubringen, (. . .) damit ,schwarze Jugendliche angespornt würden, sich in der Schule mehr anzustrengen'. (. . .) Sein Milliardärsfreund in Miami war anscheinend zur Finanzierung bereit - niemand liebte arme schwarze Kinder so sehr wie weiße Milliardäre." Shteyngart trifft damit einen Nerv. Im Musical "Hamilton", das Seema sich an einer Stelle am Broadway ansehen möchte, heißt es, gleichsam den Barry-Komplex diagnostizierend: "There's nothing rich folks love more than going downtown and slummin' it with the poor."
Zuletzt noch zur Frage, ob Barry dank seiner Reise, die - wie Kerouacs "On the Road" - bis nach Mexiko führt, zumindest seine Trump feiernden Landsleute versteht. Nun ja: "Auf seiner Greyhound-Fahrt war es Barry öfter mal durch den Kopf geschossen, dass er seine Mitreisenden zwar aus tiefstem Herzen liebte, ihnen aber in der Wahlkabine nicht trauen konnte, weil sie keine Aktionäre waren. Sie begriffen die Erregung, den Schmerz und die Verpflichtung nicht, die daraus erwuchsen, einen Teil ihres Landes zu besitzen." Mal bemitleidet man Barry, mal verabscheut man ihn, hier eher Letzteres. Insgesamt ist er vermutlich ein Schwein. Aber wie sang Neil Young über einen der bekanntesten amerikanischen Verbrecher? "Even Richard Nixon has got soul." Barry Cohen somit wohl auch. Dieser Roman sowieso.
CORNELIUS DIECKMANN
Gary Shteyngart:
"Willkommen in Lake
Success". Roman.
Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Penguin Verlag, München 2019. 432 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie heutzutage eine Roadtrip-Geschichte schreiben, ohne sich bloß mit Klischees zum Affen zu machen? Zum Beispiel: indem man sich absichtlich mit Klischees zum Affen macht. Zwar könnte Barry ja problemlos erste Klasse fliegen oder zumindest Zug fahren, "aber dies war die freie Straße, und wenn du erst einmal auf der freien Straße warst, dann eilte das ganze Land herbei, um dich zu begrüßen und deinen Eistee nachzufüllen". Der "weltgrößte Verfechter des Trickle-down-Effekts" dürstet nach Authentizität und wird Tourist im Land der Brotlosigkeit. Schon bald landet die Kreditkarte im Müll; nur von seinen Uhren mag er sich noch nicht trennen. In der Greyhound-Halbwelt riecht es zwar nach Fuß, Fischbrötchen und Urin, aber das bringt Barry nicht vom Ziel ab: seine College-Freundin im texanischen El Paso auftreiben, möglicherweise ein paar Kinder mit ihr zeugen, sexy und glücklich sein. Und nebenbei die einfachen Leute verstehen, die in diesem Sommer 2016 mit dem absonderlichen Gedanken spielen, Donald Trump zum Präsidenten zu wählen.
Barry kennt die Gebrauchsanweisung. Jack Kerouacs 1957 erschienener Beat-Roman "On the Road" (deutsch: "Unterwegs") ist für viele junge Männer, meist weiße Mittelschichtssöhne mit geisteswissenschaftlichem Studienabschluss, eine Art Bibel. Gepredigt werden sexuelle Befreiung und literarisches Vagabundentum. Zu dieser Gemeinde gehört auch Barry, der in Princeton im Nebenfach Kreatives Schreiben studiert hat, Hemingways supermännliche Prosa bewundert und sich mit Anfang vierzig noch einbildet, in ihm schlummere ein Schriftsteller. "Sogar seine Träume von einer Reise quer durchs Land waren von der Möglichkeit unterfüttert, seine Erinnerungen eines Tages zu Papier zu bringen. So eine Art Unterwegs, nur in nachdenklicher, gereifter Sprache." Zur Beruhigung sei schnell gesagt, dass der Autor Gary Shteyngart viel zu scharfsinnig ist, um unironisch in der Road-Erotik Kerouacs zu schwelgen. Barry zeichnet er als narzisstischen Loser, der elegante Tragik mit Selbstmitleid verwechselt.
Dass einem dreijährigen Kind und dessen junger Mutter durchaus Besseres widerfahren kann als ein eskapistischer Vater, fällt Barry nicht ein. Dessen Odyssee unterbrechen Kapitel aus Sicht der in New York gebliebenen Seema, der Shivas Erziehung nun allein zufällt. Seema ist zwar deutlich jünger als Barry, emotional aber weitaus reifer. Unlängst hat sie sich eingestanden, dass der Finanz-Machismo ihres Mannes genau der Systemfehler ist, durch den "der zutiefst gestörte New Yorker Geschäftsmann" Trump gerade ins Amt zu kommen droht (Seema unterstützt Hillary Clinton, Barry Marco Rubio). Und statt Shivas Autismus weiter zu leugnen, beginnt Seema zu erkennen, dass ihr Kind eben so ist, wie es ist. So ängstlich, so eigen, so phantasievoll, so schön.
Fröhlich, unverfroren und mitunter ganz unkomödiantisch zeigt der Roman die Prätentionen der berüchtigten oberen 0,1 Prozent. Mit Vorliebe veralbert Shteyngart Gesellschaftsgruppen, denen er selbst angehört, vor allem wohlhabende Manhattanites. Denn die meisten Milieus, das ein vertrauter Shteyngart-Modus, sind gleichzeitig liebenswürdig und lächerlich. Schon in seinem Satireroman "Absurdistan" (2006) machte er sich vergnügt über einen jüdischen russisch-amerikanischen Schriftsteller namens Jerry Shteynfarb lustig. Shteyngart selbst wurde 1972 in Leningrad geboren und emigrierte als Siebenjähriger mit seinen Eltern in die Vereinigten Staaten. 2002 veröffentlichte er seinen Erstling "Handbuch für den russischen Debütanten". Noch immer, sagt er, verstehe er Russland besser als Amerika. "Willkommen in Lake Success" beweist nun, dass er auch Trumps Amerika und "die Langeweile eines kriegerischen Landes, das keinen richtigen Krieg zur Hand hatte", bestens begreift.
Außerdem ist er bekannt dafür, pausenlos Empfehlungen auf den Klappentexten anderer Autoren unterzubringen (empfohlen sei die kurze, sehr lustige Youtube-Doku "Shteyngart Blurbs"). Auch in seinem vierten Roman lässt er es nicht aus, liebevoll die Literatenzunft zu karikieren. Für Barrys verhassten Nachbarn etwa, den Schriftsteller Luis, ist "jede Art von Realismus reaktionär. Luis jedenfalls gab sich nicht der Illusion hin, er könne die Welt verändern. Er wollte bloß in seinen schlecht verkäuflichen Büchern über sie schreiben und sie für seine neunhundert Twitter-Follower in der Luft zerreißen."
Es wird kaum Zufall sein, dass der Vorname des Protagonisten sich auf den des Autors reimt. Und es macht großen Spaß, die Absurditäten zu lesen, die Shteyngart sich für dieses Buch ausgedacht hat. Obwohl "adaptiert" es vielleicht besser träfe. So erwirtschaftet ein Pharmaunternehmen, in das Barry Millionen investiert hat, ordentlich Kapital damit, den Monatspreis eines lebensrettenden Medikaments mal eben von dreißig auf siebenhundert Dollar zu erhöhen. Man fühlt sich sofort an den mittlerweile im Gefängnis sitzenden Hedgefonds-Manager Martin Shkreli erinnert, dessen price-hiking-Strategie ihm den unschmeichelhaften Spitznamen Pharma-Bro einbrachte. Barry and Shkreli hätten sich verstanden.
Unser Held hält sich dennoch für einen inspirierten Philanthropen. Vorübergehend plant er, "Milliardärssammelkarten für arme Kinder herauszubringen, (. . .) damit ,schwarze Jugendliche angespornt würden, sich in der Schule mehr anzustrengen'. (. . .) Sein Milliardärsfreund in Miami war anscheinend zur Finanzierung bereit - niemand liebte arme schwarze Kinder so sehr wie weiße Milliardäre." Shteyngart trifft damit einen Nerv. Im Musical "Hamilton", das Seema sich an einer Stelle am Broadway ansehen möchte, heißt es, gleichsam den Barry-Komplex diagnostizierend: "There's nothing rich folks love more than going downtown and slummin' it with the poor."
Zuletzt noch zur Frage, ob Barry dank seiner Reise, die - wie Kerouacs "On the Road" - bis nach Mexiko führt, zumindest seine Trump feiernden Landsleute versteht. Nun ja: "Auf seiner Greyhound-Fahrt war es Barry öfter mal durch den Kopf geschossen, dass er seine Mitreisenden zwar aus tiefstem Herzen liebte, ihnen aber in der Wahlkabine nicht trauen konnte, weil sie keine Aktionäre waren. Sie begriffen die Erregung, den Schmerz und die Verpflichtung nicht, die daraus erwuchsen, einen Teil ihres Landes zu besitzen." Mal bemitleidet man Barry, mal verabscheut man ihn, hier eher Letzteres. Insgesamt ist er vermutlich ein Schwein. Aber wie sang Neil Young über einen der bekanntesten amerikanischen Verbrecher? "Even Richard Nixon has got soul." Barry Cohen somit wohl auch. Dieser Roman sowieso.
CORNELIUS DIECKMANN
Gary Shteyngart:
"Willkommen in Lake
Success". Roman.
Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Penguin Verlag, München 2019. 432 S., geb., 24,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Schon der erste Absatz dieses Romans gibt einen guten Vorgeschmack auf das verrückte Abenteuer der Hauptfigur Barry Cohen, auf das wir uns auf über 400 Seiten einlassen werden. Der schwerreiche New Yorker Hedgefonds-Manager steckt ganz offensichtlich in großen familiären und …
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Schon der erste Absatz dieses Romans gibt einen guten Vorgeschmack auf das verrückte Abenteuer der Hauptfigur Barry Cohen, auf das wir uns auf über 400 Seiten einlassen werden. Der schwerreiche New Yorker Hedgefonds-Manager steckt ganz offensichtlich in großen familiären und beruflichen Schwierigkeiten und will so schnell wie möglich der Misere entfliehen. Er kauft sich kurzerhand ein Greyhound-Ticket und macht sich auf den Weg nach Richmond zu seiner Jugendliebe Layla.
Es wird eine Selbstfindungs- und Läuterungsreise quer durch die Staaten bis nach San Diego, die in krassem Gegensatz zu seinem gewohnten Lebensstil steht. Auf der Suche nach dem echten Lebensgefühl macht er Bekanntschaft mit den Fahrgästen, darunter Studentinnen, Abgebrannte und Drogensüchtige, und setzt sich allmöglichen demütigenden Situationen aus. Parallel lässt uns der Autor am Leben der Manhattener Elite im Allgemeinen und der verlassenen Ehefrau und seinem autistischen Sohn im Speziellen teilhaben. Seine genauen Beobachtungen und treffsicheren Beschreibungen geben uns ein authentisches Bild der verschiedenen Schichten und politischen Ansichten kurz vor der Trump-Wahl.
Obwohl Barry jenen Typen verkörpert, der glaubt, mit Geld alles im Leben steuern zu können, konnte ich nicht umhin, Mitgefühl für den tragischen Helden zu entwickeln. Er ist keineswegs ein allein von Profitgier angetriebener gefühlskalter Mensch. Im Gegenteil: Er wünscht sich nichts mehr als wahre Freunde, Zuwendung und Nähe – was sich leider darin äußert, dass er seinen Mitmenschen ständig seine Hilfe als Mentor anbietet.
Das war mein erstes Buch von Gary Shteyngart und ich bin begeistert von seiner fulminanten Erzählkraft, seinem bissigen und zugleich warmherzigen Humor und der lebensprallen Geschichte. Noch immer sehe ich den verzweifelten Barry auf seiner Odyssee vor mir und die vielen schrägen Figuren, die ich nicht so schnell vergessen werde.
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Skurril, witzig, gesellschaftskritisch
„Willkommen in Lake Success“ ist der vierte Roman des US-amerikanischen Autors Gary Shteyngart mit russischen Wurzeln.
Barry Cohen ist Hedgefonds-Manager, hat eine großartige Karriere gemacht und alles was für ihn zählt ist …
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Skurril, witzig, gesellschaftskritisch
„Willkommen in Lake Success“ ist der vierte Roman des US-amerikanischen Autors Gary Shteyngart mit russischen Wurzeln.
Barry Cohen ist Hedgefonds-Manager, hat eine großartige Karriere gemacht und alles was für ihn zählt ist Ansehen und Reichtum. Als das zu zerbrechen droht, ihm bewusst wird, dass seine Liebe zu seiner Frau Seema gescheitert ist und ihr gemeinsamer autistischer Sohn ihm niemals nacheifern wird, beschließt er kurzfristig New York zu verlassen. Er fährt mit einem Greyhound-Bus nach El Paso wo seine Jugendliebe Layla wohnt.
Es beginnt eine abwechslungsreiche, vielseitige Reise durch alle Gesellschaftsschichten, bei der ich regelrecht das Gefühl hatte dabei zu sein. Die vielen unterschiedlichen Charaktere, denen Barry während seiner Reise begegnet werden sehr facettenreich dargestellt. Obwohl sie zum Teil ein wenig überzeichnet und skurril sind, wirken sie authentisch und glaubwürdig. Es macht einfach Spaß ihnen zu begegnen.
Aber der Roman ist nicht nur unterhaltsam. Immer wieder kommt deutliche Gesellschaftskritik durch bei der besonders die Skrupellosigkeit des Finanzmarktes und die Macht der Reichen erschreckend sind. Seine Kritik kommt an und der Autor trifft dabei genau den richtigen Ton.
Der Schreibstil von Greyhound-Bus ist flüssig und angenehm, so dass sich der Roman trotz seiner 432 Seiten recht flott lesen lässt. Es ist an keiner Stelle vorhersehbar und hat mich zum Schluss nochmals überrascht.
Ich habe das Buch gerne gelesen und kann es empfehlen.
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Der Hedgefonds-Manager Barry Cohen hat eine Bilderbuch-Karriere gemacht, da er über die nötige Skrupellosigkeit verfügte. Nun aber ist die Börsenaufsicht ihm auf den Fersen. Auch zu Hause läuft es nicht rund, denn sein dreijähriger Sohn Sheeva hat eine autistische …
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Der Hedgefonds-Manager Barry Cohen hat eine Bilderbuch-Karriere gemacht, da er über die nötige Skrupellosigkeit verfügte. Nun aber ist die Börsenaufsicht ihm auf den Fersen. Auch zu Hause läuft es nicht rund, denn sein dreijähriger Sohn Sheeva hat eine autistische Störung und er und seine Frau Seema tun alles, um das zu überspielen. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Da erinnert sich Barry an seine Jugendliebe. Ohne Gepäck, aber mit seinen Lieblingsuhren, macht er sich per Greyhound auf einen Weg durch Amerika, um nach zwanzig Jahren Layla in El Paso zu treffen.
Der Schreibstil ist wirklich toll, allerdings konnte mich die Geschichte überhaupt nicht packen.
Diese überstürzte Flucht von Barry geschieht zu Zeiten, als Donald Trump seinen Wahlkampf in Amerika führt. Er begegnet vielen unterschiedlichen Menschen auf dieser Tour. Man begreift im Laufe der Geschichte, wie gespalten Amerika ist. Gesellschaftspolitisches wird angerissen, aber nie vertieft.
Neben dem Protagonisten gibt es noch eine ganze Reihe von unterschiedlichen Charakteren, die gut beschrieben sind.
Barry Cohen ist Sohn eines jüdischen Poolreinigers. Aber er hat Karriere gemacht, gut verdient und eine wundervolle Frau ergattert. Eigentlich ist doch alles perfekt – oder? Er hat sich ursprünglich ein ganz anderes Leben erträumt und nun versucht er diesen Traum zu finden. Doch es ist nur eine Flucht vor den Realitäten. Barry war mir von Anfang an nicht sympathisch. Er ist ein Mensch, mit dem ich nie etwas zu tun haben möchte. Ich konnte auch nicht erkennen, dass er auf seinem Trip wirklich etwas reflektiert hat und sich damit entwickelt hat. Daher ist auch das Ende für mich nicht schlüssig.
Dies war mein erstes Buch des Autors Gary Shteyngart. Ich hatte wohl aufgrund der Kritiken andere Erwartungen, so dass mich die Geschichte nicht packen konnte und der großartige Schreibstil hat es nicht rausgerissen.
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Ein US-Broker aus einer anderen Welt landet in der Realität von Trumps Amerika
Barry ist Broker, einer von denen, die nur in mehrstelligen Millionenbeträgen denken und danach handeln. Doch dann kommt es zum Bruch, im familiären Gefüge und auch im beruflichen Bereich ist der …
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Ein US-Broker aus einer anderen Welt landet in der Realität von Trumps Amerika
Barry ist Broker, einer von denen, die nur in mehrstelligen Millionenbeträgen denken und danach handeln. Doch dann kommt es zum Bruch, im familiären Gefüge und auch im beruflichen Bereich ist der Supergau nicht mehr weit. Spontan steigt er in einen Überlandbus und macht sich auf den Weg zu seiner großen Jungensliebe. Das Roadmovie durch die USA der weiten Landflächen, des nicht nur subtilen Rassismus, der politischen Haltung des kleinen Mannes und des Mühlsals der armen Bevölkerung beginnt und führt zu erstaunlichen Erkenntnissen, bei Barry, dem Mann aus kleinen Verhältnissen, der es 'geschaftt hat' nach ziemlich weit oben.
Das Buch behandelt auf seiinem Weg durchaus ernsthafte Themen, aber auf eine so humorvolle, literarisch fein beschriebene Art, dass man sich erst im Nachklingen einer ordentlichen Portion Tiefgang bewusst wird. Aber das ist ja absolut nichts schlechtes und mal ganz einfach betrachtet, dieser Roman ist es einfach richtig gute Unterhaltung.
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Spezieller Humor, den man schon sehr mögen muss.
Auf der Flucht ist er, Barry Cohen, millionenschwer, großer Fan von zahlreichen gesammelten Uhren. Er flüchtet vor seiner Familie, seiner ach so perfekten Ehe, vor der Tatsache, dass sein Sohn wohl autistisch ist. Auch die …
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Spezieller Humor, den man schon sehr mögen muss.
Auf der Flucht ist er, Barry Cohen, millionenschwer, großer Fan von zahlreichen gesammelten Uhren. Er flüchtet vor seiner Familie, seiner ach so perfekten Ehe, vor der Tatsache, dass sein Sohn wohl autistisch ist. Auch die US-Börsenaufsicht ist hinter ihm her. Also macht er sich mit dem Greyhound-Bus und seinen Lieblingsuhren auf den Weg von New York auf eine Reise durchs ganze Land um seine College-Liebe Layla zu finden. Findet er bei ihr das echtere Leben?
Schon etwas länger stand „Willkommen in Lake Success“ bei mir im Bücherregal, nun habe ich es mir endlich geschnappt und gelesen. Versucht zu lesen. Nun ja, das hat teilweise geklappt.
Der Schreibstil des Buches war soweit ganz ok für mich, grundsätzlich gut verständlich, inhaltlich zu Beginn erst einmal eher kryptisch, bis man wusste, was hier wohl wie vorgefallen ist. Was mich beim Lesen gestört hat, war die Art von Humor, die wohl nicht unbedingt mein Fall ist. Es ist definitiv unterhaltsam und auch lustig, für mich aber oft zu übertrieben lustig dargestellt, so dass ich sowas einfach nicht mehr mag. Einfach eben speziell.
Die Geschichte an sich ist schon kurios, andererseits ist ein Ausbrechen heutzutage oftmals eine große Chance, oft aber halt auch mehr Flucht vor dem bisherigen Leben. Insofern war es zu Beginn durchaus auch spannend zu lesen, wie Barry Cohen diesen Weg antritt, welchen Hindernissen er ausgesetzt ist, wie er diese angeht. Für mich war es jedoch auch nach längerem Lesen so, dass mich die Geschichte nicht in ihren Bann ziehen konnte, was wohl an der Art und Weise des Stils lag. Grundsätzlich war es lustig zu lesen, wie humorvoll manche amerikanischen Dinge angegangen werden, wie wahr diese Sachen dann wieder sind und absurd. Mir war es aber einfach zu übertrieben und daher auf Dauer zu nervig zum Lesen.
Insofern war es leider kein Roman, der mich absolut begeistert hat, ich würde ihn nicht unbedingt weiterempfehlen, außer ich weiß, jemand mag diese Art von Humor sehr gerne. Von mir gibt es hier entsprechend auch nur 2 von 5 Sternen, die grundsätzliche Geschichte und den Ansatz fand ich gut, die Umsetzung war für mich persönlich leider nichts.
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Barry und der Zahn der Zeit
Barry Cohen, millionenschwerer Master of the Universe, verlässt fluchtartig sein geregeltes Leben in New York. Seine Frau Seema ist ihm zu wider und für seinen autistischen Sohn hat er nur Scham übrig. Im Greyhoundbus macht er sich auf die Reise nach El …
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Barry und der Zahn der Zeit
Barry Cohen, millionenschwerer Master of the Universe, verlässt fluchtartig sein geregeltes Leben in New York. Seine Frau Seema ist ihm zu wider und für seinen autistischen Sohn hat er nur Scham übrig. Im Greyhoundbus macht er sich auf die Reise nach El Paso - zu seiner Jugendliebe Layla. Doch kann sie ihm wirklich das perfekte Leben bieten wovon Barry immer geträumt hat?
Die ersten Kapitel machen es einem nicht gerade leicht in die Geschichte einzutauchen. Es gibt viele Rückblenden und unnötige Nebengeschichten der Charaktere. Barry ist - obwohl steinreich - eigentlich ein armer Mann. Für ihn zählt nur das Geschäft und bei jeder Konversation will er den für ihn größten Nutzen rausschlagen. Er schämt sich für seinen Sohn und hat aber selbst einen ungesunden Zwang nach teuren Luxusuhren und eine perfide Besessenheit nach Layla. Auch Seema verdrängt die offensichtlichen Probleme und stürzt sich in eine Affäre. Auf seiner Reise zieht es Barry anfangs nur zu Bekannten, doch im Laufe der Geschichte lernt er doch Leute mit wirklichen Problemen kennen. Der Schreibstil ist teilweise vulgär und brutal ehrlich. Die Beschreibungen der einzelnen Bundesstaaten ist gut gelungen und man konnte sich gut in die Reise hineinversetzen.
Willkommen in Lake Success ist eine Geschichte über einen verlorenen Mann der Oberschicht. Die Charaktere sind allesamt unsympathisch und haben surreale Ansichten vom Leben. Auch wenn der Roadtrip gut gelungen ist, wünscht man keinem der Protagonisten ein Happy End.
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