Ulla Lenze
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Das Wohlbefinden (MP3-Download)
Roman Ungekürzte Lesung. 536 Min.
Sprecher: Sesterhenn, Kaja
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»Ulla Lenze schreibt eine tolle, empfindungsintensive Prosa. Echt und wahr und ehrlich.«David Wagner Die Fabrikarbeiterin Anna wird als Medium verehrt, Johanna Schellmann ist Schriftstellerin. In den Heilstätten Beelitz entsteht eine Verbindung zwischen den ungleichen Frauen, von der beide profitieren – bis der Kampf um Anerkennung und Aufstieg sie zu Rivalinnen macht. Ulla Lenze hat in ihrer unvergleichlich kristallinen Prosa einen großen Roman über die Verführungskraft der Selbsterlösung geschrieben. Versteckt in den Kiefernwäldern vor den Toren Berlins liegen die Arbeiter-Lungenhe...
»Ulla Lenze schreibt eine tolle, empfindungsintensive Prosa. Echt und wahr und ehrlich.«David Wagner Die Fabrikarbeiterin Anna wird als Medium verehrt, Johanna Schellmann ist Schriftstellerin. In den Heilstätten Beelitz entsteht eine Verbindung zwischen den ungleichen Frauen, von der beide profitieren – bis der Kampf um Anerkennung und Aufstieg sie zu Rivalinnen macht. Ulla Lenze hat in ihrer unvergleichlich kristallinen Prosa einen großen Roman über die Verführungskraft der Selbsterlösung geschrieben. Versteckt in den Kiefernwäldern vor den Toren Berlins liegen die Arbeiter-Lungenheilstätten Beelitz. Als sich die Fabrikarbeiterin Anna Brenner und die Schriftstellerin Johanna Schellmann hier im Jahr 1907 begegnen, hat das für beide Frauen existenzielle Folgen. Anna gilt als hellsichtig, und obwohl die Avantgarde der Kaiserzeit begeistert mit dem Okkulten experimentiert, wird Annas wachsende Anhängerschaft für den Leiter der Heilstätten zum Problem. In Johanna legt die Begegnung eine tief verschüttete Spiritualität frei, und sie ahnt, dass Anna eine Schlüsselrolle in ihrem literarischen Schaffen spielen könnte. Nur: Anna lässt sich nicht vereinnahmen, von niemandem. Sechzig Jahre später versucht Johanna Schellmann Worte für ihre Verstrickungen in der Vergangenheit zu finden, doch erst Vanessa, ihre Urenkelin, bringt Licht ins Dunkel – mitten in einem luxussanierten Beelitz, durch das noch die Geister der Vergangenheit wehen. Vom Kaiserreich bis in die Gegenwart porträtiert Ulla Lenze drei Frauenleben, die Befreiung und Aufstieg erfahren und sich doch nicht vor dem drohenden Bedeutungsverlust retten können.
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Ulla Lenze, 1973 in Mönchengladbach geboren, studierte Musik und Philosophie in Köln. Für ihre Romane wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Jürgen-Ponto-Preis für das beste Debüt 2003, dem Rolf-Dieter-Brinkmann-Förderpreis und dem Ernst-Willner-Preis beim Bachmann-Wettbewerb. 2016 erhielt Ulla Lenze für ihr Gesamtwerk den »Literaturpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft« und 2020 den Niederrheinischen Literaturpreis der Stadt Krefeld. Ihr Roman »Der Empfänger« (2020) wurde in elf Sprachen übersetzt. Im Frühjahr 2023 hatte sie die renommierte Max-Kade-Gastprofessur am Dartmouth College (USA) inne. Ulla Lenze lebt in Buckow in der Nähe von Berlin.
Produktdetails
- Verlag: Klett-Cotta
- Erscheinungstermin: 19. Oktober 2024
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783608988734
- Artikelnr.: 71806414
»Endlich einmal wieder ein Roman, der stofflich, sprachlich und historisch interessant ist.« Tilman Krause, Die Welt am Sonntag, 13. Oktober 2024 Tilman Krause Welt am Sonntag 20241013
Moder und Erde, als könnte sie sprechen
Die Beelitzer Lungenheilstätten als Zwischenreich des Okkultismus: Ulla Lenzes Roman "Das Wohlbefinden"
Plötzlich steht der Junge im Krankenzimmer der beiden Frauen. Er ist durch die Wand gekommen, trägt Winterkleidung, die Lippen und Finger "blau und das Gesicht leichenblass". Die eine Patientin, Anna, sieht er "mit einem Ausdruck aus Entsetzen und Schmerz an", die andere, Margarete, bemerkt ihn nicht. Als der Junge kurz darauf verschwindet, hinterlässt er Wasser auf dem Zimmerboden - das wenigstens kann Margarete sehen. Und Anna teilt ihr mit, dass Margaretes Sohn gerade ertrunken sei, im kilometerweit entfernten Berlin.
Woher weiß sie das?
Die Beelitzer Lungenheilstätten als Zwischenreich des Okkultismus: Ulla Lenzes Roman "Das Wohlbefinden"
Plötzlich steht der Junge im Krankenzimmer der beiden Frauen. Er ist durch die Wand gekommen, trägt Winterkleidung, die Lippen und Finger "blau und das Gesicht leichenblass". Die eine Patientin, Anna, sieht er "mit einem Ausdruck aus Entsetzen und Schmerz an", die andere, Margarete, bemerkt ihn nicht. Als der Junge kurz darauf verschwindet, hinterlässt er Wasser auf dem Zimmerboden - das wenigstens kann Margarete sehen. Und Anna teilt ihr mit, dass Margaretes Sohn gerade ertrunken sei, im kilometerweit entfernten Berlin.
Woher weiß sie das?
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"Es sprach einfach aus ihr heraus", heißt es dazu in Ulla Lenzes Roman "Das Wohlbefinden", und wenig später wird offenbar, dass Anna mit ihrer Behauptung sogar recht hatte. Die junge Frau aus einfachen Verhältnissen ist medial begabt, sie weiß es seit Längerem, und auch die Begleitumstände solcher Eingebungen wie die zum Todesfall von Margaretes Sohn kennt sie bereits: Ein kalter Hauch weht sie an, und wenn sie die Augen schließt, "als könnte sie damit den Lauf der Dinge anhalten", dann schafft sie das nicht lange - "etwas zwang sie, die Augen wieder zu öffnen".
Anna Brenner, so unterstreicht es diese Stelle, ist als Medium zwar empfänglich für Eindrücke aus der Welt des Okkulten. Beeinflussen kann sie sie aber nicht. Es ist nicht einmal an ihr, zu entscheiden, was sie davon mitteilt, sodass sich ihr auch die Abwägung der Folgen einer solchen Mitteilung entzieht. In diesem Fall erhält sie von ihrer Zimmernachbarin eine Ohrfeige.
Lenzes Roman hat drei Zeitebenen, die zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, im Jahr 1967 und schließlich jüngst während der Corona-Epidemie angesiedelt sind. Im Jahr 2020 sucht die schlecht bezahlte Onlinewerberin Vanessa eine für sie erschwingliche Wohnung bei Berlin, wo auf dem Gelände der Heilstätten Beelitz gerade neue Unterkünfte entstehen. Aus einem Impuls heraus teilt sie dem Makler mit, ihre Urgroßmutter Johanna Schellmann habe ein Buch über die um 1900 errichtete Anstalt geschrieben. Wenig später meldet sich der Makler bei ihr, weil er im Besitz eines von Schellmann angefertigten Typoskripts sei - sein vor einiger Zeit verstorbener Vater Klaus habe die greise Dichterin bis zu ihrem Tod betreut - dieses Verhältnis im Jahr 1967 bildet die zweite Zeitebene des Romans.
Eine Menge Zufälle sind also nötig, um die Handlung in Gang und Vanessa in Kontakt mit der Geschichte zu bringen, die ihre Urgroßmutter mit dem Medium teilt - Johanna mit Anna. Sie beginnt 1907 eben in den Heilstätten Beelitz, als die Dichterin dort für ein Buch recherchiert, das ihr 1909 unter dem Titel "Das Schmuckzimmer" den literarischen Durchbruch bringen soll. Dort wird Schellmann auf die über das Gelände spazierende, von einer Anhängerinnenschar umgebene Brenner aufmerksam. Die beiden Frauen nähern sich einander an, Brenner zieht schließlich in die Grunewaldvilla der Schellmanns, sehr zum Missvergnügen des Ehemanns der Dichterin, um Johanna vom Leben in den Heilstätten zu erzählen und so beim Schreiben des Romans zu unterstützen - der Roman beschreibt auf jeder seiner Ebenen auch von patriarchalen Konventionen, gegen die Frauen wie Johanna ankämpfen.
Annas okkulte Begabung spricht sich weiter herum, sie wird nach München zu dem Parawissenschaftler Albert von Schrenck-Notzing geschickt, der sie untersucht und einem interessierten Publikum während einer Séance zur Schau stellt. Schließlich kommt es zum Zerwürfnis zwischen Anna und Johanna, das Medium verlässt die Villa. Aber noch sechzig Jahre später wird die hochbetagte Schellmann die Präsenz der einstigen Freundin empfinden.
In der zeitlich am meisten zurückliegenden Schicht zeichnet die Autorin ein Bild der bekannten Okkultismusbegeisterung jener Jahre, in dem auch historische Gestalten wie das hier gründlich verkasperte Ehepaar Rudolf und Marie Steiner oder eben Schrenck-Notzing Gastauftritte haben. Durch den 1967 spielenden Romanteil irrlichtert dann Günter Grass. Die Vorstellung jedenfalls, wir seien von einer Geisterwelt umgeben, zu der sich bestimmte Personen Zugang verschaffen könnten, erreicht Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts weite Kreise, auch und gerade in der Wissenschaft. "Wir sind hier in einer Art Zwischenreich", sagt der Heilstätten-Klinikleiter Blomberg und meint damit zunächst die ihm anvertraute Einrichtung, deren tuberkulosekranke Bewohner hier keine vollständige Heilung finden, wohl aber Linderung und neue Kraft, um anschließend wieder ihrer schweren Erwerbsarbeit nachgehen zu können.
Von der Existenz eines okkulten Zwischenreichs ist Blomberg allerdings ebenso überzeugt, und er beschäftigt sich erheblich lieber mit dem Medium Anna, von deren Begabung er sich Hilfe in seiner therapeutischen Arbeit erhofft, als mit den Forschungen von Schellmanns Ehemann, der auf dem Weg ist, das für die Tuberkulose-Behandlung so wichtige Penicillin zu erfinden. Blomberg setzt auf das "Wohlbefinden" der Patienten, das Lenzes Roman den Titel gibt, er sucht in der Psyche nach Mitteln, dies zu befördern, und bezieht das Okkulte mit ein, je länger der Roman anhält, umso mehr.
Dass allerdings ein Arzt allen Ernstes im Jahr 1908 noch rhetorisch fragt "Wie könnte Fotografie betrügen?", mutet seltsam an - nach all den angeblichen Geisterfotografien des neunzehnten Jahrhunderts und den damals weit verbreiteten Berichten über Betrugsverfahren gegen die Urheber dieser Aufnahmen. Glaubt Blomberg selbst daran? Und wenn nicht: Glaubt er wirklich, dass er damit durchkommt?
Was ihn umtreibt, wird in einer Szene deutlich, in der sich der Arzt um den Erfolg einer Séance sorgt und sich Manipulationen ausdenkt, die das Publikum übersinnliche Erscheinungen glauben lassen soll. Ein Betrug sei das nicht, meint Blomberg, eher "Nachhilfe, um die Wahrheit ans Licht zu befördern".
Lenze gelingen glücklich gewagte Sätze wie etwa in der Beschreibung einer nächtlichen Szenerie: "Es war eine geheimnisvolle Luft; Moder und Erde, als könnte sie sprechen." Dann wieder liest man, aus der Perspektive derselben Romanfigur, leider Plattitüden wie die Erinnerung an "das Echte und Lebendige" in Schellmanns Ehemann, "das ihr so gefallen hatte, das kraftvoll über die starren Strukturen um sie herum triumphierte". Auch wer sich bei Sätzen wie "Der Wagen rumpelte gen Berlin" oder "'Ich finde es interessant', hob sie nachdenklich an" unbehaglich fühlt, hat in diesem Roman schlechte Karten.
Immerhin deutet sich für Johanna Schellmanns Urenkelin Vanessa ein Ausweg aus ihrer umfassenden Lebenskrise an. Während der Corona-Epidemie kann sie eine Wohnung hüten, die für die eigentliche Besitzerin jetzt unzugänglich ist, und sie erreicht mit ihren Geschichten in Social Media über Johanna und Anna ein wachsendes Publikum. Sogar in ihrer eigenen zerrütteten Familie kommt jetzt einiges in Ordnung. Was "Wohlbefinden" sei, so mag man die Absicht des Romans verstehen, muss zu jeder Zeit und von jedem Einzelnen neu ausgehandelt werden. TILMAN SPRECKELSEN
Ulla Lenze: "Das Wohlbefinden". Roman.
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2024. 336 S., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Anna Brenner, so unterstreicht es diese Stelle, ist als Medium zwar empfänglich für Eindrücke aus der Welt des Okkulten. Beeinflussen kann sie sie aber nicht. Es ist nicht einmal an ihr, zu entscheiden, was sie davon mitteilt, sodass sich ihr auch die Abwägung der Folgen einer solchen Mitteilung entzieht. In diesem Fall erhält sie von ihrer Zimmernachbarin eine Ohrfeige.
Lenzes Roman hat drei Zeitebenen, die zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, im Jahr 1967 und schließlich jüngst während der Corona-Epidemie angesiedelt sind. Im Jahr 2020 sucht die schlecht bezahlte Onlinewerberin Vanessa eine für sie erschwingliche Wohnung bei Berlin, wo auf dem Gelände der Heilstätten Beelitz gerade neue Unterkünfte entstehen. Aus einem Impuls heraus teilt sie dem Makler mit, ihre Urgroßmutter Johanna Schellmann habe ein Buch über die um 1900 errichtete Anstalt geschrieben. Wenig später meldet sich der Makler bei ihr, weil er im Besitz eines von Schellmann angefertigten Typoskripts sei - sein vor einiger Zeit verstorbener Vater Klaus habe die greise Dichterin bis zu ihrem Tod betreut - dieses Verhältnis im Jahr 1967 bildet die zweite Zeitebene des Romans.
Eine Menge Zufälle sind also nötig, um die Handlung in Gang und Vanessa in Kontakt mit der Geschichte zu bringen, die ihre Urgroßmutter mit dem Medium teilt - Johanna mit Anna. Sie beginnt 1907 eben in den Heilstätten Beelitz, als die Dichterin dort für ein Buch recherchiert, das ihr 1909 unter dem Titel "Das Schmuckzimmer" den literarischen Durchbruch bringen soll. Dort wird Schellmann auf die über das Gelände spazierende, von einer Anhängerinnenschar umgebene Brenner aufmerksam. Die beiden Frauen nähern sich einander an, Brenner zieht schließlich in die Grunewaldvilla der Schellmanns, sehr zum Missvergnügen des Ehemanns der Dichterin, um Johanna vom Leben in den Heilstätten zu erzählen und so beim Schreiben des Romans zu unterstützen - der Roman beschreibt auf jeder seiner Ebenen auch von patriarchalen Konventionen, gegen die Frauen wie Johanna ankämpfen.
Annas okkulte Begabung spricht sich weiter herum, sie wird nach München zu dem Parawissenschaftler Albert von Schrenck-Notzing geschickt, der sie untersucht und einem interessierten Publikum während einer Séance zur Schau stellt. Schließlich kommt es zum Zerwürfnis zwischen Anna und Johanna, das Medium verlässt die Villa. Aber noch sechzig Jahre später wird die hochbetagte Schellmann die Präsenz der einstigen Freundin empfinden.
In der zeitlich am meisten zurückliegenden Schicht zeichnet die Autorin ein Bild der bekannten Okkultismusbegeisterung jener Jahre, in dem auch historische Gestalten wie das hier gründlich verkasperte Ehepaar Rudolf und Marie Steiner oder eben Schrenck-Notzing Gastauftritte haben. Durch den 1967 spielenden Romanteil irrlichtert dann Günter Grass. Die Vorstellung jedenfalls, wir seien von einer Geisterwelt umgeben, zu der sich bestimmte Personen Zugang verschaffen könnten, erreicht Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts weite Kreise, auch und gerade in der Wissenschaft. "Wir sind hier in einer Art Zwischenreich", sagt der Heilstätten-Klinikleiter Blomberg und meint damit zunächst die ihm anvertraute Einrichtung, deren tuberkulosekranke Bewohner hier keine vollständige Heilung finden, wohl aber Linderung und neue Kraft, um anschließend wieder ihrer schweren Erwerbsarbeit nachgehen zu können.
Von der Existenz eines okkulten Zwischenreichs ist Blomberg allerdings ebenso überzeugt, und er beschäftigt sich erheblich lieber mit dem Medium Anna, von deren Begabung er sich Hilfe in seiner therapeutischen Arbeit erhofft, als mit den Forschungen von Schellmanns Ehemann, der auf dem Weg ist, das für die Tuberkulose-Behandlung so wichtige Penicillin zu erfinden. Blomberg setzt auf das "Wohlbefinden" der Patienten, das Lenzes Roman den Titel gibt, er sucht in der Psyche nach Mitteln, dies zu befördern, und bezieht das Okkulte mit ein, je länger der Roman anhält, umso mehr.
Dass allerdings ein Arzt allen Ernstes im Jahr 1908 noch rhetorisch fragt "Wie könnte Fotografie betrügen?", mutet seltsam an - nach all den angeblichen Geisterfotografien des neunzehnten Jahrhunderts und den damals weit verbreiteten Berichten über Betrugsverfahren gegen die Urheber dieser Aufnahmen. Glaubt Blomberg selbst daran? Und wenn nicht: Glaubt er wirklich, dass er damit durchkommt?
Was ihn umtreibt, wird in einer Szene deutlich, in der sich der Arzt um den Erfolg einer Séance sorgt und sich Manipulationen ausdenkt, die das Publikum übersinnliche Erscheinungen glauben lassen soll. Ein Betrug sei das nicht, meint Blomberg, eher "Nachhilfe, um die Wahrheit ans Licht zu befördern".
Lenze gelingen glücklich gewagte Sätze wie etwa in der Beschreibung einer nächtlichen Szenerie: "Es war eine geheimnisvolle Luft; Moder und Erde, als könnte sie sprechen." Dann wieder liest man, aus der Perspektive derselben Romanfigur, leider Plattitüden wie die Erinnerung an "das Echte und Lebendige" in Schellmanns Ehemann, "das ihr so gefallen hatte, das kraftvoll über die starren Strukturen um sie herum triumphierte". Auch wer sich bei Sätzen wie "Der Wagen rumpelte gen Berlin" oder "'Ich finde es interessant', hob sie nachdenklich an" unbehaglich fühlt, hat in diesem Roman schlechte Karten.
Immerhin deutet sich für Johanna Schellmanns Urenkelin Vanessa ein Ausweg aus ihrer umfassenden Lebenskrise an. Während der Corona-Epidemie kann sie eine Wohnung hüten, die für die eigentliche Besitzerin jetzt unzugänglich ist, und sie erreicht mit ihren Geschichten in Social Media über Johanna und Anna ein wachsendes Publikum. Sogar in ihrer eigenen zerrütteten Familie kommt jetzt einiges in Ordnung. Was "Wohlbefinden" sei, so mag man die Absicht des Romans verstehen, muss zu jeder Zeit und von jedem Einzelnen neu ausgehandelt werden. TILMAN SPRECKELSEN
Ulla Lenze: "Das Wohlbefinden". Roman.
Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2024. 336 S., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Ganz glücklich wird Rezensentin Eva Behrendt nicht mit Ulla Lenzes neuem Roman. Dabei stecken in ihm, lernen wir, viele interessante Themen, und auch erzählerisch ist er ambitioniert, spannt sich über drei Zeitebenen auf: Da wäre erstens die wohnungssuchende Vanessa, die sich für das Leben ihrer Großmutter Johanna Schellmann zu interessieren beginnt, die Schriftstellerin war; zweitens begegnen wir dieser Johanna Schellmann im Jahr 1967, zu einer Zeit, als ihr literarisches Schaffen in Frage gestellt wird; und drittens, das ist der Hauptteil des Buches, geht es zurück ins Jahr 1908, als ebenfalls Johanna Schellmann eine Psychiatriepatientin kennenlernt . Die Hauptfigur Johanna Schellmann bleibt bei Lenze
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ambivalent, schildert Behrendt, sie ist einerseits privilegiert, andererseits möchte sie sich gesellschaftlichen Zwängen entziehen, auch sonst spielen soziologische Themen wie Klassengesellschaft und die Auswirkungen der Industrialisierung in diesen Roman hinein. Nicht wirklich gelungen ist laut Behrendt allerdings die erzählerische Konstruktion, die Passagen über Vanessa und die alternde Schriftstellerin sind nicht allzu spannend und auch die prinzipiell stärkeren Teile, die sich dem Verhältnis Johanna Schellmanns und der Patientin widmen, leiden darunter, dass wir zu wenig über letztere erfahren. So wirkt das prinzipiell schön unprätentions geschriebene Buch leider oft etwas bemüht, ärgert sich die Rezensentin abschließend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Gebundenes Buch
Das Cover wirkte auf mich sehr vielversprechend, eine Darstellung der beiden Hauptprotagonisten, die unnahbar scheinen, daher finde ich es sehr gut ausgewählt, besonders mit den dezenten Farben.
Die Grundidee zu diesem Roman ist sehr wertvoll, eine Erzählung um die Heilstätten …
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Das Cover wirkte auf mich sehr vielversprechend, eine Darstellung der beiden Hauptprotagonisten, die unnahbar scheinen, daher finde ich es sehr gut ausgewählt, besonders mit den dezenten Farben.
Die Grundidee zu diesem Roman ist sehr wertvoll, eine Erzählung um die Heilstätten Beelitz, was für meinen Geschmack viel zu kurz kommt im gesamten Roman, das finde ich sehr schade. Es wird zu Beginn ein wenig darüber berichtet, auch wie Anna sich dort einfindet und doch sollte es ein Hauptbestandteil des Inhaltes sein. Mit den drei Zeitsträngen kommt man beim lesen ziemlich gut zurecht, sie sind sehr gut miteinander verbunden und sobald man einmal die Situationen & Geschehnisse verinnerlicht hat, findet man sich sehr schnell in der jeweiligen Zeit wieder. Wobei ich auch anmerken möchte, das die Erzählung im Jahre 2020 irgendwie nicht ins Gesamtbild hinein passt. Ein guter Ansatz in jedem Fall, nur leider sehr langatmig geschrieben, für mich wurden diese Zeilen sehr langweilig zu lesen und das hat es sehr erschwert, um weiter zu lesen, da irgendwie der Funke nicht übergesprungen ist.
Der leichte und einfache Schreibstil in Prosa passt zum Inhalt und lässt sich auch sehr gut lesen. Der Klappentext verspricht hier allerdings einen Roman zu einem besonderen Ort, der viel zu wenig umschrieben wird, fraglich ist auch die Geschichte dahinter, es ist ab und an so extrem erzählt, das man tatsächlich nicht weiß, ob es Trug oder Schein ist, oder tatsächlich Realität. Keine Ahnung, ich finde es gerade auch sehr schwierig hier eine objektive Meinung abzugeben, da ich leider vom Gesamtbild des Buches irgendwie enttäuscht bin, das ist sehr schade, doch ich kann und möchte hier keine Empfehlung aussprechen.
Ich bin sicher Ulla Lenze hat unglaublich viel Recherche Arbeit für dieses Buch geleistet, doch die Tatsachen sind einfach viel zu wenig rüber gebracht. Ein Versprechen lt. Klappentext wurde hier für mich in keiner Weise gehalten. Das Anna als Medium verehrt wurde kann ich hier in den Zeilen nicht wieder finden, nicht in diesem Ausmaß, das ist leider nicht besonders gut rüber gebracht.
3 von 5 Sternen vergebe ich hier, aufgrund des Covers & der Grundidee, die wirklich sehr wertvoll sind. Ab und an ist es tatsächlich auch spannend geschrieben, allerdings wird bei keiner Situation in die Tiefe gegangen, viele Dinge werden oberflächlich angeschnitten, bei denen man wirklich gerne näheres erfahren hätte. Ein Ende, das im Grunde überhaupt nicht passt. Sehr schade, da ich mir sehr viel mehr von diesem Buch versprochen hatte, auch die Begegnung der beiden Frauen war lt. Klappentext anders versprochen, die Erwartung des Lesers/Leserin nicht erfüllt.
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Gebundenes Buch
Da der Tuberkulose keine modernen Medikamente entgegengesetzt werden konnten, war die wirksamste Therapie das Wohlbefinden der Patienten. Darauf setzten auch die Heilstätten in Beelitz. Hier wurden in erster Linie Fabrikarbeiterinnen und -arbeiter behandelt. So auch die etwas sonderbare Anna. …
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Da der Tuberkulose keine modernen Medikamente entgegengesetzt werden konnten, war die wirksamste Therapie das Wohlbefinden der Patienten. Darauf setzten auch die Heilstätten in Beelitz. Hier wurden in erster Linie Fabrikarbeiterinnen und -arbeiter behandelt. So auch die etwas sonderbare Anna. Von ihr geht eine spirituelle Kraft aus, denn sie kann angeblich die Zukunft sehen. Das verschafft ihr viele Anhänger, besonders auch im Kreise der gehobenen Gesellschaft. Die Schriftstellerin Johanna wird ein regelrechter Fan von Anna. Bis ins hohe Alter kann Johanna nicht von Anna lassen.
Dieser Roman ist sehr facettenreich und umspannt mehrere Zeitebenen von 1907 bis ins Coronajahr 2020. Die Vergangenheit und Gegenwart spiegeln sich in vielen Parallelen wider. Sehr interessant fand ich das Bohei um den Okkultismus Anfang des letzten Jahrhunderts. Was wohl mal als Zeitvertreib begann, wurde für manch einen zur Religion. Die Protagonistinnen waren mir alle gänzlich unsympathisch. Dennoch waren sie scharf gezeichnet und ihre Geschichte grandios erzählt. Am Ende blieb so einiges offen. Für mich als Leserin ist dies natürlich unbefriedigend. Aber ich habe auch festgestellt, dass mir dadurch diese sehr vielschichtige und zum Teil auch etwas merkwürdige Geschichte nicht mehr aus dem Kopf geht. Für mich klar, ein Buch, dass man nicht so schnell vergisst und das beim Lesen eine gewisse Sogwirkung entwickelt.
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Gebundenes Buch
Dieses Buch wollte ich unbedingt lesen, es kam mir von der Thematik her so unglaublich spannend vor. Als ich es in den Händen hielt, brannte ich förmlich darauf, zu beginnen und überlegte bereits, wie ich mich denn soweit zurückhalten könnte, um wirklich nur den jeweils …
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Dieses Buch wollte ich unbedingt lesen, es kam mir von der Thematik her so unglaublich spannend vor. Als ich es in den Händen hielt, brannte ich förmlich darauf, zu beginnen und überlegte bereits, wie ich mich denn soweit zurückhalten könnte, um wirklich nur den jeweils vorgegebenen Abschnitt - ich las es im Rahmen einer Leserunde - zu genießen.
Nun, diese Befürchtung war vollkommen grundlos - leider, muss ich sagen, denn bereits der Einstieg bedeutete für mich den Start in ein ziemliches Wirrwarr und das, obwohl ich einst - zugegeben vor sehr langer Zeit - Geschichte studiert habe und leidenschaftlich gerne Romane über historische Themen lese. So war ich auch auf diesen gekommen: Er handelt von der Autorin Johanna,, die Anfang des 20. Jahrhunderts ein Buch über eine Heilanstalt schreiben wollte und nicht ihren Gatten, einen Arzt, sondern eine ehemalige Insassin dieser Einrichtung, die dem Vernehmen nach hellsichtige Anna zu Rate zog, die zum Verdruss des Gatten bei ihnen einzog.
Die zweite Erzählebene widmet sich Vanessa, der Urenkelin Johannas, die sich auf die Spuren ihrer Ahnin begibt.Und eigentlich gibt es auch noch eine dritte, nämlich Johanna selbst als alte Frau in den 1960er Jahren zur Zeit der Studentenunruhen. Was für tolle Themen!
Doch ach, wie verzwickt wird das alles dargestellt, ich fühlte mich von Beginn an nicht zum Weiterlesen ermuntert, sondern fand mich häufig verwirrt oder gelangweilt mitten in einem Leseabschnitt, von dem ich hoffte, er wäre doch bitte schon längst vorbei. Es fällt mir schwer, es zu beschreiben, aber ich konnte der Handlung oft nicht recht folgen, verlor den Faden , das Interesse oder gar beides.
Nun, ich bin enttäuscht, wobei ich nicht so recht sagen kann, ob von dem Buch oder von mir selbst. Kannte und mochte ich doch bereits einen Roman der Autorin Ulla Lenze, "Der Empfänger", den ich vollkommen anders empfunden habe als diesen hier. Aber es hilft alles nichts, besser kann ich ihn einfach nicht bewerten!
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Gebundenes Buch
Das Schicksal dreier Frauen – die Heilstätten-Beelitz sind dabei das Bindeglied
Der Roman von Ulla Lenze „Das Wohlbefinden“, erschienen im Klett-Cotta Verlag, vereint die Geschichte von drei Frauen über einen Zeitraum vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die …
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Das Schicksal dreier Frauen – die Heilstätten-Beelitz sind dabei das Bindeglied
Der Roman von Ulla Lenze „Das Wohlbefinden“, erschienen im Klett-Cotta Verlag, vereint die Geschichte von drei Frauen über einen Zeitraum vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Dabei spielen die Heilstätten in Beelitz eine nicht unerhebliche Rolle.
Bei Vanessa, der Urenkelin von Johanna Schellmann, beginnt und endet im Jahr 2020 die Geschichte. Ein schöner Rahmen für die gesamte Handlung, wie eine Brücke.
Anfangs sucht sie in Beelitz-Heilstätten eine Wohnung, weil sie in Berlin keine bezahlbare Wohnung finden kann. Vom Makler, der ihr eine Wohnung zeigt, erhält sie später das Manuskript ihrer Urgroßmutter, Johanna Schellmann. Und dann entrollt sich die Geschichte. Über das Jahr 1967, als Johanna bereits 85 Jahre alt ist, zurück in die Jahre 1907 bis 1909.
Im Jahr 1907 lernen wir Anna kennen. Anna, eine Frau, die früher als Dienstmädchen gearbeitet hat, wird in die Lungenheilanstalt in Beelitz eingeliefert. Sie hat seherische Fähigkeiten und wird mit ihren Prophezeiungen unter den Insassen gehasst und verehrt. Hier lernt sie später Johanna Schellmann kennen, eine gut situierte Bürgerliche, die Schriftstellerin ist bzw. werden will.
Zwischen beiden entwickelt sich eine seltsame Verbindung. Mehr dazu sollte man selbst lesen.
Es ist insgesamt eine schöne Geschichte. Ich habe einiges über die Heilstätten-Beelitz erfahren. Das Okkulte und Mystische, das einen großen Teil der Handlung einnimmt, hat mir etwas über den damaligen Zeitgeist bzw. über dieses Thema generell vermittelt.
Das Wohlbefinden, das dem Buch den Namen gab, es kam an verschiedenen Stellen im Buch explizit zum Ausdruck. Es wurde hier als eine Form der Therapie in den Heilstätten betrachtet, da es zu dieser Zeit noch kein Heilmittel gegen Tuberkulose gab.
Der Schreibstil hat mir gefallen. Dennoch hat mich die zweite Hälfte des Buches nicht zufrieden gestellt, wurden doch Handlungsstränge nicht auserzählt, was der Handlung mehr Dichte verliehen hätte.
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Gebundenes Buch
Verschenkte Sujets
Die Autorin mäandert planlos zwischen den unterschiedlichsten Themenstellungen herum, von denen manche, isoliert betrachtet, ein lohnendes Sujet abgeben könnten, deren insgesamt aber nur rudimentär durchgeführte Behandlung für den Leser unbefriedigend bis …
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Verschenkte Sujets
Die Autorin mäandert planlos zwischen den unterschiedlichsten Themenstellungen herum, von denen manche, isoliert betrachtet, ein lohnendes Sujet abgeben könnten, deren insgesamt aber nur rudimentär durchgeführte Behandlung für den Leser unbefriedigend bis ärgerlich ist.
Da ist einmal der revolutionäre soziale Aspekt, zu Beginn des 20. Jahrhunderts für die Arbeiterschicht eine Klinik für die seinerzeit noch unheilbare Tuberkulose zu schaffen. Unvermittelt wird die zur gleichen Zeit hochschwappende Mode des Okkultismus thematisiert. In einem untergeordneten Handlungsstrang wird, Jahre vor der tatsächlichen Entwicklung, die Erfindung des Penicillins vorweggenommen, scheiternd nur an den Kabalen innerhalb der Medizinerclique. In den Zusammenhang wird eine Ehegeschichte eingeflochten, garniert mit Eifersucht und Schuld, deren Protagonistin, bereits integriert in die Sphäre des Paranormalen, durch schriftstellerische Aktivität zum frühen Sprachrohr der Frauenemanzipation erscheint, bevor an eben dieser nach einem Zeitsprung die Probleme beginnender Demenz demonstriert werden. Um das Maß voll zu machen, werden an der Urenkelin alle Symptome moderner Orientierungslosigkeit durchexerziert, sinnig in die Coronaphase verlegt.
Himmel, was für ein Konglomerat!
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Gebundenes Buch
Der Zauberberg der Proletarier
…so nennt ein heutiger Verleger auf S. 26 die Heilstätten Beelitz bei einem Gespräch mit Johanna Schellmann. In den Heilstätten sollten Arbeitern die in menschenunwürdigen Verhältnissen leben und arbeiten mussten, Behandlungen …
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Der Zauberberg der Proletarier
…so nennt ein heutiger Verleger auf S. 26 die Heilstätten Beelitz bei einem Gespräch mit Johanna Schellmann. In den Heilstätten sollten Arbeitern die in menschenunwürdigen Verhältnissen leben und arbeiten mussten, Behandlungen besonders für Lungenkrankheiten ermöglichen. Da sind wir schon mittendrin in der Geschichte über die Heilstätten, über Frauenleben in der „Kaiserzeit“ und um okkultes Wissen und Hellsichtigkeit. Dieser Roman führt uns an verschiedene Orte – Berlin, West-Berlin, Beelitz, München. Außerdem sind die Abschnitte in Zeitebenen aufgeteilt – 1907- 1909, 1967, 2020. Gerade diese verschiedenen Zeitabschnitte führen aber auch dazu, dass ständig der Lesefluss unterbrochen wird. Wir lesen als ob wir durch den Roman mäandern – und nicht nur durch die Begebenheiten sondern auch durch die Orte, an denen sie stattfinden.
Zuerst treffen wir Vanessa, die Urenkelin Johanna Schellmanns, bei einem Besuch in den früheren Heilstätten Beelitz bei Berlin. Die sind in ein „Creative Village“ umfunktioniert worden mit vielen verschiedenen Baustellen. Vanessa hat eigene Probleme, sie muss ihre Wohnung verlassen – Eigenbedarf - und trifft mit einem Makler zusammen. Sehr interessant hier ist, dass der Makler, der Vanessa bei der Wohnungssuche helfen wird, ein Manuskript ihrer Großmutter gefunden hat. Dabei erzählt er Vanessa, dass sein Vater als Student ihrer Urgroßmutter geholfen hat, ihr Leben im Alter zu bewältigen. Ab da tauchen wir ein in diese oft düstere Geschichte. Um 1907 treffen wir Anna, eine Fabrikarbeiterin, in den Beelitzer Heilstätten. Sie spricht eine geheimnisvolle Sprache. Oft redet sie von Gott und sagt es immer wieder zu allen, die zu ihr auf sehen, dass es Gott sei, der ihr helfe. Sie erinnert sich an ihr Dasein als Dienstmädchen und Fabrikarbeiterin, später wird sie sich wünschen, darüber zu schreiben. Das Treffen mit Johanna Schellmann wird für beide zum Schicksal. Es ist die Kaiserzeit, viele Menschen, auch Ärzte sind inspiriert von okkulten Geschehnissen. Die hellsichtige Anna wird großen Einfluss in der Heilanstalt haben, Menschen fühlen sich zu ihr hingezogen. Sie spricht mit Ärzten und warnt Professor Blomberg und Clemens Schellmann vor gefährlichen Röntgenstrahlen – „diese werden Sie töten“. Sie wird zu spiritistischen Séancen hinzugezogen und fährt dazu sogar nach München zum Arzt Schrenck-Notzing. Dieser Arzt ist damals sozusagen in „Mode“ mit seinen rätselhaften und heimlichen Sitzungen mit verschiedenen Medien, wovon Anna eines wird.
Johanna nimmt Anna später in ihre Familie auf, was zur völligen Entfremdung führt mit ihrem Ehemann, dem Arzt Clemens. Er forscht mit Schimmel, der gegen Bakterien wirksam sein soll und das stößt Johanna ab. Er wiederum schätzt ihre intellektuellen Fähigkeiten in keiner Weise. Sie haben keine Gemeinsamkeiten mehr. Das führt dazu, dass Anna und Johanna sich mehr und mehr annähern. Clemens sieht dies sehr besorgt und befürchtet, dass Johanna seelisch abhängig werden könnte von Anna. Das Thema Beelitzer Heilstätten hat schon viele Veröffentlichungen hervorgebracht. Dort wurden einst Lungenkranke, Soldaten und Prominente behandelt. Im Ersten Weltkrieg waren sie ein Lazarett für verwundete Soldaten
Lenze erzählt ihre Geschichte, indem sie den Schicksalen von zwei Patientinnen und Ärzten folgt. Ihre Prosa ist dicht und eindringlich, ausdrucksvoll und überzeugend. Die Rolle der Urenkelin Vanessa wird überzeugend gezeichnet, besonders die Gefühle, die die Entdeckung des Manuskripts ihrer Urgroßmutter in ihr erzeugt. Der Roman beginnt mit Vanessa und endet damit, dass sie sich entschließt, mit ihrem Vater Weihnachten zu feiern – das Fest der Freude und Erlösung.
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Gebundenes Buch
Die Beelitzer Heilstätten sind etwas ganz Besonderes! Hier erholen sich um 1900 herum Arbeiterinnen und Arbeiter mit Liegekuren, Bädern und Sport von der Tuberkulose. Ein Heilmittel gibt es noch nicht, aber es dämmert die Erkenntnis, dass es auch wirtschaftlich sinnvoller ist, gesunde …
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Die Beelitzer Heilstätten sind etwas ganz Besonderes! Hier erholen sich um 1900 herum Arbeiterinnen und Arbeiter mit Liegekuren, Bädern und Sport von der Tuberkulose. Ein Heilmittel gibt es noch nicht, aber es dämmert die Erkenntnis, dass es auch wirtschaftlich sinnvoller ist, gesunde und erholte Mitarbeiter zu haben, als mehr und mehr Tuberkulosetote. Bei Arbeitszeiten von teils weit mehr als 60 Stunden in der Woche ist Erholung auch dringend nötig.
In ebenjenen Heilstätten trifft die Schriftstellerin Johanna Schellmann auf die Arbeiterin Anna, die durch alle möglichen mysteriösen Vorhersagen und Erscheinungen schon eine kleine Berühmtheit geworden ist. Ein Teil der Insassinnen verehrt sie, ein anderer Teil verteufelt sie. Die resolute Schellmann, die mit den gerade so en vougen spiritistischen Sitzungen eigentlich gar nichts anfangen kann, verfällt aber schnell Annas Charme. Aber was genau ist Annas Beitrag zum literarischen Durchbruch der Schellmann? Und was ist dran an Annas Hellsichtigkeit?
Ich mochte den Teil des Romans, der zwischen 1907 und 09 spielt, sehr gerne. Ulla Lenze zeichnet ein lebendiges Bild einer Zeit zwischen Aufklärung, alten Konventionen und spiritistischer Mode. Auch der Teil in den 60ern war interessant: Hier erleben wir eine einsame, zunehmend verwirrte und gänzlich irrelevant gewordene Schellmann, die aber offenbar noch mit etwas abschließen muss, was Anna und die damalige Zeit betrifft. Etwas sperrig hingegen kam der Teil daher, in dem wir die Enkelin Schellmanns während der Coronazeit begleiten. Die Tücken des Berliner Wohnungsmarktes kamen etwas aufgesetzt daher. Auch war die Enkelin in meinen Augen wenig sympathisch. Darin ähnelt sie zwar der Schellmann, aber deren Figur war doch weitaus vielschichtiger!
Leider hat mich der Roman mit der Zeit etwas verloren. Hintenraus kam trotz Wendung keine Spannung auf. Die Überraschung hat einfach nicht gezündet und die Hellsichtigkeit Annas wird schlicht irrelevant. Ich hatte das Gefühl, mit einem anderen Storytelling hätte man aus dieser Geschichte viel mehr herausholen können. Schade, ich hatte mir bei diesem spannenden Setting weit mehr erhofft!
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Gebundenes Buch
Das Buch befand sich auf der Longlist des deutschen Buchpreises und lockt außerdem mit einem wahnsinnig spannenden, historischen Setting, was mich direkt neugierig gemacht hat. Ich muss sagen, dass das Buch meine Erwartungen eher nicht erfüllt hat, sondern mich eher ratlos …
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Das Buch befand sich auf der Longlist des deutschen Buchpreises und lockt außerdem mit einem wahnsinnig spannenden, historischen Setting, was mich direkt neugierig gemacht hat. Ich muss sagen, dass das Buch meine Erwartungen eher nicht erfüllt hat, sondern mich eher ratlos zurücklässt.
Zum Inhalt: Die Fabrikarbeiterin Anna erholt sich in den Heilstätten Beelitz von einer Lungenerkrankung und gilt unter den anderen Frauen als hellsichtig. Als die Schriftstellerin Johanna Schnellmann nach Beelitz kommt um für einen Roman zu recherchieren treffen die beiden Frauen aufeinander. Eine Bekanntschaft, die beide nicht loslassen und eine von ihnen ins Verderben stürzen wird.
Die Geschichte wird in drei Zeitsträngen erzählt, was ich anfangs schwierig zu verfolgen fand. Die Abschnitte sind zwar entsprechend überschrieben, sodass man sie immer eindeutig zuordnen kann, aber mich haben diese schnellen Sprünge sehr im Lesefluss gestört. Die Geschichte wird daher für mein Empfinden sehr zerrupft und episodisch erzählt, was nicht so ganz meinen Geschmack getroffen hat.
Die Geschichte fordert den Leser, es gibt viel zu erkunden und man muss schon konzentriert lesen, um alle Nuancen und Untertöne zu erfassen. Und trotzdem hatte ich zwischendurch immer das Gefühl etwas überlesen oder nicht mitbekommen zu haben.
Die Charaktere waren allesamt schwer greifbar, so ein richtiger Sympathieträger war für mich nicht dabei, was ich insgesamt nicht schlimm finde. Viel eher hat mich gestört, dass die Figuren selbst eher blass bleiben, ihre Motive bis zum Schluss nicht klar. Besonders am Ende blieb für mich alles irgendwie seltsam in der Schwebe oder wurde nur kurz abgehandelt anstatt ordentlich auserzählt zu werden und lässt zu viel Raum für Interpretation. Ich mag das ja eigentlich, wenn man sich als Leser selbst Gedanken machen kann, aber hier habe ich gefühlt immer wieder den roten Faden verloren und war am Ende nicht mal sicher, ob ich verstanden habe, was uns die Autorin eigentlich mitteilen wollte.
Was ich super interessant und erzählerisch gut umgesetzt fand war, die Heilstätten als Institution in Szene zu setzen. Die Beschreibungen der für ihre Zeit sehr modernen Einrichtung haben mir gut gefallen und ein tolles Setting gestellt. Daher fand ich es schade, dass man die Heilstätten ab circa der Hälfte des Buches als Schauplatz hinter sich lässt.
Insgesamt hat es das Buch nicht geschafft mich zu packen und mitzureißen. Ich hatte mir vom Setting und dem Thema Okkultismus irgendwie mehr erwartet. Sprachlich zwar schön erzählt, inhaltlich aber für mich nicht überzeugend.
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Gebundenes Buch
Der Roman spielt auf drei Zeitebenen: 1908, 1967 und 2020. Im Mittelpunkt steht die Schriftstellerin Johanna Schellmann und das Medium Anna Brenner.
Im Jahr 2020 findet Vanessa Aufzeichnungen ihrer Urgroßmutter Johanna, in denen diese ihre Empfindungen und Erlebnisse aus der Zeit …
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Der Roman spielt auf drei Zeitebenen: 1908, 1967 und 2020. Im Mittelpunkt steht die Schriftstellerin Johanna Schellmann und das Medium Anna Brenner.
Im Jahr 2020 findet Vanessa Aufzeichnungen ihrer Urgroßmutter Johanna, in denen diese ihre Empfindungen und Erlebnisse aus der Zeit aufgeschrieben hatte, in der das Medium Anna Brenner bei ihr und ihrer Familie gewohnt hatte.
Johanna ist mit dem Arzt Clemens verheiratet. Clemens forscht an der Wirkung von Schimmelpilz und bewirbt sich um eine Stelle bei den Beelitz Heilstätten. Er schlägt Johanna vor, ein Buch über die Heilstätten zu schreiben. Johanna greift seinen Vorschlag auf und erkundet Beelitz in Begleitung des Direktors, Herrn Dr. Blomberg. Dieser ist seiner Zeit weit voraus und hat erkannt, dass Körper und Seele auf dem Weg zur Heilung zusammenhängen. „Die zentrale Therapie in unseren Heilstätten ist das Wohlbefinden, da uns ein Wirkstoff gegen die Tuberkulose fehlt. … Doch was ist das tiefste Prinzip des Wohlbefindens? Ich wage zu behaupten, es ist die Seele.“ (S. 203)
Auf dem Gelände lernt Johanna Anna Brenner kennen, eine Frau, die von den anderen Patientinnen verehrt und/oder gefürchtet wird, da sie in Verbindung mit dem Jenseits steht. „Ich habe meinen eigenen Willen aufgegeben und ergebe mich vollständig dem Willen Gottes.“ (S. 153). Blomberg schickt Anna nach München, wo der angesehene Spiritismusexperte, Baron Schrenck-Notzing, bestätigen soll, dass Anna ein echtes Medium ist.
Johanna fühlt sich magisch von Anna angezogen. Gegen den Willen ihres Mannes bietet sie ihr ein Gästezimmer in ihrem Haus an. Anna hilft Johanna beim Schreiben ihres Buches, das sehr erfolgreich wird. Während Annas Aufenthalt bei den Schellmanns entfernt sich Clemens immer mehr von seiner Frau, er ist kaum noch zuhause und verbringt seine Tage in seinem Labor im Garten oder macht Überstunden im Krankenhaus.
Bis zur Hälfte hat mir der Roman sehr gut gefallen, die Charaktere Johanna, Anna und Vanessa fand ich interessant, insbesondere Anna mit ihren übersinnlichen Fähigkeiten. Sie konnte Kontakt zu Toten herstellen und sah sich als ein Werkzeug Gottes. Johanna fand ich unsympathisch, sie hatte eine hohe Meinung von sich, da sie aus einem reichen Elternhaus kam und bereits ein Buch geschrieben hatte über ihre Bosporus-Reisen. Sie empfand wenig Liebe und Zuneigung für ihren Mann und ihre Kinder, auch die Beziehung zu ihrer Schwester und ihrer kürzlich verstorbenen Mutter war nicht gut. Im Jahr 1967 ist sie sehr alt und hat beginnende Demenz, sie wird ehrenamtlich von einem jungen Mann versorgt, der mit ihr über ihre Zeit mit Anna spricht. Damals ist etwas vorgefallen, das bei Johanna lebenslange Schuldgefühle verursacht hatte.
Am wenigsten interessant fand ich die Passagen über Johannas Urenkelin Vanessa. Diese benimmt sich seltsam und ist infolgedessen die perfekte Nachfahrin von Johanna.
Den Schreibstil der Autorin mochte ich sehr, besonders gut hat mir die erste Hälfte gefallen. Die Beschreibungen der Séancen und Geistererscheinungen fand ich interessant. Das Wohlbefinden ist ein außergewöhnliches Buch, das ich gern weiterempfehle.
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Gebundenes Buch
Ulla Lenzes Roman „Das Wohlbefinden“ bietet auf den ersten Blick ein vielversprechendes Setting: eine historische Begegnung in den Heilstätten Beelitz im Jahr 1907, eingebettet in die okkulte Szene jener Zeit, und verknüpft mit einer Rahmenhandlung in Berlin 2020. Das …
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Ulla Lenzes Roman „Das Wohlbefinden“ bietet auf den ersten Blick ein vielversprechendes Setting: eine historische Begegnung in den Heilstätten Beelitz im Jahr 1907, eingebettet in die okkulte Szene jener Zeit, und verknüpft mit einer Rahmenhandlung in Berlin 2020. Das Potenzial, eine packende Geschichte mit Tiefgang zu entwickeln, ist also eindeutig vorhanden. Doch trotz dieser faszinierenden Prämisse konnte mich der Roman letztlich nicht vollständig überzeugen.
Im Mittelpunkt steht die ambivalente Beziehung zwischen der angeblich hellsichtigen Fabrikarbeiterin Anna und der großbürgerlichen Schriftstellerin Johanna Schellmann. Beide Frauen scheinen voneinander zu profitieren, doch gleichzeitig bleibt unklar, welche Absichten wirklich dahinterstecken: Ist Anna ein echtes Medium oder eine geschickte Betrügerin? Nutzt Johanna sie lediglich als Inspiration für ihr neues Buch? Diese Spannung zieht sich durch den Roman, blieb jedoch für mich zu blass, um wirklich zu fesseln. Besonders Annas religiös-okkulte Äußerungen erschwerten es mir, ihre Anziehungskraft auf Johanna nachzuvollziehen. Auch die Figur von Johannas Enkelin Vanessa, die im modernen Berlin auf die Spuren ihrer Familiengeschichte stößt, bleibt für meinen Geschmack zu oberflächlich. Ihre Nachforschungen und die Entdeckungen über das wahre Ende von Johannas und Annas Geschichte fügen der Handlung zwar eine interessante Meta-Ebene hinzu, konnten mich emotional jedoch ebenfalls nicht erreichen.
Trotz dieser Kritikpunkte schätze ich Lenzes Sprache und den geschickten Aufbau des Romans. Ihre Fähigkeit, verschiedene Zeitebenen miteinander zu verknüpfen, zeugt von einer literarischen Raffinesse, die mich durchaus beeindruckt hat. Auch wenn „Das Wohlbefinden“ mich nicht vollkommen in seinen Bann ziehen konnte, würde ich dennoch weitere Romane von Ulla Lenze lesen, denn ihre stilistische Eleganz und die sorgfältige Konstruktion ihrer Geschichte sind unbestritten. Insgesamt lässt sich sagen, dass „Das Wohlbefinden“ trotz seiner gelungenen sprachlichen und erzählerischen Elemente letztlich für mich daran scheitert, die Tiefe seiner Figuren und die Dynamik ihrer Beziehungen überzeugend zu vermitteln. Wer sich jedoch für die Themen Okkultismus und historische Frauenfiguren interessiert, könnte in diesem Roman trotzdem eine lesenswerte Geschichte finden.
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