Fang Fang
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"Fesselnd wie ein Opiumrausch." Le Monde Wer China verstehen will, sollte diesen Roman lesen: In ihrem zuerst gefeierten, dann verfemten Roman rührt Fang Fang an die Traumata der chinesischen Seele. Als Weiches Begräbnis 2016 in China erscheint, wird der Roman als wichtigstes chinesisches Werk der letzten Jahrzehnte gefeiert und mit dem renommierten Literaturpreis Lu Yao ausgezeichnet. Doch als bei einer Parteizusammenkunft der Roman mit dem Vokabular der Kulturrevolution als "Giftpflanze" verbrämt wird, verschwindet das Buch vom Markt. Denn Fang Fang rührt darin an ein unverarbeitetes Tra...
"Fesselnd wie ein Opiumrausch." Le Monde Wer China verstehen will, sollte diesen Roman lesen: In ihrem zuerst gefeierten, dann verfemten Roman rührt Fang Fang an die Traumata der chinesischen Seele. Als Weiches Begräbnis 2016 in China erscheint, wird der Roman als wichtigstes chinesisches Werk der letzten Jahrzehnte gefeiert und mit dem renommierten Literaturpreis Lu Yao ausgezeichnet. Doch als bei einer Parteizusammenkunft der Roman mit dem Vokabular der Kulturrevolution als "Giftpflanze" verbrämt wird, verschwindet das Buch vom Markt. Denn Fang Fang rührt darin an ein unverarbeitetes Trauma der chinesischen Gesellschaft, die Landreform nach 1948, als Millionen Chines*innen hingerichtet und in "weichen Begräbnissen", d.h. ohne Sarg, verscharrt wurden. In einem kleinen Dorf wird eine junge Frau halbtot aus einem Fluss gezogen, sie erinnert sich an nichts. Der Dorfarzt Dr. Wu rettet ihr das Leben, und sie beginnt ein neues: Sie wird Haushälterin des KP-Kaders vor Ort, heiratet ihren Retter Dr. Wu, und sie bekommen einen Sohn. Doch im Laufe der Jahre löst sich der schützende Kokon des Vergessens. Sie sind verdammt zu schweigen, denn das Schweigen schützt die Familie: auch dafür steht "weiches Begräbnis", die Erinnerung so tief zu begraben, dass gefährliches Wissen für immer verlorengeht. Im Schatten dieses Traumas wächst ihr Sohn auf - doch alles ändert sich, als er beginnt, die Vergangenheit zu erforschen.
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Fang Fang ist eine der bekanntesten Schriftstellerinnen Chinas. Sie wurde 1955 geboren und lebt seit ihrem zweiten Lebensjahr in Wuhan. Ihr 2020 auf Deutsch erschienenes Wuhan Diary stand wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste. Zuletzt erschien von ihr bei Hoffmann und Campe der vielfach gefeierte Roman Glänzende Aussicht (2024).
Produktdetails
- Verlag: Hoffmann und Campe Verlag
- Seitenzahl: 448
- Erscheinungstermin: 1. April 2021
- Deutsch
- ISBN-13: 9783455011067
- Artikelnr.: 60490844
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Sandra Kegel freut sich über die gelungene Übersetzung von Fang Fangs Roman aus dem Jahr 2016 von Michael Kahn-Ackermann. Die Hintergründe des Textes und der Schmähung seiner Verfasserin durch die chinesische Regierung lernt sie im Nachwort kennen. Die Romanhandlung führt Kegel zurück in die chinesische Geschichte, zur Bodenreform ab 1949 und ihren grausamen Folgen. Erzählt als Familiengeschichte erscheint die Vergangenheit Kegel als Mosaikbild, das die Autorin "kunstvoll" arrangiert. Kegel hebt die Herausarbeitung von Ambivalenzen der Historie hervor und dass Fang Fang die Opferperspektive neben die der Täter stellt. Ein literarischer Gegenentwurf zur offiziellen Geschichte, den die Rezensentin nur begrüßen kann.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Lebensgefährliche Erinnerung
Ihr "Wuhan-Tagebuch" machte Fang Fang in der Welt berühmt und brachte China gegen sie auf. Ihr Roman "Weiches Begräbnis" stellt sich gegen verklärende Geschichtsschreibung.
Jetzt hat Chloé Zhao das gleiche Schicksal ereilt wie einst Fang Fang. Dass die chinesische Oscar-Gewinnerin soeben als erste Asiatin in der Filmgeschichte mit einem Oscar für die beste Regie ausgezeichnet wurde, war chinesischen Medien keine Zeile wert. Im Gegenteil. Nicht nur wurde Zhaos Film "Nomadland" totgeschwiegen, im Netz wurden überdies alle Beiträge, selbst Glückwünsche gelöscht, ihr Name wurde geblockt. Grund war wohl ein Interview, in dem die Regisseurin sich vor acht Jahren kritisch über ihr Herkunftsland
Ihr "Wuhan-Tagebuch" machte Fang Fang in der Welt berühmt und brachte China gegen sie auf. Ihr Roman "Weiches Begräbnis" stellt sich gegen verklärende Geschichtsschreibung.
Jetzt hat Chloé Zhao das gleiche Schicksal ereilt wie einst Fang Fang. Dass die chinesische Oscar-Gewinnerin soeben als erste Asiatin in der Filmgeschichte mit einem Oscar für die beste Regie ausgezeichnet wurde, war chinesischen Medien keine Zeile wert. Im Gegenteil. Nicht nur wurde Zhaos Film "Nomadland" totgeschwiegen, im Netz wurden überdies alle Beiträge, selbst Glückwünsche gelöscht, ihr Name wurde geblockt. Grund war wohl ein Interview, in dem die Regisseurin sich vor acht Jahren kritisch über ihr Herkunftsland
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geäußert hatte.
Als die 1955 geborene und in Wuhan aufgewachsene Schriftstellerin Fang Fang im Jahr 2016 ihren Roman "Weiches Begräbnis" veröffentlichte, erging es ihr nicht anders. Auch ihr Roman wurde zunächst von der Kritik als bedeutendes Werk gefeiert und 2017 mit dem wichtigsten Literaturpreis des Landes geehrt. Fang Fang war da längst eine anerkannte Autorin mit einem großen OEuvre und saß bis 2017, obwohl selbst kein Parteimitglied, dem staatlichen Literaturverband der Provinz Hubei vor. Als dann allerdings neonationalistische Kreise auf ihren Roman aufmerksam wurden, fluteten Hasstiraden das Netz: Sie habe die Errungenschaften und Erfolge des chinesischen Sozialismus "verraten und beschmutzt", hieß es. Ein Eingriff von offizieller Seite war nicht mehr nötig, das Buch verschwand, bis heute ist es in China nicht erhältlich.
In der hervorragenden Übersetzung von Michael Kahn-Ackermann ist jetzt auf Deutsch nachzulesen, was es mit diesem Roman auf sich hat. In seinem kenntnisreichen Nachwort liefert der Gründungsdirektor des Pekinger Goethe-Instituts, der heute in Nanjing lebt, überdies wertvolle Hintergründe zum Verständnis der Erzählung.
Schon der Titel gibt die Richtung vor: "Weiches Begräbnis" meint vordergründig das Verscharren von Leichnamen ohne Sarg, was dem Volksglauben zufolge eine Wiedergeburt unmöglich macht. Im übertragenen Sinn bezieht sich das Bild auf jene Menschen, die erlittenes Unglück in der Erinnerung vergraben. Was so im China des vorigen Jahrhunderts im Ringen um seelische Entlastung millionenfach geschah, schlug gleichwohl, so lesen wir diesen Roman, transgenerationell durch. Die Opfer staatlicher Willkür, von denen "Weiches Begräbnis" erzählt, wie auch ihre Nachkommen wurden das beschwiegene Unglück trotzdem nicht los.
Fang Fangs epische multiperspektivisch angelegte Erkundung der jüngeren Vergangenheit Chinas, die von den Anfängen bis in die Gegenwart der Volksrepublik reicht, nimmt dabei einen weniger bekannten, dabei ebenso traumatischen historischen Moment wie die Kulturrevolution oder die Studentenproteste von 1989 in den Blick, die sogenannte Bodenreform. Bis heute darf darüber kein kritisches Wort geäußert werden. Denn die nach der Staatsgründung 1949 einsetzende Agrarrevolution, in deren Verlauf die ländliche Oberschicht enteignet wurde, gehört zum Gründungsmythos des Landes. Dabei verfolgte die Umverteilung, bei der ungezählte Menschen gedemütigt, gefoltert und getötet wurden, zwei harte Ziele: die Schwächung der den Kommunisten kritisch gegenüberstehenden Bauernschaft sowie die unbedingte Loyalität der Profiteure.
Fang Fang betrachtet die Ereignisse anhand des Schicksals einer Familie. Warum die Erinnerung der zentralen Protagonistin Ding Zitao erst einsetzt, als sie im Frühjahr 1952 in der Provinz halb tot aus einem Fluss gezogen wurde, ist dabei ein zentraler Moment des Romans, an dem sich die Frage, wie erinnert und verdrängt, ja wie großes Leid überhaupt auszuhalten ist, exponiert.
Was Ding Zitao widerfahren ist, ehe sie ihren Lebensretter, den Arzt Dr. Wu, getroffen, später geheiratet und mit ihm einen Sohn bekommen hat, legt der Roman Schicht für Schicht frei. Alles beginnt damit, dass Jahrzehnte später die alte verwitwete Frau von ihrem fürsorglichen und inzwischen erfolgreichen Sohn Qinglin in sein Haus geholt wird und sie plötzlich in andauernde Schreckstarre verfällt. Etwas Furchteinflößendes löst die neue, komfortable Umgebung in ihr aus, und Ding Zitao ringt fortan im Dämmerzustand mit ihren ganz eigenen Dämonen.
Erst als der Sohn zufällig auf Hinweise aus der verschütteten Vergangenheit seiner Mutter stößt, beginnt sich das Rätsel allmählich zu lösen. Qinglin beginnt aktiv zu forschen, findet alte Aufzeichnungen des verstorbenen Vaters, aus denen hervorgeht, dass dieser seine Identität gewechselt hat, vor allem aber muss er erfahren, dass seine Mutter die einzige Überlebende ihrer Familie war. Deren Mitglieder nahmen sich in den fünfziger Jahren das Leben, um der brutalen Verfolgung zu entgehen. Mit ihren eigenen Händen und ohne Sarg musste Ding Zitao sie begraben.
Wie Fang Fang die Vergangenheit aus vielen Puzzleteilen zu einem neuen Bild zusammensetzt und dabei Protagonisten und Leser auf unterschiedlichen Wissensniveaus hält, ist kunstvoll gemacht. Vor allem aber gelingt es ihr mit den Mitteln der Literatur, die Ereignisse in all ihrer Ambivalenz zu zeichnen. Womöglich ja aus Furcht vor den Zensoren hat sich die Autorin mit Urteilen ihrerseits zurückgehalten. Die Täter, Mitwisser, Verdränger stehen jedenfalls außerhalb ihrer Bewertung. In der Gegenüberstellung mit der Perspektive der Opfer, die schweigen mussten oder vergessen wollten, erfährt die Erzählung jedoch ihre dramatische Fallhöhe.
Fang Fangs literarischer Gegenentwurf erzählt eine andere Geschichte als die offizielle Historie ihres Landes. Sie selbst hat in einem Interview bekannt, dass sie zwischen Wut und Hilflosigkeit schwankt ob der Tatsache, dass ihre Bücher in China nicht mehr erhältlich sind. Dass sie sich von den Reaktionen gleichwohl nicht beeindrucken lässt, davon zeugte zuletzt ihr millionenfach gelesenes "Wuhan-Tagebuch", in dem sie in ihrem Blog den sechzig Tage währenden ersten Lockdown nach dem Corona-Ausbruch in Wuhan beschrieben hat. Das "Tagebuch" liegt inzwischen in fast zwanzig Sprachen in Buchform vor, nur in China nicht, wo sie auch dafür als "Vaterlandsverräterin" beschimpft wurde und Morddrohungen erhielt.
Dass Erinnerungen lebensgefährlich sein können, davon handelt ihr beeindruckender Roman "Weiches Begräbnis". Und dass Fang Fang nicht aufhört, für diese Erinnerungen einen literarischen Raum bereitzuhalten, ist die kühne Entscheidung einer mutigen Frau. Fang Fang weiß, dass nur der Gedanke an gestern und vorgestern Menschen davon abhalten kann, morgen die alten Fehler zu wiederholen.
SANDRA KEGEL
Fang Fang: "Weiches Begräbnis". Roman.
Aus dem Chinesischen von Michael Kahn-Ackermann. Hoffmann und Campe, Hamburg 2021. 442 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Als die 1955 geborene und in Wuhan aufgewachsene Schriftstellerin Fang Fang im Jahr 2016 ihren Roman "Weiches Begräbnis" veröffentlichte, erging es ihr nicht anders. Auch ihr Roman wurde zunächst von der Kritik als bedeutendes Werk gefeiert und 2017 mit dem wichtigsten Literaturpreis des Landes geehrt. Fang Fang war da längst eine anerkannte Autorin mit einem großen OEuvre und saß bis 2017, obwohl selbst kein Parteimitglied, dem staatlichen Literaturverband der Provinz Hubei vor. Als dann allerdings neonationalistische Kreise auf ihren Roman aufmerksam wurden, fluteten Hasstiraden das Netz: Sie habe die Errungenschaften und Erfolge des chinesischen Sozialismus "verraten und beschmutzt", hieß es. Ein Eingriff von offizieller Seite war nicht mehr nötig, das Buch verschwand, bis heute ist es in China nicht erhältlich.
In der hervorragenden Übersetzung von Michael Kahn-Ackermann ist jetzt auf Deutsch nachzulesen, was es mit diesem Roman auf sich hat. In seinem kenntnisreichen Nachwort liefert der Gründungsdirektor des Pekinger Goethe-Instituts, der heute in Nanjing lebt, überdies wertvolle Hintergründe zum Verständnis der Erzählung.
Schon der Titel gibt die Richtung vor: "Weiches Begräbnis" meint vordergründig das Verscharren von Leichnamen ohne Sarg, was dem Volksglauben zufolge eine Wiedergeburt unmöglich macht. Im übertragenen Sinn bezieht sich das Bild auf jene Menschen, die erlittenes Unglück in der Erinnerung vergraben. Was so im China des vorigen Jahrhunderts im Ringen um seelische Entlastung millionenfach geschah, schlug gleichwohl, so lesen wir diesen Roman, transgenerationell durch. Die Opfer staatlicher Willkür, von denen "Weiches Begräbnis" erzählt, wie auch ihre Nachkommen wurden das beschwiegene Unglück trotzdem nicht los.
Fang Fangs epische multiperspektivisch angelegte Erkundung der jüngeren Vergangenheit Chinas, die von den Anfängen bis in die Gegenwart der Volksrepublik reicht, nimmt dabei einen weniger bekannten, dabei ebenso traumatischen historischen Moment wie die Kulturrevolution oder die Studentenproteste von 1989 in den Blick, die sogenannte Bodenreform. Bis heute darf darüber kein kritisches Wort geäußert werden. Denn die nach der Staatsgründung 1949 einsetzende Agrarrevolution, in deren Verlauf die ländliche Oberschicht enteignet wurde, gehört zum Gründungsmythos des Landes. Dabei verfolgte die Umverteilung, bei der ungezählte Menschen gedemütigt, gefoltert und getötet wurden, zwei harte Ziele: die Schwächung der den Kommunisten kritisch gegenüberstehenden Bauernschaft sowie die unbedingte Loyalität der Profiteure.
Fang Fang betrachtet die Ereignisse anhand des Schicksals einer Familie. Warum die Erinnerung der zentralen Protagonistin Ding Zitao erst einsetzt, als sie im Frühjahr 1952 in der Provinz halb tot aus einem Fluss gezogen wurde, ist dabei ein zentraler Moment des Romans, an dem sich die Frage, wie erinnert und verdrängt, ja wie großes Leid überhaupt auszuhalten ist, exponiert.
Was Ding Zitao widerfahren ist, ehe sie ihren Lebensretter, den Arzt Dr. Wu, getroffen, später geheiratet und mit ihm einen Sohn bekommen hat, legt der Roman Schicht für Schicht frei. Alles beginnt damit, dass Jahrzehnte später die alte verwitwete Frau von ihrem fürsorglichen und inzwischen erfolgreichen Sohn Qinglin in sein Haus geholt wird und sie plötzlich in andauernde Schreckstarre verfällt. Etwas Furchteinflößendes löst die neue, komfortable Umgebung in ihr aus, und Ding Zitao ringt fortan im Dämmerzustand mit ihren ganz eigenen Dämonen.
Erst als der Sohn zufällig auf Hinweise aus der verschütteten Vergangenheit seiner Mutter stößt, beginnt sich das Rätsel allmählich zu lösen. Qinglin beginnt aktiv zu forschen, findet alte Aufzeichnungen des verstorbenen Vaters, aus denen hervorgeht, dass dieser seine Identität gewechselt hat, vor allem aber muss er erfahren, dass seine Mutter die einzige Überlebende ihrer Familie war. Deren Mitglieder nahmen sich in den fünfziger Jahren das Leben, um der brutalen Verfolgung zu entgehen. Mit ihren eigenen Händen und ohne Sarg musste Ding Zitao sie begraben.
Wie Fang Fang die Vergangenheit aus vielen Puzzleteilen zu einem neuen Bild zusammensetzt und dabei Protagonisten und Leser auf unterschiedlichen Wissensniveaus hält, ist kunstvoll gemacht. Vor allem aber gelingt es ihr mit den Mitteln der Literatur, die Ereignisse in all ihrer Ambivalenz zu zeichnen. Womöglich ja aus Furcht vor den Zensoren hat sich die Autorin mit Urteilen ihrerseits zurückgehalten. Die Täter, Mitwisser, Verdränger stehen jedenfalls außerhalb ihrer Bewertung. In der Gegenüberstellung mit der Perspektive der Opfer, die schweigen mussten oder vergessen wollten, erfährt die Erzählung jedoch ihre dramatische Fallhöhe.
Fang Fangs literarischer Gegenentwurf erzählt eine andere Geschichte als die offizielle Historie ihres Landes. Sie selbst hat in einem Interview bekannt, dass sie zwischen Wut und Hilflosigkeit schwankt ob der Tatsache, dass ihre Bücher in China nicht mehr erhältlich sind. Dass sie sich von den Reaktionen gleichwohl nicht beeindrucken lässt, davon zeugte zuletzt ihr millionenfach gelesenes "Wuhan-Tagebuch", in dem sie in ihrem Blog den sechzig Tage währenden ersten Lockdown nach dem Corona-Ausbruch in Wuhan beschrieben hat. Das "Tagebuch" liegt inzwischen in fast zwanzig Sprachen in Buchform vor, nur in China nicht, wo sie auch dafür als "Vaterlandsverräterin" beschimpft wurde und Morddrohungen erhielt.
Dass Erinnerungen lebensgefährlich sein können, davon handelt ihr beeindruckender Roman "Weiches Begräbnis". Und dass Fang Fang nicht aufhört, für diese Erinnerungen einen literarischen Raum bereitzuhalten, ist die kühne Entscheidung einer mutigen Frau. Fang Fang weiß, dass nur der Gedanke an gestern und vorgestern Menschen davon abhalten kann, morgen die alten Fehler zu wiederholen.
SANDRA KEGEL
Fang Fang: "Weiches Begräbnis". Roman.
Aus dem Chinesischen von Michael Kahn-Ackermann. Hoffmann und Campe, Hamburg 2021. 442 S., geb., 26,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Dass Erinnerungen lebensgefährlich sein können, davon handelt ihr beeindruckender Roman Weiches Begräbnis . « Sandra Kegel Frankfurter Allgemeine Zeitung 20210506
Nein, es ist kein glückliches Leben, was die Hauptperson des Buches #WeichesBegräbnis bis zum Zeitpunkt ihrer Rettung hinter sich hatte. Sie wird aus einem Fluss geborgen und zum Glück frühzeitig in ein Krankenhaus gebracht. Ding Zitao (so heißt die Frau) überlebt dank …
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Nein, es ist kein glückliches Leben, was die Hauptperson des Buches #WeichesBegräbnis bis zum Zeitpunkt ihrer Rettung hinter sich hatte. Sie wird aus einem Fluss geborgen und zum Glück frühzeitig in ein Krankenhaus gebracht. Ding Zitao (so heißt die Frau) überlebt dank der Umsicht ihres Retters und Arztes Wu. Diesen Mann wird sie später heiraten und einen Sohn bekommen. Der hat überhaupt keine Ahnung, was seine Eltern in der Vergangenheit erlebten. Irgendwann beginnt er zu forschen und erfährt schlimme Dinge, die alle mit der sogenannten „Bodenreform“ Chinas zu tun haben. Sein Vater Wu führte Tagebuch und eigentlich sollte der Sohn es gar nicht lesen.
„Weiches Begräbnis“ ist ein aufwühlendes Buch und es verlangt dem Leser (nein ich gendere nicht) viel ab. Wer denkt, dass er die Seiten nur so überfliegen kann, der sollte gar nicht erst mit dem Lesen beginnen. Chinesische Literatur hat ihren ganz eigenen Stil. Die für mich recht schwierigen Namen sorgten ebenfalls am Anfang für Verwirrung, die ich aber danke Spickzetteln gut in den Griff bekam. Und dann die Geschichte. Oh man, welch ein Schicksal. Kaum vorstellbar, was dort im China der Vergangenheit geschah und dass Frau Ding Zitao überhaupt noch leben wollte. Dass sie später dann in ein Wachkoma fiel, das kann ich nachvollziehen.
Als „Weiches Begräbnis“ im Jahr 2016 in China veröffentlicht wurde, bekam die Autorin Fang Fang sehr viel Lob. Bis, ja bis die „Oberen“ sich mit dem Buch beschäftigten und erkannten, dass es kein schönes Licht auf das „Land des Lächelns“ wirft. Daraufhin verschwindet es kommentarlos aus den Regalen und Frau Fang Fang wird angefeindet und sogar mit dem Tode bedroht. Wie gut, dass es dann im Jahr 2020 übersetzt und in Deutschland veröffentlicht wurde. So konnte ich es auch lesen und lernte dabei viel über China und seine Bürger. Das verdanke ich besonders dem Übersetzer Michael Kahn-Ackermann, der im Anhang ausführlich über die Bodenreform und ihre grausamen Folgen schreibt. Ein sehr gutes Buch, das es wert ist, von vielen Menschen gelesen zu werden. Ja, jetzt verstehe ich die Chinesen tatsächlich ein wenig besser.
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Gebundenes Buch
Spannend und zu Herzen gehend.
Meine Meinung
Es gibt in Deutschland sehr viele Bücher *Gegen das Vergessen!* In diesem spannenden Roman, der in China spielt, *soll* man vergessen. Die Autorin hat mit der *Bodenreform* 1949-1966 ein sehr brisantes Thema aufgegriffen. Uns ein großes …
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Spannend und zu Herzen gehend.
Meine Meinung
Es gibt in Deutschland sehr viele Bücher *Gegen das Vergessen!* In diesem spannenden Roman, der in China spielt, *soll* man vergessen. Die Autorin hat mit der *Bodenreform* 1949-1966 ein sehr brisantes Thema aufgegriffen. Uns ein großes Stück chinesische Geschichte näher gebracht. Nein, dieses Buch ist keine Giftpflanze. Es ist vielmehr ein zu Herzen gehender Roman, der einen so schnell nicht mehr los lässt. Der einem zeigt, dass es auf der ganzen Welt Herrscher gegeben hat, denen Menschenleben nichts wert waren.
Eine Frau wird halbtot aus dem Fluss gezogen. Der Dorfarzt Dr. Wu rettet ihr das Leben und befürwortet ihre Vergesslichkeit. Gibt ihr den Namen Ding Zitao. Das Vergessen ist viel besser für die Frau, die nichts mehr aus ihrer Vergangenheit weiß. Erst verschafft ihr Dr. Wu eine Arbeit als Haushaltshilfe. Jahre später heiratet er sie. Sie bekommen einen Sohn. Quinglin ist ein guter Junge. Nach dem frühen Tod des Vaters zieht ihn die Mutter alleine groß. Jahre später verdient er als Manager genügend Geld, um seiner Mutter ein wunderschönes Haus zu kaufen. Nach dem ersten gemeinsamen Abendessen im neuen Haus verfällt Ding Zitao in ein Wachkoma. Zuvor hat sie noch Namen und Dinge genannt, mit denen Quinglin nichts anzufangen weiß. Auf den Spuren der Vergangenheit, erfährt er viele Dinge, die ihm seine heiß geliebte Mutter noch ein ganzes Stück näher bringen. Er möchte dass seine Mutter wieder am Leben teilhaben kann. Kein Weg ist ihm zu weit für die Frau, die ihn alleine groß gezogen hat. Immer für ihn da war und selbst kaum Bedürfnisse hatte.
Trotz der sehr traurigen Thematik habe ich mich beim Lesen wie in einem chinesischen Märchen gefühlt. Die Mentalität der Menschen und die idyllischen Landschaften haben mir China ein ganzes Stück näher gebracht. Anhand von Tagebucheinträgen seines Vaters hat Quinglin viele Informationen erhalten. Auch sein Vater ist *Für das Vergessen* seiner eigenen Vergangenheit gewesen. Will auch nach seinem Tod nicht, dass Quinglin damit belastet wird. Doch Quinglin will genau wissen, was sich vor vielen Jahren zugetragen hat. Mir stellt sich die Frage was besser ist. Für oder gegen das Vergessen? Für manche Menschen mag das Vergessen ein Segen sein. Für die Mehrheit eine unfreiwillige Sache. Ein weiches Begräbnis, (ohne Sarg) wollte keiner haben!
Fazit
In dieser Geschichte sind viele Dinge passiert, die mich sprachlos gemacht haben. Hier hat Fang Fang ein Meisterwerk hingelegt, welches wie ein Abenteuer daher kommt. Ein Abenteuer, das vor vielen Jahren wirklich so ähnlich stattgefunden hat. Der Schreibstil hat auf mich einen regelrechten Sog ausgeübt. Einzig die vielen chinesischen Namen haben mich Anfangs überfordert. Dennoch konnte ich ab einem bestimmten Punkt meinen Reader nicht mehr aus der Hand legen. Die Tagebucheinträge waren überaus spannend. Die Reisen von Quinglin wunderschön und geheimnisvoll. Die Menschen sehr freundlich und hilfsbereit. Ich bin begeistert! Das Nachwort von Fang Fang und dem Übersetzer Michael Kahn-Ackermann unbedingt lesen.
Eine absolute Empfehlung von mir. Danke Fang Fang und Michael Kahn-Ackermann
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Gebundenes Buch
Verwirrendes Leben
Eine Geschichte über eine Frau die sich verloren hat. Sie wird verletzt in einem Fluss gefunden, namenlos ohne Erinnerung. Sie hat alles verdrängt und beginnt ein neues Leben mit ihrem Retter und heiratet ihn. Später kauft der gemeinsame Sohn seiner Mutter ein …
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Verwirrendes Leben
Eine Geschichte über eine Frau die sich verloren hat. Sie wird verletzt in einem Fluss gefunden, namenlos ohne Erinnerung. Sie hat alles verdrängt und beginnt ein neues Leben mit ihrem Retter und heiratet ihn. Später kauft der gemeinsame Sohn seiner Mutter ein Haus. Da blitzen plötzlich Erinnerungen, Bruchstücke aus ihrer Vergangenheit auf. Sie steigert sich hinein, verliert sich,verstummt und nimmt kaum noch etwas wahr.
Leider sehr verwirrend und undurchsichtig. Diese Geschichte konnte mich nicht überzeugen.
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Gebundenes Buch
Klappentext:
„In einem kleinen Dorf wird eine junge Frau halbtot aus einem Fluss gezogen, sie erinnert sich an nichts. Der Dorfarzt Dr. Wu rettet ihr das Leben, und sie beginnt ein neues: Sie wird Haushälterin des KP-Kaders vor Ort, heiratet ihren Retter Dr. Wu, und sie bekommen einen …
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Klappentext:
„In einem kleinen Dorf wird eine junge Frau halbtot aus einem Fluss gezogen, sie erinnert sich an nichts. Der Dorfarzt Dr. Wu rettet ihr das Leben, und sie beginnt ein neues: Sie wird Haushälterin des KP-Kaders vor Ort, heiratet ihren Retter Dr. Wu, und sie bekommen einen Sohn. Doch im Laufe der Jahre löst sich der schützende Kokon des Vergessens. Sie sind verdammt zu schweigen, denn das Schweigen schützt die Familie: auch dafür steht „weiches Begräbnis“, die Erinnerung so tief zu begraben, dass gefährliches Wissen für immer verlorengeht. Im Schatten dieses Traumas wächst ihr Sohn auf – doch alles ändert sich, als er beginnt, die Vergangenheit zu erforschen.“
Allein der Titel hat es in sich - „Weiches Begräbnis“. Wer sich etwas mit der Chinesischen Geschichte/Kultur auskennt, weiß recht schnell was dies zu bedeuten hat - Tote wurden verscharrt, ohne Sarg, ohne Zeremonie. Was will uns der Autor denn schlussendlich dann mit der Geschichte seiner Protagonistin erzählen?! Hier gibt es wieder so viele Themen, dass das hier gar nicht alles reinpasst. Mit gewisser Hingabe aber auch genügend Abstand dürfen wir hier die Verunglückte kennenlernen und versuchen zu verstehen, warum sie ihre Schritte im Leben so gewählt hat. Emotional aber auch politisch ist dieser Roman zaghaft aber dennoch sehr deutlich zu verstehen. Man muss die chinesische Kultur ein wenig kennen sonst ist man hier aufgeschmissen, denn viele Details stecken wieder zwischen den Zeilen. Die Geschichte mit dem Vergessen und dem Schweigen sind sehr gute Metaphern für politische Sichtbilder der Region - nichts hören, nichts sagen, nichts sehen, einfach nur für den Staat funktionieren. Dennoch sind diese Parts aber auch ein Spiegel der Seele, denn auch wenn Erinnerungen verschwinden (müssen), ist es doch wie mit einem weichen Begräbnis - keiner wird je mehr danach fragen. Das Sohn Quinlin in alten Wunden bohrt, ist seiner Neugier geschuldet, aber auch genau das, was der Leser lesen will.
Alles in allem sehr philosophisch, politisch leise und laut zugleich, eine Aufnahme der Zeit in einem weit-entfernten Land und ein extrem nachhallendes Buch, welches man mit Bedacht und Respekt lesen sollte - 5 von 5 Sterne!
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Gebundenes Buch
Einst wurde sie ohne Erinnerung halbtot vor dem Ertrinken gerettet, jetzt fällt Ding Zitao erneut dem Vergessen anheim. Ihr Sohn Quinglin ist verzweifelt, versucht alles um seiner Mutter zu helfen. Können Nachforschungen zu ihrer Herkunft weiterhelfen, oder werden so nur unnötig alte …
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Einst wurde sie ohne Erinnerung halbtot vor dem Ertrinken gerettet, jetzt fällt Ding Zitao erneut dem Vergessen anheim. Ihr Sohn Quinglin ist verzweifelt, versucht alles um seiner Mutter zu helfen. Können Nachforschungen zu ihrer Herkunft weiterhelfen, oder werden so nur unnötig alte Wunden aufgerissen?
Ein komplexer Familienroman, der vor dem Hintergrund der sogenannten Kulturrevolution spielt. Großgrundbesitzer werden enteignet, „bekämpft“, willkürlich ermordet. Tausendfach geschehen, und doch meist vertuscht und totgeschwiegen. Die Autorin wurde für diesen Roman zunächst gefeiert, inzwischen aber ist er so verpönt, dass er sich in keinem chinesischen Buchladen mehr finden lässt. Allein diese Tatsache macht einen als Leser schon betroffen, hat man ihn gelesen, kann man gut nachvollziehen warum. Denn was damals passiert ist, wird auch heute noch unter den Teppich gekehrt. Ich wusste über diese Thematik kaum etwas, aber Fang Fang erzählt nicht nur eine großartige Geschichte, sondern klärt auch auf über das Geschehen. Dabei wird nichts beschönigt, was die Lektüre nicht immer einfach macht. Ich musste mich erst in die Geschichte und den Stil einlesen, auch die vielen (für mich ungewohnten) chinesischen Namen waren anfangs verwirrend, dann war ich aber wirklich mitgerissen. „Weiches Begräbnis“ ist ein wichtiger Roman, der auf distanzierte, aber erschreckende Weise zeigt, welche Schrecken in der Vergangenheit verborgen liegen.
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Gebundenes Buch
Verdrängte Vergangenheit
Ein wichtiger Roman einer bedeutenden chinesischen Autorin. Erzählt wird von einer jungen Frau, die verletzt aus dem Fluß geborgen wurde. Sie hat anscheinend ein Trauma erlebt und das Gedächtnis verloren. Sie heiratet ihren Retter, Dr. Wu, bekommt …
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Verdrängte Vergangenheit
Ein wichtiger Roman einer bedeutenden chinesischen Autorin. Erzählt wird von einer jungen Frau, die verletzt aus dem Fluß geborgen wurde. Sie hat anscheinend ein Trauma erlebt und das Gedächtnis verloren. Sie heiratet ihren Retter, Dr. Wu, bekommt ein Kind und wird früh Witwe. Erst als ihr Sohn schon erwachsen ist, kommen frühe Erinnerungen, die sie in einen katalonischen Zustand versetzen.
Ich denke, man muss dieses Schicksal exemplarisch lesen als Beispiel für eine Generation, die Vergangene s verdrängte
Es gibt Rückblicke, aber auch viele Passagen mit Quinlin, ihren Sohn. ER beginnt schließlich selbst über die Vergangenheit nachzuforschen, liest das Tagebuch seines verstorbenen Vaters und besucht die alte Heimat der Mutter.
Fang Fang schreibt ansprechend und zugängig. Sie arbeitet die Emotionen der Figuren vorsichtig heraus, ohne ihnen dabei zu Nahe zu treten. Eine Qualität.
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