"Heut bin ich über Rungholt gefahren,
Die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
Noch schlagen die Wellen da wild und empört,
Wie damals, als sie die Marschen zerstört."
So beginnt die Ballade "Trutz, blanke Hans" von Detlev von Liliencron aus dem Jahre 1883. Hendrik Lambertus Lambertus
führt uns in seinem im Rowohlt-Verlag erschienen historischen Roman "Der Zorn der Flut" zurück in die…mehr"Heut bin ich über Rungholt gefahren,
Die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
Noch schlagen die Wellen da wild und empört,
Wie damals, als sie die Marschen zerstört."
So beginnt die Ballade "Trutz, blanke Hans" von Detlev von Liliencron aus dem Jahre 1883. Hendrik Lambertus Lambertus führt uns in seinem im Rowohlt-Verlag erschienen historischen Roman "Der Zorn der Flut" zurück in die Zeit rund um den Untergang dieses sagenhaften Atlantis des Nordens.
Die Friesischen Uthlande sind im Mittelalter Teil des dänischen Königlandes mit autonomen Rechten. Hier leben die Brüder Auke und Folkert, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Während der eine sich gegen die dänische Herrschaft stellt, und dabei auch vor Gewalt nicht zurückschreckt, ist der andere ein gewissenhafter Deichbaumeister, der sich um die Sicherheit des Landes bei Flut und Sturm sorgt. Griet, die Tochter des Friesischen Großbauern und Statthalters der dänischen Krone, ist Aukes große Liebe. Doch sie soll mit dem Hamburger Kaufmann Ullrich Wullenwever verheiratet werden, um die Handelsbeziehungen zwischen den Uthlanden und der Hansestadt zu verfestigen.
Mitten in dieser konfliktreichen Konstellation ereignet sich am 16. Januar 1362 eine der größten Naturkatastrophen, die Deutschland, die Marcellusflut oder auch Grote Mandränke. Zeitgenössische Berichte darüber blieben nicht erhalten. Doch mit seinem atmosphärisch dichten Roman gelingt es Hendrik Lambertus nun, die Ereignisse der damaligen Zeit lebendig werden zu lassen. Gekonnt webt er dabei die Legenden um Rungholt und wissenschaftliche Erkenntnisse der heutigen Zeit mit ein, ohne dass dies in irgendeiner Weise belehrend wirken würde. Im Gegenteil, das Alltagsleben in all seinen Facetten, Handwerk, Rechtswesen, Volksglaube tragen zu einem bunten und authentischen Setting bei. Ein verständliches Glossar vervollständigt das Werk. Dabei kommen dem Autor seine Kenntnisse als promovierter Skandinavist und Mediävist ebenso zugute, wie seine Erfahrungen als Fantasy-Autor. Allein die Beschreibung der Flutereignisse macht fast ein Drittel des Werkes aus, welches insgesamt 592 Seiten umfasst. Langweilig wird es dabei nie.
Es spricht für Lambertus, dass er den Roman nicht hier enden lässt, sondern auch die sozialen Verwerfungen nach der Katastrophe gekonnt authentisch beschreibt. Um noch einmal Detlev von Liliencron zu zitieren:
" Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,
Schwamm andern Tags der stumme Fisch.
Heut bin ich über Rungholt gefahren,
Die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
Trutz, Blanke Hans?"
"Der Zorn der Flut" ist für mich eines der besten Bücher, die ich 2022 gelesen habe und verdient mindestens fünf Sterne.