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Alles dreht sich um einen monströsen Tintenfisch. Einen Riesenkalmar. Als dieser ein Tiefseekabel berührt, beginnen seine Arme und Tentakel zu erzählen. Davon, wie es ist, in ständiger Dunkelheit zu leben, wie es ist, für den Menschen ein Ungeheuer zu sein. Sie erzählen von Sanja, die ein Praktikum auf einem Frosttrawler absolviert und sich um einen gefangenen Kalmar kümmert. Sie erzählen von Dagmar, die für einen Geheimdienst in der Antarktis stationiert ist und diesen Kalmar unbemerkt nach Deutschland schaffen soll. Sie erzählen von einer Kindheit als Schäferstochter. Sie erzählen von einer…mehr

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Produktbeschreibung
Alles dreht sich um einen monströsen Tintenfisch. Einen Riesenkalmar. Als dieser ein Tiefseekabel berührt, beginnen seine Arme und Tentakel zu erzählen. Davon, wie es ist, in ständiger Dunkelheit zu leben, wie es ist, für den Menschen ein Ungeheuer zu sein. Sie erzählen von Sanja, die ein Praktikum auf einem Frosttrawler absolviert und sich um einen gefangenen Kalmar kümmert. Sie erzählen von Dagmar, die für einen Geheimdienst in der Antarktis stationiert ist und diesen Kalmar unbemerkt nach Deutschland schaffen soll. Sie erzählen von einer Kindheit als Schäferstochter. Sie erzählen von einer Familie, deren Urahn schon mit einem Kalmar gekämpft hat. Sie erzählen von dem jungen Jules Verne, der von diesem Kampf hört und darüber zu schreiben beginnt. Am Ende erzählen sie davon, wie schwierig es für Menschen ist, von Tieren zu erzählen, und warum sie es dennoch tun.
Autorenporträt
Luca Kieser wurde 1992 in Tübingen geboren. Er studierte Philosophie sowie Sprachkunst und ist inzwischen auf Naturethik spezialisiert. Ausgezeichnet wurde er unter anderem mit dem Wortmeldungen Förderpreis, dem Lyrik-Lichtungen-Stipendium und für einen Auszug aus »Weil da war etwas im Wasser« mit dem FM4-Wortlaut. Er lebt in Wien.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Für Rezensentin Kathleen Hildebrand erreicht die aktuelle Krakenbegeisterung - erklärbar vielleicht mit deren "Weirdness" im besten Sinne, überlegt sie - mit Luca Kiesers Romanexperiment einen neuen, lesenswerten Höhepunkt: Der Autor, geboren 1992, fühlt sich hier in einen Riesenkalmar ein und erzählt aus der Perspektive eines seiner Arme (da gibt es den "Süßen", den "Blendenden", den "Bisschen-Schüchternen") von dessen Erfahrungen: das Tier begegnet Menschen, wird schwanger, zerkaut eine Zahnbürste. Verknüpft werde das mit der Geschichte eines Seemanns und seiner Nachfahren, die alle ein unterschiedliches Verhältnis zum Wasser und dem Tier haben. Dabei geht es mit großen Zeit- und Perspektivsprüngen und Exkursen in die Geschichte des Oktopus' durchaus recht "wirr" und "irr" zu, so Hildebrand, entwickelt aber dennoch einen starken Sog, auch in der sprachlichen Mischung aus Pathos und Humor, wie die Kritikerin fasziniert beschreibt. Ein ausgefallenes Buch, das von der essenziellen Verflechtung von Tier- und Menschenwelt handelt und dabei die Falle banaler Anthropomorphisierung kreativ umgeht, staunt Hildebrand.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.12.2023

Acht Arme für ein Halleluja
Plüschtiere, Bilderbücher, Dokus und nun der großartige Roman
„Weil da war etwas im Wasser“: Warum ausgerechnet der Oktopus gerade so beliebt ist.
VON KATHLEEN HILDEBRAND
Vielleicht fing es in den Kinderzimmern an. Seit fünf, sechs Jahren sitzen dort Kraken in den Bettchen und Regalen. Kraken aus Plüsch, aus Plastik und gedruckt auf Papier; es vergeht keine Kinderbuchsaison ohne eine Handvoll Neuerscheinungen über Kraken. Kleine Kraken, die ein neues Zuhause suchen, schlaue Kraken, die aus Aquarien ausbüxen, liebe Kraken, die Freundschaft mit Menschen schließen. Auch das neue Bilderbuch des deutschen Illustratorenstars Nikolaus Heidelbach handelt von einem Oktopus. Kinder lieben Kraken, oder vielmehr: Ihre Eltern tun es.
Vielleicht begann der Oktopodentrend aber auch 2017 mit dem Sachbuch „Rendezvous mit einem Oktopus“, in dem die US-Naturforscherin Sy Montgomery einfühlsam von ihren Beziehungen zu mehreren Kraken erzählt, von deren Verspieltheit und Bereitschaft, mit Menschen in Kontakt zu treten. Oder begann er doch mit dem Science-Fiction-Film „Arrival“, in dem freundlich-mysteriöse Heptopoden, also siebenarmige Riesenaliens, die Erde besuchten?
Vor drei Jahren jedenfalls kam wirklich niemand mehr an ihnen vorbei: Der Dokumentarfilm „Mein Lehrer, der Krake“ erschien auf Netflix, wurde zum Hit, gewann alle Preise, die Dokumentarfilme gewinnen können, am Ende auch noch einen Oscar. Der südafrikanische Filmemacher Craig Foster versucht in diesem Film eine persönliche Krise im kalten Küstenwasser des Kaps zu heilen. Er taucht unter und begegnet einem Oktopusweibchen. Sie freunden sich an, Spötter sprachen von einer Amour fou zwischen Mensch und Molluske. Ein Rührstück für Leute, die Netflix haben, aber eben auch eine Sehnsucht nach dem Ende der Entfremdung.
Der Oktopus ist zum Lieblingstier eines Milieus geworden, das sich über Informiertheit und Originalität definiert. Er ist ganz unbestritten etwas Besonderes, mit seinen acht Armen, den Saugnäpfen, drei Herzen und einem über den ganzen Körper verteilten Gehirn. Weil er knochenlos ist, kann er gewissermaßen seine Form verändern, die Farbe auch. Der Oktopus ist im besten Sinne weird und damit bestens geeignet als Wappentier des Hyperindividualismus. Wer ihn liebt, zeigt, dass er oder sie aufgeschlossen ist dem Unkonventionellen gegenüber. Dem gänzlich anderen, ja sogar diesem Alien der Tierwelt.
Nun ist vor Kurzem ein Roman erschienen, der diese Begeisterung nicht nur aufgreift, sondern die faszinierende Weirdness des Oktopus zu großartiger Literatur macht. Das Debüt „Weil da war etwas im Wasser“ von Luca Kieser war für den Deutschen Buchpreis nominiert, um ihn zu gewinnen aber wahrscheinlich doch einen Tick zu experimentell. Denn wie sonst könnte man einen Roman nennen, der über viele Seiten nicht nur aus der Perspektive eines jener selten beobachteten Tiefseetintenfische, eines Riesenkalmars, erzählt ist, sondern aus der Sicht eines seiner Arme: „Acht Arme sind wir, acht Arme eines Riesenkalmars.“ Jeder Arm hat einen Namen, der „Süße“, der „Blendende“, der „Halbe“, der „Bisschen-Schüchterne“. Der Kalmar selbst bleibt ein anderer.
Kieser, 1992 geboren, geht dieses Wagnis sehr überlegt, aber furchtlos ein. Die Einfühlung in ein Tier kann schnell im Kitsch enden oder in einer Anthropomorphisierung, die uninteressant wird, weil das Andere durch sie letztlich doch wieder nur zur Variante des Menschlichen wird. Aber dieser Autor findet eine staunende, zwischen Pathos und Humor oszillierende Sprache für das Fremde, die voller komplexer Bilder ist, voller Imaginationsimperative für die fremde Welt dieses Wesens in der stockfinsteren Tiefsee: „ein Leben, das aus nichts besteht als alter Nacht.“
Er setzt Verweise zwischen Kapiteln, unterläuft die klassische Linearität des Erzählens, macht große Zeitsprünge, verwischt die Grenzen zwischen Individuen. Und ganz nebenbei rollt er das Leib-Seele-Problem mit einem animistischen Impetus neu auf, wenn er den Bestandteil eines teuren Parfums auf der Haut einer Europäerin zurückverfolgt bis zu dessen Ursprung, nämlich dem unverdaulichen Schnabel eines Kalmars, den ein Wal gefressen und wieder ausgeschieden hat. In den Parfümtröpfchen scheint, quasi homöopathisch, noch immer etwas vom Geist des toten Kalmars zu stecken: „Du verbindest dich mit ihr“, denkt oder fühlt oder halluziniert (aus dem Jenseits?) der Tintenfisch.
Überhaupt erlebt der Kalmar in dem Roman so einiges, auch wenn sich seine Erlebnisse nicht zu einem Plot im gewöhnlichen Sinn formieren. Er schwebt in einem leckeren Krillschwarm, begegnet einem weiteren Exemplar seiner Art, wird schwanger. Und er, also sie, stößt gegen ein transatlantisches Unterwasserkabel. Davon ist die Kalmarin fasziniert, fühlt sich dessen länglicher Physis verbunden. Dann zerkaut sie die Plastikzahnbürste einer Praktikantin auf einem Frosttrawler in antarktischen Gewässern, schmeckt Nikotin, Speisereste, Zahnpasta – den Menschen also. Der Arm denkt: „Er rührte uns.“
Eine der aufregenden und hochmodernen Thesen, um die Luca Kieser seinen voran mäandernden Roman kreisen lässt, ist diese: Mensch und Natur stehen nicht einfach in einer Hierarchie von Opfer und Täter, sondern sind vielfältig und viszeral verflochten. Die gelangweilte Trawler-Praktikantin Sanja wird von ihrem Kapitän gewarnt, bloß nichts in die Gewässer „einzuschleppen“, also weder ins Meer zu spucken, noch eine benutzte Zahnbürste über die Reling zu pfeffern. Aber Sanja sagt, wie aus einer ungewöhnlichen, vagen Evolutionstheorie heraus: „Und wenn es den Menschen genau dafür braucht?“
Um diesem Gedanken nachzugehen, führt Kieser seine Leser dann erst einmal ins 19. Jahrhundert zurück, lässt seinen Riesenkalmar einen Zeitsprung machen. Dort greift der, aus unerklärter Wut auf „die Schatten“ am „Ende der Wasser“ einen Schaufelraddampfer an und verliert dabei einen seiner Arme. Einer der Seeleute wird schwer traumatisiert von dieser Begegnung und muss seinen Beruf aufgeben. Die Familie, die er dann, fern des Meeres in Luxemburg, gründet, bildet das narrative Gerüst des Romans: Aus jeder Generation porträtiert Kieser einen oder mehrere Nachfahren des Mannes.
Hier wird es epigenetisch: Diese Nachfahren verdanken nicht nur letztlich einem wütenden Tintenfisch ihr Leben, sondern die intensive Erfahrung der Begegnung vererbt sich auf sie. Sie haben entweder Angst vor Wasser, tief sitzende Ekelgefühle oder lassen sich in der Zeit des Nationalsozialismus von antisemitischen Krakenkarikaturen beeinflussen. „Weil da war etwas im Wasser“ ist nicht zuletzt eine Kulturgeschichte der Oktopoden in Romanform. Auch Jules Verne kommt vor, der den Riesenkraken in „20 000 Meilen unter dem Meer“ zum Monster stilisiert hat.
Die letzte Nachfahrin des Seemanns, Sanja, baut dann in der Gegenwart instinktiv eine tiefe Verbindung zu einem Riesenkalmar auf, der ihrem Krillfangtrawler ins Netz geht. Irgendetwas zieht sie immer wieder hin zu dem Stahlcontainer, in dem er erschöpft und blass mit halbwegs frischem Meerwasser am Leben erhalten wird. Schließlich greift sie ein ins Leben dieses Wesens.
Das mag etwas wirr klingen und ja, auch irr. Aber verrückterweise hat diese vom Tintenfisch angestoßene Genealogie einen nicht unerheblichen erzählerischen Zug. Man will wissen, was sich vom Urtrauma überträgt und wohin es dessen Erben in der Gegenwart bringt. Dass sich nicht alle von Kiesers erzählerischen Volten in eine kohärente Geschichte fügen, ist angesichts der Wirkung dieses Buchs gar nicht so wichtig. Am Ende nämlich erscheint sehr plausibel, was Kieser vermitteln will: Mensch und Tier bewohnen keineswegs verschiedene Sphären. Sie sind weder so verschieden, dass jede Beziehung ausgeschlossen oder romantisierende Einbildung ist, noch sind sie sich so ähnlich, dass menschliche Maßstäbe auf das Tier übertragbar wären.
Wen eine solche moderne Sicht auf Mensch-Tier-Beziehungen interessiert, sollte bei der belgischen Theoretikerin Vinciane Despret nachlesen, die Kieser auf dem Vorsatzblatt seines Romans zitiert und von deren Arbeit er spürbar beeinflusst ist. Despret fordert, dass der Mensch aufhören möge, Fragen nach der Interpretierbarkeit von tierischem Verhalten nach menschlichen Maßstäben zu stellen wie: Posiert dieses Tier genau so für ein Foto wie ein Mensch? Vielmehr seien Mensch und Tier durch ihr Zusammenleben längst so aufeinander eingestellt, so durch und durch voneinander beeinflusst, dass es andere Frage zu stellen gäbe wie: Was ist meine Verantwortung dem Tier gegenüber?
Vinciane Despret nennt Tiere, wie Donna Haraway, „companion species“, also Spezies, mit denen wir zusammenleben. Aus der Verantwortung für sie kann man sich nicht mit einem „Sie sind doch ganz anders als wir“ herausstehlen. Die Frage, ob man Oktopusse essen und dafür züchten sollte, was gerade diskutiert wird, tut nach dieser Lektüre nur noch mehr weh.
Weil er größtmögliche Fremdheit und hohe, also menschenähnliche Intelligenz in sich vereint, ist der Oktopus ein hervorragendes Beispiel für einen philosophischen und literarischen Versuch wie diesen Roman. Und ein Grund dafür, warum er gerade einen so großen kulturellen Moment hat. Weil ein Sich-Anfreunden mit ihm möglich erscheint, auch wenn er zu einem Lebensraum, den Meeren, gehört, den der Mensch schon an den Rand der Zerstörung gebracht hat.
Und wenn man sich anfreunden kann, dann ist vielleicht sogar noch mehr möglich, zum Beispiel etwas wie: ein Bitten um Vergebung.
Mensch und Natur
sind viszeral
verflochten
Was ist meine
Verantwortung
gegenüber dem Tier?
Wer den Oktopus liebt, zeigt, dass er dem Unkonventionellen gegenüber aufgeschlossen ist.
Foto: Imago
Amour fou zwischen Mensch und Molluske: Der Oktopus aus „Mein Lehrer, der Krake“ machte Hoffnung auf ein Ende der Entfremdung.
Foto: Craig Foster/Netflix
Luca Kieser: Weil da
war etwas im Wasser. Roman. Picus Verlag, Wien 2023. 320 Seiten, 26 Euro.
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»Kieser wagt das Unmögliche: Sich in das Andere, das scheinbar so fremde Meerestier einzufühlen, und aus diesem heraus eine Geschichte von der unweigerlichen Eingebundenheit des Menschen in die Erzählungen der globalen Ökosysteme zu spinnen.« Raphaela Edelbauer