Während und nach der Lektüre von Donna Leons “Tierischen Profiten” wird so mancher Leser wohl auf den Genuss von Fleisch und Fleischprodukten verzichten. Die blutigen Stellen im Krimi stammen diesmal nicht von menschlichen Opfern grauenvoller Gewaltverbrechen. Brunetti durchwatet sie mit
Gummischuhen an der Seite seines getreuen Vianello im Schlachthof von Mestre. Der Mord an einem…mehrWährend und nach der Lektüre von Donna Leons “Tierischen Profiten” wird so mancher Leser wohl auf den Genuss von Fleisch und Fleischprodukten verzichten. Die blutigen Stellen im Krimi stammen diesmal nicht von menschlichen Opfern grauenvoller Gewaltverbrechen. Brunetti durchwatet sie mit Gummischuhen an der Seite seines getreuen Vianello im Schlachthof von Mestre. Der Mord an einem Veterinärmediziner führt sie dorthin. Was aber hat den für seine Tierliebe bekannten Mediziner dorthin verschlagen, in diese Hölle für Vierbeiner?
Die Lektüre eines Falles mit Commissario Brunetti wirkt immer beruhigend. Sei der Inhalt auch noch so abscheulich. Woran liegt das? Vielleicht daran, dass Donna Leon mit dem sensiblen Venezianer eine Figur geschaffen hat, die an das Beste im Menschen appelliert und dabei keine allzu menschlichen Züge vermissen lässt, vor allem im Hinblick auf lukullische Genüsse. “Fast ein Heiliger” um es mit den Worten bzw. einem Buchtitel der Pulitzer Preisträgerin Anne Tyler zu sagen.
Der 21. Band beginnt unspektakulär. Ein Toter wird aus dem Kanal gefischt und mehr als sein gewaltsames Ableben sorgt sein Aussehen bei Brunetti für Irritationen. Bis ihn der Pathologe darüber aufklärt, das das Opfer lunter dem sogenannten Madelung Syndrom litt. Einer seltenen (chronisch unheilbaren) Krankheit, bei der sich Fett an bestimmten Körperstellen sammelt. Der Hals des Toten war bereits so breit wie sein Kopf. Trotz dieses außergewöhnlichen Merkmals ist es zunächst nicht möglich ihn zu identifizieren. So beginnt der typische Donna Leon Flair.
Brunetti spaziert sinnierend durch seine Heimatstadt. Trinkt Kaffee, isst Antipasti und genießt Weißwein oder Prosecco. Lässt sich mittags und abends wahlweise mit Drei-Gänge-Menüs seiner Frau Paola oder ausgewählter Lokalitäten verwöhnen. Zwischen diesen Wellness Oasen für Gaumen und Seele löst er seine Fälle. Die Ruhe, die er dabei (fast) immer behält, überträgt sich irgendwann auf den Leser. Seine philosophischen Gedankengänge, immer untermalt mit den literarischen Auszügen seiner Lieblingswerke (diesmal Aurel und Aischylos) tragen zudem dazu bei, sich in dem wohligen Gedanken zu gefallen, dass man trotz leichter Lektüre etwas für seinen Intellekt tut. Und nicht nur savoir vivre für den nächsten Italien Urlaub übt.
Boshaft ließe sich sagen: Kennt man einen, kennt man alle. Aber gerade das ist wohl das Rezept des Erfolges. Die immer gleiche Routine, alterniert nur durch wechselnde Verbrechen. Es macht nichts, wenn man die Reihenfolge der Bände nicht einhält. Donna Leon bleibt sich und ihrem Brunetti treu. Wer sich also mit den oben genannten Grundzutaten anfreunden kann, dem sei nur gesagt, was es in diesem Band abseits des Verbrechens zu lesen und zu überdenken gibt: Neben dem Geheimnis im Schlachthof u.a. die Überproduktion von Milch, Butter und Käse, fehlgeleitete EU-Subventionen, den üblichen Sumpf in italienischen Behörden, eine Intrige an Paolas Universität, die Arbeitslosigkeit unter italienischen Jungakademikern und den Ausverkauf Venedigs durch den Tourismus. Klingt etwas überladen? Ist es aber keineswegs! Ein Vergleich mit einer guten italienischen Pastasauce drängt sich auf. Je mehr Sahne, desto besser. Vielleicht dauert es manchmal etwas länger bis man sie verdaut hat, aber gut ist sie trotzdem.