Christine Vescoli
Gebundenes Buch
Mutternichts
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Das Nichts war zeitlebens im Rücken der Mutter, war allumfassend und doch nie greifbar. Nach dem Tod der Mutter fragt die Tochter sich, ob sie nun endlich sehen kann, was die Mutter hinter sich verborgen und worüber sie geschwiegen hat. Ihr bleiben nur wenige Erzählungen, geflüsterte Erinnerungen, ein paar Fotos und Zeitungsausschnitte. Die Mutter hat eine Kindheit voller Härte und Kälte auf einem fremden Hof in einem Südtiroler Seitental verbracht. Sie habe Gedichte in den Schnee geschrien und gegen den Frost angesungen - das hat die Mutter immer erzählt. Dass sie es gut hatte unter d...
Das Nichts war zeitlebens im Rücken der Mutter, war allumfassend und doch nie greifbar. Nach dem Tod der Mutter fragt die Tochter sich, ob sie nun endlich sehen kann, was die Mutter hinter sich verborgen und worüber sie geschwiegen hat. Ihr bleiben nur wenige Erzählungen, geflüsterte Erinnerungen, ein paar Fotos und Zeitungsausschnitte. Die Mutter hat eine Kindheit voller Härte und Kälte auf einem fremden Hof in einem Südtiroler Seitental verbracht. Sie habe Gedichte in den Schnee geschrien und gegen den Frost angesungen - das hat die Mutter immer erzählt. Dass sie es gut hatte unter den fremden Menschen, ließ sie die Tochter glauben. Doch die glaubt es nicht mehr. Wie kann sie die Geschichte der Mutter erzählen, wo beginnen, was darf sie verknüpfen? Denn erzählen muss sie endlich, bevor diese Tür sich für immer schließt. "Ich stemme einen Fuß dazwischen, klemme ihn zwischen Mutters sich auflösende Geschichte und mich." Wer also war sie? Die Erzählerin nähert sich Schritt für Schritt dem Leben der Mutter an, stets hinterfragend, ob es so gewesen sein könnte oder ob sie mittels ihrer Sprache eine bereits vorgeformte Wirklichkeit schafft, die sich mit der Wahrheit der Mutter nicht deckt. "Mutternichts" ist ein kraftvoll-poetisches Debüt. Christine Vescoli nimmt darin etwas so Altmodisches wie Gegenwärtiges neu in den Blick: die Liebesbeziehung zwischen Mutter und Tochter.
Geboren in Bozen, Studium der Deutschen Literatur und Kunstgeschichte in Wien mit einer Abschlussarbeit zu Robert Walser. Tätigkeit im Lektorat und Unterricht an Gymnasien sowie als Publizistin mit Literaturkritiken für die "Neue Südtiroler Tageszeitung". Seit 2009 Leiterin von Literatur Lana und Kuratorin der Literaturtage Lana. Begleitende Texte und Hefte der Reihe "Adligat", zuletzt "Was für Sätze. Zu Ilse Aichinger" (Hrsg. mit Theresia Prammer, Wien 2023). Sie lebt in Bozen.
Produktdetails
- Verlag: Müller (Otto), Salzburg
- Seitenzahl: 168
- Erscheinungstermin: 23. Februar 2024
- Deutsch
- Abmessung: 190mm x 121mm x 20mm
- Gewicht: 254g
- ISBN-13: 9783701313143
- ISBN-10: 3701313148
- Artikelnr.: 69199249
Herstellerkennzeichnung
Otto Müller Verlagsges.
Ernest-Thunn-Str 11
5021 Salzburg, AT
info@omvs.at
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
"Mutternichts" ist der gelungene Versuch, eine Leerstelle in Worte zu fassen, aus dem Nichts ein verschwiegenes Leben zu bergen und dieses zu Literatur zu erheben als Exempel "für Millionen ähnlicher Leben", staunt Rezensent Jan Drees. Dieses Leben - das Leben einer schweigenden Mutter - ist ein entbehrungsreiches gewesen, lesen wir, eng und mühsam, voller Lücken und Geheimnisse, so viel weiß die Tochter, Erzählerin und Autorin Christina Vescoli schon zu Beginn. Mehr zu erfahren über das "Mutternichts", die Lücken zu füllen, wenn nötig mit Mutmaßungen, eine Erklärung zu finden für die "existentielle Traurigkeit", welche dieses Leben überschattete, der zeitlebens Schweigenden nach ihrem Tod eine Stimme zu verleihen, zumindest ein Flüstern - das ist Vescolis Ziel, so Drees. In eindringlichen Sätzen, die "ächzen", wie Drees es ausdrückt, beschreibt Vescoli Herkunft und Aufwachsen ihrer Mutter und nähert sich so schweren aber entschlossenen Schrittes ihrem Ziel. Beschwerlich ist der Weg dorthin, das "Stochern" in der Vergangenheit, doch er hat sich gelohnt, schließt der angetane Kritiker.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Das Debüt von Christine Vescoli bietet gleich ein schwieriges Thema: die Lebensgeschichte der toten Mutter, die ihr Leben lang über eine gewissen Episode ihres Leben geschwiegen hat. Dieses "Nichts" versucht Vescoli kleiner zu machen und versucht zu entdecken, was hinter diesem …
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Das Debüt von Christine Vescoli bietet gleich ein schwieriges Thema: die Lebensgeschichte der toten Mutter, die ihr Leben lang über eine gewissen Episode ihres Leben geschwiegen hat. Dieses "Nichts" versucht Vescoli kleiner zu machen und versucht zu entdecken, was hinter diesem Nichts steckt. Gegen Ende des Romans sieht sie auch Parallelen zu ihrem eigenen Leben und dem ihrer Mutter.
Insgesamt ein wirklich guter Roman, stellenweise war er mir persönlich etwas zu wirr und ich wusste nicht über wen und was gerade gesprochen wird. Es benötigt viel Aufmerksamkeit um die Lebensgeschichte der Mutter aus dem Text extrahieren zu können. Auch brachte mich der Text sehr zum Nachdenken über meine eigene Mutter und wieviel ich von ihr weiß. Auch hier sind einige Flecken der Lebensgeschichte ausgegraut.
Wenn man nicht wie ich gleich alles logisch vor sich haben will (wer hat jetzt an welchem Hof gewohnt und ist dann wann mit wem auf einen anderen gezogen? Wer war schon dort, wer ging, wer starb?) und sich einfach auf den Text und die Gedanken von Vescoli einlässt, erlebt eine weite Gedankenwelt rund um die Mutter und dem Nichts. Lesenswert!
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Tiefgreifend
Das Cover des Buches MUTTERNICHTS von CHRISTINE VESCOLI drückt genau das aus, was auch in dem Buch Thema ist. Das Verschwinden der Mutter bis fast zur Unkenntlichkeit. Das gehört zum Leben des Menschen irgendwie dazu, dass die Mutter irgendwann verschwindet. Frau Vescoli …
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Tiefgreifend
Das Cover des Buches MUTTERNICHTS von CHRISTINE VESCOLI drückt genau das aus, was auch in dem Buch Thema ist. Das Verschwinden der Mutter bis fast zur Unkenntlichkeit. Das gehört zum Leben des Menschen irgendwie dazu, dass die Mutter irgendwann verschwindet. Frau Vescoli erzählt in ihrem Buch sehr anschaulich. Allerdings andersherum. Sie begibt sich auf die Suche nach ihrer Mutter, bzw. deren Leben, nach ihrem Tod. So nach und nach gewinnen wir Lesende Erkenntnisse über das Leben der Mutter und ihren Vorfahren. Was mich besonders daran interessiert, ist das Thema der Ahnen, zurückgehend in das 19. Jahrhundert, wie da gelebt wurde. Und wie das unser Leben heute vielleicht noch beeinflusst. Meine Großeltern kommen auch aus dieser Zeit, viele Erzählungen erinnern mich an meine eigene Vergangenheit. Ich bin dankbar für dieses Buch und freue mich, dass ich es lesen durfte. Das es relativ emotionslos erzählt ist, hängt sicherlich auch damit zusammen, aus welcher Zeit die Protagonisten kommen. Damals war es in den meisten Familien relativ kalt.
Von mir bekommt das Buch 5 von 5 Sternen
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Mutter war acht Jahre, als sie eine Dirn wurde. Ihre Eltern schickten sie zu fremden Bauern, auf einen großen Hof einige Kilometer entfernt. Das war nichts Ungewöhnliches. Familien, die nicht alle ihrer Kinder ernähren konnten brachten die Überzahl woanders unter. Befremdlich …
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Mutter war acht Jahre, als sie eine Dirn wurde. Ihre Eltern schickten sie zu fremden Bauern, auf einen großen Hof einige Kilometer entfernt. Das war nichts Ungewöhnliches. Familien, die nicht alle ihrer Kinder ernähren konnten brachten die Überzahl woanders unter. Befremdlich war, dass die Eltern nach Mutters Weggabe weitere Kinder bekamen. Und warum traf es ausgerechnet Mutter? Die Protagonistin fährt in das Tal, zu dem Hof, der Mutter verschluckte, sucht nach den Spuren, die Mutter in Nichts auflösten, nach Worten, die Mutters Schweigsamkeit begründen.
Die Protagonistin möchte das Mutterrätsel über ihr Schreiben ergründen und hegt den Anspruch ihre Mutter so zu zeichnen, wie sie war und nicht, wie sie sie gern gehabt hätte. Sie versinkt in Erinnerungen und sieht Mutter, wie sie ihre Arbeit mit großer Sorgfalt und Dringlichkeit erledigte. Wie sie an Karfreitagen im Haus schuftete und danach mit großer Ernsthaftigkeit betete. Mit dem Vorrücken der Zeiger sank ihre Stimmung, bis sie zu der Stunde als der Heiland ans Kreuz geschlagen wurde, langsam aus ihrer Erstarrung erwachte.
Ich hörte Mutter lautlos beten. Am Morgen am Tisch. In der Stube, wo die Uhr laut tickte und in die Stille schlug. S. 133
Die Bäuerin auf dem Hof soll eine bösartige Frau gewesen sein. So oft es ging lief Mutter bei Wind und Wetter zu ihrer Familie. Sang laut gegen ihre zahlreichen Ängste an und schrie Gedichtzeilen in die Luft. Doch Zuhause lud niemand sie ein zu bleiben. Sie gehörte nirgendwohin, war überflüssig und wertlos.
Fazit: Ich liebe diese Geschichte! Selten habe ich so eine Sicherheit im Umgang mit Worten erlebt. Die Autorin schreibt sich mit wortgewandter Poesie durch diese Geschichte, die von Anfang bis Ende überzeugt. Die Sprachbilder sind sinnlich und wecken Bilder und Gefühle. Die Autorin schreibt über schlimme Dinge ohne jeden Pathos, sondern mit einer Ruhe, die mich eines Spaziergangs gleich, durch die Zeilen führt. In ihrer Sprachmelodie glaube ich einen Österreichischen Dialekt zu hören. Die Reise von der Tochter zur Mutter deckt die Vergangenheit bis zu ihren Urgroßeltern auf. Es ist eine der schönsten Vergangenheitsbewältigungen, die ich je gelesen habe. Jeder Satz ein Genuss.
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Annäherung an die Leerstelle Mutter
Die Mutter der Erzählerin ist tot und die Tochter versucht der Wahrheit wer ihre Mutter war näher zu kommen.
Aus Erinnerungen und Bildern entsteht ein intimes Porträt der Mutter als Kind und ihr Leben auf einem Hof in Südtirol.
Das …
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Annäherung an die Leerstelle Mutter
Die Mutter der Erzählerin ist tot und die Tochter versucht der Wahrheit wer ihre Mutter war näher zu kommen.
Aus Erinnerungen und Bildern entsteht ein intimes Porträt der Mutter als Kind und ihr Leben auf einem Hof in Südtirol.
Das Gefühl ein "Nichts" zu sein und der Glaube an Gott bzw. Jesus prägen die Mutter.
Auf den knapp 170 Seiten taucht man zunächst in die Mutter-Tochter-Beziehung ein um dann später sich auf das Aufwachsen der Mutter unter harten Bedingungen zu konzentrieren.
Der poetische dichte Schreibstil macht es einem zum Anfang etwas schwer in die Erzählung hineinzukommen. Doch nach ein paar Seiten entwickelt "Mutternichts" eine regelrechte Sogwirkung.
Mit wenigen Worten zeichnet die Autorin ein vielschichtiges und überzeugendes Bild der Mutter und holt diese für den Leser aus dem Nichts heraus. Ob es sich dabei um die wahre Frau hinter der Mutter handelt, ist hierbei nicht so wichtig.
Für die Mutter spielte der Glaube eine wichtige Rolle, was sich sich auch im Text widerspiegelt. Dies störte für mich jedoch teilweise den Erzählfluss, war deren Bedeutung mir nicht immer klar.
"Mutternichts" ist eine sprachliche kraftvolle und zugleich sanft erzählte Liebeserklärung an die verstorbene Mutter, in die man gerne eintaucht.
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Das Cover und die allgemeine Gestaltung dieses Romans haben mir insgesamt sehr gut gefallen und mich auch auf Anhieb angesprochen. Ebenso verhält es sich mit dem Klappentext.
Die Autorin erzählt in ihrem Debutroman von der Geschichte einer Mutter-Tochter-Beziehung. Wie geht das Leben …
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Das Cover und die allgemeine Gestaltung dieses Romans haben mir insgesamt sehr gut gefallen und mich auch auf Anhieb angesprochen. Ebenso verhält es sich mit dem Klappentext.
Die Autorin erzählt in ihrem Debutroman von der Geschichte einer Mutter-Tochter-Beziehung. Wie geht das Leben weiter, wenn die eigene Mutter mal nicht mehr ist? Welche Geheimnisse im Leben der Mutter lassen sich erst nach deren Tod aufdecken? Wie sah das Leben der Mutter aus, von dem man eigentlich so viel, dann aber doch nur so wenig wusste? Diesen und noch mehr interessanten Fragen geht die Protagonistin des Romans auf die Spur.
Mir fiel der Einstieg in den Text ehrlich gesagt etwas schwer, da die Sprache recht poetisch und kraftvoll ist. Daran musste ich mich auf den ersten Seiten gewöhnen, nach ein paar Minuten hat mich diese Art des Schreibens aber total in ihren Bann gezogen.
Ich kann das Buch allen Menschen weiterempfehlen, die Interesse an einem aufwühlenden und durch die Sprache und den Schreibstil zutiefst berührenden Roman haben.
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Nach dem Tod ihrer Mutter versucht die Ich-Erzählerin ihre Mutter zu ergründen - besser als sie es zu Lebzeiten im Stande war.
Das Buch hat keine Kapitel und zu großen Teil scheint es wie einer Aneinanderreihung von Metaphern. So viele Gedanken, aber auch so viele offene Fragen - …
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Nach dem Tod ihrer Mutter versucht die Ich-Erzählerin ihre Mutter zu ergründen - besser als sie es zu Lebzeiten im Stande war.
Das Buch hat keine Kapitel und zu großen Teil scheint es wie einer Aneinanderreihung von Metaphern. So viele Gedanken, aber auch so viele offene Fragen - eine extreme Dichtheit schlägt einem entgegen. So wenig auch passieren mag, so fiel mir das Lesen aufgrund dieser Dichtheit sehr schwer.
Im Mittelteil erfahren wir etwas über die Urgroßmutter und Großmutter. Dieser Teil ist anders geschrieben, eher wie eine sachliche Erzählung historischer Tatsachen - wobei auch hier zum Schluss deutlich wird, dass es unter Umständen ganz anders geschah.
Am Ende bleibt ein Gefühl der Fremdheit zwischen Mutter und Tochter. Schlussfolgerungen, die auf Vermutungen basieren und viele Lücken - vielleicht war alles auch ganz anders.
Obwohl ich mir beim Lesen oft schwer getan habe, ist es ein interessanter Stoff, der Fragen aufwirft. Wie gut kennen wir unsere Mütter (Eltern)? Wie oft stellen wir die tiefer gehenden Fragen? Was verbergen wir voreinander und warum?
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In Mutternichts erzählt Christine Vescoli die Geschichte ihrer Mutter, nachdem diese gestorben ist. Sie geht zurück bis in ihre Kindheit, die viele ihrer Eigenschaften geprägt hat, die sie an ihre Tochter weitergegeben hat. Ich mochte Vescolis unaufgeregten Schreibstil und die …
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In Mutternichts erzählt Christine Vescoli die Geschichte ihrer Mutter, nachdem diese gestorben ist. Sie geht zurück bis in ihre Kindheit, die viele ihrer Eigenschaften geprägt hat, die sie an ihre Tochter weitergegeben hat. Ich mochte Vescolis unaufgeregten Schreibstil und die Introspektion in den einzelnen Kapiteln. Zu Beginn fand ich den Einstieg etwas schwierig, die Zeitebenen springen teilweise ein bisschen und stellenweise fiel es mir schwer komplett in die Geschichte bzw zu den Figuren zu finden. Dennoch fand ich es interessant, zu lesen, wie das Schreiben Vescoli geholfen hat ihren Verlust zu verarbeiten und ihre Mutter im Nachhinein besser zu verstehen. Das aufwachsen unter harten Bedingungen hat das Leben ihrer Mutter nachhaltig geprägt, so dass sie sich immer zurück genommen hat. Eine Eigenschaft des Kleinmachens, die sie dann an ihre Tochter weitergeben hat. Mutternichts ist ein kurzweiliger, interessanter und vielschichtiger Roman, der die Beziehung von Mutter und Tochter beleuchtet.
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Eine sprachgewaltige, filigrane Aufarbeitung einer Mutter-Tochter Beziehung
Selten habe ich in einem Buch so viele Stellen markiert, die man sich in Erinnerung halten möchte. Und selten wie nie tue ich mich schwer, diesen wunderbaren Roman zu besprechen. Über derart persönliche …
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Eine sprachgewaltige, filigrane Aufarbeitung einer Mutter-Tochter Beziehung
Selten habe ich in einem Buch so viele Stellen markiert, die man sich in Erinnerung halten möchte. Und selten wie nie tue ich mich schwer, diesen wunderbaren Roman zu besprechen. Über derart persönliche Romane zu schreiben ist nicht einfach, Interpretationen könnten vielleicht falsch gedeutet werden und schon stehen diese Zeilen in einem anderen (ungewollten) Licht.
Es geht um die Mutter der Ich-Erzählerin in diesem autofiktionalen Roman. Um deren Leben. Darum, was nach deren Tod zurückblieb. Ein Nichts. Eine Leere. Vor allem nur ein marginales Wissen über das Leben der Mutter. Wo sind bzw. waren die Gemeinsamkeiten, Verknüpfungspunkte? Diese werden hier Zeile für Zeile gesucht, aufgearbeitet. Die Autorin erschafft sich einen Zugang, möchte dieses Vakuum füllen, verstehen, sichtbar machen.
S.13: „Was von Mutter unsichtbar war. Ich hatte es vor Augen und konnte es nicht sehen. Es ist das von Mutter unsichtbar Gemachte. Eine Lücke mitten im Leben. Der Nebel mitten im vergilbten Bild. Ein Nichts, das da ist.“
Im zarten Alter von acht Jahren wurde die Mutter damals von zu Hause weggegeben, als „Dirn“, um an einem anderen Hof zu arbeiten. Die Armut war damals groß in den Südtiroler Bergen, die Familien oftmals kinderreich. Warum sie, und kein anderes Kind? Ihr Aufwachsen war traurig, kalt. Immer von einer Härte begleitet. Und sie vergaß ihre Kindheit nicht.
S.122: „Sie hatte eine schlimme Kindheit da oben auf dem Hof, einem düsteren Ort. Da gab es nur Arbeit und die böse Bäuerin. Es war hart da oben, schrecklich hart.“
Wenig sickerte durch in all den Jahren. Erinnerungen, spärliche Anekdoten, Fotos. Ihre Mutter liebte das Wort und Gedichte, doch mehr als ein paar Erzählungen blieben nicht übrig.
“Als würde die Geschichte schmutzen.”
Es ist nicht viel da, um das präsente Nichts aus dem vergangenen Leben der Mutter zu füllen. Was war der Wesenskern in der Mutter-Tochter-Beziehung? Wen hat die Tochter tatsächlich verloren?
Sie macht sich auf die Suche, besucht die Orte, an welchen ihre Mutter als „Dirn“ abgegeben wurde. Doch um auf das Wesentliche zu stoßen, muss letztendlich die Vergangenheit noch weiter zurück verfolgt werden in der Ahnenlinie. Sie findet nur weitere in Armut gebettete Schicksale.
Das Buch ist ein beeindruckender Debütroman, voller Bilder – hart gezeichnet, ohne Beschönigungen. Die Sprache ist sehr gewählt, jedes Wort sitzt perfekt, keines ist zu viel. Der Text entwickelt einen Sog, der einen über die Seiten zieht, obwohl ein Innehalten und bedachtes Lesen von Nöten wäre. Ganz große Erzählkunst ist das für mich. Man wird von Anfang an hineingeworfen in dieses „Nichts“, welches nach und nach Formen annimmt, sich zu einer Aufarbeitung einer Familiengeschichte entpuppt und dennoch ein filigranes Sprachstil über eine vorsichtige Annäherung an die Vergangenheit bleibt.
Mit anderen Worten: Lest das Buch! Grandioses Lesevergnügen und absolute Leseempfehlung dieses Romans von Christine Vescoli.
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Der Blick ins Nichts ... und in die Vergangenheit
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Ich bin hin und hergerissen von diesem Buch. Christine Vescoli schreibt hier über die Beziehung einer Tochter zu ihrer Mutter sowie von der schwierigen Vergangenheit ihrer Mutter. Die Mutter …
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Der Blick ins Nichts ... und in die Vergangenheit
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Ich bin hin und hergerissen von diesem Buch. Christine Vescoli schreibt hier über die Beziehung einer Tochter zu ihrer Mutter sowie von der schwierigen Vergangenheit ihrer Mutter. Die Mutter hatte ein hartes Leben, eine Kindheit voller Entbehrungen und schwerer Schicksale. Vieles davon blieb jedoch ein Leben lang unausgesprochen. Nach dem Tod der Mutter macht sich die Tochter auf die Suche nach der Vergangenheit und Antworten auf die nie beantworteten Fragen.
Das Buch ist sehr leise und poetisch geschrieben, was mir einerseits sehr gut gefällt. Dennoch tat ich mir stellenweise etwas schwer damit.
Vieles an dem Buch gefiel mir sehr gut und ließ mich nachdenklich zurück.
Was wissen wir eigentlich über die Vergangenheit unserer Mütter und Vorfahren?
Wie viel bleibt für immer ungesagt?
Oft bleibt einfach nichts ...
Ein nicht ganz einfaches und auch trauriges Thema ...
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Nirgends dazugehören
Ein Zufall führte dazu, dass ich unmittelbar vor "Mutternichts" das Buch "Eine Frau" der Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux gelesen habe.
Auch da geht es der Ich-Erzählerin um eine Annäherung an die eigene gerade …
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Nirgends dazugehören
Ein Zufall führte dazu, dass ich unmittelbar vor "Mutternichts" das Buch "Eine Frau" der Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux gelesen habe.
Auch da geht es der Ich-Erzählerin um eine Annäherung an die eigene gerade verstorbene Mutter. Das Buch von Annie Ernaux, an das ich - wegen des Nobelpreises - hohe Erwartungen hatte, fand ich erstaunlich belanglos.
Ganz anders das ähnlich schmale Bändchen mit dem Debüt der 1969 in Bozen geborenen Christine Vescoli, die sich auch auf die Reise macht, sich die Lebensgeschichte ihrer Mutter zu erarbeiten. Was war dieses "Mutternichts", dieses Geheimnis, was hat die Mutter verborgen?
Die Mutter habe ihr ihr Nichts hinterlassen, schreibt die Ich-Erzählerin: "existente Inexistenz".
Die Wortgewalt von Christine Vescoli macht es mir als Leser nicht leicht, in das Buch hineinzufinden, die Sprache der Autorin will gleichfalls erarbeitet werden.
Dann aber nimmt sie einen gefangen und lässt einen eintauchen in die Welt von Urgroßmutter, Großmutter und Mutter. Die Mutter, die weggegeben und mit acht Jahren "Dirn" auf einem anderen Bauernhof wurde. Somit gehörte sie nirgends dazu, weder zur Herkunftsfamilie, die ihr immer mehr entrückt noch zum neuen Umfeld.
Manche Schilderungen sind in ihrer Intensität kaum auszuhalten, dennoch ist "Mutternichts" ein unbedingt lesenswertes Buch - keine leichte Kost aber gewinnbringend im Sinne einer Horizonterweiterung.
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