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CK
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Raum Stuttgart

Bewertungen

Insgesamt 174 Bewertungen
Bewertung vom 26.04.2025
Diskriminierung geht uns alle an
Apraku, Josephine;Antmann, Debora;Bordo Benavides, Olenka

Diskriminierung geht uns alle an


ausgezeichnet

Für mehr Gleichberechtigung und Teilhabe für ALLE

"Diskriminierung geht uns alle an“, herausgegeben von Josephine Apraku, ist ein wirklich wichtiges und großartiges Sachbuch für Kinder bzw. alle Menschen ab 12 Jahren (meiner Meinung nach evtl. auch schon ab 10 Jahren geeignet).
Schon das farbenfroh gestaltete Cover ist sichtbare Diversität, genauso toll ist das Buch auch insgesamt. Es ist übersichtlich und ansprechend aufgebaut, die farbigen Illustrationen sind sehr passend zu den Themen gestaltet. Fachbegriffe werden gut verständlich und kindgerecht erklärt.
Die Themen sind Ableismus, Adulstismus, Antisemitismus, Cissexismus, Heterosexismus, Klassismus, Lookismus, Rassimus, Sexismus. Alles wird auf Augenhöhe und perfekt für die jüngere Leserschaft erklärt.
Wirklich sehr schön finde ich, dass zu den verschiedenen Themen der Diskriminierung jeweils eine Person zu Wort kommt, die selbst davon betroffen ist und sich daher auch am besten auskennt. Das ist ein ganz großes Plus dieses Buchs.
Auch die farblich hervorgehobenen "Fragen-Kästchen" zum jeweiligen Thema sind eine gute Hilfestellung zum Nachdenken und zur Selbstreflexion. Dabei ist das ganze sehr kindgerecht geschrieben, sodass ich auch schon Jüngere hervorragend mit diesen Themen beschäftigen können. Ich halte es für sehr wichtig, sich schon frühzeitig damit zu beschäftigen. Aber auch Erwachsene können hier sicher noch etwas lernen und über ihr eigenes Verhalten nachdenken.

Von mir eine ganz klare Leseempfehlung für Kinder - aber auch Erwachsene, sei es als Lehrkräfte oder Eltern – ein Buch für ALLE, für eine gerechtere Welt!

"Menschen haben die verschiedenen Formen von Diskriminierung erfunden. Also können Menschen sie auch beseitigen.

Es gibt immer Wege, sich gegen Diskriminierung einzusetzen und diese können sehr unterschiedlich sein - wir müssen nur ein bisschen kreativ sein."

Bewertung vom 25.04.2025
Kaste
Wilkerson, Isabel

Kaste


sehr gut

"Kaste: Die Ursprünge unseres Unbehagens" von Isabel Wilkerson ist ein wirklich kluges und wichtiges Sachbuch, dessen Thema mich sehr interessiert: Rassismus, Sexismus, Klassismus.
Ihnen zugrunde liegt gemäß Ansicht der Autorin das System der Kaste. In ihrem über 500 Seiten umfassenden Buch betrachtet sie neben den USA auch die Kastensysteme in Indien und im Dritten Reich. Auch zahlreiche Anekdoten und Beispiele aus ihrem Leben sind enthalten, die mich oft sprachlos zurückgelassen haben. Das Buch ist gesellschaftsanalytisch und kulturkritisch, enthält viele sehr kluge Gedanken und historische Hintergründe.

Hier ein paar Aussagen, die ich besonders prägnant finde:

"Kaste ist mehr als ein bloßer Rang, sie ist ein Geisteszustand, der jeden gefangen hält, die Herrschenden, die in der Illusion ihres eigenen Anspruchs feststecken, und die Untergebenen, die im Fegefeuer der Definition anderer gefangen sind, die entscheidend, wer die Untergebenen sind."

"Mit der Entstehung der Neuen Welt wurden die Europäer weiß, die Afrikanerinnen Schwarz und alle anderen gelb, rot oder braun. Mit der Entstehung der Neuen Welt wurden die Menschen auf der Grundlage ihres Aussehens voneinander getrennt, ausschließlich im Gegensatz zueinander identifiziert und in eine Rangfolge gestellt, um ein Kastensystem aufzubauen, das auf einem damals neuen Konzept namens Race basierte. Mit diesem Prozess der Einordnung wurden wir alle in uns zugewiesene Rollen gesteckt, um unseren Teil zur Inszenierung des endlosen Theaterstücks beizutragen.
Keiner von uns ist er selbst."

"Jeder und jede von uns ist in eine bestimmte Form gepresst worden, die man für uns geschaffen hat. Diese Form signalisiert der Welt, wen man dahinter vermutet und was man mit diesem Menschen anfangen soll."

"In unserer Gesellschaft wird uns immer wieder gesagt, dass wir ein Buch nicht nach seinem Cover beurteilen sollen, dass wir uns keine Mutmaßungen über seinen Inhalt erlauben sollen, bevor wir es gelesen haben. Aber dennoch urteilen Menschen täglich über andere Menschen und stellen Vermutungen über sie auf der Grundlage ihres Aussehens an. Wir urteilen über komplexe, atmende Wesen auf eine Art und Weise, von der uns gesagt wird, dass wir so nicht einmal unbelebte Gegenstände beurteilen sollten."

"Die Herausforderung unserer Zeit liegt nicht allein in der Überwindung der Kategorien von "Schwarz" und "Weiß", sondern darin, die vielen Schichten eines Kastensystems zu durchschauen, das mehr Macht hat, als wir Menschen im zugestehen sollten. Selbst die privilegiertesten Menschen in der westlichen Welt werden irgendwann einer tragisch benachteiligten Kaste angehören, wenn sie nur lange genug am Leben sind. Sie werden der letzte Kaste des menschlichen Zyklus angehören, der Kaste der Alten, der Menschen, die zu den am meisten erniedrigten Bürgerinnen und Bürgern der westlichen Welt gehören, wo die Jugend verehrt wird, um den Gedanken an den Tod aufzuschieben. Ein Kastensystem verschont niemanden."

"Jedes Mal, wenn sich eine Person über eine Kastengrenze hinwegsetzt und eine Verbindung herstellt, trägt sie dazu bei, der Kaste als Ganzes das Genick zu brechen."

Dennoch hatte das Buch leider auch etliche Längen, weshalb ich es immer mal wieder beiseite legte und Pause davon brauchte. Für meinen persönlichen Geschmack sind viele Passagen etwas zu ausschweifend geschrieben und das Buch las sich daher teilweise etwas zäh. Das hätte man vielleicht auch etwas kürzer fassen können.

Mein Fazit: Insgesamt ein wirklich gutes, kluges und aufrüttelndes Sachbuch, für welches man jedoch einen langen Atem braucht.

Bewertung vom 24.04.2025
Schwestern
Korbik, Julia

Schwestern


ausgezeichnet

Weibliches Miteinander: "Schwesterlichkeit kann vieles sein. Muss vieles sein."

Julia Korbik hat mit „Schwestern: Die Macht des weiblichen Kollektivs“ ein kluges und interessantes Buch geschrieben, in dem sie einen umfassenden Überblick auf feministisches Denken, feministische Sichtweisen und auf die „Schwesternschaft“ unter Frauen gibt.
Anhand persönlicher Erlebnisse sowie mit Beispielen aus der Gesellschaft und Geschichte, Literatur und des Feminismus erforscht sie das Thema der weiblichen Solidarität und des weiblichen Miteinander. Sie zeigt aber auch auf, weshalb genau das oft fehlt, wieso wir im Patriarchat als Frauen nicht miteinander, sondern gegeneinander arbeiten.
„Schwestern“ ist ein wichtiges und positives Buch, das ich allen Menschen ans Herz legen möchte. Es ist allerdings kein Buch, das einfach Antworten gibt – aber das hatte ich auch nicht erwartet. Vielmehr ist es ein Buch, das vieles aufzeigt und uns auffordert, Fragen zu stellen, an sich selbst, an die Gesellschaft. Und viel Stoff zum Nachdenken bietet. Veränderung ist nur möglich, wenn wir im Kleinen beginnen, also bei uns selbst.

"Es mag sein, dass Schwesterlichkeit als Begriff und Konzept auf den ersten, flüchtigen Blick nicht über umfangreiche Mythen und Bilder verfügt - allerdings nur, wenn man Brüderlichkeit als Referenz benutzt und Schwesterlichkeit allein danach bewertet, wie ähnlich sie dieser ist. Frauen sind von der Geschichte systematisch "vergessen" und aus ihr herausgeschrieben worden, ihre Rolle darin wurde kleingeredet: Warum also messen wir etwas mit männlichen Maßstäben, wenn die Ausgangsbedingungen vornherein so unterschiedlich sind?"

"Schwesterlichkeit, das ist nicht einfach Brüderlichkeit in weiblich. Und sie besitzt sehr wohl eigene Bilder, Geschichten, Mythen. Eine eigene Vorstellungswelt. Aber man muss genauer hinschauen, intensiver suchen, um diese zu finden und offenzulegen."

"Und, es muss noch einmal gesagt werden: Schwesterlichkeit ist nicht einfach Brüderlichkeit in weiblich, denn ihr Ziel ist nicht Einheitlichkeit: Sie ist kein enthusiastisches "Wir Frauen" oder "Eine für alle, alle für eine", sondern ein politischer Kampfbegriff. Schwesterliche Solidarität basiert nicht auf einer gemeinsamen "weiblichen Erfahrung" oder auf dem Geschlecht - sie basiert auf einem gemeinsamen politischen Engagement für die feministische Bewegung, für eine gerechtere, gleichberechtigtere Gesellschaft."

"Wenn ich an Schwesterlichkeit denke, denke ich an Hände: Hände, die als Fäuste in die Luft gereckt werden, als Geste des Protests. Hände, die klatschen, die anderen Beifall spenden und Unterstützung bieten. Vor allem aber denke ich an Hände, die ausgestreckt, die anderen gereicht werden. Eine ausgestreckte Hand ist ein Angebot, eine Einladung. Sie steht für Offenheit, dafür, sich trotz aller Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten anzunähern. Aufeinander zuzugehen. Eine ausgestreckte Hand ist ein Zeichen der Solidarität und des Zusammenhalts. Sie ist eine schwesterliche Geste."

Bewertung vom 21.04.2025
Chrysalis
Metcalfe, Anna

Chrysalis


ausgezeichnet

Ungewöhnlich, fesselnd und stark: Die Verwandlung einer Frau


"Es war, als versuchte sie im wörtlichen Sinn über sich hinauszuwachsen.“

Eine junge Frau will sich verwandeln, ihr Ziel sind innere und äußere Stärke sowie absolute Unabhängigkeit. Grund hierfür ist eine traumatische Erfahrung mit ihrem Exfreund.

"Sie wiederholte mehrfach, er sei nie gewalttätig geworden, womit sie meinte, dass er sie nicht geschlagen, geschubst oder getreten hatte. Weder hatte er ihr Haare ausgerissen, noch hatte er Dinge zerstört. Er nahm er kein Geld weg und drängte sich ihr sexuell nie auf. Sie hatte viel über häusliche Gewalt gelesen und nicht den Eindruck, dass sie ein besonders schlimmes Beispiel dafür sei. Sie wusste nicht genau, was er tun würde, sollte sie Widerstand leisten, aber sie leistete keinen Widerstand und erfuhr es folglich nie."

Der Aufbau des Buchs ist ungewöhnlich. Man erlebt die Verwandlung der namenlosen Protagonistin aus drei Perspektiven: der eines Fremden (Elliot), der ihrer Mutter Bella und der einer ehemaligen Arbeitskollegin/Freundin (Susie).
Man mag skeptisch sein angesichts der Tatsache, dass man nie weiß, was in der Protagonistin selbst vorgeht, sondern immer nur aus der Perspektive von drei Außenstehenden auf sie blickt - doch unerwarteterweise funktioniert diese Art des Erzählens ganz hervorragend. Es macht das Buch sogar sehr vielschichtig und noch interessanter. Außerdem greift diese Art des Erzählens das inhaltliche Thema, also dieses von außen bewertet und beobachtet werden, bereits stilistisch auf.

Den ersten Teil der Erzählung übernimmt Elliot, ein schüchterner Einizelgänger, der sie zufällig im Fitnessstudio kennenlernt und sofort von ihr fasziniert ist:

"Aber sie war ohnehin nicht gekommen, um in einer fremden Aufführung mitzuwirken, denn sie hatte ihr eigenes Ziel vor Augen. Sie hat mich etwas über Fokus gelehrt: Wenn man seinem Lebensweg folgt und eine Mission hat, rückt alles andere in den Hintergrund. Für mich war das eine wertvolle Lektion, und seit ich sie verinnerlicht habe, fühle ich mich unbeschwerter."

Als nächstes kommt ihre Mutter zu Wort, hier erfährt man viel über die Kindheit der Protagonistin. Zuletzt kommt ihre Arbeitskollegin und Freundin Susie zu Wort.

Die drei Abschnitte greifen teilweise ineinander und zeigen so die Geschichte der Verwandlung aus mehreren Perspektiven. Das fand ich wirklich sehr gelungen, ein großes Lob an die Autorin.
Die Hauptperson mag mit ihrem rigorosen Handeln polarisieren und nicht bei allen Lesser*innen Sympathien hervorrufen. Auch das Vermarkten ihrer Transformation in den sozialen Medien kann (und sollte) man kritisch sehen.

"Einige Leute fühlten sich von ihren Ideen provoziert - sie wollten nicht allein leben. Sie nannten sie ein Symbol für alles, was in der Gesellschaft schieflief - das Konkurrenzdenken, die Priorisierung der eigenen Interessen, das Ausblenden fremder Bedürfnisse. Aber diejenigen, die ihre Videos mochten, schienen fürs Alleinsein einen guten Grund zu haben. Indem sie sich auf ein neues Leben in der Isolation vorbereiteten, bildeten sich selbst eine Art Gemeinschaft. Zusammen überlegten sie, auf wie viel Zivilisation man verzichten konnte und wie viel man behalten musste."

Ich fand ihre Zielstrebigkeit und Stärke jedoch auch faszinierend.

Auch den Titel „Chrysalis“ hat Anna Meltcalfe perfekt gewählt, denn damit ist ein Insekt in der Metamorphose gemeint.

Das Buch lässt viele Fragen offen, bietet so viel Raum zum Nachdenken und für eigene Interpretationen.

Für mich war dieser beeindruckende Debütroman (eine Zufallsentdeckung, über die ich sehr glücklich bin) ein unheimlich starkes Leseerlebnis und in gewisser Weise ein wahres Kunstwerk – unbedingt lesenswert!

"Vielleicht ist sie ein Vorbild, weil sie gelernt hat, sich von der Welt nicht mehr beeinflussen zu lassen."

Bewertung vom 19.04.2025
Artemis - Abenteuer auf dem Meer der Wünsche
Turan, Fabiola

Artemis - Abenteuer auf dem Meer der Wünsche


sehr gut

Magisches Kinder-Fantasy-Abenteuer in den Wolken


Es gibt aktuell eine schier unendliche Anzahl von Fantasy-Reihen für Kinder, daher finde ich es sehr schön, dass mit "Artemis - Abenteuer auf dem Meer der Wünsche" auch mal ein Einzelband erscheint, der nicht Auftakt zu einer neuen Reihe ist.

Zum Inhalt:
Weil Artemis in der Schule schlechtere Leistungen gebracht hat, soll sie nun auf den ersehnten Ostsee-Urlaub mit ihrer besten Freundin verzichten und stattdessen während der Ferien auf eine Art "Eliteschule" gehen um dort im Sommer den Lernstoff wieder aufzuholen. Davon ist sie natürlich wenig begeistert. Ihr gefällt es in dieser Schule so überhaupt nicht, die Charaktere und die Konkurrenz der anderen Kinder passen überhaupt nicht zu ihr. Doch dann kommt plötzlich alles ganz anders:
Als sie eigentlich nur ein wenig frische Luft schnappen möchte, landet sie völlig unerwartet und plötzlich an Bord eines fliegenden Schiffes, der "Dreamcatcher". Deren Besatzung besteht aus magisch begabten Kindern, die das Meer der Wünsche vor dem machtgierigen Baron Horazio beschützen. Artemis findet sich in einer völlig neuen Welt wieder, in der es vor Gefahren und magischen Abenteuern nur so wimmelt. Wird sie es gemeinsam mit ihren neuen Freund*innen schaffen, gegen das Böse zu bestehen und das Meer der Wünsche zu retten?

Das Buch ist wirklich sehr spannend und unterhaltsam geschrieben, manchmal (besonders am Anfang) geht es vielleicht sogar etwas zu schnell voran mit den Ereignissen, so dass man kaum mitkommt. Doch dann ist man doch recht schnell in der Geschichte drin und fiebert mit, man muss einfach immer weiterlesen, bis hin zum fulminanten Finale.

Das schön gestaltete Cover passt sehr gut zum Inhalt des Buches.

Mein Lieblingszitat:
"Zu erkennen, wer wir wirklich sind, das ist der größte Schatz vom allen."

Das Buch ist meiner Meinung nachempfehlenswert für Kinder, die Freude an actionreichen Geschichten mit jeder Menge Magie und Fantasie haben.

Bewertung vom 19.04.2025
Ein Zimmer für mich allein
Angel, Frauke

Ein Zimmer für mich allein


sehr gut

Elli und der Wunsch nach einem Raum für sich allein


Die neunjährige Elli (eigentlich Elizabeth, benannt nach der Queen) lebt mit ihren zwei Brüdern und ihrer alleinerziehenden Mutter in einer viel zu kleinen Wohnung. Ihr größter Wunsch ist ein eigenes Zimmer, indem sie eine Rückzugsmöglichkeit aus dem turbulenten Alltag finden könnte.
Nur dank ihrer beste Freundin Nursemin übersteht sie Tag für Tag das Chaos.
Ob zu ihrem zehnten Geburtstag ihr größter Wunsch endlich erfüllt wird?
Frauke Angel hat hier ein sehr schönes Buch für Kinder ab ca. 10 Jahren geschrieben, in dem die Themen Freundschaft und Zusammenhalt ebenso wie Alltagsrassismus, Integration, Krieg/Flucht und alleinerziehende Eltern auf kindgerechte Art verarbeitet werden. Der Aufbau und Schreibstil haben mir sehr gut gefallen. Die mittellangen Kapitel sind gut lesbar, die Charaktere allesamt authentisch.
Das Cover ist sehr schön und treffend gestaltet. Ein paar Illustrationen im Buch wären wünschenswert gewesen, aber ansonsten ist das Buch wirklich empfehlenswert.

Bewertung vom 19.04.2025
Erbgut. Was von meiner Mutter bleibt
Hobrack, Marlen

Erbgut. Was von meiner Mutter bleibt


sehr gut

"Ich weiß sehr wohl, dass dieses Buch meine Mutter über die Maße verletzt und gekränkt hätte. Ich weiß, dass viele sagen werden, man solle die Tote ruhen lassen. Doch das ist der Punkt: Die Tote kann nicht ruhen, solange ihr Rätsel ungelöst bleibt."

Die Autorin Marlen Hobrack begann mit der Arbeit an ihrem Buch „Erbgut“ direkt nach dem Tod ihrer Mutter, als der Schock darüber noch frisch war. Sicherlich ist dieses Buch ein Stück Trauerarbeit, heilsam und wichtig zugleich. Das Buch ist gleichzeitig auch eine Art Aufarbeitung einer Mutter-Tochter-Beziehung, einerseits sehr persönlich, andererseits kann es auch durchaus hilfreich und heilsam für alle sein, die ein schwieriges bzw. zwiegespaltenes Verhältnis zur eigenen Mutter haben.

"Man kann seine Mutter nicht heilen. Man sollte es gar nicht erst versuchen."

Als Marlen Hobracks Mutter stirbt, hinterlässt sie eine Wohnung, die vollgestopft ist mit vielen Dingen: Massen an Steppdecken, Vitaminpillen, Tupperdosen, Putzmittel, Keramikfiguren und anderem, alles im Übermaß.
Doch sie hinterlässt auch jede Menge Erinnerungen, gute wie schlechte, Kindheitstraumate und auch Gedanken an die eigene Vergangenheit, denn die Mutter hatte es selbst nicht leicht, war das ungeliebte Kind ihrer eigenen Mutter, was diese ihr auch immer gezeigt hatte.
Marlen Hobrack muss die Wohnung ihrer Mutter ausmisten, die Dinge loswerden, die Gefühle und Gedanken verarbeiten. Das ist Scherstarbeit, physisch, aber vor allem emotional. Vor allem die Frage, wieviel „Erbgut“ sie von der Mutter in sich hat, beschäftigt sie stark.

„Das Erbgut ist diese Angst: Wie viel meiner Mutter steckt in mir? Werde ich sein, wie meine Mutter gewesen ist?“

"Dann die bedrückende Erkenntnis: dass ich an meiner Mutter am meisten ablehne, was ich selbst tue. Dass ich mich in ihr erkenne, aber nicht wiedererkennen will. Deswegen das Aussortieren, das zur Gewohnheit gewordene ausmisten, das sich wie ein Befreiungsschlag anfühlt."

"Jeder Akt des Aufräumens bestätigt, dass ich nicht bin wie meine Mutter. Jedes Aufräumen ist der Beweis, dass ich ich bin."

Das Buch ist sehr ehrlich, offen und authentisch geschrieben. Viele Gedanken und Gefühle kann man sehr gut nachempfinden und man kommt nicht umhin, über sein eigenes Leben und Verhältnis zur Mutter nachzudenken.

"Kein Mensch sollte Massen von irgendetwas besitzen. Massen von Dingen, Massen von Geld. Kein Mensch sollte seine Verluste und Traumata mit dem massenhaften Konsum von Gegenständen ver¬arbeiten können. Das Problem ist so alt wie die Konsumgesellschaft.“

"Erbgut. Schreibt sich die Arbeit dem Körper ein? Wird er geformt, über Generationen hinweg, wird er optimiert für ein Leben, das aus Arbeit besteht? Körper lassen sich formen, bis zu einem gewissen Grad."

"Am Ende steht keine tiefere Erkenntnis, sondern die Ordnung. Sie ist wiederhergestellt, das rechte Maß gefunden. Doch die traurige Erkenntnis muss lauten: nachträglich lässt sich das Leben meiner Mutter nicht ordnen. Der Prozess des Ordnens kann nur für diejenige, die ihn ausgeführt hat, katharisch sein."

Ein Buch, das stark zum Nachdenken anregt über die Fragen, wer wir sind, wie wir sind und warum; empfehlenswert für alle Töchter (und Mütter).

Bewertung vom 07.04.2025
Verheiratete Frauen
Campos, Cristina

Verheiratete Frauen


gut

Glück und Unglück dreier Freundinnen

„Verheiratete Frauen“ von Cristina Campos ist ein Roman über drei Frauen ab 40, drei Freundinnen. Den größten Teil des Romans geht es um Gabriela, eine Journalistin. Sie ist verheiratet und hat einen Sohn -und einen Liebhaber, Pablo, einen zehn Jahre älteren Schriftsteller. Ihren Ehemann Germán begehrt sie nicht mehr, bei Pablo findet sie endlich wieder sexuelle Erfüllung. Dennoch ist sie unzufrieden mit der Situation, sie will nicht mehr nur die Geliebte sein, sondern Pablo ganz für sich haben. Doch der möchte seine Frau nicht verlassen. Sein Argument: nach kurzer Zeit würde es im Alltag auch nicht besser sein als mit den aktuellen Ehepartner*innen.
Dann sind a noch Silvia, eine Fotografin, die schwanger von ihrem Ehemann ist, der sie eigentlich nicht glücklich macht. Insgeheim fühlt sie sich zu Frauen hingezogen, besonders zu Zaira, doch sie kann nicht zu ihren Gefühlen stehen.
Und Stylistin Cósima ist frisch verheiratet und spürt, dass ihr Mann sie nicht mehr begehrt. Sie spioniert ihm hinterher, da sie einen Verdacht hat.

Mir fällt die Rezenstion dieses Romans etwas schwer. Die Leseprobe klang eigentlich ganz vielversprechend, aber das Buch konnte keine allzu große Begeisterung in mir auslösen. Es war nicht wirkich schlecht, aber auch nicht besonders herausstechend aus der Masse der Neuerscheinungen.
Ich konnte die Handlungen und Reaktionen der Protagonistinnen nicht immer nachempfinden; am ehesten konnte ich mich noch in das Innenleben von Gabriela einfühlen. Besonders die Passagen über ihren damals unerfüllten Kinderwunsch waren sehr berührend und bewegend. Auch die Freundschaft der drei Frauen, die sich durch den gesamten Roman hindurchzieht, ist recht gut getroffen.
Dazwischen hatte das Buch aber einige Längen und ich schwankte zwischen 3 bis 4 Sternen, entscheide mich aber doch für nur 3 Sterne, da ich hier keine eindeutige Leseempfehlung geben kann.

Bewertung vom 04.04.2025
Mein letztes Jahr der Unschuld
Florin, Daisy Alpert

Mein letztes Jahr der Unschuld


gut

Über Fremdbestimmung, Machtmissbrauch und das Erwachsenwerden


Im Roman „Mein letztes Jahr der Unschuld“ von Daisy Alpert Florin geht es um die junge Isabel. Sie stammt aus einer jüdischen Familie, ist eher ein unsicherer Charakter, sie hat ihren Platz in der Welt und ihre eigene Stimme noch nicht recht gefunden.

"Zev forderte mich auf, meine Überzeugungen zu begründen, zum Beispiel, warum ich Feministin oder Demokratin war. Ich war von Natur aus nicht besonders redegewandt und hatte irgendwann verstanden, dass das, was ich fühlte, nichts taugte, solange es nicht ausgesprochen oder begründet werden konnte. Vielleicht glaubte ich deshalb, Zev zuhören zu müssen."


Es ist ihr letztes Jahr am Wilder College. Es kommt zu einer sexuellen Begegnung mit ihrem Kommilitonen Zev, mit dem sie eigentlich nur eine lockere Freundschaft verband. Das war so nicht geplant und Isabel wollte das auch eigentlich nicht so. Hinterher ist sie unsicher. War das sexuelle Gewalt?

"Irgendwo tief in mir tat etwas weh, das ich weder sehen noch benennen konnte."

"Glaubst du im Ernst, ich hätte dich vergewaltigt?", fragte er.
Ich lehnte mich gegen die Tischplatte und spürte, wie sich dessen harte Kante in meinen Rücken bohrt. Glaubte ich das? Ich wusste es nicht mehr. Alles was Zev bis jetzt gesagt hatte, war richtig. Ich war freiwillig mit ihm in sein Zimmer gegangen. Ich hatte nichts gesagt. Er dachte, ich wollte es. Und ich dachte auch, dass ich es wollte. Das Verwirrende daran war, dass es nicht das war, was ich mir unter einer Vergewaltigung vorstellte, also das, wogegen ich mich seit meiner Jugend hatte wappnen sollen. Das hier war Sex in einem Studentenwohnheim in New Hampshire, in einem Zimmer mit Blick auf den Fluss. Und ich hatte nicht mal Nein gesagt."

Kurz darauf kommt mit R.H. Connelly ein gutaussehender und sympathischer Professor als Vertretung ans College. Isabel fühlt sich zu ihm hingezogen und er überhäuft die zutiefst verunsicherte Isabel mit Lob, was ihrem angeknacksten Ego natürlich guttut. Sie weiß, dass er verheiratet ist, dennoch beginnt sie eine Affäre mit ihm, die natürlich geheim bleiben muss. Durch ihn fühlt sich Isabel endlich schön und talentiert, also als genau die Frau, die sie gerne sein will. Durch ihn glaubt sie auch, ihrem Wunsch, Schriftstellerin zu werden, näher zu kommen. Aber es bleibt eine Unsicherheit. Ist sie die einzige, mit der er eine Affäre hat? Ist es richtig oder falsch?

"Der Nachhall des Wortes flackerte durch mich hindurch wie eine Leuchtreklame. Ich war etwas Besonderes. Ich setze mich auf und vergrub das Gesicht an seiner Brust. Glaubte ich ihm? Wir hatten gerade erlebt, wie Bill Clinton schwor, keine Affäre mit Monica Lewinsky gehabt zu haben. Nahmen wir ihm das ab? Wir glaubten, was wir glauben wollen, wir glaubten das, was für uns am besten war. Lügen waren nicht so schlimm, wie man uns als Kindern weiß gemacht hatte, und außerdem waren wir keine Kinder mehr."

Als sich am College um sie herum ein Drama zwischen einem verheirateten Professoren-Ehepaar abspielt, beginnt sich alles zu verändern. Als Isabel von einem Geheimnis erfährt, muss sie sich entscheiden: Belässt sie alles, wie es ist - oder übernimmt sie Verantwortung und redet, wodurch sie allerdings ihre Affäre verraten würde?

Ich tue mir hier mit der Bewertung etwas schwer. Es ist eher ein Buch der leisen Töne, was ich grundsätzlich mag. Hier fehlt mir jedoch das gewisse Etwas. Das Kernthema wird von zahlreichen Nebensächlichkeiten ein wenig aus dem Auge verloren, zwischendrin fand ich die Geschichte dann ein wenig langweilig. Das Buch ist nicht wirklich schlecht, konnte mich aber auch nicht richtig begeistern. Ich vergebe letztlich 3 Sterne.

Bewertung vom 02.04.2025
Maybe Meant To Be
Walther, K. L.

Maybe Meant To Be


sehr gut

Nette Teenie-RomCom für zwischendurch

Der Roman "Maybe Meant To Be: Füreinander bestimmt - vielleicht" von K. L. Walther erzählt die Geschichte von Sage, Charlie, Nick und Luke.
Charlie, der beliebteste Schüler und Schulsprecher, wechselt seine Freundinnen ungefähr alle zwei Wochen. Alle denken, der Grund wäre, dass er insgeheim in Sage, seine beste Freundin seit Kindertagen, verliebt ist. Die quirlige und liebenswerte Sage hatte sich als gebeuteltes Scheidungskind bisher noch nie auf eine ernsthafte Beziehung eingelassen, doch sie fühlt sich zu Charlies ruhigerem Zwillingsbruder Nick hingezogen. Sie möchte jedoch nicht, dass das öffentlich bekannt ist und verrät auch Charlie nichts davon.
Und Charlie traut sich nicht, zu seinen aufkeimenden Gefühlen für Luke zu stehen, der mit seinem Erscheinen im neuen Schuljahr alles durcheinanderbringt.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Sage und Charlie erzählt. Hier hätte ich zusätzliche Kapitel aus Sicht von Luke (und Nick?) ganz interessant gefunden, aber andererseits wäre es dann vielleicht zu chaotisch geworden.
Der Schreibstil ist locker-leicht und das Buch liest sich recht schnell und flüssig. Ich bin hier vermutlich nicht ganz die richtige Zielgruppe, es ist eher ein Teenie-/Jugendroman. Dennoch war es ganz unterhaltsam.
Die Beziehung zwischen Sage und Nick fand ich nicht sonderlich spannend, aber die süße Romanze zwischen Luke und Charlie hat mir gut gefallen.
Das Buch hat schon so einige Klischees und stereotype Rollenbilder, ist auch irgendwie „typisch amerikanisch“ und hat nicht sonderlich viel Tiefe. Aber das darf man bei diesem Genre wohl auch nicht erwarten.
Das Ende war mir dann ein wenig zu knapp abgehandelt, hier wäre noch Luft nach oben gewesen.
Insgesamt aber eine ganz nette RomCom, die man gut mal als leichte Unterhaltung zwischendurch lesen kann. Sicher besser geeignet für Jugendliche oder junge Erwachsene.
Mein Genre ist das normalerweise nicht ganz und ich schwankte bei der Bewertung, vergebe aber letztlich doch 3,5⭐️