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«Ein Internatsroman, ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis, der den Vergleich mit Robert Musil oder Hermann Hesse nicht scheuen muss.» Denis Scheck, ARD DruckfrischAuf den ersten Blick ist es die Kulisse für ein großes Abenteuer: das traditionsreiche Internat mitten in Wien, umgeben von einem Park mit Hügeln, Sportplätzen und einer historischen Grotte. Aber Till kann weder mit dem Lehrstoff noch mit dem snobistischen Umfeld viel anfangen. Seine Leidenschaft sind Computerspiele, konkret: das Echtzeit-Strategiespiel Age of Empires 2. Ohne dass jemand aus seiner Umgebung davon wüsste, ...
«Ein Internatsroman, ausgezeichnet mit dem Deutschen Buchpreis, der den Vergleich mit Robert Musil oder Hermann Hesse nicht scheuen muss.» Denis Scheck, ARD Druckfrisch
Auf den ersten Blick ist es die Kulisse für ein großes Abenteuer: das traditionsreiche Internat mitten in Wien, umgeben von einem Park mit Hügeln, Sportplätzen und einer historischen Grotte. Aber Till kann weder mit dem Lehrstoff noch mit dem snobistischen Umfeld viel anfangen. Seine Leidenschaft sind Computerspiele, konkret: das Echtzeit-Strategiespiel Age of Empires 2. Ohne dass jemand aus seiner Umgebung davon wüsste, ist er mit fünfzehn eine Online-Berühmtheit, der jüngste Top-10-Spieler der Welt. Nur: Wie real ist so ein Glück?
«Eine witzige, kühl analysierende, einfühlsame Geschichte junger Menschen im 21. Jahrhundert ... Ein herausragender Gegenwartsroman.» FAS
Auf den ersten Blick ist es die Kulisse für ein großes Abenteuer: das traditionsreiche Internat mitten in Wien, umgeben von einem Park mit Hügeln, Sportplätzen und einer historischen Grotte. Aber Till kann weder mit dem Lehrstoff noch mit dem snobistischen Umfeld viel anfangen. Seine Leidenschaft sind Computerspiele, konkret: das Echtzeit-Strategiespiel Age of Empires 2. Ohne dass jemand aus seiner Umgebung davon wüsste, ist er mit fünfzehn eine Online-Berühmtheit, der jüngste Top-10-Spieler der Welt. Nur: Wie real ist so ein Glück?
«Eine witzige, kühl analysierende, einfühlsame Geschichte junger Menschen im 21. Jahrhundert ... Ein herausragender Gegenwartsroman.» FAS
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Tonio Schachinger, geboren 1992 in New Delhi, studierte Germanistik an der Universität Wien und Sprachkunst an der Universität für Angewandte Kunst Wien. Nicht wie ihr, sein erster Roman, wurde mit dem Förderpreis des Bremer Literaturpreises ausgezeichnet und stand 2019 auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis, den er 2023 für seinen zweiten Roman, Echtzeitalter, erhielt. Tonio Schachinger lebt in Wien.
Produktdetails
- Verlag: Rowohlt, Hamburg
- 11. Aufl.
- Seitenzahl: 368
- Erscheinungstermin: 14. März 2023
- Deutsch
- Abmessung: 204mm x 132mm x 35mm
- Gewicht: 455g
- ISBN-13: 9783498003173
- ISBN-10: 3498003178
- Artikelnr.: 70515157
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Rezensent Adam Soboczynski findet den Buchpreis für diesen Roman absolut verdient: Tonio Schachingers Coming-of-Age-Geschichte über einen jungen Mann ist "ausgesprochen humorvoll" und "erzählerisch reif", lobt er. Gewiss, die Lehrer sind befremdlich autoritär in diesem Roman, aber der junge Mann lernt offenbar, sich zu behaupten. Und er findet mit Computerspielen einen Rückzugsort, der früher der Literatur vorbehalten war. Ansonsten geht es um alles, was einen in der Pubertät beschäftigt: das Verhältnis zu den Eltern und die erste Liebe. Ein positives Beispiel für einen Roman, der den Zeitgeist ignoriert, findet Soboczynski.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Rezensent Adam Soboczynski findet den Buchpreis für diesen Roman absolut verdient: Tonio Schachingers Coming-of-Age-Geschichte über einen jungen Mann ist "ausgesprochen humorvoll" und "erzählerisch reif", lobt er. Gewiss, die Lehrer sind befremdlich autoritär in diesem Roman, aber der junge Mann lernt offenbar, sich zu behaupten. Und er findet mit Computerspielen einen Rückzugsort, der früher der Literatur vorbehalten war. Ansonsten geht es um alles, was einen in der Pubertät beschäftigt: das Verhältnis zu den Eltern und die erste Liebe. Ein positives Beispiel für einen Roman, der den Zeitgeist ignoriert, findet Soboczynski.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Einführung in eine Passion
Gaming ist mehr als eine Gemeinde in Niederösterreich: Tonio Schachingers ebenso witziger wie weiser Schul- und Spiel- und Lebensroman "Echtzeitalter".
Einmal ist in diesem Roman von einem exzessiv kiffenden Schüler die Rede, dessen Mutter als Expertin für jugendliche Suchtprävention von Talkshow zu Talkshow gereicht wird. "Geschichten, deren Symbolik zu offensichtlich erscheint", so der Kommentar des Erzählers, würden uns daran erinnern, dass all die Zufälle, "Fügungen und Wendungen, die wir aus Büchern und Filmen kennen", manchmal auch in der Realität geschehen "und uns dann nicht mehr über das Leben sagen, als Filme es tun". Für einen dreißigjährigen Autor ist das eine erstaunlich
Gaming ist mehr als eine Gemeinde in Niederösterreich: Tonio Schachingers ebenso witziger wie weiser Schul- und Spiel- und Lebensroman "Echtzeitalter".
Einmal ist in diesem Roman von einem exzessiv kiffenden Schüler die Rede, dessen Mutter als Expertin für jugendliche Suchtprävention von Talkshow zu Talkshow gereicht wird. "Geschichten, deren Symbolik zu offensichtlich erscheint", so der Kommentar des Erzählers, würden uns daran erinnern, dass all die Zufälle, "Fügungen und Wendungen, die wir aus Büchern und Filmen kennen", manchmal auch in der Realität geschehen "und uns dann nicht mehr über das Leben sagen, als Filme es tun". Für einen dreißigjährigen Autor ist das eine erstaunlich
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illusionslose Sicht auf das Leben wie auf die Kunst. Andererseits sorgt Tonio Schachingers Gespür für das, was man landläufig Ironie des Schicksals nennt, nicht nur für manch erhellende Erkenntnis, sondern auch für viel Kurzweil. Das Modell der zwei Welten bleibt dabei bestimmend, es erfasst auch Schule und Leben, Albtraum und Pandemie-Realität und vor allem: Alltag und Computerspielkosmos.
Wir lernen Till Kokorda, den Helden des Buches, im zarten Alter von zehn Jahren kennen, als er mit seiner Mutter ein berühmtes Wiener Internat besichtigt, das im Buch Marianum, in Wirklichkeit Theresianum heißt, eine Schule, so sagt man, wie Österreich, "akademisch mittelmäßig, ambitionslos, aber trotzdem eingebildet"; eine Institution für Reiche und "Aristos", deren Kinder sich schon in der ersten Klasse Gymnasium "so kleiden, wie sie es ihr restliches Leben über tun werden: in grüne Polohemden und braune Segelschuhe, rosa Poloblusen und weiße Jeans". Mutter und Sohn entscheiden sich dafür, und zwar für das sogenannte Halbinternat, inklusive Tagesbetreuung. Till weiß, dass er dort nicht hingehört, auch ist ihm die Mauer rund um die weitläufige Anlage nicht entgangen, Symbol der Unfreiheit seiner nächsten acht Jahre. Aber als leidenschaftlicher Konsument von Computerspielen sieht er die Welt als phantastische Benutzeroberfläche und fühlt sich erhaben über das schnöde Schulgeschehen.
Till möchte einfach bis zur Matura unauffällig durchtauchen, und das gelingt ihm auch, bis er durch sein Versagen in Französisch die Aufmerksamkeit seines Klassenvorstands auf sich zieht: Professor Dolinar ist ein Despot der alten Schule, der seine Schüler beschimpft und demütigt, sie durch Schreibaufgaben, Nachsitzen und Nichtbeachtung straft, ein im geistigen Guerillakampf gegen die moderne Zeit Gift und Galle spuckender Konservativer, für den der Niedergang der Literatur gleich nach Büchner beginnt und der bei der Wahl der Lektüre im Deutschunterricht drei "goldene Regeln" befolgt: "nichts aus dem zwanzigsten Jahrhundert, keine Übersetzungen und nichts, was nicht als Reclamheft erhältlich ist".
So erscheint"der Dolinar" als schrecklich-komische Reinkarnation des "Gott Kupfer" aus Friedrich Torbergs Roman "Der Schüler Gerber hat absolviert" (Torberg wird im Text auch genannt). Seine pechschwarze Pädagogik bleibt zwar ohne tragische Folgen, doch während Kurt Gerbers Vater nur vom Herztod bedroht ist, stirbt Tills Vater tatsächlich. Dass der Halbwüchsige damit und mit Dolinars Schikanen zurande kommt, verdankt er der hingebungsvollen Versenkung in "Age of Empires 2", ein "Echtzeit-Strategiespiel", das seine Hochblüte um die Jahrtausendwende erlebte. In "Echtzeit" führen da Spieler ihre Aktionen simultan zur Realität durch, wiederum also in einer Art zweiten Wirklichkeit, auf die der Titel "Echtzeitalter" ebenso hindeutet wie auf die Lebensintensität der Jugend.
Die Rezensentin, die mit Gaming immer nur eine Gemeinde in Niederösterreich assoziiert hat, gehört ohne Zweifel zur didaktischen Zielgruppe: Tills Eltern "sprechen über Computerspiele, wie jemand, der nicht lesen kann, über Bücher spricht, und ihre Sorgen unterscheiden sich kaum von den Sorgen derjenigen, die zur vorletzten Jahrhundertwende ins Kino gingen und fürchteten, der Zug könne aus der Leinwand über sie hinwegrollen". Till möchte seiner Mutter irgendwie vermitteln, dass es beim Gaming "nie um Gewalt geht, sondern immer um Immersion", dass er das liebt, weil es "ihm jeden Abend garantiert, was Kunst nur in ihren besten Momenten schafft", nämlich eine Gelegenheit, "das Leben zu vergessen und zu ertragen". Schachinger gelingt es wie nebenbei, diese Faszination auch der unbedarften Leserin zu vermitteln. Die Szene, in der Till die völlig ahnungslose Mutter - und somit uns - ins Spiel einführt, zählt zu den Höhepunkten des Buches. Schließlich wird sie auch in sein Doppelleben eingeweiht: Heimlich hat Till sich zum jüngsten Topspieler der Welt gemausert, zum internationalen Star der Gamer-Szene.
So ist "Echtzeitalter" nicht nur ein famoser Schulroman über Freundschaft und, natürlich, erste Liebe, ein Wienbuch mit Einblicken in ein Milieu des Statusgetues und der Wohlstandsverwahrlosung, sondern auch ein Roman über den Homo ludens als Künstler, über eine adoleszente Entwicklung in Sprüngen und auf Umwegen, über eine Flucht ins Spiel, die mitten ins Herz der Dinge führt. Man kann Schachingers Erzählweise konventionell nennen, sie beweist aber mit der Lust an Ausschmückung, Pointe und dialogischer Dynamik ebenso wie mit dem Faible für essayistische Einsprengsel ihre individuelle Notwendigkeit.
Das Geheimnis des Gelingens besteht einerseits in der perfekten Mischung von Scharfsinn und Empathie. Der Autor fühlt mit seinen Figuren und reflektiert ihr Tun, er hat einen untrüglichen Sinn für Timing, für das Stimmige und den falschen Ton und tendiert dabei eher zu Wolf Haas als zu Robert Musil. Andererseits ist Tonio Schachinger ein Meister des Subtilen. Zum Beispiel erfährt man nur indirekt, dass Tills Freundin Feli senegalesische Vorfahren und offenbar dunklere Haut hat - die Schule braucht ihre Hände für ein Foto, um Diversität zu demonstrieren. Wie schon in seinem viel beachteten Debüt, dem Fußballerporträt "Nicht wie ihr", verzichtet Schachinger auf eine grobschlächtige Verteilung von Richtig und Falsch, Gut und Böse, was das satirische Verstörungspotential erhöht. Der tyrannische Sonderling Dolinar tritt als Anwalt einer unzeitgemäßen literarischen Bildung auf und der sympathische Protagonist als ihr Verächter. Das führt zu dem komischen Effekt, dass Stifters "Brigitta" und Ebner-Eschenbachs "Krambambuli" buchstäblich zu Stafetten im Spießrutenlauf durch den Schulparcours werden und erst durch die Augen der geliebten Mitschülerin in anderem Licht erscheinen, nicht direkt in besserem, denn Feli erklärt Till, "Krambambuli" sei "unironisch und deshalb lame, und weil es lame ist, wurde es mit Tobias Moretti verfilmt und jedem Kind in Österreich vorgelesen. Aber Er lasst die Hand küssen ist cool und ironisch und funny."
Die Ebner-Eschenbach-Verehrerin möchte widersprechen und ist doch bezaubert, wie sie auch Schachingers Polemik der Seitenhiebe gegen Literaturbetrieb und Wettbewerbswesen mit Vergnügen liest. Vielleicht kommt der einnehmende nostalgische Grundton (als noch alle "AOE 2" gespielt haben! als noch alle Thomas Mann lesen mussten! als es noch das Rauchereck gab!) daher, dass der Autor die Echtzeit seiner eigenen Schulkarriere im Theresianum in jene jüngste Vergangenheit verlegt hat, in der der Matura-Jahrgang 2020 die Pandemie lieben lernte. Mag sein, dass die Geschichte gegen Ende ein bisschen zerflattert - die Freude über ein kluges, höchst amüsantes und herzerwärmendes Buch wird dadurch nicht getrübt. "Dass jeder Erfolg mehr entfremdet als der davor", will man dessen Autor keinesfalls wünschen. DANIELA STRIGL
Tonio Schachinger: "Echtzeitalter". Roman.
Rowohlt Verlag, Hamburg 2023. 368 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wir lernen Till Kokorda, den Helden des Buches, im zarten Alter von zehn Jahren kennen, als er mit seiner Mutter ein berühmtes Wiener Internat besichtigt, das im Buch Marianum, in Wirklichkeit Theresianum heißt, eine Schule, so sagt man, wie Österreich, "akademisch mittelmäßig, ambitionslos, aber trotzdem eingebildet"; eine Institution für Reiche und "Aristos", deren Kinder sich schon in der ersten Klasse Gymnasium "so kleiden, wie sie es ihr restliches Leben über tun werden: in grüne Polohemden und braune Segelschuhe, rosa Poloblusen und weiße Jeans". Mutter und Sohn entscheiden sich dafür, und zwar für das sogenannte Halbinternat, inklusive Tagesbetreuung. Till weiß, dass er dort nicht hingehört, auch ist ihm die Mauer rund um die weitläufige Anlage nicht entgangen, Symbol der Unfreiheit seiner nächsten acht Jahre. Aber als leidenschaftlicher Konsument von Computerspielen sieht er die Welt als phantastische Benutzeroberfläche und fühlt sich erhaben über das schnöde Schulgeschehen.
Till möchte einfach bis zur Matura unauffällig durchtauchen, und das gelingt ihm auch, bis er durch sein Versagen in Französisch die Aufmerksamkeit seines Klassenvorstands auf sich zieht: Professor Dolinar ist ein Despot der alten Schule, der seine Schüler beschimpft und demütigt, sie durch Schreibaufgaben, Nachsitzen und Nichtbeachtung straft, ein im geistigen Guerillakampf gegen die moderne Zeit Gift und Galle spuckender Konservativer, für den der Niedergang der Literatur gleich nach Büchner beginnt und der bei der Wahl der Lektüre im Deutschunterricht drei "goldene Regeln" befolgt: "nichts aus dem zwanzigsten Jahrhundert, keine Übersetzungen und nichts, was nicht als Reclamheft erhältlich ist".
So erscheint"der Dolinar" als schrecklich-komische Reinkarnation des "Gott Kupfer" aus Friedrich Torbergs Roman "Der Schüler Gerber hat absolviert" (Torberg wird im Text auch genannt). Seine pechschwarze Pädagogik bleibt zwar ohne tragische Folgen, doch während Kurt Gerbers Vater nur vom Herztod bedroht ist, stirbt Tills Vater tatsächlich. Dass der Halbwüchsige damit und mit Dolinars Schikanen zurande kommt, verdankt er der hingebungsvollen Versenkung in "Age of Empires 2", ein "Echtzeit-Strategiespiel", das seine Hochblüte um die Jahrtausendwende erlebte. In "Echtzeit" führen da Spieler ihre Aktionen simultan zur Realität durch, wiederum also in einer Art zweiten Wirklichkeit, auf die der Titel "Echtzeitalter" ebenso hindeutet wie auf die Lebensintensität der Jugend.
Die Rezensentin, die mit Gaming immer nur eine Gemeinde in Niederösterreich assoziiert hat, gehört ohne Zweifel zur didaktischen Zielgruppe: Tills Eltern "sprechen über Computerspiele, wie jemand, der nicht lesen kann, über Bücher spricht, und ihre Sorgen unterscheiden sich kaum von den Sorgen derjenigen, die zur vorletzten Jahrhundertwende ins Kino gingen und fürchteten, der Zug könne aus der Leinwand über sie hinwegrollen". Till möchte seiner Mutter irgendwie vermitteln, dass es beim Gaming "nie um Gewalt geht, sondern immer um Immersion", dass er das liebt, weil es "ihm jeden Abend garantiert, was Kunst nur in ihren besten Momenten schafft", nämlich eine Gelegenheit, "das Leben zu vergessen und zu ertragen". Schachinger gelingt es wie nebenbei, diese Faszination auch der unbedarften Leserin zu vermitteln. Die Szene, in der Till die völlig ahnungslose Mutter - und somit uns - ins Spiel einführt, zählt zu den Höhepunkten des Buches. Schließlich wird sie auch in sein Doppelleben eingeweiht: Heimlich hat Till sich zum jüngsten Topspieler der Welt gemausert, zum internationalen Star der Gamer-Szene.
So ist "Echtzeitalter" nicht nur ein famoser Schulroman über Freundschaft und, natürlich, erste Liebe, ein Wienbuch mit Einblicken in ein Milieu des Statusgetues und der Wohlstandsverwahrlosung, sondern auch ein Roman über den Homo ludens als Künstler, über eine adoleszente Entwicklung in Sprüngen und auf Umwegen, über eine Flucht ins Spiel, die mitten ins Herz der Dinge führt. Man kann Schachingers Erzählweise konventionell nennen, sie beweist aber mit der Lust an Ausschmückung, Pointe und dialogischer Dynamik ebenso wie mit dem Faible für essayistische Einsprengsel ihre individuelle Notwendigkeit.
Das Geheimnis des Gelingens besteht einerseits in der perfekten Mischung von Scharfsinn und Empathie. Der Autor fühlt mit seinen Figuren und reflektiert ihr Tun, er hat einen untrüglichen Sinn für Timing, für das Stimmige und den falschen Ton und tendiert dabei eher zu Wolf Haas als zu Robert Musil. Andererseits ist Tonio Schachinger ein Meister des Subtilen. Zum Beispiel erfährt man nur indirekt, dass Tills Freundin Feli senegalesische Vorfahren und offenbar dunklere Haut hat - die Schule braucht ihre Hände für ein Foto, um Diversität zu demonstrieren. Wie schon in seinem viel beachteten Debüt, dem Fußballerporträt "Nicht wie ihr", verzichtet Schachinger auf eine grobschlächtige Verteilung von Richtig und Falsch, Gut und Böse, was das satirische Verstörungspotential erhöht. Der tyrannische Sonderling Dolinar tritt als Anwalt einer unzeitgemäßen literarischen Bildung auf und der sympathische Protagonist als ihr Verächter. Das führt zu dem komischen Effekt, dass Stifters "Brigitta" und Ebner-Eschenbachs "Krambambuli" buchstäblich zu Stafetten im Spießrutenlauf durch den Schulparcours werden und erst durch die Augen der geliebten Mitschülerin in anderem Licht erscheinen, nicht direkt in besserem, denn Feli erklärt Till, "Krambambuli" sei "unironisch und deshalb lame, und weil es lame ist, wurde es mit Tobias Moretti verfilmt und jedem Kind in Österreich vorgelesen. Aber Er lasst die Hand küssen ist cool und ironisch und funny."
Die Ebner-Eschenbach-Verehrerin möchte widersprechen und ist doch bezaubert, wie sie auch Schachingers Polemik der Seitenhiebe gegen Literaturbetrieb und Wettbewerbswesen mit Vergnügen liest. Vielleicht kommt der einnehmende nostalgische Grundton (als noch alle "AOE 2" gespielt haben! als noch alle Thomas Mann lesen mussten! als es noch das Rauchereck gab!) daher, dass der Autor die Echtzeit seiner eigenen Schulkarriere im Theresianum in jene jüngste Vergangenheit verlegt hat, in der der Matura-Jahrgang 2020 die Pandemie lieben lernte. Mag sein, dass die Geschichte gegen Ende ein bisschen zerflattert - die Freude über ein kluges, höchst amüsantes und herzerwärmendes Buch wird dadurch nicht getrübt. "Dass jeder Erfolg mehr entfremdet als der davor", will man dessen Autor keinesfalls wünschen. DANIELA STRIGL
Tonio Schachinger: "Echtzeitalter". Roman.
Rowohlt Verlag, Hamburg 2023. 368 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Eine witzige, kühl analysierende, einfühlsame Geschichte junger Menschen im 21. Jahrhundert ... Ein herausragender Gegenwartsroman. Tobias Rüther Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 20230312
Gebundenes Buch
Ich wurde auf Echtzeitalter über die Longlist des Deutschen Buchpreises aufmerksam, und der Klappentext klang sehr vielversprechend.
Leider wurde ich mit Inhalt und Schreibstil des Buches nicht richtig warm. Der Autor entwirft ein sehr negatives Bild von der Schulzeit des Protagonisten Till …
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Ich wurde auf Echtzeitalter über die Longlist des Deutschen Buchpreises aufmerksam, und der Klappentext klang sehr vielversprechend.
Leider wurde ich mit Inhalt und Schreibstil des Buches nicht richtig warm. Der Autor entwirft ein sehr negatives Bild von der Schulzeit des Protagonisten Till in einem Wiener Elitegymnasium. Der Unterrichtsstoff wird als lebensfremd, die Lehrer und Lehrerinnen entweder als Witzfiguren oder empathielos und übermäßig streng beschrieben, allesamt ohne Verständnis für ihre Schüler. Ich fragte mich, wie der Autor zu diesem recht trostlosen Schulbild kommt und ob er sich hier am seiner eigenen Schulzeit abarbeit. Mir ist diese Sichtweise zu einseitig, und ich habe meine eigene Schulzeit glücklicherweise völlig anders erlebt. Mit der Gaming-Thematik um Till konnte ich gar nichts anfangen, da mich Computerspiele einfach nicht interessieren, und mich die Detailiertheit, mit der Schachinger auf die Welt von Age of Empires 2 eingeht, langweilte. Auch Schachingers Schreibstil konnte mich nicht einnehmen. Er erzeugt eine sehr distanzierte Atmosphäre, die mir Till und alle anderen Figuren fremd bleiben ließ. Der Ton wirkte zuweilen von oben herab, insbesondere, wenn sich Schahinger über die Lehrer und die Literatur im Fach Deutsch an Gymnasien äußerte, und klang immer wieder recht verbittert. Insgesamt empfand ich die Lektüre als sehr zäh, und war erleichtert, als ich das Buch durchgelesen hatte. Warum Schachinger hierfür den Deutschen Buchpreis erhalten hat, erschließt sich mir leider nicht.
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Ja, liebe Simone, genauso habe ich es auch empfunden. Herzlichen Dank für deine treffende Bewertung.
Es ging mir genauso, selten hat mich ein Buch so gelangweilt. Auch die Sprache hat mich nicht überzeugt und ich mochte die Kastensätze gar nicht. Mit guter Literatur hat das m.E. nichts zu tun.
Den Buchpreis dafür kann ich nicht nachvollziehen. Schade!
Gebundenes Buch
Ich hatte nicht erwartet, dass den Buchpreis einer der Coming of Age-Romane gewinnt, die nominiert waren - und war nun beim Lesen positiv überrascht! Bei „Echtzeitalter“ erwartet die Leser:innen ein schnell erzählter, die Handlung immer vorantreibender Roman über den …
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Ich hatte nicht erwartet, dass den Buchpreis einer der Coming of Age-Romane gewinnt, die nominiert waren - und war nun beim Lesen positiv überrascht! Bei „Echtzeitalter“ erwartet die Leser:innen ein schnell erzählter, die Handlung immer vorantreibender Roman über den Jugendlichen Till. Till geht auf ein Wiener Elitegymnasium und der Roman zieht sich über seine gesamte Schulzeit dort. In seiner Schul- und Freizeit spielt Till Age of Empires 2 und macht auch alle anderen Dinge, die Jugendliche so machen, um sich im starren System Schule Freiräume zu schaffen und das Leben auszuprobieren. Das ist nicht selten nicht nur unterhaltsam, sondern auch ziemlich witzig, vor allem wenn der Lehrer der alten Schule Dolinar ins Spiel kommt!
Bei der schnellen Lektüre war ich insgesamt nicht nur bestens unterhalten, ich habe auch eine Menge über Wiener Elitegymnasien, österreichische Politik und den österreichischen Blick auf Deutschland gelernt - who knew, dass das Hamburger Abi aus Wiener Sicht viel mehr Anspruch hat?
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Gebundenes Buch
traditionelles Elitengymnasium
Als letztes Buch der Shortlist habe ich den Preisträger gelesen und alles in allem hat er es verdient.
Wer einwerfen will, das Thema eines Schulromans, noch dazu in einem konservativen Gymnasium sei aus der Zeit gefallen, dem sei entgegnet, dass gerade in …
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traditionelles Elitengymnasium
Als letztes Buch der Shortlist habe ich den Preisträger gelesen und alles in allem hat er es verdient.
Wer einwerfen will, das Thema eines Schulromans, noch dazu in einem konservativen Gymnasium sei aus der Zeit gefallen, dem sei entgegnet, dass gerade in dieser sich mit der Digitalisierung schwer tuenden Schule mit der Hauptperson Till jemand als einer handelt, der bei Computerspielen ein so hohes Level erreicht hat, dass er zur Weltspitze gehört. Der schmale Grat zwischen Sucht und Erfolg bleibt ein Leitfaden in diesem Roman.
Der andere ist die Literatur, da gerade der Deutschlehrer Dolinar aus dem Rahmen fällt. Er geht mit seinen Schülern nicht mehr so um, wie es heute zu erwarten ist. Erst spät kommt die Liebe ins Spiel, aber mit ihr auch ein Literaturpreis den Feli, Tills Freundin, gewinnt. Till selbst bekommt mit seinem Lehrer nur Ärger. Am Rande wird auch die Politik, vor allem die österreichische gestreift.
Angesichts der Mängel der anderen Bücher will ich diesmal die Bestnote erteilen, auch wenn dies nicht heißen soll, dass dieser Roman unbedingt gelesen werden muss. Ich danke der Jury für die gute Entscheidung, die beste seit Robert Menasse mit „Die Hauptstadt“.
Zitate: denn genau wie bei Drogen sind nicht die Nachteile das Gefährliche, sondern ihre Vorteile: dass sie einem helfen das Leben zu vergessen und zu ertragen. (45)
Die größte Gefahr bergen nicht die schweren, sondern die ganz einfachen Fragen. (69)
Einen bürgerlichen Buben […] Ausdrücke wie Teppichknüpfer und Kameltreiber verwenden zu hören, löst bei ihr explosionsartiges Unwohlsein aus, aber dass der so beschimpfte Junge, das Rassismusopfer, darauf nicht reagiert […], sondern den blonden Aggressor als die mieseste arschfickende Drecksschwuchtel aller Zeiten bezeichnet und die Buchhändlerin als blöde Sau, macht die Situation noch schlimmer und verwirrender. (94)
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Gebundenes Buch
Es war die Hölle
Tonio Schachinger hat mit seinem zweiten Roman «Echtzeitalter» 2023 den Frankfurter Buchpreises gewonnen. Der zunächst etwas kryptisch erscheinende Titel wird verständlich, wenn man erfährt, dass Till, der Protagonist dieser …
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Es war die Hölle
Tonio Schachinger hat mit seinem zweiten Roman «Echtzeitalter» 2023 den Frankfurter Buchpreises gewonnen. Der zunächst etwas kryptisch erscheinende Titel wird verständlich, wenn man erfährt, dass Till, der Protagonist dieser Coming-of-Age-Geschichte, ein begeisterter Gamer ist und es schon als Schüler zum anerkannten Champion des Echtzeit-Strategiespiels «Age of Empires 2» gebracht hat. Bei diesem Computerspiel agieren weltweit die Internet-Spieler in Echtzeit, also simultan und zur realen Zeit. Für den anfangs 10jährigen Pennäler eines teuren, exklusiven Wiener Internats, das Till als Externer in Ganztags-Betreuung besucht, ist das Spiel eine Art zweite Wirklichkeit, die ihm hilft, das nervige Schulleben in dieser strengen Eliteschule zu ertragen.
Vielleicht aber ist ja auch sein suchtartiger Spieltrieb Ursache für seine schulischen Probleme und damit für seinen selbstsüchtigen Eskapismus, überlegt man sich als Leser schon nach wenigen Seiten. Tills Eltern leben in Scheidung, die als Spezialistin für jugendliche Suchtprävention von Termin zu Termin eilende und nach dem frühen Tod des Vaters alleinerziehende Mutter ist ganz offensichtlich überfordert. Sie greift nicht ein, wenn ihr anfangs zehnjähriger Sohn, manchmal bis in die Morgenstunden hinein, am Computer in seiner Spielewelt verbringt. Tonio Schachinger stellt diesem ungesunden Lotterleben ein restriktives schulisches Leben gegenüber, das mit deutschen Verhältnissen vertraute Leser nicht für möglich halten dürften. Besonders der Klassenvorstand, Professor Dolinar, ist ein despotischer, schon fast sadistischer Lehrer für Deutsch und Französisch, dessen vorgestrige Lehrmethoden und erzkonservativen Ansichten eine der beiden tragenden Erzähllinie bilden. Er verdammt in großem Bogen die komplette Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts, quasi alles, was nach Büchner kam. Zudem lässt er nur Deutschsprachiges gelten und beschränkt sich dabei verlagsseitig auch noch komplett auf die praktischen, gelben Reclamhefte.
Der realen Welt, hier im Extrem von Professor Dolimar verkörpert, steht mit der weltweiten Gamer-Szene, in der sich Till in jeder freien Stunde tummelt, die irreale gegenüber. Dieses Modell der zwei Welten, Schule und Leben, Alltag und Gamer-Paradies wird im Roman perfekt und mit leichter Hand in Erzählstoff umgesetzt. Ein Manko ist dabei allerdings nicht zu übersehen: Plagt man sich als Deutscher schon mit den diversen österreichischen Bezeichnungen herum, die der Autor scheinbar als allseits bekannt voraussetzt, so scheitert man erst recht beim nerdigen Gamer-Slang, mit dem Vorgänge beschrieben werden, die man ebenfalls nicht versteht. So kapituliert denn auch Tills diesbezüglich unbedarfte Mutter in einer Szene am Ende, als er zum ersten Mal versucht, sie eines seiner Computerspiele spielen zu lassen, - sie versteht kein Wort, wie wir Leser ja auch nicht! Beides, Computer- und Österreich-Slang, trübt den Lesegenuss der ansonsten flüssig zu lesenden Pennäler-Geschichte, die mit einem ironischen Unterton erzählt wird, in dem - Kästner lässt grüßen - auch viel Humor steckt.
Tonio Schachinger kennzeichnet seine Figuren vor allem durch ihre intellektuellen Fähigkeiten, die vor allem in stimmigen, wortgewandten Dialogen zum Ausdruck kommen. Neben im Roman beiläufig eingestreuter Kritik an der wohlstands-verwahrlosten Gesellschaft seines Heimatlandes ist insbesondere ein literarischer Wettbewerbs-Beitrag von Feli, der Schulkameradin und ersten Liebe von Till, eine köstliche Abrechnung mit dem Vaterland. Scharfsichtig prangert sie in ihrem Rundumschlag neben der vorgestrigen Pädagogik an ihrer Eliteschule insbesondere die nach wie vor unbewältigte Nazi-Vergangenheit vieler Landsleute an, fruchtbarer Nährboden für die anhaltende Rechtsdrift des politischen Spektrums in Österreich. Till aber, soviel sei verraten, ist nach der Matura der jüngste Topspieler der Welt. Und zu seinem Internat sagt Till am Ende nur eins: «Es war die Hölle.»
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Broschiertes Buch
Wir haben das Buch in unserem Buchclub gelesen, der Klappentext hat sich spannend angehört und die Verleihung des Buchpreises ließ Gutes erahnen. Leider war dem nicht so, das Buch ist bei uns allesamt durchgefallen. Die Geschichte von Till, wie er sein Schulleben und das Aufwachsen …
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Wir haben das Buch in unserem Buchclub gelesen, der Klappentext hat sich spannend angehört und die Verleihung des Buchpreises ließ Gutes erahnen. Leider war dem nicht so, das Buch ist bei uns allesamt durchgefallen. Die Geschichte von Till, wie er sein Schulleben und das Aufwachsen empfindet, ist bedrückend und langweilig zugleich. Ich kann die guten Rezensionen hier nicht nachvollziehen. Wenn dieses Buch versucht, eine subtile Botschaft zwischen den Zeilen zu vermitteln, dann ist sie uns nicht aufgefallen. Wir haben uns allesamt wirklich durch die Seiten gekämpft, immer verbunden mit der Hoffnung, dass noch irgendwas Spannendes passiert. Soviel sei verraten: Es passiert nichts! Auch das immer wieder sehr stark ausufernde Erklären der AOE2-Spielszenen war wirklich ermüdend und hat den Inhalt der Geschichte keinen Meter nach vorne gebracht. Es tut mir wirklich leid, Herr Schachinger, dass ich hier so über Ihr Buch rede, aber es hat uns wirklich nicht abgeholt. Ich hoffe sehr, dass die Geschichte nur fiktiv ist und Sie sich hier nicht autobiografisch an der eigenen Schulvergangenheit und der Lehrerschaft abgearbeitet haben, denn ich will mir nicht mal vorstellen, dass es in Wien oder andernorts eine solche Schulhölle gibt.
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Gebundenes Buch
Der 10jährige Till besichtigt mit seiner Mutter seine künftige Schule, ein traditionsreiches Wiener Gymnasium, das stolz auf seine Geschichte und seine Absolventen ist. Die hohe Mauer fällt ihm auf, die das Institut umgibt, aber noch ist er zu jung um zu erkennen, dass diese Mauer …
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Der 10jährige Till besichtigt mit seiner Mutter seine künftige Schule, ein traditionsreiches Wiener Gymnasium, das stolz auf seine Geschichte und seine Absolventen ist. Die hohe Mauer fällt ihm auf, die das Institut umgibt, aber noch ist er zu jung um zu erkennen, dass diese Mauer Schule und Schüler vom Leben draußen abtrennt.
Innerhalb dieser Mauern ist nämlich die Welt noch in Ordnung, jedenfalls nach Meinung der Schulleitung: man pflegt die konservativen Werte und lehnt die Sozialdemokratie und andere Verirrungen ab, die sich außerhalb der Mauer breitmachen. „Das Besondere an Wien sind die Wahnsinnigen mit bürgerlicher Fassade, die weitgehend funktionieren, aber nie von hier wegziehen könnten, weil ihr menschenfeindliches Verhalten in keiner anderen Stadt so wenige Konsequenzen hätte“, heißt es so herrlich sarkastisch im Roman, und einem dieser „Wahnsinnigen“ wird Till ausgesetzt sein: seinem Klassleiter Dolinar. Dolinar hat rückwärtsgewandte pädagogische Konzepte, die auf Unterordnung abzielen, und sein Literatur-Unterricht besteht im Auswendiglernen sinnentleerter Details. Till aber rebelliert nicht, sondern er passt sich an, was sich bei Schachinger so liest:
„Sie sagen Egipten, weil der Dolinar überzeugt ist, dass Ägüpten falsch sei, und als er mit jemandem spricht, der ihn vom Gegenteil überzeugt, und daraufhin festlegt, dass ab jetzt Ägüpten die richtige Aussprache sei, folgen sie ihm, und als der Dolinar nach zwei Wochen zurückrudert und verlauten lässt, dass seine Quelle nicht zuverlässig gewesen sei, sagen sie eben wieder Egipten.“
Till geht den Weg des geringsten Widerstandes, er will lediglich die Schulzeit überleben, was ihn aber nicht vor den willkürlichen Strafaufsätzen des Lehrers Dolinar schützt. Till findet aber eine Fluchtmöglichkeit: er wird Gamer. Er vertieft sich in die Welt eines Echtzeit-Strategiespiels und feiert dort große Erfolge, und dem Leser kommt es so vor, als ob Till in seinem echten Leben einer seiner Spielfiguren gleicht.
Der chronologisch, also eher altmodisch erzählte Roman begleitet Till bis zum Abitur. Der Tod des Vaters, Freundschaften erste Liebe, Kontakte zu den Reichen, Schönen und Bornierten, Wettbewerbe und die Zeitgeschichte – all das prägt Till. Die Beschreibungen der Spiele sind gelegentlich langatmig, aber trotzdem interessant auch für einen Nicht-Gamer. Ausgesprochen witzig und ironisch-bösartig sind Schachingers Beschreibungen des täglichen Schul-Lebens. Die Schüler gehören alle einer privilegierten Schicht an, der kein Schulverweis und auch keine schlechten Noten etwas anhaben können: ihr Weg nach oben ist von Geburt an vorgezeichnet und gesichert. Alle sind „akademisch mittelmäßig, ambitionslos, aber trotzdem eingebildet“, meint Schachinger, und passen daher hervorragend zu Österreich.
Schachingers Freude an humorvollen, ironischen Szenen ist unübersehbar und macht die Lektüre zu einer leichten und vergnüglichen Angelegenheit. Mag sein, dass ein Lehrer wie Dolinar aus der Zeit gefallen ist und überzeichnet ist, aber kann es sich nicht auch so verhalten, dass hinter der abwehrenden Mauer der Schule solche Relikte einer rechtslastigen schwarzen Pädagogik überleben können? Schachingers Erzählung ist einerseits scharfzüngig, pointiert und witzig, aber andererseits zeigt er Mitgefühl mit seinen Figuren und ihren menschlichen Kümmernissen.
Die Freude am Buch wird gesteigert durch einen perfekten Sprecher, der den Wiener Tonfall wunderbar in sein Vorlesen integriert. Ein ganz großes Vergnügen!
Fazit: ein absolut lesenswerter/hörenswerter Roman, weniger ein Schul- oder ein Adoslezenz-Roman als ein breit angelegter Gesellschaftsroman.
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Gebundenes Buch
Es geht in diesem Roman neben vielen sehr repetitiven Szenen in der Raucherecke, ständigen Partys mit Alkohol und Drogen und einer ersten Liebe darum, wie ein Individualist sich immer wieder dem Diktat seiner Lehrer und der Verständnislosigkeit seiner Mutter entzieht. Es finden sich starke …
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Es geht in diesem Roman neben vielen sehr repetitiven Szenen in der Raucherecke, ständigen Partys mit Alkohol und Drogen und einer ersten Liebe darum, wie ein Individualist sich immer wieder dem Diktat seiner Lehrer und der Verständnislosigkeit seiner Mutter entzieht. Es finden sich starke Passagen, in denen der Leser, der nicht Tills Generation entstammt, erfährt, wie wichtig das Eintauchen in eine andere Welt für die Spieler sein kann. Eine wertende Gegenüberstellung der Bücher der lesenden, mehrheitlich älteren Generation und der Spiele der digital natives entfällt dabei.
Das Ganze wird noch bereichert durch die Ibiza-Affäre, die im Hintergrund durchs Bild wabert, und Corona. So entstehen im Endeffekt fast 400 Seiten, die ganz unterschiedliche aktuelle Gesellschaftsthemen nicht nur in Österreich bedienen und somit sicher viele Leser ansprechen.
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Mikrokosmos Schule;
Die letzten Schuljahre Tills werden in diesem Buch beschrieben, der in seiner Eliteschule eher unscheinbar ist und unterschätzt wird, aber als AOE2-Gamer große Erfolge verzeichnen kann. Die Analysen seiner Situation sind sehr gut gemacht und der Autor macht treffende, …
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Mikrokosmos Schule;
Die letzten Schuljahre Tills werden in diesem Buch beschrieben, der in seiner Eliteschule eher unscheinbar ist und unterschätzt wird, aber als AOE2-Gamer große Erfolge verzeichnen kann. Die Analysen seiner Situation sind sehr gut gemacht und der Autor macht treffende, auch mal bissige Schlussfolgerungen, die immer auf dem Punkt sind. Es gibt einige tolle Sätze, die das Leben wirklich gekonnt charakterisieren und durch ihre Intelligenz bestechen. Der Schreibstil ist überhaupt sehr angenehm, durchdacht und niveauvoll, der Atmosphäre der Privatschule und des Milieus entsprechend. Der Lehrer ist König im Mikrokosmos Schule und doch ist er ein zahnloser Tiger in diesem Milieu. Der Druck auf Till wird ebenfalls gekonnt dargestellt und mir gefällt, das hier E-Sport positiv thematisiert wird. Das Ende kam für mich abrupt, aber ich fand es unglaublich passend und enthüllend. Für mich ist dies ein Buch, dass den Buchpreis wirklich verdient, was man leider bei Preisträgern nicht immer so geht.
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Dieses Buch ist ein Anachronismus. Eine Schule des 19. trifft auf die Computerspielwelt des 21. Jahrhunderts. Ist es denkbar, dass ein sadistischer Lehrer eines teuren Internats, der seine Schüler demütigt und den Helden des Romans, einen Profigamer, mit willkürlichen Strafen und …
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Dieses Buch ist ein Anachronismus. Eine Schule des 19. trifft auf die Computerspielwelt des 21. Jahrhunderts. Ist es denkbar, dass ein sadistischer Lehrer eines teuren Internats, der seine Schüler demütigt und den Helden des Romans, einen Profigamer, mit willkürlichen Strafen und unbegründeten Noten quält, nur einen Monat durchkommt? Ein satirischer Roman darf übertreiben, aber ein wenig realistisch sollte er schon sein.
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eBook, ePUB
Nach stundenlangen Gesprächen und diversen Listen (Tabellen zum Für und Wider) sind sich Till und seine Mutter einig. Er wird die Eliteschule Marianum besuchen. Das hat zwei Vorteile. Sie gehört zu den besten Einrichtungen Wiens und seine Mutter kann weiter in Vollzeit arbeiten. Doch, …
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Nach stundenlangen Gesprächen und diversen Listen (Tabellen zum Für und Wider) sind sich Till und seine Mutter einig. Er wird die Eliteschule Marianum besuchen. Das hat zwei Vorteile. Sie gehört zu den besten Einrichtungen Wiens und seine Mutter kann weiter in Vollzeit arbeiten. Doch, wie kommt ein Ausnahmetalent für Computerspiele mit den antiquierten Vorstellungen seines Klassenlehrers zurecht?
Mit „Echtzeitalter“ erreichte der Autor Tonio Schachinger den ersten Platz des Deutschen Buchpreises 2023. Obwohl es unter den Nominierten Werke gab, die mir besser gefielen, verstehe ich die Jury. Herr Schachinger weiß, wie er die Leser in eine ihnen bis dato fremde Welt mitnehmen kann. Hier ist es ein Internat, das nicht ausschließlich der Bildung seiner Schüler dient. Viel mehr ist es ein Statussymbol zu sagen: „Ich war am Marianum“.
Mit einigem Augenzwinkern begegnen dem Leser Typen, wie Strache oder Anton Philipp Reclam. Aber auch die Befindlichkeiten Heranwachsender sind Thema. Erste Verliebtheit, Rauchen in der Öffentlichkeit und das Computerspiel „Age of Empire“ zum Beispiel. Abwechslungsreich und bildhaft gestaltet sich die Sprache. Was mich dann doch verwunderte, sind diese langen Schachtelsätze. Zuweilen kam es mir vor, als sei ich bei einem Roman von Thomas Mann gelandet.
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