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Mit über neunzig will Hagar Shipley nicht wahrhaben, dass ihre Kräfte schwinden, Sohn und Schwiegertochter mit ihrer Pflege überfordert sind. Mit dem letzten Funken Lebenskraft kämpft sie gegen den Umzug in ein Pflegeheim. Während sie mit Marvin und Doris in Konfrontation geht, wird sie mehr und mehr überschwemmt von den Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend, ihre Ehe mit dem Farmer Bram und das Aufwachsen ihrer Söhne. Schonungslos reflektiert sie teils mit Bitterkeit, teils mit Humor, immer aber mit großem Scharfsinn die Höhen und Tiefen ihres Lebens. Dabei bedauert sie vieles, aber bereut…mehr

Produktbeschreibung
Mit über neunzig will Hagar Shipley nicht wahrhaben, dass ihre Kräfte schwinden, Sohn und Schwiegertochter mit ihrer Pflege überfordert sind. Mit dem letzten Funken Lebenskraft kämpft sie gegen den Umzug in ein Pflegeheim. Während sie mit Marvin und Doris in Konfrontation geht, wird sie mehr und mehr überschwemmt von den Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend, ihre Ehe mit dem Farmer Bram und das Aufwachsen ihrer Söhne. Schonungslos reflektiert sie teils mit Bitterkeit, teils mit Humor, immer aber mit großem Scharfsinn die Höhen und Tiefen ihres Lebens. Dabei bedauert sie vieles, aber bereut nichts. Und bittet weder Gott noch die Menschen um Vergebung.

»Voller Grotesken und auch voll Humor - ein grandios feingestricktes Buch über eine eigentlich unsympathische Frau, die wir am Ende wirklich lieb haben.« Elke Heidenreich
Autorenporträt
Laurence, Margaret§Margaret Laurence, die gemeinsam mit Margaret Atwood und Alice Munro als erfolgreichste Autorin Kanadas gilt, wurde 1926 in der Präriestadt Neepawa geboren. Ihre Eltern waren schottischer und irischer Abstammung und starben, als sie noch ein Kind war. Sie wuchs bei einer Tante auf, besuchte das United College in Winnipeg und arbeitete als Reporterin für den Winnipeg Citizen. 1947 heiratete sie Jack Laurence, einen Bauingenieur, und ging mit ihm 1949 nach England und von 1950 bis 1957 nach Afrika. Über Afrika schrieb sie ihre ersten Erzählungen und Romane, ihre bedeutendsten Prosawerke sind jedoch in Kanada in der fiktiven Stadt Manawaka angesiedelt, der ihre Heimatstadt Neepawa Pate stand. 1962 trennte sie sich von ihrem Ehemann, lebte zehn Jahre in England und kehrte dann endgültig nach Kanada, Ontario, zurück. Margaret Laurence starb 1987.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Für den Rezensenten Jan Wilm ist Margaret Laurence die große Erzählerin des kanadischen Dorflebens. Ihr dritter Roman, von Monika Baark großartig neu übersetzt, liefert außerdem ein Paradebeispiel für ihre starken Frauenfiguren, so Wilm: Er hat unheimlich gerne von der demenzkranken Hagar gelesen, die aus dem beengenden Dorf Manawaka wegläuft, um nicht in ein Pflegeheim zu müssen. Nachdem er ihre Geschichte kennengelernt hat, weiß der Kritiker: Hagar ist "wie ihre Autorin immer auf der Suche nach 'ein klein wenig Anmut inmitten einer unansehnlichen Welt'"

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.11.2020

Unglück des Aufstiegs
In Kanada ist Margaret Laurences Roman „Der steinerne Engel“
ein Klassiker. Die Neuübersetzung zeigt: Er ist keinen Tag gealtert
VON THOMAS STEINFELD
Wer von den großen Städten des kanadischen Ostens aufbricht, um auf dem Landweg nach Westen zu reisen, den Trecks der Siedler hinterher, braucht auch heute noch mehrere Tage, um das große Grasland zu erreichen. Erst werden die Bäume kleiner und stehen spärlicher, dann bleiben nur noch Inseln aus Zitterpappeln übrig, schließlich weitet sich das offene Land ins scheinbar Unendliche.
In dieser Zone des Übergangs liegt angeblich eine Kleinstadt namens Manawaka. Und auf dem Friedhof dieses Gemeinwesens, auf einer Kuppe oberhalb der Stadt, soll ein großer Engel aus weißem italienischem Marmor gestanden haben, als Zeichen nicht nur der Trauer oder des Versprechens auf ein ewiges Leben, sondern auch der Verbundenheit mit einer älteren, europäischen Kultur.
„Heute glaube ich“, sagt die Erzählerin in einem Roman, der nach dieser Skulptur heißt, „dass er dort in jener fernen Sonne von Steinmetzen gemeißelt wurde, die Berninis zynische Nachfolger waren, erstaunlich genau die Bedürfnisse frischgebackener Tyrannen in einem wilden Land erkannten und Engel wie ihn in rauen Mengen fabrizierten.“ Begraben unter diesem Engel ist die Mutter der Erzählerin.
Neunzig Jahre alt ist diese Frau, geboren in den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts in jener Kleinstadt in Manitoba als Tochter eines despotischen Gemischtwarenhändlers, der es zu Wohlstand und zu einem großen Haus gebracht hatte, dem zweiten Backsteinbau des Ortes. Überhaupt scheint das soziale Leben der Stadt nicht von Pionieren oder Siedlern (oder gar Indianern) geprägt zu sein, sondern von einem grenzenlosen Ehrgeiz, so schnell und so gründlich wie möglich die Lebensformen der abendländischen Zivilisation zu erreichen, unter besonderer Berücksichtigung der sozialen Hierarchien, des Dünkels und des Neids.
Hagar, so heißt die kluge Tochter des Kaufmanns, verweigert sich diesem Milieu. Dem väterlichen Erbe weicht sie zuerst durch eine unpassende Ehe mit einem Farmer aus. Dann sucht sie sich ein selbständiges Auskommen als Haushälterin in einer großen Stadt des Ostens. Unablässig scheint ihr Verstand zu arbeiten, vor allem an der Entlarvung der allseitigen Heuchelei. Aber weder ihre Flucht noch ihre Intelligenz noch ihr Sarkasmus, anderen Menschen gegenüber, hindern sie daran, mehrmals das Unglück zu reproduzieren, das der Vater mit seinem Willen zum gesellschaftlichen Aufstieg in die Welt setzte.
Margaret Laurence, geboren im Jahr 1926 in Neepawa, dem Urbild jener Kleinstadt, war Journalistin gewesen und hatte in Afrika gelebt, bevor sie 1964 den Roman „Der steinerne Engel“ veröffentlichte. Er zählt zu den großen Werken der kanadischen Literatur, ohne jedoch in Deutschland, einer frühen Übersetzung zum Trotz, angemessen wahrgenommen worden zu sein. Der Grund liegt vermutlich nicht nur darin, dass alles Kanadische sich anderswo erst einmal gegen den großen Nachbarn durchzusetzen hat, sondern auch darin, dass eine solche Erzählung aus den Gründerjahren einer Nation als etwas Verspätetes wahrgenommen wurde – sowohl im Hinblick auf den Stoff der Geschichte als auch in Rücksicht auf die Form: Margaret Laurence verwendet das literarische Register der klassischen Moderne, sie lässt das Bewusstsein strömen, sie arbeitet mit inneren Monologen, sie wechselt zwischen Präteritum und Präsens.
Und doch wirkt das Buch stilistisch nicht so wagemutig, wie etwa William Faulkners „Als ich im Sterben lag“, mehr als dreißig Jahre zuvor entstanden, sich immer noch liest, ein Roman, mit dem „Der steinerne Engel“ überdies die zentrale Figur der ebenso illusionslosen wie willensstarken Frau gemein hat.
Zurückgekehrt ist „Der steinerne Engel“ vermutlich, in einer neuen, präzisen Übersetzung, weil Kanada in diesem Jahr Ehrengast der Frankfurter Buchmesse war, oder besser: hätte sein sollen, denn die Einladung mitsamt dem Ereignis fiel zu großen Teilen einer Seuche zum Opfer.
Das ist schade, nicht nur, weil im Abstand von noch einmal fast sechzig Jahren die Differenzen zwischen den Besiedlungsgeschichten wie zwischen den jeweiligen Zuständen der literarischen Moderne eher bedeutungslos werden, sondern vor allem, weil es hier eine ungewöhnliche intellektuelle Frauengeschichte zu entdecken gibt: So scharf, so klar, so unerbittlich arbeitet der Kopf der alten Dame, dass keiner dagegen besteht, einschließlich ihrer selbst. Und wenn dann doch einmal ein wenig Gefühl in die Verhältnisse einzieht, im sexuellen Begehren etwa oder in Hagars Zuneigung zu ihrem Zweitgeborenen, darf man gewiss sein, dass nicht nur ein böses Schicksal, sondern auch ein spezifisch weiblicher Nihilismus (kein Mann ist in diesem Buch so klug, wie die Frauen es sind) längst die Witterung aufgenommen hat.
Denn so spricht Hagar über eine „Jungfer“ namens Regina, die unter einem der vielen kleineren, billigeren Engel auf dem Friedhof von Manawaka liegt, die auf den großen Engel aus italienischem Marmor folgten: „Sie war fade wie Eiercreme, ein mickriges Ding ohne Mumm, das mit märtyrerhafter Hingabe Jahr für Jahr eine undankbare und fuchsmäulige Mutter betreute.“ Margaret Laurence stattet die Welt, wie ihre Erzählerin sie sieht, mit einer Sprache aus, die das Scharfe ihres Verstandes und die Größe ihrer Verachtung für den Rest der Welt beinahe physisch greifbar werden lässt.
So geht es bis zum Schluss, als der alten Dame angesichts eines Frühstücks im Krankenhaus eine Ahnung davon aufgeht, was es mit ihrer Bosheit auf sich hat: „Niemand ist schuld an diesem widerwärtigen weichen Ei, an der geschrumpften Welt, an den Stimmen, die wie Trauernde die ganze Nacht hindurch jammern. Warum ist es immer so schwer, den wahren Schuldigen zu finden? Warum bin ich immer auf der Suche nach ihm? Als würde es einem etwas nützen.“
Nein, es nützt nichts, nach den Schuldigen zu suchen, die dem Lebensglück der nur vermeintlich Rechtschaffenen im Wege stehen. Sie sind ebenso wenig schuldig, wie die Erzählerin die moralisch Überlegene ist, so unbestechlich ihr Verstand auch sein mag. Für die Dialektik von Schuld und Anmaßung eine literarische Form gefunden zu haben, die darüber hinaus ein Leben in der kanadischen Provinz des frühen 20. Jahrhunderts anschaulich werden lässt: Darin besteht die Eigenart dieses außerordentlichen Romans.
Margaret Laurence: Der steinerne Engel. Roman. Aus dem Englischen von Monika Baark. Julia Eisele Verlag, München 2020. 338 Seiten, 22 Euro.
Unablässig entlarvt
der Verstand
die allseitige Heuchelei
Laurence verwendet
das literarische Register
der klassischen Moderne
„Sie war fade wie
Eiercreme, ein mickriges Ding
ohne Mumm“
Die Schriftstellerin Margaret Laurence, geboren 1926, starb 1987 in Lakefield, Ontario.
Foto: Eisele Verlag
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Es macht diesen Roman verblüffend modern, wie er mit den Augen einer alten, vergesslichen Frau erzählt von den Zumutungen des körperlichen Verfalls, der Herablassung der Jungen, der künstlichen Freundlichkeit der Profis. Frankfurter Rundschau