"Niemand kann heimkehren zu dem, was er verloren hat."
"Edgar, du hast ja mich" sind diese liebevollen Worte, die Roman seinem Bruder Edgar, der Erzähler dieser wunderbaren Geschichte zweier Jungen, zur Sicherheit gibt. Roman, der Ältere und sein Bruder Edgar wachsen auf im westdeutschen
Grenzgebiet am Niederrhein.
Dieser Roman, dreiteilig angelegt, umfasst die Lebensjahre der beiden…mehr"Niemand kann heimkehren zu dem, was er verloren hat."
"Edgar, du hast ja mich" sind diese liebevollen Worte, die Roman seinem Bruder Edgar, der Erzähler dieser wunderbaren Geschichte zweier Jungen, zur Sicherheit gibt. Roman, der Ältere und sein Bruder Edgar wachsen auf im westdeutschen Grenzgebiet am Niederrhein.
Dieser Roman, dreiteilig angelegt, umfasst die Lebensjahre der beiden Jungen, deren Familie und deren Umfeld in den Jahren 1971-1976. Diese Zeit: einerseits geprägt durch die noch aus der Vergangenheit bewahrten Prinzipien der NS-Zeit, zum anderen durch den Aufbruch der 68er, den Muff unter den Talaren aus dem Leben zu befreien. Zugleich gilt diese Zeit als eine Zeit der Gewalt, wie es die RAF deutlich machte. Neben der Entwicklung der beiden Jungen stehen eben politisch rechte Gesinnung wie schwarze Pädagogik im Kreuzfeuer des Romans. "Der Schoß ist fruchtbar noch", könnte man mit Brecht sagen. Jedenfalls treffen die beiden Jungen auf Personen, deren Vergangenheit vordergründig zu Ende scheint, doch deren Gesinnung sich zeigt, wenn sie in abgeschlossenen Räumen sich unter ihresgleichen sich bewegen.
Beginnen wird alles in der Schulzeit. Ein Streich, eine Strafe und das Herausbilden einer Tugend, die ein Verhängnis wird. Roman befreit wo er kann. Vögel des Lehrers entlässt er in die Freiheit, die Behandlung von Ferkeln in der Metzgerei bestraft er, in dem er eine Feier aus den Angeln hebt und die Feiernden im Rauch stehen lässt. Stoisch erträgt Roman jede Strafe, denn so vermutet Edgar: "das alles, was er tat, einem Plan folgte".
Der beiden Elternhaus in der Großfamilie mit der Großmutter versprach lange Zeit eine wunderbare Idylle. Vater führte eine Bäckerei, von Mia übernommen. Mutter eine Lotto/Toto Annahmestelle. Beide angesehen im Dorf, dem das Private fehlte, weil alles allzu schnell Öffentlichkeit wurde. So auch der Tanz in den Mai. Der Anfang der Trennung der Eltern. Unbehagen im Elternhaus, Tod der Großmutter. Ein "Schatten der Auflösung" lag über der Familie.
Die alte Dorfführung mit NS-Vergangenheit witterte Höhenluft und wollte die beiden Jungen, deren Streiche überhand nahmen, in ein Heim unterbringen. Edgar und Roman wurden in den Gnadenhof, ehemaliges Kloster und späteres NS-Erziehungsheim, überführt und sollten dort angepasst und willfährig den Vorgaben der Erwachsenenwelt gemacht werden.
Dieser Teil der Erzählung wartet auf mit den Praktiken der ehemaligen Erziehungsmethoden, deckt auf, wie in der NS Zeit Kinder ausgewählt und zu medizinischen Testzwecken missbraucht wurden. Die Jungen sind in ihrem Widerstand kraftvoll genug, dem zu entfliehen, jedoch nicht ohne vorher Vieles aufgedeckt zu haben.
Willi Achten stellt uns vor unsere noch erlebte Zeit, direkt oder indirekt. Es ist längst bekannt, dass die soziale Umgebung der Eltern Auswirkungen auf die Kinder hat. Er zeigt eine scheinbar moderne Gesellschaft im Dorf, in der die alte Zeit hinein wuchert. Das, was noch insgeheim Gültigkeit erahnen ließ, wird hier wie aus einem Käfig entlassen. Wie ein Netz lag die Vergangenheit über dem Leben, aus dem Befreiung nun notwendig wird.
Mit allem verbunden sind die Songs dieser Zeit, von Bob Dylan bis Heino. Ebenso die wunderbaren Naturbeschreibungen, wie wir sie aus dem Vorgängerroman »Nichts bleibt« so geliebt haben.
Aber es bleibt bei aller rückwärtigen Betrachtung, die Edgar auf sein Leben und das Leben von Roman und seiner Familie anstellte, eines sicher: "Niemand kann heimkehren zu dem, was er verloren hat."
Eine wunderbare Lesezeit mit einem großartigen und vielschichtigen Roman. Lesen!