Neige Sinno
Gebundenes Buch
Trauriger Tiger
'Ein erschütternd eindringliches und wichtiges Buch.' Elke Heidenreich Die literarische Sensation aus Frankreich, ausgezeichnet mit sechs Literaturpreisen
Übersetzung: Meßner, Michaela
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»Man muss ihr zuhören und sie lesen, denn ihre Erzählung wird uns für immer verändern.« Beata Umubyeyi MairesseDas Buch, über das ganz Frankreich sprach, der Überraschungs-Bestseller, mit sechs Literaturpreisen ausgezeichnet, u. a. dem Prix Femina und dem Premio Strega Europeo 2024. »Dieses Buch macht Angst, bevor man es gelesen hat; wenn man es dann liest, verliert man die Angst sofort.« Aus der Begründung der Schüler:innen-Jury für den Prix Goncourt des lycéensEine in ihrer radikalen Ehrlichkeit außergewöhnliche Schriftstellerin. Als Kind immer wieder sexueller Gewalt ausgese...
»Man muss ihr zuhören und sie lesen, denn ihre Erzählung wird uns für immer verändern.« Beata Umubyeyi Mairesse
Das Buch, über das ganz Frankreich sprach, der Überraschungs-Bestseller, mit sechs Literaturpreisen ausgezeichnet, u. a. dem Prix Femina und dem Premio Strega Europeo 2024. »Dieses Buch macht Angst, bevor man es gelesen hat; wenn man es dann liest, verliert man die Angst sofort.« Aus der Begründung der Schüler:innen-Jury für den Prix Goncourt des lycéens
Eine in ihrer radikalen Ehrlichkeit außergewöhnliche Schriftstellerin. Als Kind immer wieder sexueller Gewalt ausgesetzt, erzählt Neige Sinno von einem Familienleben, das um Lügen und Täuschungen herum gebaut ist. Und von den vielen Facetten von Erinnerung, den vielen Gesichtern eines Menschen in Ungeheuerlichkeit und Banalität. Wie werden wir zu denen, die wir sind? Kommt vor Gericht zur Sprache, was in Familien ungesagt bleibt? Neige Sinno erzählt vielstimmig, nähert sich ohne Pathos der Wahrheit. Ein kristallklarer Stil, ein so kluges wie Mut machendes Buch, das in Frankreich die Herzen von Hunderttausenden von Leserinnen und Lesern eroberte.
Das Buch, über das ganz Frankreich sprach, der Überraschungs-Bestseller, mit sechs Literaturpreisen ausgezeichnet, u. a. dem Prix Femina und dem Premio Strega Europeo 2024. »Dieses Buch macht Angst, bevor man es gelesen hat; wenn man es dann liest, verliert man die Angst sofort.« Aus der Begründung der Schüler:innen-Jury für den Prix Goncourt des lycéens
Eine in ihrer radikalen Ehrlichkeit außergewöhnliche Schriftstellerin. Als Kind immer wieder sexueller Gewalt ausgesetzt, erzählt Neige Sinno von einem Familienleben, das um Lügen und Täuschungen herum gebaut ist. Und von den vielen Facetten von Erinnerung, den vielen Gesichtern eines Menschen in Ungeheuerlichkeit und Banalität. Wie werden wir zu denen, die wir sind? Kommt vor Gericht zur Sprache, was in Familien ungesagt bleibt? Neige Sinno erzählt vielstimmig, nähert sich ohne Pathos der Wahrheit. Ein kristallklarer Stil, ein so kluges wie Mut machendes Buch, das in Frankreich die Herzen von Hunderttausenden von Leserinnen und Lesern eroberte.
Neige Sinnowurde 1977 in der Region Hautes-Alpes in Frankreich geboren, sie verbrachte viele Jahre in Mexiko und lebt heute im französischen Baskenland. Sie studierte amerikanische Literatur, die sie an der Universität lehrte, und arbeitete als Übersetzerin. Sie hat Kurzgeschichten und den kurzen Roman ¿Le Camion¿ sowie mehrere Essays veröffentlicht. ¿Trauriger Tiger¿ war ein Bestseller in Frankreich. Ausgezeichnet mit dem Prix Femina, Prix littéraire Le Monde, Prix Goncourt des lycéens, Prix Jean-Marc Roberts, Prix littéraire Les Inrockuptibles, sowie dem Premio Strega Europeo 2024. Shortlisted für den Internationalen Literaturpreis 2025.
Produktdetails
- Verlag: DTV
- Originaltitel: Triste Tigre
- 4. Aufl.
- Seitenzahl: 304
- Erscheinungstermin: 12. September 2024
- Deutsch
- Abmessung: 191mm x 122mm x 30mm
- Gewicht: 352g
- ISBN-13: 9783423284226
- ISBN-10: 3423284226
- Artikelnr.: 70324060
Herstellerkennzeichnung
dtv Verlagsgesellschaft
Tumblingerstraße 21
80337 München
produktsicherheit@dtv.de
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Für Rezensentin Livia Sarai Lergenmüller steht dieser Roman buchstäblich für die Erfindung einer literarischen Form, die den Missbrauch in seiner ganzen Gewalt offenbart. Neige Sinno erzählt, wie sie als junges Mädchen von ihrem Stiefvater sexuell missbraucht wurde. Um überhaupt Worte zu finden, greift die Autorin auf literarische Referenzen zurück, die dieses Thema behandeln, und Lergenmüller ist beeindruckt von der Kohärenz und Stärke des Textes. Dass Sinnos Prosa sich bis zum Schluss bewusst ist, die Wahrheit nicht ganz artikulieren zu können, diese Ohnmacht der Wörter angesichts der Gewalt, macht für die Rezensentin die Größe dieses "meisterhaften Stücks Literatur" aus, das dadurch zugleich zu einer "vielschichtigen Reflexion" über Gewalt und Macht werde.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Ein erschütternd eindringliches und wichtiges Buch. Elke Heidenreich Spiegel online 20241006
"Es kommt nicht darauf an, was man aus uns gemacht hat, sondern darauf, was wir aus dem machen, was man aus uns gemacht hat." (Jean Paul Sartre)
Mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester und den Hippie-Eltern wächst Neige Sinno in einem kleinen Ort in den französischen Alpen …
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"Es kommt nicht darauf an, was man aus uns gemacht hat, sondern darauf, was wir aus dem machen, was man aus uns gemacht hat." (Jean Paul Sartre)
Mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester und den Hippie-Eltern wächst Neige Sinno in einem kleinen Ort in den französischen Alpen auf. Als die Mutter einen anderen Mann kennenlernt, lässt sie sich scheiden, um mit dem attraktiven Bergführer und den beiden Kindern, so wie zwei weitere kommen bald hinzu, auf einem heruntergekommenen Bauernhof zusammenzuleben. Sieben Jahre lang wird Neige Sinno während dieser Zeit von ihrem Stiefvater sexuell missbraucht. Ihr Martyrium beginnt, als sie ungefähr sieben Jahre alt ist. Genau jedoch kann sie sich nicht mehr erinnern. Erst mit 21 Jahren zeigt sie ihren Peiniger an und geht vor Gericht. In ihrem Buch nähert sich die Autorin jener Vergangenheit, in der sie Parallelen und Ähnlichkeiten aus der Literatur wie z. B. "Lolita" von Vladimir Nabokov sucht. Ausgezeichnet mit einigen Literaturpreisen hat dieses Buch zahlreiche Herzen in Frankreich berührt.
Meine Meinung:
Ich will ehrlich sein, mich hat dieses Buch leider viel zu wenig berührt. Der beschwerliche Schreibstil und die vielen Passagen zu literarischen Werken überfordern mich leicht. Ebenso wenig gefällt mir, dass sie doch recht knapp und gefühlskalt über ihre eigene Vergangenheit und das eigentliche Anliegen berichtet. In diesem Buch werden eher die Familie, die Tat im Allgemeinen und der Täter durchleuchtet als das eigentliche Opfer. Gestört haben mich außerdem die zahlreichen Wiederholungen von einzelnen Passagen. Natürlich kann ich verstehen, warum die Autorin in diesem Buch nur wenige Details über ihren eigenen Missbrauch eingeht. Doch warum dann dieses Buch, frage ich mich, wenn sie im Grunde nicht groß auf sich selbst eingeht? Hätte ich zuvor gewusst, dass die Autorin eine studierte Literaturwissenschaftlerin ist, hätte ich sehr wahrscheinlich Abstand davon genommen. Allerdings muss ich dem Satz zustimmen: "Dieses Buch macht Angst, bevor man es gelesen hat; wenn man es dann liest, verliert man die Angst sofort." Natürlich überlegt man, wenn es um das Thema Kindesmissbrauch geht, werde ich das wohl verkraften. Doch in diesem Buch ist es definitiv der Fall, denn die Autorin geht nur gering auf detaillierte Beschreibungen von damals ein. Im Gegenteil, sie versucht auf eine ganz andere Art und Weise als sonst, sich diesem Thema zu nähern. Für Neige Sinno jedoch steht fest: Kindesmissbrauch ist keine Prüfung, kein Zwischenfall im Leben, sondern eine Erniedrigung, die die Grundfesten eines selbst zerstören. Wer einmal Opfer war, der ist immer Opfer. Selbst wenn es einem irgendwann gut geht, wird man diesen Makel nie wieder ganz loswerden. Sie fragt sich: Wer sind diese Täter, die so etwas ihren Opfern antun? Schade finde ich allerdings, dass sie viel zu sehr verallgemeinert, statt wirklich über ihre eigenen Gefühlswelt zu berichten. Wahrscheinlich ist dies genau der Grund, warum ich zu Buch und Autorin nie einen richtigen Zugang finde. Fassungslos macht mich außerdem, wieso ihre eigene Mutter nichts davon gewusst haben soll und warum sie nach der Anzeige ihrer Tochter noch ein Jahr lang bei ihm geblieben ist. Natürlich sind ihre beiden jüngsten Kinder noch zu jung und sie mitten in der Ausbildung, trotzdem bleibt es für mich unbegreiflich. Während der Täter dann nach 9 Jahren Haft wieder freikommt und eine neue Familie gründet, wird sein Opfer die Taten lebenslang nicht vergessen. Überrascht haben mich allerdings die vielen Beispiele aus der Literatur zum Thema Missbrauch. Einiges finden wir im oben erwähnten Werk „Lolitas“ Nabokov, Virginia Woolf, Christine Angot oder Emmanuel Carrère. Immer wieder zieht sie aus diesen Werken Schlüsse und stellt sich selbst die Frage, wie sie überhaupt über ihre eigenen Erfahrungen erzählen soll. Andererseits widert es sie an, überhaupt über diese Vergangenheit zu berichten. Wahrscheinlich sind ihre Gefühle deshalb im Buch so knapp bemessen. Mich hat es leider nicht vollständig überzeugt, weshalb ich nur 3 Sterne vergebe.
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Aufarbeitung einer von sexueller Gewalt geprägten Kindheit
Das Cover zeigt ein weibliches Teenie-Gesicht, halb im Wasser lauernd wie ein Tiger, der auch gut im Element Wasser klarkommt Wird der Tiger im Buchtitel hier als Metapher für Stärke und Mut verwendet oder eher als Symbol …
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Aufarbeitung einer von sexueller Gewalt geprägten Kindheit
Das Cover zeigt ein weibliches Teenie-Gesicht, halb im Wasser lauernd wie ein Tiger, der auch gut im Element Wasser klarkommt Wird der Tiger im Buchtitel hier als Metapher für Stärke und Mut verwendet oder eher als Symbol für Angst, vielleicht für Bedrohung?
Warum es so schwer ist, in der eigenen Familie über wichtige Dinge wie Kindsmissbrauch zu sprechen, wird vielseitig beleuchtet. Ein solches Vergehen belastet und zerstört im Anklagefall die ganze Familie Sinno, das Dorf, Freundschaften etc. In zwei Kapiteln geht es zunächst um Ihr Familienleben in bescheidenen, für Neige traumatischen Umständen des sexuellen Missbrauchs. Im zweiten Kapitel dreißig Jahre später folgen Überlegungen zu ihrem Trauma als vergewaltigte Person. Als außenstehende, nicht selbst Betroffene vermag man wenig dazu zu sagen, erst recht nicht das Geschriebene hier zu bewerten. Dass man für sein ganzes Leben seelisch beschädigt sein kann/muss, ist sehr gut vorstellbar nach solchen Kindheitserfahrungen. Die Botschaft ist angekommen: Alles, was uns widerfährt, anzusprechen – denn nur das macht uns stark.
Dieser Roman mit so vielen Zitaten aus der anglophonen Literatur, mit literarischen Analysen und philosophischen Ansätzen wirkt ermüdend.
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Das Unsichtbare sichtbar machen
Eine Rezension zu Neige Sinnos extrem persönlichen und offenen Memoiren „Trauriger Tiger“ über die eigene Geschichte des Missbrauchs durch den Stiefvater über viele Jahre hinweg fällt mir äußerst schwer. Als Kind wird sie im …
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Das Unsichtbare sichtbar machen
Eine Rezension zu Neige Sinnos extrem persönlichen und offenen Memoiren „Trauriger Tiger“ über die eigene Geschichte des Missbrauchs durch den Stiefvater über viele Jahre hinweg fällt mir äußerst schwer. Als Kind wird sie im Alter zwischen 7 und 14 Jahren regelmäßig missbraucht und vergewaltigt. 20 Jahre später bricht die französische Autorin und Literaturwissenschaftlerin ihr Schweigen und verarbeitet ihre Geschichte in diesem Werk. In Frankreich eine Überraschung, mit vielen Preisen ausgezeichnet, breit diskutiert, ein literarischer Erfolg.
Ich habe so viele Fragen an das Buch und auch an mich. Was hatte ich denn erwartet? Der Text hat mich mitgenommen, dann aber auch wieder weniger als gedacht, einzelne Passagen waren kaum zu ertragen, dann reihten sich wieder die z.T. ermüdenden Ausführungen über Literatur, philosophische Ansätze, die Wiederholungen, die Anschuldigungen, die Ausschweifungen, die hohen Ansprüche an andere aneinander.
Das schlechte Gewissen regte sich, darf ich urteilen, darf ich einer anderer Meinung sein, darf ich bei diesem Thema, bei dieser Seelenschau Kritik üben?
Lesegenuss war es nicht, trotzdem hat das Werk mich herausgefordert, ich habe viele Impulse bekommen, mein Verständnis erweitert, mitgelitten und mir wurden neue Denkansätze aufgezeigt. - Eigentlich alles das, was gute Literatur auch ausmacht!
Positiv hervorheben möchte ich, dass es überhaupt nicht pornographisch oder voyeuristisch ist, von einer schockierenden Szene gleich zu Beginn abgesehen, die auch wichtig ist und einen das ganze Ausmaß erkennen lässt und plakativ vor Augen stellt - hier wird gezeigt, worum es geht, die Perspektive des kleinen Kindes, die unglaubliche Grausamkeit und Tabuverletzung des Täters, die Übergriffigkeit und Machtdemonstration auf der einen und Hilflosigkeit auf der anderen Seite.
In dieser Hinsicht sicherlich ein wichtiges Buch, ein Text, der aus der Sprachlosigkeit herausführt, der im besten Fall auch andere Menschen ermutigt, sich gegen ihre Isolation, das Schweigen und die Täter aufzulehnen, mutig zu sein, in die Offensive zu gehen und ihr Schicksal in die Hand zu nehmen.
„Meine Wut ist gegen die Ungerechtigkeit in unserer Welt gerichtet, gegen die Gewalt des Schweigens.“ Neige Sinno
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Ich bin irrtümlicherweise davon ausgegangen, dass das Buch ein Roman ist, das ist es jedoch nicht, es ist ein 300 Seiten langer Erfahrungsbericht der Autorin, die als Kind von ihrem Stiefvater missbraucht wurde. Es gehört eher in die Kategorie Sachbücher oder …
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Ich bin irrtümlicherweise davon ausgegangen, dass das Buch ein Roman ist, das ist es jedoch nicht, es ist ein 300 Seiten langer Erfahrungsbericht der Autorin, die als Kind von ihrem Stiefvater missbraucht wurde. Es gehört eher in die Kategorie Sachbücher oder Selbsthilfebücher.
Ich war überrascht und entsetzt darüber, dass in unserer Gesellschaft den Tätern vergeben wird, und die Opfer dafür verstoßen werden, dass sie ihre internen Familienangelegenheiten öffentlich machen. „Seine schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit waschen heißt oftmals, Schweigen bewahren über unschöne Geschichten – von Missbrauch, Dominanz, Inzest.“ (S. 276)
Beim Prozess sagten viele Zeugen zu seinen Gunsten aus, er sei „ein guter Sohn, ein treuer Freund, ein fleißiger Arbeiter, mutig“ (S. 127). „Uns hat er ja nichts getan.“ (S. 250). Der Stiefvater hat sich nach seinem Gefängnisaufenthalt ein neues Leben mit einer neuen Frau aufgebaut und zwei weitere Kinder gezeugt.
Der Schreibstil ist sehr sachlich, immer wieder betont die Autorin, dass sie eigentlich nicht weiß, warum und für wen sie das Buch geschrieben hat, und auch wenn sie es leugnet, denke ich doch, dass das Schreiben des Buches für sie einen Therapieeffekt hatte. Eine Therapie hat sie nie gemacht, vielleicht wäre diese aber hilfreich gewesen. Vielleicht finden sich Betroffene in dem Buch wieder, für mich war das Buch keine interessante Lektüre.
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"Trauriger Tiger" der Autorin Neige Sinno ist der erschreckend und bedrückende Versuch, den eigenen sexuellen Missbrauch, dem sie als Kind jahrelang ausgesetzt war, aufzuarbeiten.
Neige Sinno wächst quasi abgeschieden mit ihrer Mutter, Stiefvater und Geschwistern auf. Dies …
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"Trauriger Tiger" der Autorin Neige Sinno ist der erschreckend und bedrückende Versuch, den eigenen sexuellen Missbrauch, dem sie als Kind jahrelang ausgesetzt war, aufzuarbeiten.
Neige Sinno wächst quasi abgeschieden mit ihrer Mutter, Stiefvater und Geschwistern auf. Dies macht es für den Stiefvater, der als zugewandt und charismatisch gilt, noch einfacher seine Taten auszuführen.
Mich hat die drastische Beschreibung der Geschehnisse sehr bewegt. Der Schreibstil ist für mich sehr schwer einzuordnen, und passt in keine Kategorie, die ich bisher in Zusammenhang mit dieser schweren Thematik gelesen habe. Schon sehr schnell wurde ich als Leserin detailliert mit dem Missbrauch durch den Stiefvater konfrontiert, die Schilderungen sind nur sehr schwer zu ertragen und auszuhalten. Manches wird subtil beschrieben und eingestreut, ohne dabei an Gewalttätigkeit zu verlieren. Erstaunlich empfand ich die Auseinandersetzung mit dem Täter: Ich möchte verstehen, was in seinem Kopf vorgeht.
Dafür hat die Autorin sehr gut in der Literatur recherchiert und verweist immer wieder auf andere Fälle und wirft damit ein Bild auf die Täter, die sich herauszureden versuchen, aber immer nur auf Macht aus sind.
Insgesamt lässt mich das Buch etwas gespalten zurück, kann es aber weiterempfehlen
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Etwa mit sieben Jahren beginnt es. Neiges Stiefvater nähert sich ihr in der Nacht oder wenn die Mutter nicht im Hause ist. Er wird es immer wieder tun, über Jahre hinweg, bis in die Pubertät hinein. Ein Stiefvater und Vergewaltiger. Wie lebt ein Kind, das sich einer solchen Gewalt …
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Etwa mit sieben Jahren beginnt es. Neiges Stiefvater nähert sich ihr in der Nacht oder wenn die Mutter nicht im Hause ist. Er wird es immer wieder tun, über Jahre hinweg, bis in die Pubertät hinein. Ein Stiefvater und Vergewaltiger. Wie lebt ein Kind, das sich einer solchen Gewalt ausgesetzt sieht? Wie überlebt es? Und wie kann man den Menschen davon erzählen, dem eigenen Umfeld, aber auch der ganzen Welt? Mit einem Buch wie "Trauriger Tiger" von Neige Sinno, das in der Übersetzung aus dem Französischen von Michaela Meßner bei dtv erschienen ist.
Schon der Anfang strahlt diese Wucht aus, die die Leserschaft während der Lektüre des Buches häufig überfallen wird. Völlig unvermittelt beginnt Neige Sinno nämlich mit dem Versuch des Porträts ihres Peinigers, den sie einst mit ihrer späten Anzeige vor Gericht brachte. Sie wird in der Folge immer wieder damit beginnen. "Denn auch mich interessiert im Grunde vor allem das, was im Kopf des Täters vor sich geht", so lautet der überraschende erste Satz von "Trauriger Tiger", das in Frankreich fünf große Literaturpreise und dazu den Premio Strega Europeo erhielt. "Porträts" und "Gespenster" heißen die beiden Teile des Buches, die sich zunächst um das Umfeld von Neige und ihrer Familie drehen, ehe es in der zweiten Hälfte der gut 300 Seiten eher um die Auswirkungen des Missbrauchs auf die "Überlebenden", wie Neige Sinno die Missbrauchsopfer häufig nennt, und somit auf sie selbst geht.
Wobei die literarischen Auszeichnungen doch etwas überraschend sind. Rein sprachlich ist das Buch nämlich recht unauffällig. Zwar gibt es zwischendurch immer wieder so aufrüttelnde Sätze wie "Man vergewaltigt, um zu existieren", doch in seiner Gesamtheit liest sich "Trauriger Tiger" eher wie eine Mischung aus Sachbuch und Memoir. Das Besondere ist vielmehr Neige Sinnos Zugang zu ihrer so persönlichen Geschichte. Und hier kommt die Literatur dann doch wieder ins Spiel, denn Sinno analysiert und beschreibt ihren langjährigen Missbrauch und die Auswirkungen auf sie, aber auch auf den Täter, auch mithilfe von Büchern und Erzählungen. Ob Nabokovs "Lolita", Hans Christian Andersens "Die wilden Schwäne" oder Emmanuel Carrères "Widersacher" - sie alle spielen eine zentrale Rolle in "Trauriger Tiger".
Positiv hervorzuheben ist, dass das Buch keineswegs voyeuristisch ist. Im Gegenteil, die Darstellung des Grausamen ist erstaunlich sachlich, was einen emotionaleren Zugang zum Buch allerdings teilweise auch verhindert. In dieser Hinsicht konnte "Tiger, Tiger" der mittlerweile verstorbenen Margaux Fragoso mit einem sehr ähnlichen Thema aus dem Jahre 2011 deutlich mehr überzeugen. "Tiger, Tiger", das unverblümt Namenspate für Neige Sinnos Werk ist, hat letztere überraschenderweise aber gar nicht gelesen, obwohl sie sonst nahezu alles zum Thema Missbrauch verschlungen hat. Abgeschreckt hat sie eine negative Kritik, was eine etwas seltsame Entscheidung ist.
Der Zugang über die Literatur ist dennoch ein kluger, wenn auch nicht der einzige Ansatz von Neige Sinno in diesem Buch. Sie reflektiert über die Auswirkungen der jahrelangen Vergewaltigungen, über männliche Sexualität, über Schuld, über die Wirksamkeit von Therapien und Strafen, ja, sogar über das Leben und den Tod. Und es gelingt ihr, dass man auch als Leser:in darüber reflektiert, dass man gezwungen wird, eine Haltung einzunehmen. Schwächer ist das Buch, wenn Sinno sich in ihren Gedankengängen verheddert, unverständlich bleibt und wenn sie einzelne Passagen zu häufig wiederholt.
Zudem wird nicht ganz klar, warum Neige Sinno ihr Buch überhaupt geschrieben hat. Sie wünscht ihm "nicht viele Leser", ja, es widere sie sogar an, aus ihrer Geschichte Kunst zu machen, was man beides nicht besonders glaubwürdig findet. Eine therapeutische Wirkung hatte das Schreiben für sie auch nicht. Warum also auch immer, die Entscheidung war natürlich richtig. Denn "Trauriger Tiger" gelingt es trotz oder wegen des persönlichen Schicksals der Autorin, dass man als Leser:in schockiert und nachdenklich zurückbleibt. Und dass man Neige Sinno, die Überlebende, nicht so schnell wieder vergisst.
3,5/5
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eBook, ePUB
Das Schweigen brechen
Neige Sinno arbeitet in ihrem Buch 'Trauriger Tiger' das Trauma ihrer Jugend auf, welches sie bis heute mit sich herumträgt und nicht so einfach abschütteln kann. Sie schreibt in erschütternder Weise über das sexuell übergriffige Verhalten des …
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Das Schweigen brechen
Neige Sinno arbeitet in ihrem Buch 'Trauriger Tiger' das Trauma ihrer Jugend auf, welches sie bis heute mit sich herumträgt und nicht so einfach abschütteln kann. Sie schreibt in erschütternder Weise über das sexuell übergriffige Verhalten des Stiefvaters ihr gegenüber über viele Jahre hinweg. Sie war noch ein Kind, musste allein mit der ausweglosen Situation zurechtkommen und hat erst Jahre später als erwachsene Frau ihr Schweigen gebrochen und den Mann angeklagt, der ihr ihre Kindheit gestohlen hat.
Die Literaturwissenschaftlerin rüttelt mit ihrer Geschichte wach und macht den Geschädigten Mut, sich zu äußern und sich zu wehren. Es ist darüber hinaus eine Aufforderung an unsere Gesellschaft, genau hinzuschauen, hilfreich zur Seite zu stehen.
Das in Frankreich vielbeachtete Buch wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
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