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Es gibt Entscheidungen, die ein Leben zerreißen - Wer könnte eindringlicher und zarter davon erzählen als David GrossmanDrei Frauen - Vera, ihre Tochter Nina und ihre Enkelin Gili - kämpfen mit einem alten Familiengeheimnis: An Veras 90. Geburtstag beschließt Gili, einen Film über ihre Großmutter zu drehen und mit ihr und Nina nach Kroatien, auf die frühere Gefängnisinsel Goli Otok zu reisen. Dort soll Vera ihre Lebensgeschichte endlich einmal vollständig erzählen. Was genau geschah damals, als sie von der jugoslawischen Geheimpolizei unter Tito verhaftet wurde? Warum war sie bereit...
Es gibt Entscheidungen, die ein Leben zerreißen - Wer könnte eindringlicher und zarter davon erzählen als David GrossmanDrei Frauen - Vera, ihre Tochter Nina und ihre Enkelin Gili - kämpfen mit einem alten Familiengeheimnis: An Veras 90. Geburtstag beschließt Gili, einen Film über ihre Großmutter zu drehen und mit ihr und Nina nach Kroatien, auf die frühere Gefängnisinsel Goli Otok zu reisen. Dort soll Vera ihre Lebensgeschichte endlich einmal vollständig erzählen. Was genau geschah damals, als sie von der jugoslawischen Geheimpolizei unter Tito verhaftet wurde? Warum war sie bereit, ihre sechseinhalbjährige Tochter wegzugeben und ins Lager zu gehen, anstatt sich durch ein Geständnis freizukaufen? "Was Nina wusste" beruht auf einer realen Geschichte. David Grossmans Meisterschaft macht daraus einen fesselnden Roman.
David Grossman wurde 1954 in Jerusalem geboren und gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern der israelischen Gegenwartsliteratur. 2008 erhielt er den Geschwister-Scholl-Preis, 2010 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 2017 den internationalen Man-Booker-Preis für seinen Roman Kommt ein Pferd in die Bar. 2021 wurde ihm das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Bei Hanser erschienen zuletzt Diesen Krieg kann keiner gewinnen (2003), Das Gedächtnis der Haut (2004), Die Kraft zur Korrektur (2008), Eine Frau flieht vor einer Nachricht (Roman, 2009), Die Umarmung (2012), Aus der Zeit fallen (2013), Kommt ein Pferd in die Bar (Roman, 2016), Die Sonnenprinzessin (2016), Eine Taube erschießen (Reden und Essays, 2018) und Was Nina wusste (2020). Im Hanser Kinder- und Jugendbuch erschien zuletzt 2018 das Kinderbuch Giraffe und dann ab ins Bett!, 2023 folgt das Bilderbuch Opa, warum hast du Falten?.

Produktdetails
- Verlag: Hanser
- Originaltitel: ITI HA-CHAIJM MESSACHEK HARBEJ
- Artikelnr. des Verlages: 505/26752
- 8. Aufl.
- Seitenzahl: 352
- Erscheinungstermin: 17. August 2020
- Deutsch
- Abmessung: 208mm x 137mm x 38mm
- Gewicht: 457g
- ISBN-13: 9783446267527
- ISBN-10: 3446267522
- Artikelnr.: 59018963
Herstellerkennzeichnung
Carl Hanser Verlag
Vilshofener Straße 10
81679 München
info@hanser.de
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Etwas ambivalent ist diese Besprechung von Thomas E. Schmidt, der hier "Längen" entdeckt und sogar "Kitsch". Dass er trotzdem fasziniert ist: Ja. Aber begeistert? Der Kritiker schaut sich anhand der Geschichte das Verhältnis des Landes Israel zu seinen Menschen und der Menschen zu ihrem Land an. Er fragt, ob aus der "Ort- und Ruhelosigkeit" der Protagonistin Nina - und eigentlich wohl des Unabgegoltenen in der Geschichte - etwas anderen werden kann als der beständige Selbstzweifel - des Zionismus? Das Vexierspiel zwischen Dokumentation und Fiktion wird ihm durch diesen Roman zu einer "fiktionalen Zeugenschaft" des Lesers. Ob dies ein Lob ist, bleibt dem Publikum überlassen.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Als die Liebe gehärtet wurde
David Grossmans neuer Roman "Was Nina wusste" erzählt vom generationenüberspannenden Leid totalitaristischer Willkür. Und vom Weg aus diesem Erbe hinaus.
Wieder ein Geburtstag. In "Kommt ein Pferd in die Bar", dem Roman, der David Grossman vor drei Jahren den Man Booker International Prize einbrachte und damit die bislang bedeutendste Auszeichnung für eines seiner Bücher, setzte die Handlung am siebenundfünfzigsten Geburtstag des Stand-up-Komikers Dovele Grinstein ein, und als der Tag zu Ende ging, war auch dessen Bühnenauftritt in der israelischen Küstenstadt Netanja und damit das Buch vorbei, aber wir hatten ein ganzes trauriges Leben erzählt bekommen. In Grossmans neuem Roman "Was
David Grossmans neuer Roman "Was Nina wusste" erzählt vom generationenüberspannenden Leid totalitaristischer Willkür. Und vom Weg aus diesem Erbe hinaus.
Wieder ein Geburtstag. In "Kommt ein Pferd in die Bar", dem Roman, der David Grossman vor drei Jahren den Man Booker International Prize einbrachte und damit die bislang bedeutendste Auszeichnung für eines seiner Bücher, setzte die Handlung am siebenundfünfzigsten Geburtstag des Stand-up-Komikers Dovele Grinstein ein, und als der Tag zu Ende ging, war auch dessen Bühnenauftritt in der israelischen Küstenstadt Netanja und damit das Buch vorbei, aber wir hatten ein ganzes trauriges Leben erzählt bekommen. In Grossmans neuem Roman "Was
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Nina wusste" ist wieder ein Geburtstag Auslöser des Geschehens, diesmal allerdings ein neunzigster, und als sich im Kibbuz die riesige Familie zur Feier der Jubilarin Vera Bruck versammelt, ist alles eitel Sonnenschein. Wenige Tage danach jedoch tritt Vera in Begleitung von drei Angehörigen zu einer Reise in die Schattenwelt der Vergangenheit an, von deren Verlauf das Buch erzählt. Diesmal geht also alles erst richtig los, als der Ehrentag vorbei ist.
Zumindest für uns als Leser. Für Vera ist dagegen alles bereits 1936 losgegangen, als die in der kroatischen Kleinstadt Cakovec geborene Jüdin mit achtzehn den jungen serbischen Soldaten Milos Novak kennenlernte. Es folgten fünfzehn überglückliche gemeinsame Jahre, denen auch der Einfall der Deutschen ins Königreich Jugoslawien und die Exzesse des nationalsozialistischen Judenmords nichts anhaben konnten. Nach dem Krieg schlug sich das immer noch junge Paar auf die Seite der neuen kommunistischen Staatsführung unter Tito. Wie zur Bekräftigung dieses neuen Lebens kam ihre Tochter Nina zur Welt. Doch mit dem Abfall Titos von der Sowjetunion setzten politische Verfolgungen ein, und die Novaks gerieten in die Mühle des innerjugoslawischen Terrors. Milos überlebte ihn nicht. Und Vera zog schließlich mit der Tochter nach Israel, wo sie 1963 ihren zweiten Mann kennenlernte. Es ist größtenteils seine Familie, mit der die Greisin im Jahr 2008 ihren neunzigsten Geburtstag feiert. Nur Nina ist außerdem da. Und deren mittlerweile neununddreißigjährige Tochter Gili. Beide werden mit Vera auf die Reise gehen.
Drei Frauengenerationen, und doch ein einziges Schicksal. In Grossmans Buch dreht sich alles um die Folgen des Todes von Milos für dessen Frau und die Tochter und damit auch für die Enkelin Gili, die erst achtzehn Jahre nach der jugoslawischen Tragödie geboren wurde. Trotzdem lebt auch sie in deren Schatten, denn als kleines Kind war sie von ihrer Mutter Nina verlassen worden, die selbst dasselbe Kindertrauma erlitten hatte, als die Eltern in Jugoslawien verhaftet worden waren und sie dann bei fremden Leuten aufwuchs. Gili hatte mehr Glück: Sie konnte beim Vater bleiben. Dieser Rafael ist der vierte Reisegefährte - und der Stiefsohn Veras aus ihrer israelischen Ehe. Die Beziehung zu dem Stiefbruder war Nina als junge Frau wie einen Protest eingegangen, und ihr Liebesleben nach der Trennung war ein nymphomanisches, das sich um keine Konventionen scherte. Das verletzte Rafael, der Nina immer noch liebte. So finden sich vielfach Verwundete zu einer Reisegesellschaft zusammen, die nach Jugoslawien aufbricht, an die Orte von Veras Glück und Unglück. Das sie wiederum geerbt haben.
All diese Verhältnisse werden erst im Verlauf des Romans entwirrt, und zwar aus der Sicht von Gili, die über das Privileg verfügt, das größte Geheimnis ihrer Großmutter zu kennen. Es ist ein schreckliches Geheimnis, vor allem, wenn Nina es erführe, und der Titel der deutschen Übersetzung deutet es an: "Was Nina wusste", ist die Frage, die Gili sich ständig stellen muss. Im hebräischen Original heißt Grossmans Buch "Das Leben spielt mit mir", und damit wird seine Ich-Erzählerin Gili in den Mittelpunkt gerückt. Sie ist der Kopf des Geschehens, nicht zuletzt weil das, was wir lesen, als ein Buch ausgewiesen wird, das auf ihren Aufzeichnungen von der Reise des Jahres 2008 beruht. Die fertigt sie auf Anweisung ihres Vaters an, der in Jugoslawien einen Film über das Leben Veras drehen will und seine Tochter früher schon als Scriptgirl beschäftigt hat: "Ich sollte die Dinge aufschreiben, die nicht offensichtlich und ausdrücklich im Film vorkamen, Gedanken, Assoziationen, sogar zufällige Erinnerungen von Leuten aus dem Team, aber auch meine eigenen." Nach dieser Methode beobachtet und dokumentiert Gili nun auch den Familienausflug in die Vergangenheit. Mit keiner anderen Figur dieses Romans wird man so vertraut.
Dessen deutscher Titel aber verschiebt den Akzent: auf Nina, die tatsächlich die Seele des Buchs ist, eine unschuldig von den Zwängen der Geschichte gepeinigte Frau, die zudem an beginnendem Alzheimer leidet. Umso weniger kann sie dem vertrauen, was sie zu wissen oder auch zu vermuten meint, doch sie wird auf der Reise alles enthüllt bekommen, was Vera ihr verschwiegen hat, und am Schluss wird Nina in einer großen Geste die grausame Vergangenheit dem anheimstellen, was sie selbst so panisch befürchtet: dem Vergessen. Mit keiner anderen Figur dieses Romans leidet man derart mit.
Und keine andere liebt man so wie die alte Vera. Sie ist das Herz des Buchs, nicht nur stark, sondern auch witzig, und man kann Grossman nur bewundern für dieses Porträt einer Frau, die spät und alles andere als freiwillig die Aliyah gewählt, sich dann in Israel ein Leben in Gemeinschaft zurückerkämpft hat und nun, zur Handlungszeit 2008, als aktive Gegnerin der Besatzungspolitik ihres Landes und Mittelpunkt einer Großfamilie agiert. Womöglich noch mehr bewundern muss man jedoch, wie die Übersetzerin Anne Birkenhauer Veras auch nach fast einem halben Jahrhundert immer noch unüberhörbaren Akzent aus dem Hebräischen ins Deutsche gebracht hat. Denn darauf beruht nicht zuletzt die immer wieder aufbrandende Komik, sondern auch der resultierende Kontrast zum entsetzlichen Geschehen im früheren Leben.
Für Vera Bruck gibt es ein reales Vorbild: die 2015 im Alter von 97 Jahren gestorbene Eva Panic-Nahir, über ihre letzten beiden Jahrzehnte hinweg eine Freundin von Grossman, die ihm ihre Lebensgeschichte immer wieder erzählt hat. Sein Roman nimmt sich viele Freiheiten bei der Zeit nach 1951, doch im Zentrum bleibt die unlösliche Liebe zu Milos, der in Wirklichkeit Rade hieß. Im Roman sagt Vera ihrem zweiten Mann: "Jede Nacht werde ich dir erzählen von ihm", und so hielt ihr Vorbild es im Freundeskreis. Ein anderer bedeutender Schriftsteller, Danilo Kis, war auch fasziniert von Eva Panic-Nahir und wollte ein Buch über ihr Leben schreiben, nachdem er sie 1989 in Israel kennengelernt hatte. Doch daraus wurde nichts; Kis starb noch im selben Jahr. Womöglich hat der frühe Tod des großen jugoslawischen Autors uns erst das Buch seines großen israelischen Kollegen geschenkt. Wer hätte schon gegen ein Werk von Kis anzuschreiben gewagt?
Und doch: David Grossman hätte das Zeug dazu. Die in unterschiedlicher Typographie spät im Roman eingefügte Binnenerzählung aus Veras eigenem Mund über ihre fast dreijährige Leidenszeit in einem staatlichen Straflager auf der kargen Gefängnisinsel Goli Otok ist so grausam-präzise und zugleich so souverän gebaut, wie man es auch von Kis kennt. Und sie findet ein Motiv in einer Schikane der Lagerleitung, das einem den Atem nimmt - nicht nur aus Schreck. Alles, was wir zuvor von Vera zu wissen glaubten, wird da noch einmal gewendet, und als schließlich ihr großes Geheimnis aufgedeckt wird, erscheint es nur konsequent angesichts der Kraft, die diese Frau ansonsten bewiesen hat. Sie ist in Liebe verhärtet und hat deshalb überlebt. Nina wird nicht mehr gerettet, aber Gili schreibt die Geschichte weiter - buchstäblich und übertragen.
Was David Grossman mit diesem Buch leistet, entzieht sich der Beschreibung in Worten, weil es in der liebenden Härte gegenüber seinen Figuren dem entspricht, was Vera getan hat. Man muss "Was Nina wusste" lesen, um etwas vom Unbegreiflichen zu wissen.
ANDREAS PLATTHAUS
David Grossman: "Was Nina wusste". Roman.
Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer. Hanser Verlag, München 2020. 351 S., geb., 25,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zumindest für uns als Leser. Für Vera ist dagegen alles bereits 1936 losgegangen, als die in der kroatischen Kleinstadt Cakovec geborene Jüdin mit achtzehn den jungen serbischen Soldaten Milos Novak kennenlernte. Es folgten fünfzehn überglückliche gemeinsame Jahre, denen auch der Einfall der Deutschen ins Königreich Jugoslawien und die Exzesse des nationalsozialistischen Judenmords nichts anhaben konnten. Nach dem Krieg schlug sich das immer noch junge Paar auf die Seite der neuen kommunistischen Staatsführung unter Tito. Wie zur Bekräftigung dieses neuen Lebens kam ihre Tochter Nina zur Welt. Doch mit dem Abfall Titos von der Sowjetunion setzten politische Verfolgungen ein, und die Novaks gerieten in die Mühle des innerjugoslawischen Terrors. Milos überlebte ihn nicht. Und Vera zog schließlich mit der Tochter nach Israel, wo sie 1963 ihren zweiten Mann kennenlernte. Es ist größtenteils seine Familie, mit der die Greisin im Jahr 2008 ihren neunzigsten Geburtstag feiert. Nur Nina ist außerdem da. Und deren mittlerweile neununddreißigjährige Tochter Gili. Beide werden mit Vera auf die Reise gehen.
Drei Frauengenerationen, und doch ein einziges Schicksal. In Grossmans Buch dreht sich alles um die Folgen des Todes von Milos für dessen Frau und die Tochter und damit auch für die Enkelin Gili, die erst achtzehn Jahre nach der jugoslawischen Tragödie geboren wurde. Trotzdem lebt auch sie in deren Schatten, denn als kleines Kind war sie von ihrer Mutter Nina verlassen worden, die selbst dasselbe Kindertrauma erlitten hatte, als die Eltern in Jugoslawien verhaftet worden waren und sie dann bei fremden Leuten aufwuchs. Gili hatte mehr Glück: Sie konnte beim Vater bleiben. Dieser Rafael ist der vierte Reisegefährte - und der Stiefsohn Veras aus ihrer israelischen Ehe. Die Beziehung zu dem Stiefbruder war Nina als junge Frau wie einen Protest eingegangen, und ihr Liebesleben nach der Trennung war ein nymphomanisches, das sich um keine Konventionen scherte. Das verletzte Rafael, der Nina immer noch liebte. So finden sich vielfach Verwundete zu einer Reisegesellschaft zusammen, die nach Jugoslawien aufbricht, an die Orte von Veras Glück und Unglück. Das sie wiederum geerbt haben.
All diese Verhältnisse werden erst im Verlauf des Romans entwirrt, und zwar aus der Sicht von Gili, die über das Privileg verfügt, das größte Geheimnis ihrer Großmutter zu kennen. Es ist ein schreckliches Geheimnis, vor allem, wenn Nina es erführe, und der Titel der deutschen Übersetzung deutet es an: "Was Nina wusste", ist die Frage, die Gili sich ständig stellen muss. Im hebräischen Original heißt Grossmans Buch "Das Leben spielt mit mir", und damit wird seine Ich-Erzählerin Gili in den Mittelpunkt gerückt. Sie ist der Kopf des Geschehens, nicht zuletzt weil das, was wir lesen, als ein Buch ausgewiesen wird, das auf ihren Aufzeichnungen von der Reise des Jahres 2008 beruht. Die fertigt sie auf Anweisung ihres Vaters an, der in Jugoslawien einen Film über das Leben Veras drehen will und seine Tochter früher schon als Scriptgirl beschäftigt hat: "Ich sollte die Dinge aufschreiben, die nicht offensichtlich und ausdrücklich im Film vorkamen, Gedanken, Assoziationen, sogar zufällige Erinnerungen von Leuten aus dem Team, aber auch meine eigenen." Nach dieser Methode beobachtet und dokumentiert Gili nun auch den Familienausflug in die Vergangenheit. Mit keiner anderen Figur dieses Romans wird man so vertraut.
Dessen deutscher Titel aber verschiebt den Akzent: auf Nina, die tatsächlich die Seele des Buchs ist, eine unschuldig von den Zwängen der Geschichte gepeinigte Frau, die zudem an beginnendem Alzheimer leidet. Umso weniger kann sie dem vertrauen, was sie zu wissen oder auch zu vermuten meint, doch sie wird auf der Reise alles enthüllt bekommen, was Vera ihr verschwiegen hat, und am Schluss wird Nina in einer großen Geste die grausame Vergangenheit dem anheimstellen, was sie selbst so panisch befürchtet: dem Vergessen. Mit keiner anderen Figur dieses Romans leidet man derart mit.
Und keine andere liebt man so wie die alte Vera. Sie ist das Herz des Buchs, nicht nur stark, sondern auch witzig, und man kann Grossman nur bewundern für dieses Porträt einer Frau, die spät und alles andere als freiwillig die Aliyah gewählt, sich dann in Israel ein Leben in Gemeinschaft zurückerkämpft hat und nun, zur Handlungszeit 2008, als aktive Gegnerin der Besatzungspolitik ihres Landes und Mittelpunkt einer Großfamilie agiert. Womöglich noch mehr bewundern muss man jedoch, wie die Übersetzerin Anne Birkenhauer Veras auch nach fast einem halben Jahrhundert immer noch unüberhörbaren Akzent aus dem Hebräischen ins Deutsche gebracht hat. Denn darauf beruht nicht zuletzt die immer wieder aufbrandende Komik, sondern auch der resultierende Kontrast zum entsetzlichen Geschehen im früheren Leben.
Für Vera Bruck gibt es ein reales Vorbild: die 2015 im Alter von 97 Jahren gestorbene Eva Panic-Nahir, über ihre letzten beiden Jahrzehnte hinweg eine Freundin von Grossman, die ihm ihre Lebensgeschichte immer wieder erzählt hat. Sein Roman nimmt sich viele Freiheiten bei der Zeit nach 1951, doch im Zentrum bleibt die unlösliche Liebe zu Milos, der in Wirklichkeit Rade hieß. Im Roman sagt Vera ihrem zweiten Mann: "Jede Nacht werde ich dir erzählen von ihm", und so hielt ihr Vorbild es im Freundeskreis. Ein anderer bedeutender Schriftsteller, Danilo Kis, war auch fasziniert von Eva Panic-Nahir und wollte ein Buch über ihr Leben schreiben, nachdem er sie 1989 in Israel kennengelernt hatte. Doch daraus wurde nichts; Kis starb noch im selben Jahr. Womöglich hat der frühe Tod des großen jugoslawischen Autors uns erst das Buch seines großen israelischen Kollegen geschenkt. Wer hätte schon gegen ein Werk von Kis anzuschreiben gewagt?
Und doch: David Grossman hätte das Zeug dazu. Die in unterschiedlicher Typographie spät im Roman eingefügte Binnenerzählung aus Veras eigenem Mund über ihre fast dreijährige Leidenszeit in einem staatlichen Straflager auf der kargen Gefängnisinsel Goli Otok ist so grausam-präzise und zugleich so souverän gebaut, wie man es auch von Kis kennt. Und sie findet ein Motiv in einer Schikane der Lagerleitung, das einem den Atem nimmt - nicht nur aus Schreck. Alles, was wir zuvor von Vera zu wissen glaubten, wird da noch einmal gewendet, und als schließlich ihr großes Geheimnis aufgedeckt wird, erscheint es nur konsequent angesichts der Kraft, die diese Frau ansonsten bewiesen hat. Sie ist in Liebe verhärtet und hat deshalb überlebt. Nina wird nicht mehr gerettet, aber Gili schreibt die Geschichte weiter - buchstäblich und übertragen.
Was David Grossman mit diesem Buch leistet, entzieht sich der Beschreibung in Worten, weil es in der liebenden Härte gegenüber seinen Figuren dem entspricht, was Vera getan hat. Man muss "Was Nina wusste" lesen, um etwas vom Unbegreiflichen zu wissen.
ANDREAS PLATTHAUS
David Grossman: "Was Nina wusste". Roman.
Aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer. Hanser Verlag, München 2020. 351 S., geb., 25,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"David Grossman ist ein Meister darin, mit erbarmungslosem Feingefühl zu beschreiben, wie sehr Menschen darum ringen, sich Wahrheiten nicht zu stellen. ... Er weicht weder der Härte, noch der Düsternis aus, doch sein zutiefst menschlicher Ton, die Eleganz seiner Sprache machen 'Was Nina wusste' auch zu einem Werk umwerfender Schönheit." Claudia Voigt, Der Spiegel, 28.11.20 "Die Neugier, der Antrieb zum Schreiben, die Sogkraft der Geschichten, das speist sich aus seinen politischen Überzeugungen, seinen Zweifeln, seinen Fragen. Das ist seine Kunst." Volker Weidermann, Der Spiegel, 10.10.20 "Grossman spürt mit großem Einfühlungsvermögen und sprachlichem Feingefühl den Beweggründen nach, die Menschen wie seine Vera so handeln lassen, wie sie
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eben handeln." Klara Obermüller, Neue Zürcher Zeitung, 30.08.20 "Grossmans Schreiben aus Gilis mitfühlender Perspektive setzt sich wie getrieben immer neuen Gefühlswaschgängen aus und nutzt dennoch jede Gelegenheit, um mit sarkastischem Witznach Luft zu schnappen, einen Moment des Abstands herzustellen." Eva Behrendt, Die Tageszeitung, 29.08.20 "Anne Birkenhauer, Grossmans getreue Übersetzerin, beherrscht alle Register. Alleine ihre Art, Veras kroatisch geprägtes Ivrit in ein knatternd herzhaftes Deutsch zu übertragen, ist so witzig wie anrührend." Alex Rühle, Süddeutsche Zeitung, 28.08.20 "'Was Nina wusste' ist Familiengeschichte und Zeitgeschichte in einem. Mit großer Empathie deutet Grossman die Folgen politischer und psychischer Gewalt aus. ... Seine beeindruckenden Charaktere geben den Blick frei in die Tiefe menschlichen Empfindens und die Abgründe des 20. Jahrhunderts." Carsten Hueck, WDR5 Bücher, 22.08.20 "Was David Grossman mit diesem Buch leistet, entzieht sich der Beschreibung in Worten, weil es in der liebenden Härte gegenüber seinen Figuren dem entspricht, was Vera getan hat. Man muss 'Was Nina wusste' lesen, um etwas vom Unbegreiflichen zu wissen." Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.08.20 "Der Roman verströmt eine weltumarmende Kraft und Energie. ... Ein zum Niederknien überragend guter Text." Annemarie Stoltenberg, NDR Kultur, 14.08.20 "Je mehr man sich in diese von der Politik torpedierte Familiengeschichte versenkt, desto mehr psychologische Finessen offenbart sie und desto glaubhafter wirkt die sie bestimmende Sehnsucht nach Aussprache und letztlich Versöhnung." Wolfgang Schneider, Tagesspiegel, 20.08.20 "Die Erzählung schafft eine Unterbrechung, die dem über Generationen weitergegeben Trauma Einhalt gebieten kann. "Was Nina wusste" ist alles auf einmal: Kriegsbericht, historische Rekonstruktion, Liebesgeschichte und Familienroman und in jeder Hinsicht überwältigend. David Grossman ist einfach der größte lebende Schriftsteller... umwerfend und atemberaubend." Julia Encke, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 16.08.20 "Mit welcher Empathie und Genauigkeit erzählt der Menschenkenner und illusionslose Menschenfreund David Grossman diese Geschichte!Wie ein Sog folgt der Leser diesen schmerzhaft nah heran rückenden Personen, möchte sie gar vor ihren eigenen Verletzungen schützen." Marko Martin, Welt am Sonntag, 16.08.20 "Grossman gestaltet diese historische und tiefenpsychologische Exkursion szenisch stark, in gewohnt feinfühliger und empathischer Weise. Vergangenheit und Gegenwart schieben sich übereinander wie die Perspektiven der einzelnen Figuren." Carsten Hueck, Deutschlandfunk Kultur, 15.08.20 "Es ist schön und befreiend, Grossman bei seinen schreibenden Entspannungsübungen zu folgen und zu erleben, wie die Fäuste sich langsam öffnen. Vera ist eine fantastische Figur - eine fanatische Ideologin, warm herzig und kühl entschlossen zu gleich, lebenskundig und doch blind für ihre Nächsten." Volker Weidermann, Der Spiegel, 14.08.20
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Viele Fragen offen
Mich erinnerte die Idee des Buches an Julie Zeh „Neujahr“, wo ein Ehepaar auf Lanzarote auch ihre Kinder verlässt. Grosman hätte das Thema mit einem politischen Hintergrund zuspitzen können, nämlich dem Selbstmord des Ehemann, der als …
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Viele Fragen offen
Mich erinnerte die Idee des Buches an Julie Zeh „Neujahr“, wo ein Ehepaar auf Lanzarote auch ihre Kinder verlässt. Grosman hätte das Thema mit einem politischen Hintergrund zuspitzen können, nämlich dem Selbstmord des Ehemann, der als Regimegegner Titos in Jugoslawien verhaftet wird.
Seine Frau wird vor die Wahl gestellt entweder zu unterschreiben, dass ihr Ehemann Stalinist war oder ins Gefängnis zu kommen und damit ihre 6jährige Tochter alleine zu lassen.
Leider versäumt es der Autor, uns mehr vom politischen Hintergrund zu erzählen, obwohl der Roman einen historischen Kern hat. Vielleicht ist genau dieses das Problem des Buches. Aus Bekanntschaft mit der echten Vera wird der 90. Geburtstag der Romanfigur so dargestellt, als wären wir bei „Dinner for one.“
Nach der Lektüre fragt man sich, warum dies überhaupt behandelt wurde. Viel lieber hätte wir mehr von der schlechten Behandlung Ninas bei Veras Schwester erfahren. Reicht als einzige Begründung, dass ihre Mutter einen Serben geheiratet hat?
Im Nachhinein wissen wir nur, dass Tito seine Opfer auf der Gefängnisinsel Goli Otok quälte, die in jugoslawischen Geschichtsbüchern wohl fehlte. Der Autor erzählt umständlich. Ein Stammbaum hätte anfangs gut getan. Langweilig war es aber nicht. Insgesamt 3 Sterne.
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Der Autor hat mich emotional nicht abgeholt
Zu Veras 90. Geburtstag trifft sich die ganze Familie. Auch ihre Tochter Nina ist extra von Skandinavien in den Kibbuz gereist. Seit Jahrzehnten kapselt sie sich schon von der Familie ab. Nach der Feier beschließen Nina, Vera, die Enkeltochter …
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Der Autor hat mich emotional nicht abgeholt
Zu Veras 90. Geburtstag trifft sich die ganze Familie. Auch ihre Tochter Nina ist extra von Skandinavien in den Kibbuz gereist. Seit Jahrzehnten kapselt sie sich schon von der Familie ab. Nach der Feier beschließen Nina, Vera, die Enkeltochter Gili und Rafi, der Gilis Vater, Ninas Exmann und Veras Stiefsohn in einer Person ist, eine Reise in die Vergangenheit anzutreten und sich nach Kroatien zu begeben. Hier wollen sie einen Film drehen, deren Mittelpunkt die Erinnerungen von Vera bilden, denn sie und ihre Tochter Nina haben hier ursprünglich gelebt…
Die Einführung der einzelnen Figuren und die Darlegung der Beziehungen zueinander habe ich von der Atmosphäre her als sehr niederdrückend und belastend empfunden. David Grossman zeigt uns, wie dysfunktional die Familie ist. Unbearbeitete Konflikte der einen Generation werden an die nächste weitergegeben, so dass hier die alten Muster weitergelebt werden müssen.
Als die vier Figuren – Oma, Mutter, Tochter und Rafi – zu ihrer Reise aufbrechen, wirkt die Grundstimmung des Romans auf mich gelöster und fröhlicher. Die Stimmung wirkt als Hintergrund, denn bei den Personen sind die alten Konflikte nach wie vor nicht gelöst, sondern können jetzt im Gegensatz zu vorher nicht mehr umgangen werden, da die Personen sich nicht mehr aus dem Weg gehen können. Die Szenen erinnern teilweise an einen Road Movie und standen mir bildlich vor Augen.
In „Was Nina wusste“ überrascht der Autor immer wieder mit gekonnten Sprachspielereien, die mir als Leserin wiederholt einen Aha-Effekt beschert haben. Ich genieße es, wenn Autoren mich mit ihrer Freude an der Sprache umschmeicheln.
Doch so schön manche Formulierungen waren, insgesamt habe ich die Sprache eher als distanziert und sachlich empfunden. Die Personen sind für mich nicht greifbar geworden. Ich habe keinen empathischen Zugang zu ihnen gefunden. Interessant war für mich vor allem Nina. Sie ist als schwierige, unangepasste Person angelegt, die gerne Tabus bricht. Dadurch wurde mein Interesse an ihr und ihrer Vergangenheit geweckt. Was ist mit ihr passiert? Was hat sie zu der Person geformt, die sie nun ist? Ihre Mutter Vera dagegen habe ich meistens als sehr unauthentisch und aufgesetzt erlebt und bin mit ihr gar nicht warm geworden. Gili, aus deren Perspektive der Großteil der Geschichte erzählt wird, ist mir zu blass geblieben, um eine klare Gestalt anzunehmen.
Auch die Auflösung am Ende des Buches hat mich enttäuscht. Über den Großteil des Buches wurde eine sich immer weiter steigende Erwartung in mir aufgebaut, die am Ende einen Moment von „Aber das wussten wir doch von Anfang an“ bei mir ausgelöst hat. Zum Schluss haben mich weder die Figuren noch die Geschichte wirklich erreichen und überzeugen können. Zusammenfassend reicht meiner Meinung nach die Sprachästhetik des Autors nicht aus, um die erzählerischen Schwächen in der Personenzeichnung zu kompensieren.
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Der Whisky bringt’s
Der neue Roman «Was Nina wusste» von David Grossmann basiert auf der Lebensgeschichte der kroatischen Kommunistin Eva Panic-Nahir, die als jüdische Partisanin zusammen mit ihrem serbischen Mann gegen die Nazis gekämpft hat. Als das Tito-Regime sie …
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Der Whisky bringt’s
Der neue Roman «Was Nina wusste» von David Grossmann basiert auf der Lebensgeschichte der kroatischen Kommunistin Eva Panic-Nahir, die als jüdische Partisanin zusammen mit ihrem serbischen Mann gegen die Nazis gekämpft hat. Als das Tito-Regime sie später als Stalinisten verfolgte, beging ihr Mann im Gefängnis Selbstmord, sie selbst wurde zur Umerziehung auf die berüchtigte Insel Goli Otok gebracht. Im Roman ergänzt der Autor diese Fakten vor allem durch psychologische Tiefenlotungen seiner Figuren, er entwickelt in seinen fiktionalen Ergänzungen detaillierte Psychogramme von ihnen, Freudianer dürften begeistert sein.
Vera, zentrale Figur des Romans, feiert im Kibbuz ihren 90ten Geburtstag. Ihre Tochter Nina, die ihr geradezu feindlich gegenübersteht und mit der sie seit vielen Jahren kaum Kontakt hatte, kommt von einer Insel am Polarkreis angereist, auf die sie sich in ihrer Weltflucht zurückgezogen hat. Die 39jährige Enkeltochter Gili, die wie ihr Vater Rafi beim Film arbeitet, hat beschlossen, die Feier filmisch zu dokumentieren, anschließend sollen alle gemeinsam nach Kroatien reisen, zu den Stätten von Veras Geschichte. Es geht dabei um die Leerstellen in deren Vita, vieles ist rätselhaft geblieben. Denn sie hatte sich, als sie von der Geheimpolizei verhört wurde, strikt geweigert, ihren toten Mann als stalinistischen Verräter zu denunzieren, was ihr die Freiheit gebracht hätte. Man hatte ihr angedroht, dass ihre sechseinhalbjährige Tochter Nina unbetreut auf der Strasse landen würde, wenn sie nicht unterschreibt. Aber Vera blieb stur, ihr verstorbener Mann war die große Liebe ihres Lebens, ihn zu verraten wäre für sie gleichbedeutend damit, ihr eigenes Leben auszulöschen, er war nun mal ihr Ein und Alles. Nina hat diese Entscheidung niemals akzeptiert, sie wurde zu einer schwierigen Einzelgängerin, hat sich von ihrer Familie gelöst und ist entwurzelt in der Welt herumvagabundiert, jahrelang war sie unauffindbar. Auf der Feier offenbart die total verbitterte Nina plötzlich, dass sie seit einigen Monaten unheilbar an Demenz erkrankt ist. Sie bittet, die Dokumentation über Veras Leben perspektivisch in einen Film für die ‹Demente Nina› abzuändern, so als würde man alles nur der erzählen. Später könne man der Patientin immer wieder mal diese Aufnahmen vorspielen, um sie in die reale Welt zurückzuholen.
Es ist ein weites Feld, das David Grossmann da bearbeitet, mit der Liebe in den verschiedensten Intensitätsgraden als zentralem Thema vor dem Hintergrund der Verwerfungen des 20ten Jahrhunderts. Krieg, Nationalismus, Völkermord, Kommunismus, Diktatur, Verbannung, Holocaust und Zionismus sind Themen, die in den Plot hineinwirken und die Schicksale seiner Figuren bestimmen. In all dem schrecklichen Geschehen sind es die Frauen dreier Generationen aus dieser Familie, die beherzt gegen die politischen Pressionen ankämpfen, allen voran Vera. Mit viel Empathie gelingt es dem israelischen Autor, seine Protagonisten menschlich überzeugend zu beschreiben, eine beinahe vorbehaltlose Nähe des Lesers zu ihnen herzustellen. Vieles erschließt sich in dieser Geschichte aus den Dialogen, bei denen besonders Veras kroatisch/jüdisch gefärbtes Idiom ebenso zum Schmunzeln reizt wie ihre eigensinnige, manchmal verblüffende Sicht der Dinge. Was Vera im Roman nur zögernd preisgibt, ihr vermeintliches Geheimnis, ist genau das, «Was Nina wusste», wie ja schon der Titel verrät.
Es ist nicht weniger als eine zutiefst moralische Frage, die dieser Roman aufwirft. Ist Veras Entscheidung vertretbar, die Ehre ihres - ja bereits toten - Mannes höher zu bewerten als die schlimme Zukunft, die ihre alleingelassene Tochter in einem mörderischen System zu erwarten hat? Leider gelingt es dem Autor nicht, sein schwieriges Thema ohne Pathos zu behandeln, was erheblich stört beim Lesen. Und wirklich peinlich wird es, wenn am Ende das Trauma einer jahrzehntelangen Entfremdung einfach mit einer Flasche Whisky hinweg gespült wird.
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'Was Nina wusste' ist ausgelesen. Puh, endlich, warum ich es nicht abgebrochen habe, kann ich eigentlich nicht sagen, vielleicht wollte ich endlich wissen was Nina wusste...
Drei Frauen stehen hier im Fokus:
- Vera, 90 Jahre alt, Jugoslawische Kommunistin, damals von der Tito-Regierung auf …
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'Was Nina wusste' ist ausgelesen. Puh, endlich, warum ich es nicht abgebrochen habe, kann ich eigentlich nicht sagen, vielleicht wollte ich endlich wissen was Nina wusste...
Drei Frauen stehen hier im Fokus:
- Vera, 90 Jahre alt, Jugoslawische Kommunistin, damals von der Tito-Regierung auf die Gefängnisinsel Goli Otok verschleppt
- ihre Tochter Nina, die sich ein Leben lang verstoßen und ungeliebt fühlte
- und Ninas Tochter Gili, die bei ihrem Vater aufwuchs, da Nina verschwand.
Der Bruch zwischen Gili und Nina ist auch nach 50 Jahren irreparabel. Gemeinsam treten sie mit Vera und Gilis Vater eine Reise an, um Veras Vergangenheit und den Ursprung des Zerwürfnisses aufzuarbeiten.
Leider konnte mich das Buch nicht überzeugen. Obgleich es einen wichtigen historischen Hintergrund hat, gefiel mir der Schreibstil nicht:
Ständig wechselten Erzähler und Perspektiven: Mal erzählte Gili in der Ich-Form und sogleich wechselte sie ansatzlos in die 3.Person Singular. Auch ihr Sprachstil, der von poetisch bis vulgär-anrüchig bis hin zum Jugoslawischen Akzent reichte, sprach mich nicht an.
Schade, ich hatte mir mehr versprochen, nachdem ich hier viel positives gelesen hatte. Leider keine Leseempfehlung von mir.
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Vera, Nina und Gili - Großmutter, Mutter und Enkelin - kommen nicht miteinander klar. Schuld daran ist jeweils natürlich die Mutter. Dazu gibt es noch Einblicke in ein Lager des Tito-Regimes, eine Alzheimer-Diagnose und eine Reise durch das ehemalige Jugoslawien.
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Vera, Nina und Gili - Großmutter, Mutter und Enkelin - kommen nicht miteinander klar. Schuld daran ist jeweils natürlich die Mutter. Dazu gibt es noch Einblicke in ein Lager des Tito-Regimes, eine Alzheimer-Diagnose und eine Reise durch das ehemalige Jugoslawien.
Dieser Roman ist für mich hauptsächlich überflüssig. Auch wenn mir einige Passagen zwischendurch gefallen haben, ist das wesentliche Gefühl, das bleibt, Langeweile. Der Roman hinterlässt den Eindruck, dass hier einem Problem, das längst aufgearbeitet sein sollte, überproportionale Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dieser Eindruck entsteht dadurch, dass für mich der Handlungsaufbau nicht stimmt, das Erzähltempo korreliert nicht mit der Aussage, die der Roman eigentlich tätigen will. So bereiten wir uns gefühlte 345 Seiten darauf vor, was Nina wusste, wie ihr Trauma entstand, etc. und werden dann mit ein paar Winzigkeiten abgespeist, die das ganze Drama nicht sonderlich nachvollziehbar machen, sondern zumindest bei mir ein Schulterzucken und "who cares" hervorrufen. Wie man aufgrund dessen, was passiert ist, auch nach über sechzig Jahren so traumatisiert und wenig verzeihend sein kann, sich so konsequent auf die verbockte, schmollende Position zurückziehen kann, wie Nina, ist kaum verständlich und sehr anstrengend und nur mit mangelndem Erwachsenwerden zu erklären.
Aber nicht nur Nina ist so eine anstrengende Figur, auch ihre Tochter Gili (mittlerweile fast vierzig), gefällt sich am besten in der Rolle des die Mutter ablehnenden Teenagers. Sie ist dazu noch die Erzählinstanz, wird aber vom Autor kaum mit spannenden Eigenschaften ausgestattet und tritt in der erzählerischen Vermittlung auch oft sehr weit in den Hintergrund, manchmal muss man sich fast bewusst daran erinnern, dass es sie noch gibt.
Die Handlung selbst, die um einen Roadtrip durch Veras Vergangenheit kreist, ist eigentlich nur der Aufhänger, um die drei Frauen aufeinander loszulassen, und die Verletzungen und Mutter-Tochter-Geflechte in den Mittelpunkt zu stellen. Merkwürdigerweise sollte der Leser spätestens jetzt doch so etwas wie emotionale Nähe spüren, eine Betroffenheit in sich erkennen. Mir ist das selbst bei den Szenen auf der Lagerinsel nicht gelungen, wohl deshalb, weil Großmutter Vera fast fröhlich und energiegeladen wie bei einem Klassentreffen durch die alten Baracken streift, während Nina nun noch einmal endlich abschließend und umfassend der überzogenen Dramatik huldigt.
Stilistisch hat mir der Roman leider auch nicht gefallen. Zum einen werden auf der Ebene der Erzählinstanz umgangssprachliche Orthographie und Formulierungen verwendet. Das ist in Ordnung und sinnvoll, wenn es konsequent durchgehalten wird - hier wird es sporadisch genutzt und wirkt deshalb störend. Vera hingegen spricht mit Akzent. Um dies zu betonen, wird bei ihrer direkten Rede fehlerhafte Grammatik verwendet. Das ist am Anfang noch amüsant, nach einigen Seiten aber nur noch enervierend. Dazu wird Vera auf diese Weise "entmündigt". Der Leser hat Schwierigkeiten, sie weiter ernst zu nehmen.
Ich kann diesen Roman leider nicht empfehlen: Drei unsympathische Frauenfiguren, die sich daran machen, ein Problem zu lösen, dass nach sechzig bzw. fünfunddreißig Jahren keins mehr sein sollte, sich verhalten wie schmollende Teenager und sich selbst unglaublich wichtig nehmen, finden sich in einer eher langweiligen Handlung wieder, die politischen Anspruch zu vermitteln versucht (allerdings weiß ich nach der Lektüre eigentlich immer noch nichts über die Tito-Ära), dabei aber leider sehr anstrengend geschrieben ist.
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Der Roman „Was Nina wusste“ ist am 17. August im Hanser Verlag erschienen.
In David Grossmans neuem Roman, geht es um das Leben von drei Frauen. Vera, der Großmutter, welche diverse schlimme Dinge in einem Umerziehungslager auf der Insel Goli Otok erlebt hat, ihrer Tochter Nina …
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Der Roman „Was Nina wusste“ ist am 17. August im Hanser Verlag erschienen.
In David Grossmans neuem Roman, geht es um das Leben von drei Frauen. Vera, der Großmutter, welche diverse schlimme Dinge in einem Umerziehungslager auf der Insel Goli Otok erlebt hat, ihrer Tochter Nina und der Enkelin Gili. Das Buch beschreibt einen Dokumentarfilm, welcher jede der drei Frauen emotional aufwühlt und die Beziehungen der Frauen hinterfragt. Im Fokus steht die Beziehung zwischen Vera und Nina. Erzählt wird die ganze Geschichte aus der Sicht von Gili, welche sich oft von der Liebe fernhält und im Roman sehr unnahbar wirkt. Das Buch ist original im Hebräischen erschienen und die Übersetzung ist sehr gut gelungen.
Für mich war „Was Nina wusste“ ein sehr herausfordernder und schwer zu lesender Roman, obwohl ich normalerweise zu den schnelleren Leserinnen gehöre. Grossmann hat es jedoch, objektiv gesagt, geschafft tief in eine Familiengeschichte einzutauchen und darzustellen, welche Folgen politische Maßnahmen und psychologische Manipulation haben können.
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