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Schmökerwürmchen

Bewertungen

Insgesamt 77 Bewertungen
Bewertung vom 03.03.2019
Die Liebe im Ernstfall
Krien, Daniela

Die Liebe im Ernstfall


sehr gut

Dieses Buch beleuchtet die Lebenswege fünf verschiedener Frauen. Jeder von ihnen ist ein Kapitel gewidmet, im Stil einer Kurzgeschichte. Paula macht den Anfang. Sie arbeitet als Buchhändlerin, ihre Ehe mit Ludger ist in die Brüche gegangen und das Leben selbst fällt ihr nicht leicht. Judith, als Ärztin erfolgreich, scheitert an den Dating Plattformen. Auch Brida, Malika und Jorinde haben es nicht einfach mit der Liebe.

Noch nie ist mir eine Bewertung so schwer gefallen. Die Sprache, schon teils poetisch, mochte ich sehr. Der im Klappentext erwähnte Mauerfall spielt allerdings keine Rolle. Jeder dieser Figuren ist eine Episode gewidmet, die aber insgesamt lose zusammenhängen. Durch die verschiedenen Lebenswege bekommt man als Leser einen tiefen Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt dieser Frauen. Eines jedenfalls haben sie gemeinsam, denn jede dieser fünf ist auf der Suche nach Glück und der Liebe. Ein nicht gerade leichtes Unterfangen in dieser heutigen schnelllebigen Zeit.
Die Autorin gibt dem Leser immer wieder Einblicke in die Vergangenheit, so kann man die Entwicklung hervorragend nachvollziehen. Allerdings waren mir die unangekündigten Sprünge zwischen Vergangenheit und Gegenwart oft zu abrupt und auch die ständigen Szenenwechsel, vor allem, wenn es gerade wieder interessant wurde, haben meinen Lesefluss doch arg gehemmt.
Kaum eine der agierenden Personen war mir sympathisch, aber das ist für mich nicht zwingend erforderlich, um ein Buch zu mögen. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass diese Frauen auch einfach zu viel erwarten und gar nicht dazu fähig sind, sich über kleine Dinge zu freuen. Vielmehr hat mich der durchgehend deprimierende Unterton ziemlich mitgenommen. Und trotzdem hat es mich insgesamt gefesselt, besonders die beiden letzten Episoden um Malika und Jorinde haben es mir angetan.

Bewertung vom 09.02.2019
Ich bringe dir die Nacht
Howard, Catherine Ryan

Ich bringe dir die Nacht


gut

Seit nunmehr zehn Jahren lebt Alison in den Niederlanden und hat sich dort ein neues Leben aufgebaut. Seit den Vorfällen von damals meidet sie ihre Heimat Dublin. Doch eines Tages wird ihre Vergangenheit neu aufgerollt. Ihr damaliger Collegefreund Will sitzt in einer psychiatrischen Klinik und soll bald ins Gefängnis verlegt werden. Fünf Studentinnen soll er ermordet und im Kanal ertränkt haben. Doch stoßen die Ermittler erneut auf eine tote Studentin, auf dieselbe Weise ermordet wie die anderen von damals. Handelt es sich bei Will tatsächlich um den sogenannten Kanalkiller? Hatte er einen Komplizen? Oder macht sich gerade ein Nachahmungstäter ans Werk? Gegenüber der Polizei schweigt Will sich aus. Die einzige Person, mit der er sprechen würde, ist seine frühere Freundin Alison. Doch wie steht sie zu dieser Situation?

Sowohl die Ausgangssituation als auch der Inhalt haben mich überzeugt. Eigentlich konnte es sich hierbei nur um einen Thriller nach meinem Geschmack handeln, doch komplett überzeugt wurde ich nicht. Der Beginn hat sich noch recht spannend dargestellt. Auch wurde die gedankenlose Freizügigkeit junger Frauen im Umgang mit den sozialen Medien thematisiert, denn diese war dem Täter ein Dorn im Auge und er wollte durch seine Morde junge Frauen auf ihre Unachtsamkeit aufmerksam machen. Doch gerade der mittlere Teil hat sich streckenweise gezogen. Oft hatte ich das Gefühl, die Autorin wiederholt sich ständig und man dreht sich nur im Kreis. Dies hat mir etwas von meinem Lesefluss genommen.
Durch immer wiederkehrende Rückblenden erfährt man einiges über die Vergangenheit, wie sich die Beziehung zwischen Will und Alison entwickelte, ihre erste Zeit am College und auch Alisons toxische Freundschaft zu Liz wird thematisiert. Diese Rückblicke haben mir gut gefallen, so konnte ich mir ein umfassendes Bild über Alison machen, die in dieser Story im Mittelpunkt steht.
Der Sprache war okay, allerdings blieb der erwartete Thrill aus. Gefühlt habe ich eher ein Drama mit Krimielementen gelesen.
Alles in allem handelt es sich um einen soliden Krimi, der meine Erwartungen leider nicht vollends erfüllen konnte. Die Story selbst hätte einiges an Potential zu bieten gehabt.

Bewertung vom 27.12.2018
Stella
Würger, Takis

Stella


ausgezeichnet

Der junge Schweizer Friedrich kommt 1942 nach Berlin, nachdem seine Familie auseinandergebrochen ist. Er möchte sich selbst ein Bild über die Gerüchte machen, die ihm zu Ohren kommen und außerdem die Kunsthochschule besuchen. Gleich am ersten Tag lernt er dort Kristin kennen und verliebt sich in diese unkonventionelle Frau. Kristin ist Aktmodell aber auch Sängerin, mit einer Vorliebe für Jazz. Sie zeigt Friedrich das Nachtleben, wickelt ihn mit ihrem Charme und ihrer Dominanz um den Finger und lässt sich von ihm aushalten. Friedrich ist ihr sehr schnell verfallen. Doch dann verschwindet Kristin wortlos und taucht erst nach mehreren Tagen wieder bei Friedrich im Hotel auf, in dem er während seines Aufenthaltes lebt. Die Haare abgeschoren und misshandelt. Denn Kristin ist nicht ihr richtiger Name, Stella Goldschlag wurde als Jüdin geboren. Sie konnte sich gerade noch aus den Fängen der Nazis retten, doch um welchen Preis?

Wow!!!!! Dieses Buch hat mich zutiefst beeindruckt und mir keine Ruhe gelassen, bis ich es in einem Rutsch durchgelesen hatte. Um mich nicht zu spoilern, bin ich direkt angefangen, ohne vorherige Hinweise, ohne das Nachwort zu lesen. Stella Goldschlag war mir eine bisher unbekannte Person und ich habe sie erst im Anschluss gegoogelt.
Man ahnt bereits, dass diese Geschichte nicht gut ausgehen kann. Während des Lesens hatte ich ständig das Gefühl, mir gefriert das Blut in den Adern. Dabei schreibt Takis Würger hier in einem sachlich nüchternen Ton und doch hat es mich emotional gepackt. Ihm ist es großartig gelungen, die reale Figur Stella Goldschlag in diesem Roman einzubinden. Zu Beginn eines jeden neuen Monats werden verschiedene historische Ereignisse erwähnt.
Kursiv abgedruckt liest man Auszüge aus den gerichtlichen Protokollen, deren Zusammenhang und Grausamkeiten sich schon bald entfalteten.
Besonders an Einzelschicksalen wurden die schrecklichen Machenschaften umso deutlicher dargestellt und wirkten dadurch noch emotionaler. Insgesamt ging mir das Buch richtig nahe und Stella hat mich absolut erschüttert. Wieweit würde man tatsächlich gehen, um das eigene Leben zu schützen?
Takis Würger ist es absolut großartig gelungen, Fiktion und historische Begebenheiten sachlich, spannend und zugleich emotional zu transportieren.
Ich finde es ein sehr wichtiges Buch, gegen das Vergessen. Und für ein Miteinander, unabhängig von Religion oder Nationalität.
Einziger Kritikpunkt aus für mich der Preis, 22 € für knapp über 200 Seiten finde ich im Verhältnis eher unangemessen. In der Buchhandlung hätte ich es aus eben diesen Gründen wohl nicht mitgenommen, was sehr schade gewesen wäre. Und dennoch wünsche ich dieser Geschichte ihren verdienten Erfolg.
Sicherlich wird das Buch noch lange in meinem Kopf hängen bleiben und definitiv mit ein bisschen Abstand nochmals von mir gelesen werden.
Dafür gibt es von mir eine ganze Hand voll extra Sterne!!!!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.12.2018
Muttertag / Oliver von Bodenstein Bd.9
Neuhaus, Nele

Muttertag / Oliver von Bodenstein Bd.9


sehr gut

Wer mordet pünktlich zum Muttertag und was steckt eigentlich dahinter? Dies gilt es in dem neuesten Krimi von Nele Neuhaus herauszufinden.
Im Prolog wird die junge Nora von einem Teenager ermordet. Doch schon hier ist nichts so, wie es scheint.
Danach geht es in die Schweiz, nach Zürich. Fiona Fischer macht nach dem Tod ihrer Mutter eine alles verändernde Entdeckung und sie begibt sich auf Spurensuche.
Anschließend geht es los mit dem eigentlichen Fall. Der 84-jährige Theo Reifenrath wird tot aufgefunden. Offensichtlich ist er schon vor einigen Tagen verstorben. Handelt es sich um Mord? Oder ist er nur unglücklich gestürzt und seinen Verletzungen erlegen? Pia Sander und Oliver von Bodenstein beginnen mit ihrem Team zu ermitteln und stossen auf Knochen weiterer Verstorbener. Hilfe bekommt das Ermittlerteam von Dr. Harding vom FBI. Ist der alte Mann etwa ein Serienmörder gewesen? Oder doch eher eines der vielen Pflegekinder, die Familie Reifenrath vor langer Zeit regelmässig aufgenommen haben? Aber auch außenstehende Personen geraten in Verdacht.

Zunächst gibt es die volle Punktzahl für die folienfreie Verpackung. Nur durch ein Siegel bekommt man hier die Garantie, das Buch als erster Leser in der Hand zu halten. Dafür ein ganz grosses Lob an den Verlag, ich würde mir wünschen, dass dies zukünftiger Standard wird.
Aber nun zum Buch:
„Muttertag“ war mein bisher zweiter Krimi der Autorin und Vorkenntnisse sind nicht nötig. Der Fall ist in sich abgeschlossen und der private Stand wird verständlich dargestellt.
Der Prolog und das Geschehen um Fiona zu Beginn fand ich unglaublich spannend. Ebenso die Entdeckungen auf dem Grundstück der Reifenraths. Doch die Ermittllungsarbeiten begannen nur schleppend und ich hatte gerade während der ersten Hälfte den Eindruck, dass es kaum vorangeht. Auch die Wiederholungen der Ermittlungsstände waren mir persönlich manchmal etwas zu zäh. Ebenso die ausführlichen Wegbeschreibungen. Dafür hat mich die zweite Hälfte des Buches absolut gepackt und ich konnte nicht mehr aufhören.
Die Autorin legt einen wirklich gut durchdachten und äußerst komplexen Kriminalfall vor. Bis kurz vor Schluss hatte ich keine Ahnung, wer der Mörder ist. Jeder Verdacht wurde irgendwann wieder von mir verworfen. Auch die Motive erschließen sich nur langsam, nach und nach. Und selbst als man den Täter bereits kannte, nahm der fulminante Showdown unerwartete Wendungen, der mein Herz zum Rasen brachte.
Zwischendurch wird Fionas Geschichte erzählt und als Leser hat man zunächst überhaupt keine Ahnung, wie ihre Geschichte mit dem Fall zusammenhängt. Die Auflösung fand ich absolut genial.
Auch der Täter kommt gelegentlich zu Wort und schildert seine Gedankengänge, die kursiv gehalten sind.
Der Schreibstil ist bildhaft und eingängig, genau passend zum Geschehen.
Da hier sehr viele Charaktere mitspielen, gibt es zur besseren Orientierung ein Personenregister.
Nachdem die Ermittlungen etwas in Schwung gekommen sind, hat mich „Muttertag“ begeistert. Fionas Strang dagegen habe ich schon direkt zu Beginn gerne gelesen.
Beim nächsten Fall wäre ich sicherlich wieder dabei und vor allem Fiona würde ich zu gerne wiederbegegnen.

Bewertung vom 17.11.2018
Sowas kann auch nur mir passieren
McFarlane, Mhairi

Sowas kann auch nur mir passieren


sehr gut

In Georginas Leben läuft es nicht gerade rund. Nahezu prädestiniert für Schlamassel, gerät sie von einem Fettnäpfchen in das nächste. Auf Grund ihrer Ehrlichkeit, die bei ihrem eh schon miesen Job im „Thats Amore“ nicht gut ankommt, wird sie gnadenlos gekündigt. Als sie sich im Anschluss spontan auf den Weg zu ihrem Freund Robin macht, erwischt sie ihn auch noch mit seiner Assistentin im Bett. Auch mit ihrer Familie hat sie es nicht leicht, in deren Augen Georgina mit ihren 30 Jahren für einen Kellnerjob doch langsam zu alt wird. Doch sie lässt sich so leicht nicht unterkriegen und versucht mit Witz, Humor und einer positiven Einstellung ihr Leben auf die Reihe zu bekommen. Als sie ihren neuen Job im „The Wicker“ antritt, begegnet sie Lucas, ihre einstige große Liebe aus Schulzeiten. Doch Lucas erkennt sie ganz offensichtlich nicht. Hat er sie denn völlig vergessen? Dann erscheint auch noch Robin auf der Bildfläche und mischt ihr Leben auf...

Der Inhalt hat mich direkt angesprochen, doch zu hundert Prozent konnte mich das Buch leider nicht überzeugen. Vor allem der Einstieg ist mir nicht leicht gefallen, das Geschehen, dass sich zum größten Teil um ihre Probleme, Freunde und Familie gedreht hatte, plätscherte etwas vor sich hin. Doch spätestens, als Lucas auftauchte, kam Schwung in die Geschichte und ich habe gerne weitergelesen. Obwohl ich Georgina am liebsten manchmal gerne zugerufen hätte, doch endlich offen zu reden, mochte ich sie sehr, vor allem ihre positive Art, mit negativen Erlebnissen in ihrem Leben umzugehen. Und auch ihren einzigartigen Humor, ihre Schlagfertigkeit sorgten für gute Unterhaltung. Und je mehr ich Lucas kennenlernte, konnte ich zunächst seine Zurückhaltung verstehen. Auch die Nebencharaktere wurden hier authentisch dargestellt. Besonders ihre Freunde, die bedingungslos hinter Georgina standen.
Die Schreibweise ist leicht zugänglich, besonders besticht dieses Buch durch einige amüsante Szenen, aber auch ernste Momente und Nachdenklichkeit bekamen einen Raum, so dass die Story alles andere als platt herüberkam.
Wie solche Bücher letztendlich enden, lässt sich bereits im Voraus erahnen. Doch vor allem Georginas Entwicklung und der Weg zum Ziel machten diesen Chic-Lit-Roman durchaus lesenswert.

Bewertung vom 07.10.2018
Bösland
Aichner, Bernhard

Bösland


ausgezeichnet

Die Geschichte beginnt damit, dass der 10-jährige Protagonist Ben seinen Vater erhängt auf dem Dachboden findet, das titelgebende Bösland. Immer wieder wurde Ben von seinem Vater dazu aufgefordert, mit ihm ins Bösland zu kommen. Dort erlebte er seine schlimmste Zeit, er wurde misshandelt und verprügelt. Von seiner Mutter kam weder Hilfe, noch hat Ben jemals Liebe und Wärme erfahren. Nur einer hält offensichtlich zu ihm, Felix Kux, der einzige Freund, den Ben jemals hatte. Drei Jahre später wird aus diesen beiden Freunden eine Dreierkonstellation, die nicht lange gut geht. Mathilda wird ermordet auf dem Dachboden gefunden, in Bens Armen. Alles deutet darauf hin, dass ja nur er der Mörder sein kann, doch Ben kann sich nicht erinnern... 30 Jahre später geschieht der nächste Mord, auf die gleiche Art und Weise. Wiederum steht Ben als Täter im Fokus. Doch was hat sein angeblicher Freund Kux mit der ganzen Sache zu tun?

Wow, ich bin hin und weg. Dieser unfassbar geniale, intelligente und gut durchdachte Thriller der anderen Art konnte mich vollends überzeugen. Hier gibt es kein klassisches Ermittlerteam, die Hauptrollen sind in diesem Buch ganz klar verteilt an Ben und Kux. Ich konnte kaum aufhören zu lesen. Die durchgehende Spannung und die kurzen Kapitel haben es mir leicht gemacht. Ben richtet sich in Kux‘ Zuhause ein, so beginnt ein absolut fesselndes Katz- und Mausspiel. Auch Soy, die thailändische Frau von Kux, nimmt in diesem Kammerspiel eine entscheidende Rolle ein.
Erzählt wird das Geschehen aus Ben‘s Perspektive im Wechsel mit Kapiteln in Dialogform. Zuerst mit der Therapeutin, später auch mit Kux, Soy und einem Ermittler. Die Dialoge sind kurz, stakkatoartig, aber eindringlich mit einer unglaublichen Dynamik. Nur Bindestriche kennzeichnen den Wechsel des Sprechers. Ich dachte immer nur, das kann doch jetzt nicht sein...
Jedes Kapitel ist durch eine wie mit Blut geschriebene Überschrift gekennzeichnet.
Die ohnehin schon dramatischen Ereignisse bekommen ständig neue Wendungen, das Ende des Buches fand ich genial gelöst und setzt dem Ganzen zusätzlich die Krone auf.
Bernhard Aichner ist es hervorragend gelungen, in die tiefsten Abgründe seiner Figuren einzudringen und die psychologischen Hintergründe gekonnt zu durchleuchten. Wer auf der Suche nach einem spannenden Thriller ist, der sich aus der Masse hervorhebt, ist mit „Bösland“ wirklich gut beraten.

Bewertung vom 19.09.2018
Ein Winter in Paris
Blondel, Jean-Philippe

Ein Winter in Paris


sehr gut

„Ein Winter in Paris“ beschreibt rückblickend das Leben des heutigen Englischlehrers Victor. Zum Studium zieht es ihn nach Paris, damit beginnt auch die Abkapselung vom Elternhaus und aus der Provinz. Während der Protagonist aus eher einfachen Verhältnissen stammt, in dessen Familie keine großen Emotionen gezeigt wurden, kommen seine Kommilitonen aus einer völlig anderen Welt. Dies macht Victor zum Außenseiter. Die Anforderungen sind hart und so konzentriert er sich voll auf sein Studium. Doch im zweiten Jahr begegnet ihm Mathieu, mit ihm raucht er gelegentlich eine Zigarette. Doch leider besteht keine Gelegenheit mehr, die zarten Bande enger zu knüpfen, denn Mathieu nimmt sich das Leben. Von nun an steht Victor im Zentrum der Aufmerksamkeit, alle Welt scheint sich plötzlich für ihn zu interessieren.

Wunderbar feinfühlig und sensibel beschreibt der Autor diesen Lebensabschnitt des Victor. Heute ist Victor als Englischlehrerin tätig und nebenbei erfolgreicher Schriftsteller. Eines Tages erreicht ihn ein Brief, der die Erinnerungen wieder lebendig werden lassen. Rückblickend befindet sich der Leser mit Victor im Paris der achtziger Jahre und erlebt mit ihm diesen Winter, der ihn sein Leben lang prägen soll.
Ausschließlich wird dieser Roman aus Victors Perspektive erzählt. Und das besonders eindringlich, gefühlvoll und auf den Punkt gebracht. Verschiedene Personen interessieren sich nach Mathieus Tod für Victor, doch die Beziehungen zu seinen Kommilitonen bleiben eher oberflächlich, Affären sind bedeutungslos. Einzig zu Mathieus Vater entsteht eine engere Bindung, zunächst ungewollt, da dieser sich hartnäckig auf die Suche nach dem Warum begibt. Doch langsam entwickelt sich dieser zu einer Vaterfigur, wie Victor sie nie persönlich erlebt hat.
Nur einige wenige Passagen waren mir zu lakonisch und ein wenig in die Länge gezogen. Ansonsten hat der Autor hier einen wunderbaren kleinen, aber intensiven, feinfühligen Roman vorgelegt, den ich gerne gelesen habe.

Bewertung vom 26.08.2018
Das rote Adressbuch
Lundberg, Sofia

Das rote Adressbuch


ausgezeichnet

Die 96-jährige Doris lebt allein in Stockholm und ist auf die Hilfe von Pflegepersonal angewiesen. Die einzige Verbindung besteht zu ihrer Grossnichte Jenny, die mit ihrer Familie in San Francisco lebt und mit der sie regelmäßig skypt. Für Jenny schreibt sie ihre Lebensgeschichte nieder, mit Hilfe des roten Adressbuches, das sie zum 10. Geburtstag von ihrem Vater geschenkt bekam. Darin sollte sie die Menschen verewigen, die ihr noch im Laufe des Lebens begegneten. Doch nach und nach werden die Namen durchgestrichen und mit tot gekennzeichnet. Eines Tages wird Doris ins Krankenhaus eingeliefert. Jenny macht sich gegen alle Wiederstände auf den Weg nach Stockholm, um Doris während ihres Lebensendes beizustehen. Denn Doris war für sie wie eine Mutter, die sie über alles geliebt und ihr in schweren Zeiten Halt gegeben hat.

Ich bin immer noch völlig beeindruckt von diesem wunderbaren Buch. Es regt zum Nachdenken an, hallt nach und hat mich auch während der Lesepausen beschäftigt. Doris‘ Geschichte hat mich absolut gecatcht, sowohl die Gegenwart als auch die Vergangenheit.
Abwechselnd wird dieses Buch auf zwei Zeitebenen erzählt. Die Rückblicke in die Vergangenheit sind mit „Das rote Adressbuch“ und den Namen der jeweiligen Personen gekennzeichnet. Als Leser blickt man gemeinsam mit Doris auf ein bewegtes Leben zurück, geprägt von Liebe aber auch von Schicksalsschlägen und verpassten Chancen. Wir erfahren einiges über Doris‘ Kindheit in Stockholm und bgleiten sie über viele Jahre nach Paris, wo sie ihre große Liebe findet, die sie ihr Leben lang beschäftigen soll. Wir folgen Doris in die USA, über England wieder zurück in ihre Heimat, nach Stockholm.
Ich konnte kaum aufhören zu lesen, immerzu wollte ich erfahren, wie es mit Doris weitergeht. Und auch der gegenwärtige Teil hat mich gleichermaßen mitgenommen. Eindringlich und bildhaft erzählt die Autorin Doris‘ Geschichte, die mich nicht mehr losgelassen hat. Zum Schluss hin wird es richtig emotional und hat mich zutiefst berührt. Mich hat es wirklich für Doris gefreut, dass ihre Großnichte Jenny für sie da war, dass Doris auch im hohen Alter noch geliebt wurde.
Ich hoffe, dass dieser zauberhafte Debütroman nicht das einzige Werk der Autorin bleibt. Für mich gehört es zu den absoluten Herzensbüchern.

Bewertung vom 20.08.2018
Ein Teil von ihr
Slaughter, Karin

Ein Teil von ihr


sehr gut

Die Handlung beginnt im August 2018. Andrea verbringt ihren 31. Geburtstag mit ihrer Mutter Laura bei einem gemeinsamen Mittagessen in einem Lokal. Doch abrupt wird die friedliche Atmosphäre durch einen jungen Amokläufer gestört. Um ihrer Tochter das Leben zu retten, stellt sich Laura zwischen dem Täter und Laura. Später sieht Andrea immer wieder diese Bilder. Hat ihre Mutter tatsächlich scheinbar völlig gelassen den jungen Mann getötet oder war es Notwehr? Kurz nach diesem Vorfall wird Andrea von ihrer Mutter mit nur wenigen seltsamen Hinweisen vor die Tür gesetzt. Für Andrea beginnt eine Odyssee durch die USA, während der sie auf immer neue Ungereimtheiten stößt. Wer ist Laura wirklich? Und welche dunklen Geheimnisse hat sie bisher vor ihrer Tochter verborgen?

Schon lange habe ich kein Buch mehr von Karin Slaughter gelesen, umso mehr habe ich mich auf ihr neuestes Werk gefreut, da der Inhalt wirklich vielversprechend klang. Allerdings handelt es sich hier eher um ein spannendes Familiendrama als um einen typischen Thriller.
Der Schreibstil ist flüssig und schnörkellos, wie man es von einem Thriller erwartet. Die ersten 100 Seiten haben mich wirklich gefesselt. Doch mit dem ersten Rückblick in die Vergangenheit konnte ich zunächst überhaupt nichts anfangen. Wechselnd in langen Kapiteln wird die Geschichte auf zwei verschiedenen Zeitebenen erzählt. Doch schon recht schnell hat sich mir der Zusammenhang beider Stränge erschlossen. Trotzdem konnte ich es kaum erwarten, möglichst schnell die Hintergründe zu erfahren.
Doch zwischendurch, besonders während Andreas‘ Fahrten durch die USA, verlor sich die Autorin wiederholt in Nebensächlichkeiten, wodurch einige Längen entstanden sind. Auch hatte ich gelegentlich den Eindruck, dass sich die Gedanken und Aktionen von Andrea oftmals im Kreis drehten, was die Story nicht richtig vorankamen ließ. Doch im letzten Drittel war ich wiederum absolut gefesselt und konnte in den letzten Stunden das Buch kaum zur Seite legen.
Wenn man mal über einige Längen in der Mitte hinwegsieht, handelt es sich hier um ein ausgefeiltes, komplexes Familiendrama, das mich durchaus in seinen Bann ziehen konnte und mich aufgrund der Ereignisse sogar gelegentlich in Schockstarre versetzte.

Bewertung vom 25.07.2018
Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren
Benjamin, Ali

Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren


ausgezeichnet

Die 12-jährige Suzy macht sich über vieles Gedanken und hat ein großes Faible für Naturwissenschaften. Besonders die Quallen haben es ihr angetan. Während ihre beste Freundin Franny sich immer mehr für ihr äußeres Erscheinungsbild interessiert, widmet sich Suzy lieber den naturwissenschaftlichen Fakten, über die sie unendlich referieren kann, während Make up, die passende Kleidung und Verhalten gegenüber den Jungs für sie noch Fremdgebiete sind. An der Schwelle zum Erwachsenwerden ist es nicht leicht, Franny als ehemals beste Freundin zu behalten. Doch während der Sommerferien ertrinkt Franny im Meer. Dabei war sie eine ausgezeichnete Schwimmerin. Doch manchmal passieren Dinge eben einfach so, mit dieser Aussage ihrer Mutter kann Suzy sich nicht abfinden und entwickelt eine ganz eigene Theorie, die sie letztens Endes unter Beweis stellen möchte. Denn eigentlich kann ja nur die giftige, unsichtbare Quallenart Irukandji Schuld an FrannysTod sein.

Wunderbar poetisch erzählt die Autorin in diesem Buch über Freundschaft, Zusammenhalt und das Erwachsenwerden. Trauerbewältigung ist ebenfalls ein ganz großes Thema. Und auch über Quallen erfährt man einiges. Viele dieser Fakten waren mir nicht mal ansatzweise bekannt. Und obwohl die Protagonistin noch recht jung ist, hat mich die Sprache und vor allem Suzys Gedankenwelt sehr berührt. Überhaupt versteht es die Autorin ganz wunderbar, den Leser emotional einzunehmen. Die naturwissenschaftlichen Fakten wurden passend ins Geschehen eingewebt, so dass es niemals langweilig wurde.
In kursiv gedruckten Rückblenden wird die Freundschaft zwischen Franny und Suzy porträtiert. Suzy geht ihren Weg und lässt sich nicht von ihren Mitschülern verbiegen und ich musste sie einfach in mein Herz schließen. Ihr einzigartiges Wesen gepaart mit ihrer Intelligenz machen Suzy zu einem mutigen, starken Mädchen, trotz aller Unsicherheiten. Zudem ist Suzy von einer einfühlsamen Familie umgeben, die sie auffängt, wenn es darauf ankommt. Und auch ihre Naturwissenschaftslehrerin Mrs. Turton wirkt im Umgang mit Suzy einfühlsam und war mir direkt sympathisch.
Der Inahlt gepaart mit dieser ganz besonderen, zu Herzen gehenden Sprache machen dieses Buch zu einem absoluten Highlight und ich bin dankbar dafür, dass ich Suzy kennenlernen und ein wenig begleiten durfte. Definitiv ein Jugendbuch, dass sich aufgrund von Sprache und Thematik von der Masse abhebt.