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Schmökerwürmchen

Bewertungen

Insgesamt 77 Bewertungen
Bewertung vom 06.10.2019
Tagebuch meines Verschwindens / Profilerin Hanne Bd.2
Grebe, Camilla

Tagebuch meines Verschwindens / Profilerin Hanne Bd.2


sehr gut

Mittelpunkt des Geschehens ist das kleine, schwedische Örtchen Omberg. Seitdem die Industrie verschwunden ist, blieb nicht mehr viel übrig. Arbeitslosigkeit, Trostlosigkeit, Resignation und Langeweile prägen den Ort. Warum ausgerechnet in der alten Fabrik eine Flüchtlingsunterkunft eingerichtet wurde, kann niemand nachvollziehen. Die vor Ort gebliebenen Einheimischen stehen dem misstrauisch gegenüber. Selbst von der Regierung vernachlässigt und nicht mehr wahrgenommen, bekommen die Geflüchteten genau die Hilfe vom Staat, die sich die Gebliebenen gewünscht hätten. Dies führt zu einigen Spannungen. Schon bald wird auf der Geröllhalde eine tote Frau entdeckt. An gleicher Stelle, wo in der Vergangenheit das Skelett eines Kindes aufgefunden wurde, das niemand vermisste. In welchem Zusammenhang steht dieser Cold Case mit dem aktuellen Mord? Malin, die damals das Skelett entdeckte, konnte Omberg entfliehen und hat sich als Polizistin ein neues Leben aufgebaut. Doch in Verbindung mit ihrer Rückkehr muss sie sich auch der Vergangenheit stellen. Hanne und Peter sollen gemeinsam mit ihr den Fall lösen, doch Peter ist spurlos verschwunden und Hanne kann sich nicht mehr erinnern, sie flüchtet aus dem Wald und wird von Jake, einem Teenager aus dem Ort, aufgegriffen. Schon bald wird Jake zufällig in dem Fall involviert und stellt ganz eigene Nachforschungen an.

Alles in allem hat mir die Story richtig gut gefallen. Die düstere Stimmung transportiert ganz hervorragend die Dunkelheit und Trostlosigkeit dieses Ortes. Perspektiven gibt es nicht für die Einheimischen. Malin hat den Absprung noch rechtzeitig geschafft, kommt aber während der Ermittlungen bei ihrer Mutter unter und wird zugleich mit Vergangenheit und der Gestaltung ihrer Zukunft konfrontiert.
Die Kapitel werden abwechselnd aus Jakes und Malins Perspektive erzählt, in späteren Kapiteln erfahren wir als LeserIn auch Hannes Sichtweise. Jedes einzelne Kapitel endet mit einem Cliffhanger. Nach und nach fügen sich die einzelnen Abschnitte wie ein Puzzle zusammen.
Die Sprache selbst wirkt mitreißend und spannend, man möchte als LeserIn unbedingt erfahren, was mit Peter geschehen ist und ob Hannes Erinnerungen zurückkehren. Doch während des mittleren Teils verliert die Story an Spannung, vieles wiederholt sich, vor allem die Einöde und Trostlosigkeit des Ortes wird permanent hervorgehoben. Ich denke, als aufmerksamer LeserIn hat man es schon gleich zu Anfang begriffen.
Dann sind da noch Manfred und Andreas an den Ermittlungen beteiligt.
Andreas und auch Malins Mutter stimmen Malin nachdenklich, was ihr Leben betrifft.
Im letzten Drittel nimmt die Story rasant an Fahrt auf, ich konnte das Buch dann kaum noch aus den Händen legen. Unerwartete Wendungen bringen hier genau die Spannung auf, die ich mir schon etwas früher gewünscht hätte.
Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen. Nicht nur die Ermittlungen spielen hier eine Rolle, sondern auch gesellschaftskritische Themen werden angesprochen und runden diesen Thriller, der ohne viel Blutvergiessen daherkommt, in genau der richtigen Mischung ab.

Bewertung vom 12.09.2019
Es wird Zeit
Kürthy, Ildikó von

Es wird Zeit


ausgezeichnet

Bisher habe ich alle Romane der Autorin mit Genuss gelesen und so habe ich mich auf ihr neuestes Werk gefreut. Ildikó von Kürthy hat einen einzigartigen Schreibstil, der mich bisher in jedem ihrer Bücher voll berühren konnte.
In „Es wird Zeit“ geht es um Judith, die kurz vor ihrem 50. Geburtstag steht. Für sie Anlass genug, ein Resümee über ihr Leben zu ziehen. In ihrer Ehe mit Joachim ist sie lange nicht mehr glücklich, in Wedel, vor den Toren Hamburgs, hat sich Judith nie richtig wohl gefühlt und ihre drei erwachsenen Söhne haben bereits das Haus verlassen. Was hat die Zukunft da noch an Aufregung zu bieten? Judith steckt in einer Lebenskrise, ihre Gedanken drehen sich ständig um die paar Kilos zu viel auf den Hüften, Essen und welche Lebensweise doch die gesündere wäre. Der Tod ihrer Mutter ändert alles. Judith reist nach 20 Jahren in ihre rheinländische Heimat und trifft dort auf ihre Jugendfreundin Anne. Genau vor dieser Begegnung hatte sie sich die letzten Jahre gedrückt, denn Judith hat ein großes Geheimnis. Doch sie ist nicht die einzige. Anne ist an Krebs erkrankt und Judith steht ihr bei, die beiden kommen sich wieder näher. Können sie die alte Vertrautheit aus Kindertagen wieder aufbauen? Und findet Judith Erfüllung in ihrem Leben?

In diesem Roman dreht es sich um die großen Themen wie Liebe, Heimat, Vergangenheitsbewältigung und Neuanfänge. Gleichzeitig begibt man sich als LeserIn auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. In Rückblicken wird über die Kindheit und Jugendzeit der beiden Freundinnen erzählt, immer wieder verknüpft mit der Gegenwart. Ildiko von Kürthy hat mich mit ihrem unnachahmlichen Stil wieder genauso eingenommen wie in ihren vorherigen Romanen. Hier bekommt man wirklich die gesamte Palette an Emotionen, gerade noch spürte man die Melancholie über Vergangenes, schon muss man im nächsten Moment wieder schmunzeln. Jeden Gedankengang der Protagonistin bekommt man schonungslos mitgeteilt, wobei sie ständig abschweift und die Gedanken sich überrollen, aber im positiven und humorvollem Sinne. Ständig dachte ich, ja, genauso ist es, ja, genauso war es früher in meiner Kindheit und Jugend.
Nur manchmal hätte ich Judith gern ein bisschen geschüttelt, dass sie doch endlich handelt, ihr Leben in die Hand nimmt und nicht nur melancholisch zurückblickt und lamentiert. Doch so ist eben ihr Charakter und schließlich macht sie gemeinsam mit Anne eben doch eine Entwicklung durch.
Zudem nimmt die Geschichte ihren ganz eigenen Verlauf, es gibt Wendungen, mit denen ich so nicht gerechnet hätte, was diesem Buch eine gewisse Spannung verleiht, möchte man doch zu gerne wissen, wie einzelne Figuren auf die Begebenheiten reagieren.
Besonders über die Nebencharaktere Erdal und Karsten habe ich mich gefreut. Erdals divenhafte Art war mir bereits schon aus den vorherigen Romanen bekannt und so war er mir auf Anhieb wieder vertraut. Was habe ich mich gefreut, als er mit Pauken und Trompeten wieder auf der Bildfläche erschien.
Besonders schön an den Romanen der Autorin finde ich, dass die Protagonisten mit meinem zunehmenden Alter genauso mitwachsen und ich mich desöfteren, wenn auch nicht in allen Punkten, mit den Charakteren identifizieren kann.
Auch von der Aufmachung her ist das Buch ein Highlight. Eigentlich ist mir der Inhalt wichtig, die Optik spielt für mich eher eine untergeordnete Rolle. Doch hier ist die Story mit wundervollen Zeichnungen gespickt, angepasst an den Inhalt.
Ganz große Klasse, dieser Roman besticht gleichzeitig durch Leichtigkeit und Trauer, Melancholie und wirkt doch so lebensbejahend. Man sollte nie die Hoffnung aufgeben und das Leben in vollen Zügen und all seinen Facetten genießen, Nächte durchtanzen und sich keine Gedanken über das nächste Glas Wein nach Mitternacht machen.
Zum Schluss kann ich nur noch hoffen, dass sich die Autorin bis zu ihrem nächsten Roman nicht so viel Zeit lässt.

Bewertung vom 01.09.2019
The Black Coats - ... denn wir vergeben keine Schuld
Oakes, Colleen

The Black Coats - ... denn wir vergeben keine Schuld


sehr gut

Die Protagonistin Thea hat vor kurzem ihre Cousine und beste Freundin Nathalie durch eine Gewalttat verloren. Seitdem fühlt sie sich einsam und ist an ihrer Schule eine Außenseiterin. Ihr Leben verläuft wie in Trance und das Laufen, das sie immer liebte, hat sie aufgegeben. Ohne Nathalie sieht sie keinen Sinn mehr in ihrem Leben. Bis sie eine Einladung der Black Coats erhält. Diese geheime Organisation verübt Rache an Männer, die Frauen in jeglicher Form Gewalt zufügen und vom System der Polizei und Justiz aus diversen Gründen ihrer Strafe entkommen. Seit langer Zeit fühlt sich Thea verstanden und sich im Laufe der Zeit mit ihren Genossinnen bei den Black Coats verbunden. Denn sie alle teilen das gleiche Schicksal. Zum Zeitpunkt der Anwerbung lernt Thea Drew Porter kennen, zu dem sie sich ebenso hingezogen fühlt. Doch ihr Geheimnis stellt die Freundschaft auf eine harte Probe und Thea merkt schon bald, dass etwas mit dieser Organisation nicht stimmt.

Die Autorin hat es auf Anhieb geschafft, mich mit ihrem rasanten Schreibstil in den Bann zu ziehen. Bereits auf den ersten Seiten möchte man erfahren, was es mit den Black Coats auf sich hat. Zunächst beginnt alles ganz harmlos. Die Mädchen werden an ihren Schwachstellen gepackt und zunächst sanft manipuliert. Teambereitschaft und Kampfgeist werden gefördert. Schon bald kommt es zu ersten harmlosen Einsätzen. Doch inwieweit ist Rache und Selbstjustiz an gewalttätigen Männern moralisch vertretbar? Um diese Frage dreht sich der vorliegende spannende Jugendthriller. Doch Gewalt und Missbrauch gegenüber Frauen geht alle etwas an, deshalb ist das Buch für Erwachsene genauso gut geeignet.
Erzählt wir die gesamte Story ausschließlich aus Theas Sicht. Und sie blickt hinter die Fassade, stellt Nachforschungen an und merkt schon bald, das irgendetwas bei den Black Coats nicht richtig läuft. Nur gelegentlich an einigen wenigen Stellen kam ein kurzes Gefühl von Länge auf, ich hatte den Eindruck, dass sich Theas Gedanken und die Ereignisse wiederholen und nicht von der Stelle kommen, was sich nach ein paar Seiten aber direkt gelegt hat.
Im zweiten Teil geht es richtig zur Sache, die Methoden der Black Coats wurden immer brutaler. Während mancher Szenen stellte sich mir die Frage, inwieweit das Vorgehen noch mit Gerechtigkeit zu tun hat und ab welchem Grad ist es überhaupt erlaubt, moralische Grundsätze über Bord zu werfen, nur für einen gewissen Zweck?
Während des Showdowns überschlagen sich die Ereignisse, einiges wirkte währenddessen doch eher unglaubwürdig. Doch immerhin ist die Auflösung schlüssig und das Ende abgeschlossen, so dass man als LeserIn nicht auf einen Folgeband warten muss, wie es in diesem Genre ja oft üblich ist.
Alles in allem konnte mich die Story aufgrund der Thematik und der rasanten Spannung überzeugen.

Bewertung vom 11.08.2019
Show me the Stars / Leuchtturm-Trilogie Bd.1
Mohn, Kira

Show me the Stars / Leuchtturm-Trilogie Bd.1


gut

Liv hatte es bisher nicht leicht in ihrem noch jungen Leben. Das Verhältnis zu ihrer Mutter ist nicht gerade das Beste und Freunde hat sie auch nicht. Ihr Studium hat sie in kürzester Zeit absolviert. Karriereorientiert, blieb für Freunde und Spaß nicht viel Zeit übrig. Mit dem Ergebnis, dass sie für den Globus Klatschgeschichten über Prominente schreibt. Doch nach einem verpatzten Interview steht sie plötzlich ohne Job da. Auf der Suche nach Verdienstmöglichkeiten springt ihr eine Anzeige ins Auge und spontan bewirbt sie sich für eine Stelle in Irland. Liv soll für ein halbes Jahr lang Leuchtturm Matthew auf der Insel Caorach bewohnen. Schon gleich zu Beginn ist sie von dem Lebensmittellieferanten Kjer angetan. Doch Kjer hat seine eigene Last zu tragen, kann er sich überhaupt fest binden?

Wie diese Story ausgeht, kann man schon gleich zu Beginn erahnen. Auch was es mit dem verpatzten Interview auf sich hat, war mir auf Anhieb klar. Doch Liv braucht einige Zeit länger. Die Sprache ich locker und flüssig, die Beschreibungen der Umgebung sehr bildhaft, so dass man am liebsten selbst direkt nach Irland reisen möchte. Die kleine Insel Caorach und den Leuchtturm Matthew hatte ich förmlich vor Augen und das Rauschen des Meeres in den Ohren. Die Ortsbeschreibungen waren für mich definitiv das Beste an dem Buch. Lange Zeit hatte ich das Gefühl, Liv‘s Leben in Hamburg und auch später auf Caorach plätscherte nur so vor sich hin. Manchmal musste ich mich wirklich zum Weiterlesen zwingen. Erst im letzten Drittel kam dann doch etwas mehr Fahrt auf. Liv war mir zwar sympathisch, aber manches Mal doch ein wenig zu naiv, was sich aber mit ihren 22 Jahren noch entschuldigen lässt.
Kjer dagegen wirkte auf mich eher stereotyp und unnahbar. Der typische Frauenheld mit einer tragischen Vergangenheit. Ganz warm bin ich mit ihm allerdings nicht geworden.
Meine liebste Figur war für mich definitiv Airin, die allein ein Bed & Breakfast führt und sich gleich mit Liv anfreundet. Ihr offenes, ehrliches und herzliches Wesen hat mich direkt eingenommen, so jemanden hat man wirklich gern zur Freundin, bei ihr habe ich mich sofort wohl gefühlt.
Im Brady‘s, der Pub und Treffpunkt in Castledunns würde ich jedenfalls gerne mal ein Guiness trinken gehen und einige der Charaktere dort antreffen.
Alles In allem hat mir die Story eher durchschnittlich gefallen und die Ereignisse waren doch sehr vorhersehbar. Ständig wusste ich bereits im Voraus, was auf den nächsten Seiten auch tatsächlich eingetreten ist. Das hat mir viel von der Spannung genommen. Doch die Atmosphäre, die die Autorin geschaffen hat und auch einige der Charaktere haben das Buch für mich doch noch lesenswert gemacht. Ob ich allerdings zum nächsten Teil greifen werde, weiß ich noch nicht. Schade, dass Airin erst im dritten Teil ihre Geschichte bekommt, sonst würde ich definitiv weiterlesen wollen.

Bewertung vom 20.06.2019
Find mich da, wo Liebe ist
Harris, Anstey

Find mich da, wo Liebe ist


sehr gut

Die Geigenbauerin Grace hatte als junge Frau eine vielversprechende Aussicht auf eine erfolgreiche Karriere als Cellistin. Die Musikhochschule musste sie verlassen. Cello spielt sie nur noch für sich. Heute lebt sie in einem kleinen Ort in der Grafschaft Kent. Sie hat sich selbständig gemacht und repariert Streichinstrumente. Doch der eigentliche Sinn ihres Lebens ist ihre große Liebe David. David lebt in Paris, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Grace hofft schon bald auf eine gemeinsame Zukunft. Wird es diese geben? Und welche dramatischen Ereignisse sind dafür verantwortlich, dass Grace panisch reagiert bei dem Gedanken, vor anderen Menschen zu spielen, selbst vor David?

Schon gleich zu Beginn ereignet sich eine spannende Begebenheit, die in einer Kettenreaktion das Leben von Grace verändert. Dadurch bin ich sofort in die Geschichte hineingekommen. Auch der flüssige Schreibstil, der später sehr emotional wird und unter die Haut geht, hat mich direkt mitgenommen.
Doch leider wurde gelegentlich mein Lesefluss etwas gehemmt, da die Reparaturen und der Bau von den Streichinstrumenten für meinen Geschmack zu detailliert und sachlich beschrieben wurden. Auch die klassische Musik wurde manches Mal fachlich sehr genau erörtert, womit ich als Laie nicht so viel anfangen konnte. Doch die eigentliche Story, wie sich um das Leben von Grace und David dreht, hat mich sehr gefesselt. Zudem konnte ich es kaum abwarten zu erfahren, welche dramatischen Ereignisse dazu geführt haben, dass Grace nur noch für sich spielt.
Bereichert wurde die Geschichte zum einen durch Mr. Williams, ein charmanter, aufmerksamer, älterer Herr, der sich zu einem wahren Freund für Grace entpuppt. Und zum anderen durch den Teenager Nadia, eine Teilzeit Aushilfe in ihrem Laden. Auch Nadia hat es nicht immer leicht in ihrem Leben und hinter ihrer manchmal stacheligen Fassade verbirgt sich letztendlich doch ein guter Kern. Das Leben dieser beiden sympathischen, authentischen Nebencharaktere lernt man als LeserIn ebenfalls kennen.
Gerade zum Ende hin wurde dieses Buch sehr emotional, gespickt mit einigen Highlights und unerwarteten Wendungen, mit denen ich nicht gerechnet hätte. Zwar waren es ein paar Zufälle zu viel, doch das hat zum Ende hin mein Lesevergnügen in keinster Weise beeinträchtigt.
Besonders gefallen hat mir übrigens, dass es sich hier mal um eine Protagonistin in mittleren Jahren handelt.
Zwar ist das Buch in sich abgeschlossen und doch bietet es noch Raum für eine Fortsetzung.

Bewertung vom 10.06.2019
Die Zarin und der Philosoph / Sankt-Petersburg-Roman Bd.2
Sahler, Martina

Die Zarin und der Philosoph / Sankt-Petersburg-Roman Bd.2


sehr gut

Den ersten Teil kenne ich nicht, doch man konnte diesen Teil hier unabhängig davon lesen, ich hatte zu keinem Zeitpunkt Verständnisschwierigkeiten.
Nach dem Sturz von Zar Peter wird Katharina die Große zur Alleinherrscherin über Russland. Zwar ist sie europäisch orientiert, besonders für Bildung setzt sie sich ein, doch hapert es in Russland an vielen Ecken. Gerade was die Leibeigenschaft betrifft, redet sie zwar viel, doch letztendlich folgen keine Taten. Anhand von Darija und Andrej, denen wir später begegnen, wird deren Elend realistisch ohne Beschönigung dargestellt. Katharina hat mich letztendlich zwiegespalten zurückgelassen.
Besonders ihre Ziehtochter Sonja, die mit geschätzten 5 Jahren zu ihr an den Hof kommt, ist ihr ans Herz gewachsen. Doch Sonja entwickelt sich zu einer intelligenten, jungen Frau, die sich für mehr interessiert als nur Prunk und schöne Kleider. Schon in jungen Jahren stellt sie die politische Situation Russlands in Frage.
Regelmäßígen Kontakt pflegt Katharina zu dem Philosophen Stephan Mervier, der von dem preußischen König Friedrich als Spion an den Hof geschickt wurde. Mit seiner jungen Frau Johanna siedelt er nach St. Petersburg über. Schnell trifft Sephan auf Gleichgesinnte und tritt einem philosophischen Zirkel bei, der die Politik und die Zarin sebst in Frage stelt. Johanna dagegen fühlt sich zunächst vernachlässigt, kann sich aber als Künslerin etablieren und trifft auf die schwermütige, russische Seele Boris. Politische Intrigen werden geschmiedet, Aufstände werden geplant.
St. Petersburg wurde hier als schillernde Stadt dargestellt, ich hatte ständig das Gefühl, mich mit den Figuren durch die Straßen und zwischen den vielen Prachtbauten zu bewegen. Diese Beschreibungen waren bildhaft und wirklich schön zu lesen.
Auch die Charaktere wurden vielschichtig ausgearbeitet. Es gab kein schwarz und weiß, jede Figur hatte ihre guten Seiten, aber auch Schwachstellen. Vor allem der ständige Perspektivenwechsel hat mir gefallen, so bekam man in verschiedenen Situationen jeweils Einblick in die Gedanken der agierenden Personen.
Auch das Leben am Hof wurde hier eindrückich beschrieben. Im Gegensatz dazu stand die Armut der Leibeigenen und einiger der anderen Einwohner, die es nicht so gut getroffen haben. Allein die Zarin Katharina entscheidet über Not und Wohlstand. Gerade zum Ende hin entwickelt sich das Geschehen noch mal richtig dramatisch.
Bisher hatte ich Katharina die Große eher weniger auf dem Schirm. Verbunden mit den Schicksalen und Erlebnissen der einzelnen Charaktere wurde hier die russische Historie wirkich lesenswert dargestellt und ich konnte einiges Wissen hierüber mitnehmen. Einzg die politischen Geschehnisse wurden für mich an manchen Stellen zu trocken und detailliert geschildert. Doch die authentisch ausgearbeiteten Figuren machten diesen Roman spannend und mitreißend. Und auch die Beschreibungen über St. Petersburg haben mir ausgesprochen gut gefallen, so dass ich laufend bewegende Bilder vor meinen Augen hatte. Ich habe mitgefiebert, mitgefühlt, gehofft und gebangt, vor allem das Ende hat noch nachgwirkt. Meine Lieblingscharaktere waren hier definitiv Sonja und Johanna und die Entwicklung von Boris hat mich am meisten gefesselt.
Positiv anzumerken sind definitiv die Karten, auf die ich immer wieder schauen musste, um die Schritte der Charaktere zu verfolgen und auch das Personenregister war äußerst hilfreich.

Bewertung vom 10.06.2019
All das zu verlieren
Slimani, Leïla

All das zu verlieren


sehr gut

Auf den ersten Blick führt Adèle das perfekte Leben, von dem andere Frauen nur träumen. Sie arbeitet als Journalistin, ist mit dem erfolgreichen Chirurgen Richard verheiratet, hat einen kleinen Sohn und die perfekte Wohnung in Paris, in einer guten Lage. Doch innen drin sieht es bei Adèle anders aus. Nie ist sie zufrieden mit ihrem Leben, nichts ist ihr genug. Getrieben von ihrer Sucht nach Sex, nimmt sie jedes Abenteuer mit. Immer tiefer gerät sie in diesen Abgrund. Auf der anderen Seite wirkt sie hilflos, oftmals wie ein kleines Kind. Ohne Richard würde sie nicht zurechtkommen. Adèle ist gut im vertuschen, hat sie doch eine riesige Angst davor, all das zu verlieren.
Lakonisch und eindringlich beschreibt die Autorin hier Adèles innere Zerrissenheit. Für den Einstieg habe ich etwas gebraucht, da sich hier ihre sexuellen Eskapaden aneinander reihen. Sympathisch wurde sie mir bis zum Schluss nicht, sie tritt mit einer unglaublichen Arroganz ihren Mitmenschen gegenüber auf, immer mit einem Blick von oben herab. Sie gerät immer tiefer in den Sog, braucht es immer härter, während sie oftmals ihren Sohn Lucien völlig vernachlässigt.
Die Autorin gewährt Einblicke in die Kindheit, doch wirklich nachvollziehen, warum sie so agiert, warum sie nie zufrieden ist, konnte ich zu keinem Zeitpunkt. Meine Neugier darauf und der Gedanke, wohin das alles führen mag, machten das Buch für mich durchaus spannend und lesenswert.
Später bekam man ebenso Einblicke in Richards Seelenwelt, was mir sehr gut gefallen hat. Doch leider bleiben am Ende einige Fragen offen, vieles ist ungeklärt, vor allem auch die Frage nach dem Warum konnte mir nicht ausreichend beantwortet werden.

Bewertung vom 12.04.2019
Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem / Golden Cage Bd.1
Läckberg, Camilla

Golden Cage. Trau ihm nicht. Trau niemandem / Golden Cage Bd.1


ausgezeichnet

Faye und Jack haben es geschafft, sie gehören zur Stockholmer High Society. Gemeinsam mit Jacks Feund Hendrik gründeten sie das inzwischen sehr erfolgreiche Unternehmen Compare. Die gemeinsame Tochter Julienne scheint die Krönung in Fayes und Jacks Ehe zu sein. Doch in Wahrheit sieht alles völlig anders aus. Jack ist nicht der liebevolle Ehemann und treusorgende Vater. Vor allem Faye wird massiv von ihm gedemütigt und klein gehalten. Faye dagegen unternimmt alles, um Jack zu gefallen, unterwirft sich seinem Willen. Bis ihr durch eine böse Überraschung die Augen geöffnet werden. Mittellos und erniedrigt steht sie nun da, doch Faye lässt sich nicht unterkriegen und nimmt nun selbst die Fäden in die Hand. Und was hat es mit Juliennes angeblichem Tod auf sich? Will Jack sich damit an ihr rächen?

Völlig unvoreingenommen bin ich in diese Geschichte eingestiegen, denn bisher habe ich noch nichts von Camilla Läckberg gelesen. Eigentlich hatte ich einen Psychothriller erwartet, in dem Juliennes Tod eine große Rolle einnimmt und die Ausgangssituation darstellt. Doch es kommt ganz anders, denn es handelt sich um ein familiäres Psychodrama. Gegliedert ist das Buch in drei Teile. Im ersten Teil steht die Ehe und das Leben von Faye und Jack im Vordergrund. In Rückblenden erfährt man als LeserIn einiges aus Fayes Vergangenheit, über ihre Familie, was sie nach Stockholm verschlagen hat und wie sie Jack kennen und lieben lernte. Im zweiten Teil steht Faye plötzlich mittellos da und versucht aus eigener Kraft, wieder auf die Beine zu kommen. Dabei hat sie nur ein Ziel im Blick: Nämlich Rache an Jack zu nehmen. Ob und wie ihr das gelingt, erfährt man dann im letzten Teil.
Wow, was für ein spannendes Buch. Der Plot hat mich direkt von Anfang an begeistert und die Story fand ich unfassbar spannend erzählt. Die Seiten flogen nur so dahin und ich mochte das Buch kaum aus der Hand legen, weil ich immerzu den Drang hatte zu erfahren, wie es mit Faye weitergeht. Nicht eine Seite konnte auch nur annähernd eine Länge vorweisen.
Keine der Charaktere waren mir sympathisch. Zunächst hatte ich noch Mitleid mit Faye, konnte aber irgendwann ihre demütige Unterwerfung nicht mehr ertragen. Ihre rasante Entwicklung jedoch fand ich unglaublich spannend zu verfolgen. Einzig Chris, ihre Freundin, konnte mich mit ihrer Persönlichkeit überzeugen. Gerade ihre direkte, frische Art lag mir sehr, Chris hatte das Herz am rechten Fleck. Und ausgerechnet ihr musste das Schicksal so grausam mitspielen...
Doch sympathische Charaktere sind für mich nicht erforderlich, damit mir ein Buch rundum gefällt. Gerade die Psychodramatik und die dunklen Seiten der Figuren trugen zu einem spannenden Plot bei.
Das Ende kam dann nochmal ganz anders als gedacht und gerade die letzten Seiten brachten nochmal ordentlich Herzrasen.
Für mich kam „Golden Cage“ zwar anders daher als ich es zunächst erwartet hatte, dennoch entfaltete die Story eine absolute Sogwirkung, sowohl die aktuellen Ereignisse als auch die Rückblenden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieses hier nicht mein letztes Buch der Autorin bleibt.

Bewertung vom 21.03.2019
Kaschmirgefühl
Aichner, Bernhard

Kaschmirgefühl


ausgezeichnet

Die Story beginnt mit einem Anruf bei der Sexhotline. Gottlieb, der sich zunächst als Joe ausgibt, hat seinen Job als Krankenpfleger im Hospiz an den Nagel gehängt, weil er so viel Leid nicht mehr ertragen konnte. Sein Sozialleben sieht eher mau aus, bis vor Kurzem hatte er sich noch um seine Mutter gekümmert. Noch heute lebt der schüchterne Gottlieb in seinem Kinderzimmer.
Gottlieb und Marie sprechen miteinander. Dabei bleibt der eigentliche Zweck eines solchen Anrufs auf der Strecke. Marie versucht zwar gelegentlich, ihn aus der Reserve zu locken, doch Fehlanzeige. Gottlieb möchte lieber nur reden. Gegenseitig erzählen sie sich Geschichten und kommen sich ein wenig näher.

Bernhard Aichner hat mit „Kaschmirgefühl“ bewiesen, dass er auch Liebesromane schreiben kann, der hier so ganz anders daherkommt und mich absolut überzeugen konnte. Seine Stärke liegt definitiv in den Dialogen, die ich auch in den Thrillern geliebt habe.
Dieser kleine, feine Roman besteht ausschließlich aus Dialogen und dem Telefongespräch zwischen Gottlieb und Marie, dass eine ganze Nacht lang andauert.
Auf den ersten Blick handelt es sich um völlig verschiedene Persönlichkeiten, Gottlieb, der Träumer und Romantiker, während Marie die Sache eher realistisch betrachtet und nicht mehr an die Liebe glaubt. Doch die Einsamkeit verbindet. Sie erzählen sich Geschichten und als LeserIn rätselt man mit, was der Wahrheit entspricht. Der Sprecherwechsel ist nur durch Bindestriche gekennzeichnet. Unterbrochen werden die Telefonate durch kleine Pausen, doch Gottlieb bleibt hartnäckig und greift immer wieder erneut zum Hörer, dies ist jeweils durch Angabe der Uhrzeit gekennzeichnet.
Dieser feine Liebesroman hat mich wunderbar unterhalten, die stakkatoartigen Dialoge wirken herrlich erfrischend und haben mich ständig zum Schmunzeln gebracht. Ich fand es spannend, den beiden Protagonisten während ihres Telefonats zu folgen und herauszufinden, wohin das Ganze führt. Ungefähr nach der Hälfte hatte ich eine leise Ahnung, wie die Dinge zusammenhängen. Doch zum Schluss hat mich Bernhard Aichner völlig überrascht, denn das Ende kam für mich absolut unerwartet daher.
Auch die heute altmodische Art der Kommunikation wirkte in dieser kurzen Geschichte schon wieder innovativ.
Bernhard Aichner konnte mich mit dem Wechsel des Genres vollkommen überzeugen, die Dialoge sind definitiv seine große Stärke, das Gespräch zwischen Gottlieb und Marie bleibt mir sicherlich noch lange im Gedächtnis und ich bin völlig begeistert von diesem Liebesroman, abseits vom Mainstraim.
Großartig, bitte weiter so, Bernhard Aichner.

Bewertung vom 18.03.2019
Dark Call - Du wirst mich nicht finden / Holly Wakefield Bd.1
Griffin, Mark

Dark Call - Du wirst mich nicht finden / Holly Wakefield Bd.1


sehr gut

Normalerweise ist die Kriminalpsychologin Holly Wakefield in einer forensischen Psychiatrie tätig und hält Vorlesungen am College. Ihr exzessives Interesse gilt den Serienmördern, mit Fakten kann sie nur so um sich werfen. Als der eigentliche Profiler ausfällt, holt Detective Inspector Bishop Holly Wakefield in sein Team. Kaum jemand kann sich annähernd so gut in die Psyche von Serienkillern hineinversetzen. Ein älteres Ehepaar wurde bestialisch ermordet und in Szene gesetzt. Anhaltspunkte oder gar ein Motiv sind nicht in Sicht. Doch sehr schnell stellen sich Parallelen zu einem älteren Fall heraus.
Es beginnt ein Rennen gegen die Zeit. Können DI Bishop und Holly Wakefield den Mörder stoppen? Und wie passen ungeklärte Fälle aus der Vergangenheit ins Bild?

Der Inhalt klingt nach einem Psychothriller ganz nach meinem Geschmack. Doch bis es soweit ist, steht zunächst jede Menge Ermittlungsarbeit an, die ausgiebig und detailliert beschrieben wird. Jede Menge Akten und Protokolle werden gelesen, Fakten über frühere Serienmörder werden ins Spiel gebracht.
Nach und nach werden Puzzleteile zusammengesetzt. Doch hatte ich als Leserin das Gefühl, dass man nach einem Schritt vorwärts wieder zwei Schritte rückwärts macht. Streckenweise wurden mir die sicherlich erforderlichen Ermittlungsarbeiten zu sehr in die Länge gezogen. Doch nach der Hälfte wurde es immer spannender. Zunächst hatte ich den Eindruck, eher einen typischen Krimi zu lesen, aber dann entwickelte sich die Story zu einem absolut fesselnden Psychothriller, so wie ich es erwartet hatte. Mit unvorhersehbaren Wendungen, die mir manchmal gefühlt den Atem nahmen.
Das Leben hat es mit den beiden Protagonisten nicht immer gut gemeint. Vor allem Holly wird durch diesen Fall mit ihrer dunklen Vergangenheit konfrontiert, die sich dem Leser in der zweiten Hälfte nach und nach offenbart.
Holly hat einiges erlebt, das Leben hat sie stark gemacht und am Ende kann man ihre Obsession für Serienmörder absolut nachvollziehen. Doch trotz allem verbirgt sich unter ihrer Schale ein empfindsamer Kern.
Im letzten Drittel nimmt das Geschehen nochmal richtig Fahrt auf und das Buch wurde zum wahren Pageturner. Gerade die Wendungen zum Schluss hatten es in sich und haben letztendlich die Story rund abgeschlossen.
Der Schreibstil war recht eingängig und konnte mich trotz einiger Längen gut durch den ersten Teil bringen, nach der zweiten Hälfte flogen die Seiten fast von selbst.
Besonders gefallen haben mir die privaten Einblicke in das Leben und die Vergangenheit der Protagonisten, mit allen Höhen, Tiefen und den dazugehörigen Empfindungen. So etwas mag ich ja generell gerne an Thrillern, dadurch wirken die Ermittler auf mich nur menschlicher. In diesem Fall ist mir gerade Hollys Geschichte sehr nahe gegangen.
Trotz einiger Schwierigkeiten in der ersten Hälfte würde ich sehr gerne erfahren, wie es im nächsten Teil mit DI Bishop und Holly Wakefield weiter geht.