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Schmökerwürmchen

Bewertungen

Insgesamt 77 Bewertungen
Bewertung vom 21.07.2018
Der englische Liebhaber
de Cesco, Federica

Der englische Liebhaber


sehr gut

Charlotte findet im Nachlass ihrer Mutter Anna Henke Tagebücher, alte Briefe und Tonbandaufnahmen. So erfährt Charlotte die Lebensgeschichte ihrer Mutter und bekommt gleichzeitig ihren Vater nähergebracht.
Münster 1945: Dort begegnet Anna zum ersten Mal dem englischen Captain Jeremy Fraser. Sie arbeitet als Dolmetscherin in einer Auffangstation für Kriegsheimkehrer. Anna lebt mit ihrer Familie in Telgte und fährt täglich mit dem Fahrrad zu ihrer Arbeit. Besonders im kalten Winter keine angenehme Sache, zumal es auch an warmer Kleidung fehlt. Eines Tages nach Dienstschluss wird Anna von Jeremy nach Hause gefahren. Die beiden mögen sich auf Anhieb und verlieben sich ineinander. Doch diese große Liebe steht schon zu Beginn unter keinem guten Stern, denn mit dem Feind lässt man sich nicht ein. Zudem ist Jeremy in England bereits verheiratet. Doch diese Liebe soll nicht enden. Während Jeremy sich wieder in England aufhält, erwartet Anna sein Kind, Charlotte. Anna gelingt es, gegen alle Widrigkeiten Charlotte alleine großzuziehen. Doch die Liebe zu Jeremy soll sie ihr Leben lang begleiten.

Erzählt wird dieser Roman aus der Sicht von Charlotte und in den Aufzeichnungen aus Annas Perspektive. Voller Empathie beschreibt die Autorin die einzig wahre Liebe zwischen Anna und Jeremy, die im Nachkriegsdeutschland und während des kalten Krieges gegen alle Konventionen verstößt. Oft werden Ihnen Steine in den Weg gelegt. Die junge Anna ist eine starke Persönlichkeit, die entgegen aller Vorurteile ihren Weg geht und für den Lebensunterhalt sorgt. Charlotte dagegen wirkt besonders als junge Erwachsene unsympathisch. Ihre Mutter opfert sich für sie auf, gibt ihr Bestes, während Charlotte undankbar und rücksichtslos reagiert.
Besonders die Erzählungen über das zerbombte Münster wurden sehr authentisch dargestellt. Münster ist meine Heimat, ich habe mich während des Lesens mit Anna durch Münster bewegt und kenne diese Erzählungen über Münster während des 2. Weltkrieges nur zu gut von meiner Oma. Diese Erzählungen stimmen absolut mit den historischen Aspekten in diesem Roman überein. Der Gedanke, dass es sich hierbei um die wahre Liebesgeschichte einer Tante der Autorin handelt, machten die Ereignisse umso dramatischer. Besonders zum Ende hin wurde es nochmal richtig emotional. Das Buch hallte noch ein paar Tage in mir nach und ich musste den Inhalt erst einmal für mich verarbeiten. Einen Stern Abzug gibt es für ein paar wenige Längen.

Bewertung vom 08.07.2018
Das Haus der Mädchen / Kerner und Oswald Bd.1
Winkelmann, Andreas

Das Haus der Mädchen / Kerner und Oswald Bd.1


ausgezeichnet

Alles beginnt mit einem Mord an den Krankenpfleger Oliver Kienat, der zufällig von dem Obdachlossen Frederick, Freddy Förster beobachtet wird. Zeitgleich trifft Leni in Hamburg ein, die schon am nächste Tag ihr Praktikum in einem kleinen Verlag beginnt. Die zunächst etwas schüchtern und naiv wirkende Leni fühlt sich in Gesellschaft ihrer geliebten Bücher wohler als unter Menschen. In ihrer Unterkunft begegnet sie der lebenslustigen Vivien. Nach einem gemeinsamen Diskobesuch verschwindet diese spurlos. Leni stößt auf einige Ungereimtheiten und macht sich auf die Suche. Dabei begegnet sie Freddy, der sie unterstützt.
Auch der Kommissar Jens Kerner ist in diesem Fall involviert und entdeckt Parallelen zu einem ähnlich gelagerten Fall, der damals nicht aufgekärt werden konnte. Hilfe bekommt er von seiner an den Rollstuhl gebundenen Assistentin Rebecca.

Dies hier war mein erster Thriller von Andreas Winkelmann und es wird bestimmt nicht der letzte sein. Mir hat das Buch wirklich gut gefallen und es bringt alles mit, was man von einem guten Thriller erwartet. Der Schreibstil ist flüssig und die Kapitel sind kurz und knackig gehalten, jeweils mit Cliffhangern am Ende, so dass man als Leser permanent am Ball bleiben mag. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven, jeder der Charaktere kommt zu Wort und schildert die Ereignisse aus seiner Sicht. So bekommt man als Leser schnell ein umfassendes Bild. Besonders die Wasserlandschaften Hamburgs, aber auch anderweitige Lokalitäten werden hier sehr bildhaft beschrieben, so dass sich bei mir ein lebhaftes Kopfkino entwickeln konnte.
Andreas Winkelmann schafft es hervorragend, schon gleich zu Beginn Spannung aufzubauen und diese kontinuierlich zu steigern, bereichert durch die eine oder andere unerwartete Wendung.
Zudem sind die Charaktere hervorragend und authentisch gezeichnet. Auch die Entwicklung Lenis, von Vivien liebevoll als Landei bezeichnet, hat mir besonders gut gefallen. Aber auch die anderen Figuren waren mir sympathisch, von Jens Kerner, der sehr an seiner „Red Lady“ hängt, über seine intelligente, warmherzige Assistentin Rebecca bis hin zum Obdachlosen Freddy Förster. Sie alle haben diesen Thriller für mich perfekt abgerundet.

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.05.2018
The Wife Between Us
Hendricks, Greer;Pekkanen, Sarah

The Wife Between Us


gut

Im Mittelpunkt dieses psychologischen Verwirrspiels steht Richard, ein charismatischer, erfolgreicher Hedgefond-Manager. Richard ist gutaussehend, reich, charmant und weiß genau, wie er sich präsentieren muss. So fällt es ihm ausgesprochen leicht, die Frauen für sich zu gewinnen.
Zum einen wäre da Vanessa, Richards Ex-Frau. Offensichtlich kommt sie mit der Trennung nicht klar und leidet unter Depressionen. Ihre Tante Charlotte ist ihr als einzige Bezugsperson geblieben.
Bei Nellie handelt es sich um die aktuelle Frau an Richards Seite. Doch verläuft ihre Ehe wirklich so traumhaft, wie erhofft? Richard ist aufmerksam, fürsorglich, verwöhnt sie mit teuren Geschenken, doch warum verhält er sich manchmal so seltsam? Liegt es tatsächlich an Nellie? Oder ist Richard einfach nur ein Meister der Manipulation?
Erst später bekommt Emma ihren Auftritt. Doch welche Rolle nimmt sie in dem Kammerspiel ein?

Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil wird abwechselnd über Vanessa und Nellie erzählt. Manchmal haben mich einige Details mit Fragezeichen zurückgelassen, doch am Ende des ersten Teils nimmt die Story einen völlig neuen Verlauf. Noch fragt man sich als Leser, ob Vanessa die Trennung nicht verarbeiten konnte und dadurch immer tiefer in den Abgrund stürzt.
Im zweiten Teil wird über die Ehe zwischen Nellie und Richard erzählt. Trotz der manchmal dramatischen Ereignisse war mir dieser Teil zu sehr in die Länge gezogen. Streckenweise hat mich die Story gar nicht mehr gepackt und ich musste mich bewusst von Kapitel zu Kapitel hangeln.
Im letzten Teil nimmt Emma eine große Rolle ein.
Trotz der unvorhergesehenen Wendungen konnte mich der streckenweise etwas fade Schreibstil nicht immer packen. Zum Ende hin bekommt die Geschichte nochmal einen völlig neuen Aspekt. Hier hätte ich mir etwas weniger Dramatik gewünscht, dafür hätte ich gerne noch mehr über Richards Schwester Maureen erfahren.
Der Beginn und die Story selbst bieten ein großartiges Potential und auch die Wendungen konnten mich überraschen. Nur leider hat mich der Stil nicht vollkommen überzeugt. Gerade im mittleren Teil hätten ein paar Seiten weniger dem Buch gut getan.

Bewertung vom 22.03.2018
Der Zopf
Colombani, Laëtitia

Der Zopf


sehr gut

„Der Zopf“ erzählt die Lebensgeschichten von drei verschiedenen Frauen auf drei unterschiedlichen Kontinenten. Trotz der unterschiedlichen Lebensläufe haben diese Frauen doch einiges gemeinsam, nämlich eine besondere Stärke, Mut und Kampfbereitschaft.

Zum einen wäre da Smita. Sie führt ein Leben als Unberührbare in Indien, am Rande der Gesellschaft. Als eine Dalit, die zu den ärmsten der Armen gehört, muss sie täglich die Hinterlassenschaften der Reichen entsorgen. Ihr stehen keinerlei Rechte zu, überhaupt wird den Frauen in Indien eine untergeordnete Stellung zugemutet. Dieses Schicksal möchte sie ihrer Tochter Lalita ersparen und setzt alles daran, um ihr einen Schulbesuch und damit ein besseres Leben zu ermöglichen.

In Palermo arbeitet Guilia im Familienunternehmen, das auf traditionelle Weise Perücken aus sizilianischen Haaren herstellt. Durch Schicksalsschläge und gefangen ich ihren Traditionen, werden ihr einige Steine in den Weg gelegt und so muss sie Entscheidungen treffen und ihren Weg finden.

Dann begleiten wir Sarah in Toronto ein Stück ihres Weges. Durch Einsatz und harte Kämpfe hat sie es geschafft, sich in einer von Männern dominierten Kanzlei als erfolgreiche Anwältin zu etablieren. Doch auch dieser Weg bringt einige Opfer mit sich.

Allen drei Frauen steht eine Veränderung in ihren Leben bevor. Als Leser begleiten wir sie auf einen Teil ihres Weges und lernen einiges über die verschiedenen Gesellschaftsformen. Aus wechselnden Perspektiven werden Fragmente aus den Lebensläufen dieser Frauen geschildert. Die Autorin schafft es, durch ihre anrührende aber unaufgeregte Sprache, jede dieser Frauen auf eine berührende Weise dem Leser näher zu bringen. Immer enger wird aus den drei verschiedenen Erzählsträngen ein dicker Zopf geflochten. Titel und Cover sind daher sehr passend gewählt. Allerdings wurde mir schon recht früh klar, inwieweit die Protagonisten miteinander verbunden sind. Zum Ende hin bleiben noch einige Fragen offen.
Die Lebenläufe dieser Frauen regen zum Nachdenken an. Gerne habe ich sie auf ihren Wegen begleitet.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.02.2018
Nackt über Berlin
Ranisch, Axel

Nackt über Berlin


ausgezeichnet

Schon seit geraumer Zeit verfolge ich interessiert das Programm des Ullstein fünf Verlages und auch bei „Nackt über Berlin“ verbirgt sich eine ganz wunderbar erzählte, außergewöhnliche Geschichte zwischen den Buchdeckeln.

Der jugendliche Protagonist Jannik ist völlig anders als seine Altersgenossen. Übergewichtig und als Liebhaber klassischer Musik hat er keinen leichten Stand. Nur sein vietnamesischer Mitschüler Tai freundet sich mit ihm an. Von ihren Schulkameraden werden sie nur „Fetti“ und „Fidschi“ genannt. Jannik entwickelt zarte Gefühle für seinen Freund Tai, doch kann er diese auch erwiedern? Eines nachts greifen sie gemeinsam den sturzbetrunkenen Direktor ihrer Schule, Jens Lamprecht auf. Tai‘s Cam ist immer dabei. Doch was als kleine Lektion gedacht war, ein übler Jungenstreich, eskaliert auf einmal unkontrolliert... Jannik überkommen immer wieder leise Zweifel, doch wie weit wird er zum Spielball seiner Gefühle?

Was für eine unglaubliche, außergewöhnliche Geschichte, mich konnte einfach alles an diesem Buch begeistern.
Erzählt wird in längeren Kapiteln, abwechselnd aus der Perspektive von Jan und dem Direktor Jens Lamprecht. Immerzu wollte ich wissen, wie es mit den jeweiligen Personen weitergeht und in welche Richtung sich das Geschehen entwickelt.
Die Sprache ist absolut orgienell, amüsant und passt hervorragend zu den manchmal doch etwas skurrilen Szenen. An einigen Stellen fallen die Ausdrücke etwas derber aus, aber auch das hat der Autor wohldosiert, so dass es zur jeweiligen Situation und den Charakteren passt, jedoch niemals plump daherkommt.
Alle Charaktere sind großartig dargestellt, mit allen ihren positiven und negativen Facetten. Auch der Wandel, den die Figuren aufgrund der Ereignisse durchmachen, wirkt absolut glaubhaft. Dieses Buch hat soviel mehr zu bieten, als eine gewöhnliche Comming-out-Geschichte. Es geht auch um Familie, Zusammenhalt und vor allem um die Frage, wie weit man für echte Freundschaft gehen darf.
Das alles erzählt Axel Ranisch in einem liebevollen Ton und in einer außergewöhnlich originellen Sprache, die mich genauso begeistern konnte wie diese ganz besondere Geschichte.
Für mich ein absoluter Lesegenuss.

Bewertung vom 18.02.2018
Die Rache der Polly McClusky
Harper, Jordan

Die Rache der Polly McClusky


sehr gut

Jordan Harpers Debüt wird auf der Titelseite als Roman bezeichnet, doch handelt es sich hier eher um einen Thriller, der eine Menge Action enthält.

Nate McClusky gelingt es, sich aus dem Gefängnis zu befreien. Er setzt alles daran, seine 11-jährige Tochter zu beschützen. Denn auf sie ist ein Kopfgeld ausgesetzt, nachdem Nate den Bruder des Anführers der Verbrechergang Aryan Steel umgebracht hat. Ihre Mutter und deren Freund wurden bereits getötet. Diese Gangster gehen mit harten Methoden vor und nehmen keine Rücksicht, nicht mal auf ein unschuldiges Mädchen. Nate reist in einem geknackten Pkw mit seiner Tochter quer durch Kalifornien. Er bringt ihr Kampftechniken bei und zeigt ihr, wie sie sich behaupten kann. Auch mental wird Polly immer stärker. Die gemeinsame Flucht schweißen Vater und Tochter eng zusammen. Immer dabei ist Pollys über alles geliebter Teddy. Während sie durch die Erlebnisse an Stärke und Härte zunimmt, bringt der Teddy ihre innere, gefühlvolle Seite zum Vorschein. Denn Polly kommt von der Venus, nach außen hin ruhig, doch in ihr brodelt es.
Gemeinsam begegnen sie verschiedenen Menschen, begehen Raubüberfälle und versuchen durch ihre kriminellen Handlungen, ihrem Ziel näherzukommen. In der kalifornischen Wüste kommt es letztendlich zum großen Showdown.

Jordan Harper hat mich mit seinem knackigen, präzisen Stil gleich zu Beginn in die Geschichte heineinkatapultiert. Besonders hervorgehoben wurde die untere Gesellschaftsschicht, die Kriminellen, die sich am Rande bewegen und vom kalifornischen Schein wenig abbekommen, die kaum eine Chance auf ein ehrenwertes Leben haben.
Die Kapitel sind kurz und spannend, im Wechsel aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Am besten hat mir Pollys Strang gefallen. Liebenswert, intelligent und tapfer hält sie sich an der Seite ihres Vaters. Durch ihren Teddy, dem sie wie eine Handpuppe eigenes Leben einhaucht, bekommt die doch sehr rasante Flucht durch Kalifornien eine emotionale und manchmal auch humorvolle Seite. Durchgehend musste ich mit Polly mitfiebern, sie konnte einem nur leid tun. Diese Dinge sollte ein so junges, unschuldiges Mädchen wirklich nicht erleben müssen.
Temporeich wurde das Geschehen erzählt, allerdings wurde es mir zum Ende hin doch zu sehr actiongeladen, das war leider nicht so ganz nach meinem Geschmack. Doch trotzdem habe ich das Buch sehr gerne gelesen, es war durchweg spannend und absolut mitreißend. Immerzu wollte ich als Leserin erfahren, wie es denn mit Polly und ihrem Vater weiter ging. Auch wenn die Voraussetzungen nicht die besten sind, besteht doch noch Hoffnung für Polly, ich würde es ihr wünschen.

Bewertung vom 21.01.2018
Der Reisende
Boschwitz, Ulrich Alexander

Der Reisende


sehr gut

Bei dem Reisenden handelt es sich um den jüdischen Kaufmann Otto Silbermann. Die Geschäfte laufen gut und auch auf privater Ebene wirkt er glücklich. Bis er eines Tages im Zuge der Novemberpogrome 1938 alles verliert. Seine Wohnung wird von den Nazis geplündert und er kann so gerade eben fliehen. Seine Frau Elfriede, die zu den Ariern zählt, findet bei ihrem Bruder Zuflucht. Doch für Otto ist es in diesen schweren Zeiten kein leichtes Unterfangen, sich in Sicherheit zu bringen. Auf Freunde und Verwandte kann er nicht mehr zählen. Mit seinem finanziellen Anteil, den er noch von seinem Geschäftspartner erhält, reist er quer durch Deutschland, immer auf der Hut. Denn wem kann man noch trauen? Fluchtversuche ins Ausland scheitern und so wird die Reichsbahn zu seiner neuen Unterkunft. Unterwegs begegnet er den verschiedensten Menschen: Parteimitgliedern, Sympathisanten und Juden. Doch wie lange kann das gutgehen?

Die Reise des jüdischen Kaufmanns Otto Silbermann wurde in diesem Werk realitätsnah dargestellt. Die bedrückende Stimmung der damaligen Zeit konnte ich regelrecht nachempfinden. Auch in den Lesepausen blieb ein beklemmendes Gefühl bei mir zurück. Die Gespräche, die Otto Silbermann mit seinen Mitreisenden führte und auch seine Beobachtungen wirkten echt und führte mir als Leserin umso deutlicher die Schrecken der Nazizeit vor Augen. Ich habe mit Otto Silbermann mitgefiebert und für ihn nur das Beste gehofft. Trotz dieser ungerechten Zeit gab es sogar eine Passage, die mich zum Schmunzeln gebracht hat, wo in mir Hoffnung aufkeimte. Der Autor hat es geschafft, mir die damalige Armosphäre in Deutschland näherzubringen.
Und obwohl eine durchgehend bedrückenden Stimmung mein Begleiter zwischen den Zeilen war, habe ich dieses wichtige Zeitdokument sehr gerne gelesen und ich bin sicher, dass es noch lange in mir nachhallen wird.

Im Nachwort erfährt man übrigens noch einiges über den Autor und wie es zur Entstehung gekommen ist.

Bewertung vom 17.01.2018
Die Herzen der Männer
Butler, Nickolas

Die Herzen der Männer


sehr gut

Der neue Roman von Nickolas Butler erzählt von Vätern und Söhnen, über drei Generationen von Männern und mehrere Jahrzehnte.

Der erste Teil beginnt im Sommer 1962. Nelson ist ein einsamer Junge, ein Außenseiter. Bedingungslos geliebt wird er ausschließlich von seiner Mutter. Er ist ein Streber, hat im Pfadfindercamp die meisten Abzeichen errungen und wirkt insgesamt sehr unbeholfen im Umgang mit Seinesgleichen. Das macht ihn zur Zielscheibe für die Grausamkeiten der anderen Jungs. Sein Vater versucht mit allen Mitteln, aus ihm einen echten Mann zu machen. Doch je mehr sich Nelson bemüht seinem Vater zu gefallen, desto mehr wendet er sich von ihm ab. Im Sommer 1962 verbringen Nelson und sein Vater gemeinsam ein paar Tage im Pfadfindercamp. Nur Jonathan steht Nelson gelegentlich zur Seite, doch als eine richtige Freundschaft kann man das Verhältnis nicht bezeichnen.

Der nächste Teil spielt sich über 30 Jahre später ab, Nelson ist traumatisiert durch seine Zeit in Vietnam, Jonathan ist selbst Vater. In diesem Teil erfahren wir einiges aus der Sicht des 16-jährigem Trevor, der völlig andere Moralvorstellungen hegt als sein Vater Jonathan. In diesem Teil ist es Jonathan, der aus seinen Sohn einen „richtigen Mann“ formen möchte.

Im letzten Teil werden wiederum einige Jahre übersprungen. Trevors Sohn Thomas soll nun mit seiner Mutter das Pfadfinderlager besuchen soll. Doch die Zeiten haben sich geändert, Thomas hat andere Interessen.

Der erste Teil um Nelson, der im Camp von allen nur „Der Trompeter“ genannt wird, hat mir mit Abstand am besten gefallen. Im Camp herrschen militär ähnliche Zustände, die Jungen sollen unter strenger Disziplin zu aufrechten, guten Menschen erzogen werden. Doch nicht alle halten sich an die Regeln. Nelsons Bestreben lässt ihn zum Außenseiter werden.
Im Zweiten Teil lässt die Geschichte arg nach. Nelson hat inzwischen einiges über das Leben gelernt und seine Zeit im Vietnamkrieg hat ihn stark traumatisiert. Dieser Teil erzählt immer wieder in kurzen Rückblenden über vergangene Ereignisse, doch als Leser erhält man immer nur episodenhafte Bruchstücke. Gerne hätte ich an dieser Stelle noch einiges mehr erfahren.
Zum Ende hin nimmt die Geschichte dann doch wieder an Fahrt auf und ich habe den letzten Teil wirklich gern gelesen.

Der Autor ist definitiv talentiert und konnte mich mit seiner emotionalen Sprache durchaus mitnehmen. Doch leider waren mir einige Strecken zu sehr in die Länge gezogen. Im ersten Teil habe ich sehr mit Nelson unter seiner Situation gelitten, das Pfadfinderlager hatte ich bildlich vor Augen und auch die anderen Charaktere wurden glaubhaft dargestellt, auch wenn ich ihr Handeln teilweise nicht gutheißen konnte. Dieses Gefühl für die Figuren ist mir im zweiten Abschnitt etwas abhanden gekommen. Auch haben sich für mich keine neuen Erkenntnisse über Männerherzen ergeben. Allein der Konsum von Mengen an Alkohol, Affären und Seitensprünge machen bestimmt keinen „echten“ Mann aus.

Alles in allem hat mir der Roman etwas mehr als durchschnittlich gefallen, meine Erwartungen konnten leider nicht völlig erfüllt werden. Das Buch begann stark und emotional mitreißend, ließ aber besonders im Mittelteil nach.

Bewertung vom 01.01.2018
Ich treffe dich zwischen den Zeilen
Butland, Stephanie

Ich treffe dich zwischen den Zeilen


ausgezeichnet

Schon nach der Leseprobe wusste ich, dieses Buch muss ich unbedingt lesen. Und ich wurde nicht enttäuscht.

Loveday hat es in ihrem Leben nicht einfach gehabt. Nachdem auf dramatische Weise ihre Familie auseinandergebrochen ist, wuchs sie bei Pflegemüttern auf. Sie ist sehr einsam, aber durch ihren Konflikt auch nicht in der Lage, Freundschaften zu schließen. Immer bleibt sie nur eine Randfigur und ist schon zufrieden, wenn sie von ihren Mitschülern nicht gemobbt wird. Kraft und Halt findet sie in der Literatur.
Während eines Schulausflugs versucht sie, ihr Lieblingsbuch in einem Antiquariat zu klauen, wird jedoch von dem Besitzer überführt. Doch statt sie anzuzeigen, lässt Archie sie in seinem Buchladen arbeiten. Zunächst, um ihre Schuld zu begleichen. Archie hat allerdings ein großes Herz und gibt „seiner kleinen Streunerin“ einen Job. Loveday fühlt sich immer wohler im Antiquariat und findet in Archie sowas wie eine Familie. Eigentlich verläuft ihr Leben ganz passabel, sie liebt die Literatur, ihren Job, die Unabhängigkeit. Schließlich hätte es bei ihrer Vorgeschichte auch schlimmer kommen können. Doch reicht das wirklich aus im Leben? Eines Tages treffen Bücher im Antiquariat ein, die ihr sehr bekannt vorkommen und ihr Leben plötzlich auf den Kopf stellen. Zur gleichen Zeit lernt sie Nathan kennen, der auf einen Aushang aufmerksam wird, in dem es um seinen verlorenen Lyrikband geht. Inwieweit ist Loveday bereit, sich zu öffnen? Schafft sie es, wieder mehr Vertrauen zu den Menschen zu gewinnen? Und kann Nathan ihr dabei behilflich sein?

Schon der Klappentext verspricht eine außergewöhnliche Geschichte. Und da ich Bücher genauso sehr liebe wie Loveday, musste ich das Buch unbedingt lesen. Der Autorin ist hier eine wirklich bezaubernde, poetische Geschichte gelungen. Mit sehr viel Einfühlungsvermögen beschreibt sie Lovedays Leben, ihre Gefühlswelt und deckt rückblickend nach und nach ihre Vergangenheit auf. Als Leser konnte ich es kaum erwarten zu erfahren, was Loveday so Schreckliches wiederfahren ist. Man wollte sie einfach nur in den Arm nehmen und ihr Mut machen. Die berührende Sprache hat genau meinen Nerv getroffen und passte ganz wunderbar zu Lovedays Empfindungen.
Besonders gefallen haben mir die Überschriften der verschiedenen Zeitebenen, die genau den. Nagel auf den Kopf getroffen haben.
Lovedays Schicksal hat mich wirklich berührt, zumal sie auch direkt den Leser angesprochen hat.
Ein ganz wunderbares, poetisches Buch, in dem die Liebe zur Literatur eine ganz große Kraft entwickelt.