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goat
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Niedersachsen

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Insgesamt 132 Bewertungen
Bewertung vom 23.03.2016
Passagier 23
Fitzek, Sebastian

Passagier 23


gut

Polizeipsychologe Martin Schwartz verlor vor fünf Jahren seine Frau und seinen Sohn auf einer Kreuzfahrt. Sein daraus resultierender mangelnder Lebenswille gepaart mit seiner Einstellung, nun nichts mehr verlieren zu können, treiben ihn in seinem Beruf zu höchst waghalsigen Aktionen an. Inmitten einer dieser grenzwertigen Einsätze, in denen er sein Leben riskiert, bekommt er einen seltsamen Anruf von einer alten Dame. Sie ist Thrillerautorin und befindet sich aus Recherchegründen zu ihrem neuen Roman auf der „Sultan of the seas“, jenem Kreuzfahrtschiff, auf dem sich Martins Frau zusammen mit dem Sohn das Leben genommen haben soll. Sie bittet Martin, an Bord zu kommen, weil Beweise aufgetaucht sind, die vermuten lassen, dass sein Sohn noch am Leben sein könnte …

Eines vorweg: Ich liebe die Thriller von Sebastian Fitzek. Alle seine bis jetzt von mir gelesenen Romane habe ich inhaliert, weil sie von Seite zu Seite spannender wurden. So auch „Passagier 23“ – allerdings mit der Ausnahme, dass ich für die anderen immer fünf Sterne vergeben konnte. In diesem Fall ist mir das leider nicht möglich – eben WEIL es ein Roman von Sebastian Fitzek ist und ich weiß, wie gut er normalerweise schreiben kann. Hier liegt die Messlatte dementsprechend hoch und selbst meine Vergabe von drei Sternen ist noch geschmeichelt. So schwer habe ich mich schon lange nicht mehr mit einer Bewertung getan.

Wie gewohnt hat der Autor wieder einen spannungsgeladenen Thriller vorgelegt, den ich innerhalb kürzester Zeit ausgelesen hatte. Anders als sonst hatte ich in diesem Fall jedoch kein „WOW-Gefühl“ nach dem Zuklappen des Buches. Fitzek-Fans wissen, dass er in seinen Geschichten die Spannung steigert und immer noch einen draufsetzt. Aber genau das ist dieses Mal schiefgegangen. Die ganze Story war von Anfang an überzogen. Martin Schwartz hat mich als Protagonist nicht überzeugen können. Auch die Tatsache, dass er seine Familie verloren hat, hat für mich nicht plausibel gemacht, dass sich jemand freiwillig mit HIV infizieren oder sich einen Zahn ausschlagen lassen würde. Ebenso die Nebencharaktere, denen man auf dem Schiff begegnet. Es sind keine normal handelnden Personen, wie man sie sich vorstellen würde.

Eigentlich ist dieser Spagat zwischen normal erscheinenden Figuren und einer unglaublichen Auflösung am Ende des Romans immer das gewesen, was Fitzek meisterhaft beherrscht und was ihn zum beliebtesten deutschen Thrillerautor gemacht hat. Jetzt steht das Buch auf der Bestsellerliste, weil es ein „Fitzek“ ist und nicht, weil es qualitativ überzeugt hat. An den vielen Kritiken kann man erkennen, dass im Nachhinein viele Fans von „Passagier 23“ enttäuscht sind – so wie ich.

Meine anfängliche Befürchtung, dieser Roman könnte meine im Sommer bevorstehende Kreuzfahrt negativ beeinflussen, ist quasi ins Wasser gefallen. Ich hoffe, Sebastian Fitzek findet ganz schnell zu seinen alten Wurzeln zurück.

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Bewertung vom 03.03.2016
Die Zelle
Winner, Jonas

Die Zelle


sehr gut

In den Sommerferien zieht der elfjährige Sammy mit seinen Eltern nach Berlin in eine Jugendstilvilla mit einem großen Grundstück, auf dem sich noch ein Luftschutzbunker befindet. Im Gegensatz zu seinem großen Bruder Linus, der bereits einige Wochen zuvor mit dem Vater und den Möbelpackern vorausgefahren ist, konnte Sammy noch keine neuen Freundschaften schließen. Um die Langeweile zu vertreiben, erkundet er sein neues Zuhause und sieht zufällig, wie sein Vater die Gartenhütte betritt, die er immer schön sorgfältig wieder verschließt. Sammy schleicht ihm nach und findet so den Zugang zu dem Bunker, in dem er eine erschreckende Entdeckung macht. Durch eine schmale Öffnung in einer Wand schaut ihm ein verängstigtes Mädchen entgegen, eingesperrt in eine Zelle, die mit Gummifolie ausgekleidet worden ist. Sammy verspricht dem Mädchen, Hilfe zu holen und obwohl das Mädchen Sammys Sprache weder versteht noch spricht, schafft sie es, ihm begreiflich zu machen, dass er auf keinen Fall seinen Vater holen darf. Als Sammy am nächsten Tag wieder vor der Zelle steht, ist diese leer und das Mädchen spurlos verschwunden. Sammy wird klar, dass nur sein Vater dahinterstecken kann …

Welch grauenhafte Vorstellung, dass der eigene Vater ein Mädchen gefangen halten könnte. Von einem Tag auf den anderen bricht Sammys Welt zusammen. Jonas Winner hat ein Horrorszenario geschaffen und lässt von diesem aus der Sicht des elfjährigen Sammy berichten. Verstörend und unbegreiflich kam mir das Ganze vor und ich hatte eine Gänsehaut beim Lesen. Ich bekam unweigerlich sofort Mitleid mit dem armen Sammy. Es ist schon schwer, wenn beide Elternteile beruflich so eingespannt sind, dass für die Kinder keine Zeit bleibt. Diese Aufgaben übernimmt in diesem Fall das Au-Pair-Mädchen, welches sich auch bereits in London um die beiden Jungen gekümmert hat. Sammys Vater ist Komponist für Filmmusik und seine Mutter arbeitet an der Oper, was bedeutet, dass die beiden Eheleute sich eher selten sehen. Der Umzug nach Berlin trifft Sammy ganz besonders hart, weil er all seine Freunde aufgeben musste und somit niemanden um sich hat, mit dem er sich die Zeit in den Ferien vertreiben kann. Sein Bruder Linus ist ein paar Jahre älter und möchte sich mit seinem kleinen Bruder nicht abgeben. Folglich hat Sammy auch niemanden, dem er sich anvertrauen kann, als er dieses Mädchen in der Zelle entdeckt.

Dieser Thriller ist einer der etwas ruhigeren Sorte, dessen Hauptaugenmerk auf dem Familienleben liegt. Hier tun sich Abgründe auf und man möchte die ganze Zeit rufen: „Halt, hier läuft was falsch. Kann nicht mal jemand eingreifen?“ Und dann wiederum gibt es Szenen, da standen mir die Haare zu Berge ob der unerträglichen Grausamkeit. „Die Zelle“ lässt sich schon eher als Psychothriller betiteln. Über ein paar Seiten gibt es einige Längen, die auch für mich der Grund sind, warum ich einen Stern abgezogen habe. Ansonsten verspricht der Roman viel Spannung und wartet zum Schluss noch mit einer großen Überraschung auf. Vier Sterne gibt es von mir.

Bewertung vom 09.02.2016
Sagenreich
Schneider, Harald

Sagenreich


sehr gut

Um es einmal mit Harald Schneiders Humor auszudrücken. Aber zunächst zur Geschichte: Wie immer, wenn Hauptkommissar Palzki an irgendwelchen Veranstaltungen teilnimmt, passiert ein Mord. So auch bei den Nibelungenfestspielen in Worms, die er mit seinem Chef Klaus P. Diefenbach (KPD) besucht. Eine Komparsin wird mit einem Speer erstochen. Auch wenn dies eigentlich ein Fall für die Wormser Kripo ist, drückt ihm sein Vorgesetzter den Fall in den Magen. Noch während Palzkis Ermittlungen wird ein Buchwissenschaftler ermordet. Dieser war im Besitz des Originalmanuskripts vom Nibelungenlied. Musste er sterben, weil er auf der Suche nach dem verschollenen Gold war? Nur wer wusste davon? Soviel sei gesagt: Es bleibt nicht bei diesen beiden Morden und schlussendlich gerät sogar Palzki selber in Verdacht …

Sagenhaft langweilig ist von mir natürlich genauso übertrieben, wie Harald Schneiders Charaktere überzeichnet sind. Nur dieser Fall hat mich leider nicht mitreißen können, weil mich das Thema einfach nicht gepackt hat und sich zäh, wie Kaugummi, hingezogen hat. Aus diesem Grund fiel mir das Miträtseln auch etwas schwerer und durch die Einbringung von neuen Charakteren, genannt „Die 5 Pfälzer“, die Stammtischbrüder sind und allesamt pfälzisch babbeln, waren einige Passagen nur unter großer Anstrengung zu lesen. Ich mag es grundsätzlich schon, wenn man in Regionalromanen auch etwas vom Dialekt lesen kann. Aber das sollte sich dann doch lieber in Grenzen halten, damit einem das Lesen nicht verleidet wird. Wer mag, kann sich auf http://5pfaelzer.de/ selber ein Bild davon machen, denn die lustigen Burschen haben eine eigene Webseite. Auch auf der Palzki-Webseite gibt es ein MP3-Hörspiel von den 5 Pfälzern.

Ansonsten trifft man zwölften Band wieder auf gute alte Bekannte, wie Dr. Metzger, Dietmar Becker und auch der große Verhüller Marco (Christo) Fratelli. Als Zugabe befindet sich im Anhang ein Glossar, ein Ausschnitt aus einer historischen Landkarte, ein Ratekrimi und eine Kurzgeschichte. Von mir gibt es für „Sagenreich“ vier Sterne.

Bewertung vom 26.01.2016
Willkommen im Meer
Fitzner, Kai-Eric

Willkommen im Meer


gut

Tim Schäfer ist Lehrer und liebt seinen Beruf. Als er jedoch seine neue Stelle in Oldenburg am Gymnasium antritt, eckt er mit seiner unkonventionellen Art sehr schnell an. Seine Art zu unterrichten, den Schülern beizubringen, nicht alles hinzunehmen, sondern zu hinterfragen, stößt bei seinen Kollegen nicht auf Gegenliebe. Als Tim dann noch einen Schüler bei sich einziehen lässt, der Probleme mit seinem Vater hat, spitzt sich die Situation dramatisch zu. Man droht ihm mit Berufsverbot …

Selten war ich bei einem Buch so hin- und hergerissen wie bei „Willkommen im Meer“. Die Geschichte um den unerwarteten Erfolg dieses Buches kursierte lange Zeit im Internet. Im Mai 2015 erlitt der Autor dieses Buches einen Schlaganfall. Seine Frau bat im Internet um Unterstützung und in kürzester Zeit schoss das Buch bei Amazon auf den ersten Platz. Eine, wie ich finde, sehr verdiente Unterstützung – zeigt es doch sehr deutlich, dass wir Menschen doch noch ich der Lage sind, so etwas wie Mitgefühl aufzubringen. Ob es das Buch allerdings verdient hat, den ersten Platz zu belegen, die Meinung muss sich jeder Leser, unabhängig von der Krankheit des Autors, selber bilden.

Ich hatte Mühe mit dem Einstieg in die Geschichte und ebenso mit der Tatsache, dass es das Normalste der Welt zu sein scheint, wenn der Lehrer in seiner Freizeit die Schüler zu sich einlädt, mit ihnen Alkohol trinkt und kifft und seine Frau schaut nicht nur in aller Seelenruhe zu, sondern macht mit und unterstützt ihn dabei. Ich kritisiere nicht die Art des Protagonisten, seine Schüler in der Schule zu selbstständigen Menschen zu erziehen oder gegen die Vorgehensweise seiner Kollegen, Noten zu vergeben zu sein. Aber diese Masche: „Seht mich an. Ich bin der coolste Lehrer der Schule. Ihr müsst mich einfach mögen.“ – die ging mir irgendwann gehörig auf den Keks.

Der Anfang war zäh und chaotisch. Aber nach und nach nahm die Geschichte immer mehr an Fahrt auf und wurde auch interessanter. Herzlich gelacht habe ich bei der Szene am Tisch beim Weihnachtsessen. Ansonsten war der Schreibstil etwas gewöhnungsbedürftig und die Geschichte übertrieben haarsträubend. Dass mir das Buch nicht gefallen hat, kann ich trotz meiner doch sehr negativen Kritik nun aber nicht sagen. Nett, aber leider nicht ganz überzeugend. Aus diesem Grund vergebe ich drei Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.01.2016
Als Gott schlief
Wind, Jennifer B.

Als Gott schlief


ausgezeichnet

Ein Serienkiller treibt sein Unwesen. In Wien wird ein Weihbischof und in München ein Priester bestialisch ermordet. Während Kriminalbeamtin Jutta Stern und ihre Kollegen Georg Kunze und Thomas (Tom) Neumann zunächst keine Verbindung zwischen den beiden Gottesmännern herstellen können, müssen sie jedoch bald feststellen, dass sich die beiden Toten doch gekannt haben. Die Spur führt zu einem alten Kloster – einem ehemaligen Kinderheim, in dem die Geistlichen in den siebziger Jahren gearbeitet haben. Alle Personen, die etwas über das Kloster sagen könnten, schweigen jedoch beharrlich. Was bei den Ermittlungen dann aber ans Tageslicht kommt, lässt selbst den Beamten das Blut in den Adern gefrieren …

Jennifer B. Wind hat durch ihre intensiven Recherchen einen grandiosen Thriller geschrieben, der einem geradezu den Atem raubt. „Als Gott schlief“ ist nichts für zarte Gemüter und ich musste mehr als einmal tief durchatmen und schlucken, weil ich einen Kloß im Hals hatte. Noch immer gehört das Thema Kindesmissbrauch durch die Kirche zu den leider aktuellen Themen, die auch heute noch die Schlagzeilen beherrschen. Die Autorin verschweigt nichts und schockiert den Leser mit der schonungslosen, ungeschönten Wahrheit. Sie beweist Mut und der Erfolg beweist, dass sie alles richtig gemacht hat. Bei manchen Passagen hat mich ohnmächtige Wut ergriffen, ob der grausamen Dinge, die dieses Kreaturen den Kindern angetan haben.

Auch wenn es ein wenig in den Hintergrund rückt: Es handelt sich um einen Thriller und dieser bietet sehr viele Möglichkeiten, selber zu ermitteln. Während ich, genau wie die Kriminalbeamten, zunächst lange Zeit im Dunkeln tappte, schoss es mir plötzlich in den Kopf, wer der Täter sein könnte. Ich sage nur so viel: Ich habe mich nicht getäuscht.

Durch die Rückblenden in die Zeit, als das Kloster noch ein Kinderheim war, und die Erzählungen der kleinen Rebecca schafft es die Autorin, der ganzen Geschichte noch einen Hauch mehr Spannung zu verleihen als ohnehin schon. Für diesen Thriller vergebe ich fünf Sterne und freu mich schon auf das nächste Werk der Autorin.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.01.2016
Sterbegeld / Emilia Capelli und Mai Zhou Bd.3
Winter, Judith

Sterbegeld / Emilia Capelli und Mai Zhou Bd.3


sehr gut

Im dritten Band aus der Reihe um die beiden Frankfurter Ermittlerinnen Emilia Capelli und Mai Zhou geht es um einen bestialischen Mord an einer vierköpfigen Familie. Der sechsjährige Sohn Leon kann zwar noch einen Notruf absetzen und der Polizei mitteilen, dass jemand seiner Mama wehtut, jedoch kommen die Beamten zu spät. Als sie den Tatort betreten, bietet sich ihnen ein Bild des Grauen. Der kleine Leon ist tot, aber der Täter kann noch nicht lange fort sein. Aufgrund einiger Fotos im Haus der Familie stoßen die Beamten auf den Nachbarn Armin Bormann, der eine Beziehung mit der Mutter des kleinen Leon gehabt haben soll. Die Beweislast ist erdrückend und Bormann landet in Untersuchungshaft.

Acht Monate später: Während einer Razzia wird der Frankfurter Polizist Thorsten Mohr erschossen. Keiner seiner Kollegen kann sich erklären, warum dieser kurz zuvor noch seine kugelsichere Schutzweste ausgezogen hat. Da der Innendienst einen Maulwurf in den Reihen der Sondereinsatzgruppe vermutet, werden Em und Mai auf die eigenen Kollegen angesetzt. Zeitgleich wird der Fall der getöteten Familie wieder aufgerollt, weil Bormanns Anwalt, Karel Schubert, neue Beweise vorliegen, die die Unschuld seines Klienten beweisen könnten. Gleich zwei brisante Fälle mit denen sich die beiden Ermittlerinnen konfrontiert sehen …

„Sterbegeld“ lässt sich auch ohne Vorkenntnisse der anderen Bände sehr gut und flüssig lesen. Judith Winter hat einen spannenden Schreibstil und es gelingt ihr, die Spannung von Seite zu Seite zu steigern. Natürlich macht ein Großteil der Spannung die Auswahl der Themen aus. Dass es gleich zwei brisante Handlungsstränge sind, zwischen denen der Leser hin- und herspringt, lockert den Thriller noch zusätzlich auf. Auch die Möglichkeit zum Miträtseln war in beiden Fällen gegeben.

Ich hätte mir allerdings gewünscht, etwas mehr über die beiden Protagonistinnen zu erfahren. Richtige Sympathie wollte sich mit den dürftigen Hintergrundinformationen bei mir nicht einstellen. Leider hat mich die Auflösung des Familienmordes auch etwas ratlos zurückgelassen. Die Beweggründe des Mörders waren einfach zu weit hergeholt und völlig überzogen. Dennoch kann ich „Sterbegeld“ guten Gewissens empfehlen und vergebe vier Sterne.

Bewertung vom 26.11.2015
Jäger / Marina Esposito Bd.4
Carver, Tania

Jäger / Marina Esposito Bd.4


sehr gut

Bei "Jäger“ handelt es sich um den vierten Band aus der Reihe um die Polizeipsychologin Marina Esposito. Bereits der Prolog hat es in sich. Ein Junge erwacht in seinem Elternhaus mit einer Schrotflinte in seiner Hand. Um sich herum Blut – viel Blut. Es ist das Blut seiner Eltern und das seiner beiden Halbgeschwister. Der Täter kannte keine Gnade und hat sie alle rücksichtslos erschossen. Der Junge prägt sich die Gesichter derer ein, die er seine Familie nannte, Trauer empfindet er nicht. Und doch setzt er sich, steckt sich den Lauf der Flinte in den Mund, und noch bevor er abdrücken kann, bemerkt er, dass er sich nicht alleine in dem verwüsteten Haus befindet. Ein Fremder taucht vor ihm auf, kann ich von seinem Vorhaben abbringen und bietet ihm seine Hilfe an.

Wer hat dieses Blutbad angerichtet? Der Fremde? Der Junge, dessen Distanz zu seinen Angehörigen so groß ist, dass er bei dem Anblick der toten Körper nichts empfinden kann? Mit dieser Frage wird der Leser ein paar Jahre weiter in ein anderes Geschehen geworfen.

Marina Esposito verbringt ein Wochenende mit ihrer Familie am Meer. Bei einer Explosion jedoch geht das Cottage in Flammen auf. Jemand hindert Marina noch daran, in das brennende Haus zu laufen. Als sie kurz darauf im Krankenhaus wieder wach wird, teilt man ihr mit, dass ihr Schwiegervater bei dem Brand ums Leben gekommen ist und ihr Mann Phil im Koma liegt. Von ihrer 3-jährigen Tochter Josephina fehlt jede Spur, bis Marina einen Anruf erhält, in dem ihr mitgeteilt wird, man habe ihre Tochter entführt. Die einzige Chance, sie lebend wiederzusehen, ist mit der Bedingung verknüpft, dass die Psychologin dabei hilft, die Unschuld eines vor Jahren verurteilten Mörders zu beweisen.

Es ist schnell klar, dass zwischen diesen Szenen eine Verbindung besteht und dass der Mann, dessen Unschuld Marina beweisen soll, der Mörder der erschossenen Familie ist. Mehr Informationen bekommt der Leser nicht und tappt damit genauso im Dunklen wie Marina Esposito. Diese versucht ihre Tochter im Alleingang zu finden, was angesichts der Tatsache, dass sie als geschulte Psychologin eigentlich wissen müsste, wie sie sich zu verhalten hat, zunächst etwas unlogisch erscheint. Aber kann man als Mutter noch logisch handeln, wenn das eigene Kind entführt wird? Mit der nötigen Distanz bei anderen Betroffenen mag das gehen, aber ist man selber in dieser Situation, kann niemand rationales Denken und Handeln erwarten.

Die Geschichte ist zunächst noch etwas verwirrend und Tania Carver lässt sich beim Entwirren der Zusammenhänge sehr viel Zeit. Der Schreibstil erzeugt Spannung, was nicht zuletzt auch an den relativ kurz gehaltenen Kapiteln und den vielen Szenenwechseln liegt. Trotz der kurzen Kapitel hat das Autorenpaar sehr viel Wert auf eine detaillierte Beschreibung der Charaktere gelegt. Ich habe viel über die Gefühle oder die Denkweise der einzelnen Figuren erfahren, was zwangsläufig dazu führte, dass ich versuchte, mich in sie hineinzuversetzen. Ob die Handlungen immer so logisch sind, lasse ich mal dahingestellt. Es gab auf jeden Fall ein oder zwei Charaktere, die mir gar nicht zugesagt haben und deren Handlungen ich oft nicht nachvollziehen konnte.

Das Buch ist zusätzlich zum Prolog und zum Epilog in vier Teile eingeteilt. Der Zeitraum der Handlung erstreckt sich von Karfreitag bis Ostermontag. Das Cover ist, wie ich finde, sehr gelungen. Von den Farben her dezent, die Augen, die durch einen schmalen Spalt in der Wand gucken, machen neugierig. Nur den Titel des Buches mag ich nicht so recht in Verbindung mit der Geschichte bringen. Alles in allem ist "Jäger“ ein solider Thriller und ich vergebe vier Sterne.

Bewertung vom 26.11.2015
Zertrennlich
Sarginson, Saskia

Zertrennlich


sehr gut

Die Zwillingsschwestern Isolte und Viola wachsen recht unkonventionell auf. Nachdem ihre Mutter die Hippie-Kommune, in der sie jahrelang lebten, verlässt, ziehen sie nach Suffolk. Ihren Vater haben die beiden Schwestern nie kennengelernt. Als Selbstversorger führen sie kein leichtes Leben und gehen nicht selten mit knurrendem Magen ins Bett, was sie bei ihren Mitmenschen als Außenseiter erscheinen lässt. Viola und Isolte freunden sich mit den Zwillingen John und Michael an und Viola und John verlieben sich ineinander. Der Tod der Mutter reißt die beiden Mädchen aus ihrem doch sehr sorglosen Leben heraus. Es muss sich eine Tragödie abgespielt haben, an der die Zwillinge nicht unschuldig sind. Eine Tante in London nimmt die beiden auf. Während Isolte sich an das Stadtleben gewöhnt, zerbricht Viola an der Trennung zu John und kann sich nicht daran gewöhnen, nicht mehr durch die Wälder streifen zu können. Die Jahre vergehen und aus Isolte ist eine erfolgreiche Moderedakteurin geworden. Viola hat sich mit ihrem Schicksal jedoch nicht abfinden können und hungert sich langsam aber sicher zu Tode …

„Zertrennlich“ wird sowohl auf zwei Zeitebenen als auch aus mehreren Perspektiven erzählt. Hierbei ist die aus Violas Sicht als Icherzählerin die wohl eindringlichste, denn ihr hat das Schicksal ganz übel mitgespielt. Es ist nicht immer ganz leicht, den häufigen Wechseln zu folgen, was den Lesefluss doch erheblich stört. Schon von Beginn an geht die Geschichte an die Substanz, denn Saskia Sarginson schont ihre Leser nicht. Die Gründe, warum sich die Zwillinge so weit voneinander entfernt haben, sind nachvollziehbar – der Weg dahin jedoch und warum es so kommen musste, war für mich schwer zu begreifen, was sicher daran liegen mag, dass ich in einem ganz anderen Umfeld aufgewachsen bin und mir manche Dinge einfach so unfassbar erscheinen.

Durch die vielen Charaktere, die die Autorin gleich zu Anfang einstreut, wirkt die Geschichte spannend und hektisch zugleich. Interessanter wird das Ganze zusätzlich, dass die Autorin das Geheimnis der Zwillinge nur nach und nach enthüllt. Die Sprache ist sehr poetisch und so habe ich mich schnell mitreißen lassen. Doch trotz allem ist mir das ganze Handeln der Charaktere doch etwas zu emotionslos – allem voran Isoltes Reaktion, wenn sie ihre Schwester im Krankenhaus besucht, kommt mir so kühl und distanziert vor.

Bei „Zertrennlich“ handelt es sich nicht um einen Thriller, wie ich aufgrund des Klappentextes zunächst irrtümlicherweise angenommen habe. Eine genaue Zuordnung zu einen bestimmten Genre ist schwer. Für mich ist es ein Drama, welches sehr spannend beginnt, im Mittelteil dann ein paar Schwächen aufweist aber ein stimmiges Ende präsentiert. Von mir gibt es vier Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.11.2015
Aufstieg und Fall großer Mächte
Rachman, Tom

Aufstieg und Fall großer Mächte


weniger gut

Auch wenn das Cover sehr unscheinbar ist, der Titel des Buches ließ mich gleich einen Blick auf den Klappentext werfen und ich war fasziniert von dem, was ich dort las. Tooly Zylberberg, Besitzerin einer Buchhandlung auf dem Lande in Wales, wurde als Kind vom eigenen Vater entführt und ihm später entrissen. Sie wuchs auf in Asien, Europa und den USA. Im Laufe ihres Lebens begegnet sie einigen sehr undurchsichtigen Menschen. Dem Rätsel ihres geheimnisvollen Lebens scheint sie aber erst auf die Spur zu kommen, als sich ein Ex-Freund per E-Mail bei ihr meldet …

Das im Klappentext versprochene Licht ins Dunkel kam auch nach Beenden des Romans für mich nicht – höchstens eine spärliche Notbeleuchtung. Diese reichte jedoch leider nicht aus, die Enttäuschung, die meiner anfänglichen Euphorie folgte, zu abzumildern.

Die Geschichte wird auf drei Zeitebenen erzählt. Hier legt der Autor drei Lebensjahre von Tooly offen: 1988, 1999 und 2011. Dem Leser werden einige sehr seltsame Menschen aus Toolys Leben vorgestellt und es gab nicht eine Figur, deren Handeln ich auch nur im Entferntesten hätte nachvollziehen können. Viel schlimmer aber ist, dass selbst die Protagonistin mich nicht überzeugen konnte. Mitten auf dem Weg durch dieses zähe und langatmige Werk mit all den kühlen und mir nicht verständlichen Charakteren blieb dann auch meine Empathie auf der Strecke. Selbst das Ende, welches einige Geheimnisse aufdeckt, ließ mich etwas ratlos zurück.

Die vielen positiven Meinungen zu "Aufstieg und Fall großer Mächte" zeigen mir, dass es wohl einfach nicht mein Buch war oder auch der Zeitpunkt vielleicht nicht der richtige war. Eine Empfehlung für ein Buch, durch dessen fast 500 Seiten ich mich zwingen musste, kann ich nicht aussprechen. Aber auch abraten möchte ich von Tom Rachmans Werk nicht. Hier muss sich wohl jeder sein eigenes Bild machen, da die Meinungen sehr unterschiedlich ausfallen. Etwas enttäuscht vergebe ich dieses Mal leider nur zwei Sterne.