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goat
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Niedersachsen

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Insgesamt 132 Bewertungen
Bewertung vom 02.11.2016
Zersetzt / Fred Abel Bd.2
Tsokos, Michael;Gößling, Andreas

Zersetzt / Fred Abel Bd.2


ausgezeichnet

„Zersetzt“ ist der zweite Band aus der True-Crime-Reihe, der zeitlich jedoch zehn Monate vor dem ersten Band „Zerschunden“ spielt. Dies tut der Spannung zwar keinen Abbruch und man benötigt keinerlei Vorwissen, um den Roman verstehen zu können, ist aber vielleicht nicht unbedingt jedermanns Sache. Ich persönlich bin eher ein Freund von chronologischen Reihenfolgen. Der Roman besteht aus mehreren Handlungssträngen, die in den recht kurz gehaltenen Kapiteln jedoch durch den Ort, das Datum und die Uhrzeit gut voneinander zu unterscheiden sind.

Noch während Rechtsmediziner Dr. Fred Abel bei einem Opfer auf seinem Seziertisch einen winzig kleinen Stich in der Kniekehle feststellt und sich an einen nicht gelösten Fall erinnert, wird er vom Innenministerium nach Transnistrien geschickt. Der transnistrische Präsident möchte von Abel zwei Leichen obduziert haben, die in ungelöschtem Kalk gefunden wurden. Unter Aufsicht des osteuropäischen Geheimdienstes soll Abel herausfinden, ob es sich um die beiden Söhne eines Oligarchen handeln könnte.

Kein ungefährliches Unterfangen für Abel. Die beiden Männer wurden schwer gefoltert, bevor sie einen grausamen Tod starben. Abel, der den Osteuropäern nicht traut, steckt plötzlich mitten in einem politischen Komplott und muss fliehen - quer durch das transnistrische Grenzland, seine Verfolger sind ihm dicht auf den Fersen. Zur gleichen Zeit kämpft in Deutschland ein junges Mädchen in einem Kellerverlies um sein Leben …

Für „Zersetzt“ braucht man als Leser starke Nerven, denn Michael Tsokos und Andreas Gössling sparen nicht mit ausführlichen Beschreibungen brutaler und blutiger Szenen. In den unterschiedlichen Handlungssträngen wird aus Sicht der Opfer geschrieben. Der Leser erfährt genauestens (und noch vor Fred Abel), was zum Beispiel die beiden Männer durchmachen mussten, bevor ihr Leben im ungelöschten Kalk ein Ende fand. Auch die Szenen im Kellerverlies schildern sehr detailliert, was der Psychopath mit seinem Opfer zu tun gedenkt. Zartbesaitete greifen besser nicht zu diesem Thriller. Was den Gedanken nicht unbedingt erträglicher macht, ist die Tatsache, dass viel von dem, was die Autoren beschreiben, sich im tatsächlichen Leben so oder so ähnlich zugetragen hat. Die Welt ist ein grausamer Ort.

Ich finde zwar, dass viele Handlungsstränge einen Thriller beleben, in diesem Fall jedoch hätte mindestens jeder Handlungsstrang ein eigenes Buch verdient gehabt. Es war alles ein wenig zu überladen – vor allen Dingen, weil alle Handlungsstränge auch noch gleich spannend waren. Nur das, was eigentlich sonst üblicherweise bei Thrillern mit mehreren Handlungssträngen passiert, hat mir hier gefehlt: dass am Ende die losen Fäden irgendwie zusammenlaufen.

Zum perfekten Thriller fehlt mir irgendwie noch der fließende Schreibstil, der sich eher wie ein Roman und nicht wie ein Sachbuch lesen lassen sollte. Den Dreh haben die beiden leider noch nicht ganz raus. Trotzdem: Spannend bleibt spannend und verdient fünf Sterne.

Bewertung vom 02.11.2016
Die Autobiographie der Zeit
Lindner, Lilly

Die Autobiographie der Zeit


ausgezeichnet

„Wenn Worte meine Sprache wären“

Was Tim Bendzko für die Musik ist, ist Lilly Lindner für die Literatur. Ihr Name war mir bis dato kein Begriff. Aber an diesem Büchlein mit dem auffälligen Titel und der wunderschönen Gestaltung kam ich einfach nicht vorbei. Das Cover ziert eine aufgeklappte Taschenuhr, aus der Wasser fließt, auf dem wiederum ein Papierboot schwimmt. Das nennt man wohl Zeitfluss?! Und genau diese Zeit verging beim Lesen wie im Flug.

Der Roman umfasst nur 240 Seiten, von denen längst nicht alle komplett beschrieben sind und die viele herausragende Illustrationen enthalten. An dieser Stelle auch ein großes Lob an Lisa Wöhling. Die Inhaltsangabe selbst sagt sehr wenig über den Inhalt des Buches aus. Aber gerade das alles zusammen hat mich noch neugieriger auf „Die Autobiographie der Zeit“ gemacht.

Protagonistin ist die 15-jährige Ich-Erzählerin, die Zeit. Als sie stirbt und der Tod kommt, um sie abzuholen, lastet er ihr eine unheimliche Bürde auf. Sie muss ihren Heimatplaneten „Winter“ verlassen, um zukünftig für „den Rest der Zeit“ als unsterbliche Macht über die Welt zu wachen. Zusammen mit den anderen Mächten – Kevin (dem Raum), David (der Beständigkeit) und Shay (dem Abgrund) versucht sie, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Aber gerade die Menschen lassen diese Aufgabe zu einem schwierigen und komplexen Unterfangen werden …

Die Sätze sind zwar sehr kurz und bündig, aber wählt man die richtigen Worte aus, sagen sie weitaus mehr aus als manch ein langer Roman. Die Autorin muss die Seiten nicht komplett mit Wörtern füllen, denn sie überlässt es uns Lesern, etwas Wortgewaltiges daraus zu machen. Lilly Lindner schreibt über Glück und Unglück, Mut und Angst und auch über Hoffnung und tiefe Hoffnungslosigkeit. Alles in der Macht stehende tun, um ein Unheil abzuwenden? Wie sollen die vier Mächte das schaffen, wenn der Mensch sich selbst zugrunde richtet?

Die Autorin hat mich mit ihren Worten tief bewegt. Ihr Buch handelt von uns Menschen, der Zeit und was wir aus dieser Zeit machen. Über all das machen wir uns viel zu wenig Gedanken und nehmen vieles als selbstverständlich hin. Wer nach diesem Buch nicht ins Grübeln gerät, hat die ganze Geschichte nicht verstanden. „Die Autobiographie der Zeit“ ist ein wundervolles und kostbares Werk, welches ganz sicher fünf Sterne verdient hat. Von mir gibt es eine ganz klare Empfehlung.

Bewertung vom 18.09.2016
Sieben minus eins / Berger & Blom Bd.1
Dahl, Arne

Sieben minus eins / Berger & Blom Bd.1


sehr gut

„Sieben minus eins“ ist der Auftakt zu einer neuen Krimireihe mit dem Ermittlerduo Sam Berger und Molly Blom. Drei Wochen nach der Entführung eines 15-jährigen Mädchens, hat die Polizei noch immer keine heiße Spur. Ein anonymer Hinweis führt die Ermittler zu einer verlassenen Hütte in einem Wald. Durch eine Selbstschussanlage wird ein Polizist schwer verletzt, doch außer einer Blutlache in einem Verlies im Keller, finden die Beamten nichts. Sie sind zu spät gekommen. Nur wo ist das Mädchen? Sam Berger erinnert dieser Fall an weitere Vermisstenfälle aus vergangenen Jahren. Er geht, im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten von einem Serientäter aus. Weitere Nachforschungen führen ihn anhand von Pressebildern oder Videos zu einer Frau, die an jedem dieser Tatorte mit einem Fahrrad auftauchte. Sam Berger scheint in ein Wespennest gestochen zu haben, denn plötzlich wendet sich das Blatt und er ist derjenige, der unter Mordverdacht gerät …

Angesprochen hat mich als Erstes das Cover, welches in sehr dezenten Farben eine ungeheure Ruhe ausstrahlt mit dem Boot auf dem Wasser. Diese Ruhe ist natürlich trügerisch, wie sich später herausstellt. Aber das Cover passt sehr gut zum Roman, da ein Bootshaus eine sehr große Rolle in diesem Fall spielt. Der Krimi ist spannend – ohne Frage. Dennoch gehört „Sieben minus eins“ nicht zu Arne Dahls besten Romanen. Der Funke bei den beiden Protagonisten ist bei mir noch nicht hundertprozentig übergesprungen. Eigentlich mag ich eigenwillige Ermittler, aber Sam Berger hat es mir nicht gerade leicht gemacht. Seine permanenten Alleingänge und Geheimniskrämereien habe ich in sofern nicht nachvollziehen können, als er seine Kollegin zu nicht ganz ungefährlichen Aktionen verleitet, die sie nicht nur den Job kosten könnten, sondern auch eine Gefährdung fürs Leben darstellen. Vielleicht ist das der Grund, warum ich mit ihm einfach nicht warm geworden bin. Aber auch hier kann man sich täuschen – wie im wahren Leben und ich hoffe, je besser man einen Protagonisten kennenlernt, umso mehr wird man ihn mögen.

Arne Dahl hat in diesem Krimi mit vielen Perspektiv- und Szenenwechseln gearbeitet und das lässt den Spannungspegel enorm nach oben schnellen. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Und immer stellte sich mir die Frage: Wo sind die Entführungsopfer abgeblieben? Sind sie tatsächlich tot oder leben sie vielleicht doch noch? Da die erste Hälfte des Buches sich fast ausschließlich auf die Ermittler konzentriert und dem Leser dann ganz abrupt mitgeteilt wird, wer der Täter ist, fällt ein Miträtseln bei diesem Krimi komplett weg. Doch das, was ich bei anderen Krimis bemängeln würde, tut der Spannung hier keinen Abbruch. Einen absoluten Cliffhanger liefert der Autor mit dem letzten Absatz. Ganz sicher weiß ich, wer den zweiten Band aus der neuen Reihe lesen wird. Für „Sieben minus eins“ vergebe ich vier Sterne.

Bewertung vom 02.08.2016
Bucht der Schmuggler / Gold des Südens Bd.1-5
Schiewe, Ulf

Bucht der Schmuggler / Gold des Südens Bd.1-5


ausgezeichnet

„Bucht der Schmuggler“ ist ein wahres Lesevergnügen. Man merkt, dass in diesem Roman viel Recherchearbeit steckt. Ulf Schiewe weiß, worüber er schreibt. Zugute kommt ihm dabei sicherlich, dass er mehrere Jahre in Nordbrasilien gelebt hat und dort sehr viel über das Zuckerrohr gelernt hat. Und auch die Seefahrt ist ihm nicht fremd, sodass das Thema natürlich ein „Heimspiel“ war. Seine Charaktere sind ihm allesamt sehr gut gelungen und sie waren mir so sympathisch und zum Teil auch unsympathisch, dass ich gut mitfiebern konnte. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn die Figuren eines Romans einen kaltlassen. Besonders schön an diesem Roman finde ich, dass der Autor seinen Charakteren Raum gibt, sich zu entwickeln. Gerade bei Jan wird das sehr deutlich. Zu Beginn des Romans kam er mir noch ein wenig grün hinter den Ohren vor. Doch nach dem Tod seines Vaters wird er auf der abenteuerlichen Reise, zu der er gezwungen wird, allmählich erwachsen und trifft weise und vorausschauende Entscheidungen. Da sehr viele Charaktere in der Geschichte auftauchen, war es sehr hilfreich, dass gleich zu Beginn des Romans ein Personenregister angelegt wurde. Ich habe des Öfteren mal zurückblättern müssen.

In den Bann gezogen haben mich ganz klar die Szenen der Schiffsreise. Zum einen die Situation an Bord mit diesen vielen Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Da wären Elsje, eine Prostituierte und einzige Frau an Deck unter all den Männern – oder der portugiesische Schiffsarzt, der in Wirklichkeit gar kein Arzt ist. Auch Jans Mannschaft ist ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Aber wenn es hart auf hart kommt, können sich alle aufeinander verlassen. Die Tatsache, Sklaven an Bord quasi als Ware zu transportieren, behagt niemandem und keiner weiß so recht mit dieser Situation umzugehen.

Das Thema Sklaven wurde sehr anschaulich behandelt. Es nahm nicht zu viel Raum in der Geschichte ein, aber doch genug, um mich sehr nachdenklich zu stimmen. Was diesen Menschen widerfahren ist, ist niemals wieder gutzumachen. In diesem Roman waren zwei der Sympathieträger Sklaven und die haben mich mit ihrem Handeln sehr beeindruckt.

Auch wenn der Ausgang der Geschichte stellenweise voraussehbar war, so hat mich Ulf Schiewe mit „Bucht der Schmuggler“ sehr gut unterhalten und ich habe mich zu keinem Zeitpunkt gelangweilt. Das Ende lässt definitiv auf einen zweiten Teil schließen und ich hoffe doch sehr, dass nicht allzu viel Zeit bis dahin vergeht. Von mir gibt es fünf Sterne und eine ganz klare Leseempfehlung.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.06.2016
Remember Mia
Burt, Alexandra

Remember Mia


sehr gut

Nach einem Autounfall erwacht die schwer verletzte Estelle Paradise im Krankenhaus und kann sich an nichts mehr erinnern – außer der Tatsache, dass sie ein sieben Monate altes Kind hatte. Aber nun ist Mia verschwunden und es stellt sich die Frage, ob sie entführt wurde, oder ob Estelle etwas mit dem Verschwinden zu tun hat. Mehrere Personen, darunter so gar ihr eigener Ehemann, behaupten, die junge Mutter war of überfordert mit ihrer Tochter …

Alexandra Burt nimmt die Leser mit auf eine Reise voller spannender Verwirrungen. Nur häppchenweise erfährt man, was sich genau zugetragen hat und muss sich, genau wie Estelle, die Wahrheit zurechtpuzzeln. Die Charaktere, die einem dabei über den Weg laufen, sind zum großen Teil unsympathisch – allen voran Jack, Estelles Ehemann. Seiner Frau keine große Hilfe und gnadenlos gefühlskalt, liefert er sie sehr zügig in einer psychologischen Klinik ab. Die Ärzte dort sind auf Amnesiefälle spezialisiert und zudem entgeht Estelle somit vorläufig einer Haftstrafe.

Die Autorin legt das Hauptaugenmerk auf die Suche nach Mia. Gefühlsduseleien sind eher nicht ihr Ding, denn die Schilderungen sind sachlich und unterkühlt. Emotionen Fehlanzeige! Das hat natürlich zur Folge, dass ich der Protagonistin auch nicht sonderlich viel Mitgefühl entgegenbringen konnte. Lieber wäre mir gewesen, die Autorin wäre etwas tiefer ins Detail gegangen und mehr auf die Charaktere eingegangen, dann wäre aus „Remember Mia“ ein sehr guter Psychothriller geworden. Nichtsdestotrotz hat dieser Roman viel von dem zu bieten, was einen Thriller ausmacht – Spannung! Das liegt nicht zuletzt auch an der Tatsache, dass in der Gegenwartsform aus der Sicht von Estelle erzählt wird.

Das Ende ist dann in meinen Augen etwas „too much“, würde mich aber definitiv nicht davon abhalten, einen weiteren Roman der Autorin zu lesen. Von mir gibt es vier Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.06.2016
Still Chronik eines Mörders
Raab, Thomas

Still Chronik eines Mörders


ausgezeichnet

Ungewöhnlich ist es, wenn ein Autor diesen Satz über seinen Protagonisten verfasst. Aber ungewöhnlich ist auch dieses Buch, welches sich für mich als ein poetischer Schatz der Literatur herausgestellt hat. Doch zunächst stellt sich die Frage, für wen ist dieser Tag ein guter Tag? Für die Mitmenschen von Karl? Für Karl selbst? Oder sogar für die Leser, die Karl fast drei Jahrzehnte seines Lebens begleiten? Aber wer genau ist denn eigentlich Karl?

„Still“ ist kein reißerischer Thriller, wie man ihn vielleicht bei einer solchen Inhaltsangabe erwarten würde. Was Thomas Raabs Roman ausmacht, ist weniger der Inhalt als die Art, wie der Autor den Weg des Mörders beschreibt, nämlich in ganz leisen Tönen – eben STILL. Hier ist der Name Programm. Und wer nun glaubt, bei einer Schneise des Todes kann es keineswegs still zugehen, der irrt gewaltig. Karl ist beileibe kein Sympathieträger, aber ich konnte gut nachvollziehen, was ihn zu diesen Taten trieb und mich nicht ganz davon freisprechen, so etwas wie Mitleid mit ihm zu haben.

Der Leser muss sich automatisch mit dem „Kind“ Karl auseinandersetzen, das auf so tragische Art und Weise zum „Mörder“ Karl wird. Es führt kein Weg vorbei am Begreifen dieser Taten. Diesen Roman mit „Das Parfum“ von Patrick Süskind zu vergleichen ist legitim. Aber „Still“ ist durch Raabs Schreibstil so viel mehr. Die Figuren, die er geschaffen hat, sind so gut beschrieben und in Szene gesetzt, dass ich einfach nur fasziniert bin. Die große Wendung dieses Romans wird allerdings von zwei Charakteren verursacht, die ich in meiner Rezension noch gar nicht erwähnt habe. Man darf „Still“ also noch immer mit großer, erwartungsvoller Spannung lesen, ohne dass ich zu viel verraten habe. Ein großartiges Werk und mehr als fünf Sterne wert.

Bewertung vom 12.06.2016
Die Inselfrauen
Lott, Sylvia

Die Inselfrauen


ausgezeichnet

Für mich ist der neue Roman von Sylvia Lott ein sehr angenehmer Vorgeschmack auf den Sommer. Ich konnte sofort eintauchen in das Inselleben und auch die Geschichten der drei Frauen haben mich sofort in ihren Bann gezogen. Der Wechsel zwischen den beiden Zeitebenen ist mühelos zu verfolgen und lockert den Schreibstil erheblich auf. Außerdem erzeugt die Autorin dadurch noch etwas Spannung, weil der Leser nicht sofort erfährt, wie es weitergeht. Durch die Examensarbeit von Rosalie gibt es immer wieder einen Abstecher in die vergangenen Jahrhunderte und es gibt einiges Interessantes über das damalige Leben der Frauen auf der Insel zu lesen.

Bei „Die Inselfrauen“ handelt es sich ganz klar um einen reinen Frauenroman, der sehr einfühlsam verfasst und umgesetzt wurde. Die Geschichte berührt und ich hatte mehr als einmal eine Gänsehaut beim Lesen. Liebesromane zu verfassen, die einem das Herz für die Protagonisten öffnen, jede Menge Lokalkolorit bieten und nicht ins Kitschige abdriften, will gelernt sein. Und Sylvia Lott, die kann es einfach. Da ich selber in Ostfriesland wohne, ist es immer wieder schön, über Sitten und Gebräuche wie „Klaasohm“ oder regionaltypische Spezialitäten wie „Ostfriesische Bohntjesopp“ zu lesen. Und wenn dann noch der Akkordeon spielende Wattführer Albertus Akkermann im Roman auftaucht, den ich schon persönlich kennenlernen durfte, dann ist doch alles perfekt.

Witzig fand ich die kleinen Anspielungen auf die vorherigen Romane der Autorin auf Seite 354: „Und im Mai zur Rhododendronblüte ins Ammerland (Die Rose von Darjeeling). Oder auf der Deutschen Edelsteinstraße gemächlich durch den Hunsrück (Die Lilie von Bela Vista). Aber ich würde auch gern Freunde auf Long Island besuchen .. Ach ja, und dort das beste Rezept für den Cheese Cake New York Style (Die Glücksbäckerin von Long Island) herausfinden!“

Interessant ist, dass ein Walzer die Inspiration zu diesem Roman war. Wie im Vorwort empfohlen, habe ich mir „And the waltz goes on“ von Sir Anthony Hopkins, uraufgeführt im Jahr 2011 in Wien von André Rieu, angehört. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Sylvia Lott ausgerechnet diesen Walzer für ihr Buch aufgegriffen hat. Er ist eine wahre Inspiration und steht für alle Emotionen, die dieses Buch zu dem machen, was es ist - ein großartiger, gefühlvoller und unterhaltsamer Roman. Ich bedanke mich bei Sylvia Lott mit fünf Sternen.

Bewertung vom 26.04.2016
Die sieben Tode des Max Leif
Käppler, Juliane

Die sieben Tode des Max Leif


ausgezeichnet

Max Leif ist mit 41 Jahren ein sehr erfolgreicher Musikproduzent und Inhaber des Frankfurter Musiklabels LeifMusic. Als Millionär führt er ein Leben auf der Überholspur und ihn wirft so leicht nichts aus der Bahn – weder der Herzinfarkt, den er erleidet, noch der Seitensprung seiner Freundin – die er kurzerhand aus der Wohnung schmeißt. Erst als sein bester Freund Paul an einer Thrombose stirbt, gerät sein Leben aus den Fugen. Auf dem Rückflug aus dem Urlaub in Sansibar, der ursprünglich mit Paul zusammen geplant war, gerät das Flugzeug plötzlich in Turbulenzen und auf einmal gibt es den sorglosen, durch nichts zu erschütternden Max nicht mehr. An seine Stelle tritt ein ängstlicher, grüblerischer und vor allem überzeugter Hypochonder. Appetitlosigkeit, Fieber und Husten? Natürlich wurde Max im Urlaub von einer Tsetsefliege erwischt. Auch HIV, die Schlafkrankheit und ein Tumor im Kopf lassen ihn zu einem Dauergast bei Frau Dr. Bärbeißer werden. Diese erträgt Max‘ eigens ergoogelten Diagnosen mit stoischer Gelassenheit. Nichts und niemand kann ihn davon abbringen, dass sein letztes Stündlein bald geschlagen hat und so setzt Max sein Testament auf …

Juliane Käppler hat mit Max einen so sympathischen Charakter geschaffen, dass man ihn einfach lieben muss. Neben Max gibt es noch einige andere Charaktere, die ebenso liebenswert sind – auch wenn es auf den ersten Blick ganz anders wirkt. Ich habe die ganze Zeit versucht mir vorzustellen, ob ich so ruhig geblieben wäre, wenn ich an Frau Dr. Bärbeißers Stelle gewesen wäre. So einen Patienten hätte ich zum Mond geschossen. Die etwas schroffe Art von ihr ist also nur allzu gut nachzuvollziehen.

Dann ist da noch die russische Putzfrau Jekaterina Poljakow, die Max immer ganz deutlich mit ihrem russischen Akzent die Meinung sagt. Direkt, offen, aber immer besorgt liebenswert. Und was wäre so eine Geschichte ohne eine Herzensdame, die sich als mürrische, ewig schlecht gelaunte Barista namens Maja herausstellt?! Warum Max seinen Kaffee trotz der Unfreundlichkeit doch immer wieder beharrlich bei ihr bestellt, wird erst im Verlauf der Geschichte klar.

Ich bin ursprünglich davon ausgegangen, dass es sich hier um einen humorvollen Roman handelt. Das ist er auch, hat aber noch wesentlich mehr zu bieten, denn er macht nachdenklich und zeigt auf, was wirklich wichtig ist im Leben. Der Schreibstil ist flüssig und die immer wieder neuen Krankheiten von Max lassen den Leser zwar schmunzeln, driften aber niemals ins Lächerliche ab. Die Autorin hat mich mit ihrem Roman auf ganzer Linie überzeugt. Ich vergebe fünf Sterne.

Bewertung vom 28.03.2016
Gedenke mein / Gina Angelucci Bd.1
Löhnig, Inge

Gedenke mein / Gina Angelucci Bd.1


ausgezeichnet

Mit „Gedenke mein“ wagt Inge Löhnig den Start in eine neue Reihe. Diese dreht sich allerdings immer noch um das Umfeld von Kommissar Dühnfort. Ermittlerin ist hier seine Verlobte Gina Angelucci, sodass wir Leser auch nicht gänzlich auf Dühnfort verzichten müssen. Gina arbeitet in der Abteilung für Cold Cases. So bezeichnet man Fälle, die seit vielen Jahren ungeklärt sind. Gerade erst hat sie einen solchen Fall erfolgreich nach achtundzwanzig Jahren aufklären können. Diese Tatsache führt Petra Weber zu ihr. Verzweifelt bittet sie Gina, sich auf die Suche nach ihrer vor zehn Jahren verschwundenen Tochter Marie zu machen. Damals beging ihr Mann Selbstmord und die Polizei ging davon aus, dass er Marie mit in den Tod nahm. Doch die Leiche des kleinen Mädchens wurde nie gefunden. Da dieser Fall nicht in Ginas Zuständigkeitsbereich fällt, muss sie ablehnen. Die Tatsache, dass Gina bald selber Mutter ist und das Mitleid mit Petra Weber lassen sie jedoch nicht los, sodass sie sich an die zuständigen Beamten in Rosenheim wendet. Eine erneute Aufrollung des Falles stößt jedoch keineswegs auf Zustimmung und so bedient sich Gina eines kleinen Tricks, um den Fall zu übernehmen. Sehr schnell muss sie feststellen, dass die Ermittlungen damals nicht sehr sorgfältig geführt wurden und der Gedanke, Marie könne vielleicht doch noch leben, der für Petra Weber immer Gewissheit war, ist plötzlich gar nicht mehr so abwegig …

Inge Löhnig hat, auch mit einer neuen Ermittlerin, wieder einen überzeugenden Krimi abgeliefert. Dass sie mit Gina Angelucci eine den Lesern bereits bekannte Protagonistin ausgewählt hat, hat sich als kluger Schachzug erwiesen. Somit ist Konstantin Dühnfort für alle noch in greifbarer Nähe – auch wenn er sich dezent im Hintergrund hält. Mir hat dabei vor allem gefallen, dass das Familienleben der beiden nicht über Gebühr behandelt wird und Ginas erster Fall im Vordergrund steht.

Die Geschichte um das verschwundene Mädchen ist so spannend, dass ich das Gefühl hatte, nicht schnell genug lesen zu können, um endlich zu erfahren, was damals passiert ist. Ganz geschickt erzählt die Autorin auf zwei Zeitebenen – in der Gegenwart im Jahr 2015 und der Vergangenheit im Jahr 2005. Nach und nach werden immer mehr Details enthüllt und ich habe fieberhaft mitgerätselt. Aber Inge Löhnig wäre nicht Inge Löhnig, wenn sie ihre Leser nicht auf so manch falsche Fährte locken würde.

„Gedenke mein“ ist ein sehr flüssig zu lesender Krimi mit Spannung von der ersten bis zur letzten Seite. Die Protagonisten sind alte Bekannte und sympathisch wie immer. Die Geschichte geht unter die Haut und ist nicht unbedingt für Schwangere oder frischgebackene Eltern geeignet. Mich hat die Autorin voll und ganz überzeugt und ich freue mich schon auf den nächsten Band mit Gina Angelucci. Von mir gibt es fünf Sterne.

Bewertung vom 28.03.2016
Die Strömung / Olivia Rönning & Tom Stilton Bd.3
Börjlind, Cilla;Börjlind, Rolf

Die Strömung / Olivia Rönning & Tom Stilton Bd.3


sehr gut

Der dritte Band der Rönning/Stilton-Reihe beginnt mit einer Rückblende in das Jahr 2005. In einer Stockholmer Hotelbar sitzen vier Männer zusammen, die einer nationalsozialistischen Einheit angehören. Sie planen eine Revolution, in dem Glauben, Schweden dadurch „reinigen“ zu können. Zwei Stunden sind vergangen und es ist bereits einiges an Alkohol geflossen, zieht einer der Männer ein Päckchen aus der Tasche und reicht es seinem Gegenüber mit den Worten: „Du hast doch heute Geburtstag. Ist von uns allen.“ Es handelt sich um einen Zimmerschlüssel in Form einer Plastikkarte für das Hotel Continental. Eine Dreiviertelstunde später ist der Mann wieder zurück, mit einer zerbrochenen Brille. Die rote Schachtel, die er zuvor bekommen hat, stellt er wieder auf den Tisch. Als sie einer der Männer aufmacht und sich den Inhalt besieht, sagt er nur: „Scheiße, wie eklig. Verdammt, was hast Du gemacht?“

Schonen im Jahr 2013: Die dreijährige Emelie spielt im Sandkasten. Oma Judith ist als Babysitterin eingesprungen und geht kurz ins Haus, als das Telefon klingelt. Als sie wieder nach draußen kommt, ist Emelie tot – ermordet. Nur zwei Tage später geschieht ein weiterer Kindermord. Wieder ist es ein Kind mit Migrationshintergrund. Der Verdacht fällt zunächst auf rassistische Gruppe, die in Schweden ihr Unwesen treibt. Plötzlich tauchen Hinweise zu dem brutalen, nie aufgeklärten Mord aus dem Jahr 2005 an einer schwangeren Edelprostituierten auf …

„Die Strömung“ ist mein erster Band aus der Reihe. Er lässt sich unabhängig von den Vorgängerbänden lesen. Ich hatte bei den komplexen Zusammenhängen der Protagonisten jedoch immer unterschwellig das Gefühl, ich hätte etwas verpasst. Die Charaktere sind so vielschichtig und interessant beschrieben, dass ich unbedingt mehr über sie erfahren möchte. Ich werde also um die anderen beiden Bücher nicht drum herumkommen. Das Autorenduo ist perfekt aufeinander abgestimmt und die Spannung ist in jedem Satz greifbar. Das Buch lebt durch die stetigen Wendungen und die Möglichkeit, sich mit den Ermittlern zusammen auf die Suche zu machen.

Durch die Flüchtlingskrise ist das Thema des Buches so aktuell wie nie. Im Buch wird auch immer mal wieder Bezug auf die Tat von Anders Behring Breivik genommen. Ein Schreckensszenario, welches für mich immer sehr schwer vorstellbar, in unserer heutigen Situation aber – auch gerade im Hinblick auf die aktuellen Wahlergebnisse, leider nicht mehr ganz abwegig ist. Sowohl das Cover als auch der Titel sind für diesen Kriminalroman sehr gut gewählt. „Die Strömung“ erhält von mir vier Sterne.