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KB
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Ostfriesland
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Freischaffender Autor

Bewertungen

Insgesamt 49 Bewertungen
Bewertung vom 26.09.2022
Die Mauersegler
Aramburu, Fernando

Die Mauersegler


weniger gut

Ein wirklich gelungenes Cover.
Das Motiv ist eine Verbildlichung des Romans. Ein Mann mit seinem Hund in einer menschenleeren Straße, in der Spiegelung des Himmels die Mauersegler.
Meine Erwartungen an mein „Wunschbuch“ waren hoch. Die Idee, ein Buch aufgeteilt in 365 Kapitel, in denen Toni ein Tagebuch bis zum selbsterwählten Tag seines Selbstmordes führt, finde ich gut.
Toni, der Protagonist, ist Philosophielehrer an einem Gymnasium in Madrid. Eigentlich könnte er mit seinem Leben zufrieden sein. Aber es läuft nicht so, wie er es sich vorgestellt hat. Die Ehe wurde geschieden, den gemeinsamen Sohn, den er Nikita nennt, verachtet er. Seine Schulleiterin hasst er ebenso wie seinen Bruder und dessen Frau. Überhaupt könnte man ihn als Misanthrop bezeichnen. Seine herabwürdigende Sichtweise über seine Mitmenschen wird in jedem Kapitel überaus deutlich.
Nur mit seinem Freund Humpel und seinem Hund Lepa kommt er zurecht.
Irgendwann, mehr aus einer Laune heraus, beschließt Toni seinem Leben nach genau einem Jahr ein Ende zu setzen. Auch Humpel, ohnehin ein Hypochonder und auf Grund eines Bombenanschlages, bei dem er sein Bein verloren hat, des Lebens überdrüssig, hat diesen Entschluss gefasst. In gemeinsamen Stunden philosophieren sie über die Vorgehensweise ihres Selbstmordes.
Der Roman beginnt am 01. August. In der Folge steht dann für jeden Tag stellvertretend ein Kapitel, in dem Toni von vergangen und gegenwärtigen Ereignissen berichtet. Doch wer hier an eine Art Tagebuch im herkömmlichen Sinne denkt, wird bitterlich enttäuscht. Es ist mehr oder weniger ein Sammelsurium von zum Teil zusammenhanglosen Erzählungen, die zudem noch in verschiedenen Zeitebenen hin und herspringen. Im Grunde genommen passiert auf 830 Seiten nichts, was mich vom Hocker reißt. Die Länge des Buches, gefüllt mit Wiederholungen, hat mich zum Teil einfach nur genervt.

Zugegeben, der Schreibstil des Autors ist flüssig, und wer Durchhaltevermögen besitzt wird das Buch, in der Hoffnung auf eine lesenswerte Wendung der Geschichte, bis zum Ende lesen. Leser, die sich von einer zum Teil recht derben sexistischen Ausdrucksweise nicht abschrecken lassen, finden dann auch an den Fantasien des Neurotikers Gefallen.
Meine Erwartungen wurden jedenfalls nicht erfüllt.

Bewertung vom 07.09.2022
Zwischen Brüdern
Böhm, Wolfgang

Zwischen Brüdern


ausgezeichnet

Das Cover finde ich außerordentlich gelungen. Es verdeutlicht bildhaft die abendliche Atmosphäre einer Stadt in den zwanziger Jahren.
In dieser Zeit haben sich die zwei sehr unterschiedlichen Brüder Viktor und Hans nach dem Krieg in Wien wiedergefunden und versuchen mehr schlecht als recht zurechtzukommen. Da ist Viktor der ältere der beiden. Gerade aus dem Krieg zurückgekehrt hat er eine Stelle als Lehrer am Gymnasium angetreten und eine Familie gegründet. Viktor ist der Realist unter den Brüdern und stets bemüht, die Lebensweise des unsteten Bruders Hans zu verstehen und zu fördern.
Der andere ist Hans. Hans, der Träumer ist ein Lebenskünstler. Der Freigeist, an Kunst und Design interessiert, ist fasziniert vom Bauhausstil und schließt sich zunächst den Lehren des Architekten Josef Hoffman an, indem er die Wiener Kunstgewerbeschule besucht. Losgelöst vom Studium, versucht er immer wieder eigene Entwürfe zu verwirklichen. Durch die Vermählung mit der Industriellentochter Paulina gelingt es ihm, seine Entwürfe in der Firma der Schwiegereltern umzusetzen. Doch sein ruheloses, leichtlebiges Lebens zerstört schließlich seine Ehe und damit jegliche Bindung zum Unternehmen und der Familie.
Während Hans sich immer wieder in neue Eskapaden stürzt, häufig sogar wochenlang unauffindbar ist, versucht Viktor die Verbindung zwischen den Brüdern aufrecht zu erhalten.
Anhand der Beziehung zwischen den Brüdern beschreibt der Autor die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse der Stadt in den zwanziger Jahren. Beeindruckend die detaillierten Schilderungen der damaligen Lebensbedingungen der Menschen, sowohl in der Nachkriegszeit, bis hin zu den Wirrungen, die schließlich zum Zweiten Weltkrieg führten.
Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist jedoch die familiäre Bindung der Brüder. Es ist ein Buch über gescheiterte Karrieren und menschliche Enttäuschungen.
Der Schreibstil in der Erzählerperspektive ist flüssig und die 40 Kapitel sind in ihrer Länge gut geordnet.
Es ist ein wunderbares Buch, das sehr einfühlsam die unterschiedlichen Charaktere der Protagonisten beschreibt.

Bewertung vom 03.09.2022
Jahre mit Martha
Kordic, Martin

Jahre mit Martha


ausgezeichnet

Es ist die Geschichte des fünfzehnjährigen Željko, hier Jimmy genannt, der in der älteren Martha Gruber, einen Menschen findet, der all das hat, wonach er strebt. Die Frau, eine wohlhabende Professorin, bei der seine Mutter im Haushalt putz, fasziniert ihn. Sie hat Bildung und ist gesellschaftlich anerkannt. Ganz behutsam beschreibt der Autor die langsame, vorsichtige Annäherung der beiden. An der Hand der erwachsenen Frau nimmt der wissensdurstige junge Mann Teil am kulturellen Leben und erweitert damit seinen bisher noch sehr begrenzten kulturellen Horizont.
Die sozialen Unterschiede zwischen Martha und Jimmy, der in einfachen Verhältnissen lebt, könnten nicht größer sein. Doch die sehr spezielle Beziehung bereichert Jimmy`s Leben und lässt ihn charakterlich erwachsen werden.
Aufgrund der Leseprobe hatte ich den Eindruck, dass diese Beziehung die platonische Ebene nicht verlässt. Umso erstaunter war ich, als sich daraus eine erotisch intensive Liebesgeschichte entwickelt hat.
Mit großer Zielstrebigkeit und trotz enttäuschenden Erfahrungen erringt Jimmy immer mehr persönliche und berufliche Erfolge und erreicht schließlich den Universitätsabschluss. Doch ein eigenständiges, besseres Leben und damit eine gehobene gesellschaftliche Stellung bleiben ihm verwehrt. Unüberwindbar bleibt die gesellschaftliche Kluft. Selbst als Student, der sich mittlerweile etabliert hat, erfährt er eine Form der Ausnutzung die ihn kränkt und fast verzweifeln lässt.
Auf der unermüdlichen Suche nach sich selbst und seinen Platz in der Gesellschaft verliert er Martha zeitweise aus den Augen. Doch der Kontakt reißt nie vollständig ab.
Es ist ein sehr tiefgründiges Buch, das die Integration der Gastarbeiterfamilien in Deutschland thematisiert und die Leser an der Zerrissenheit eines nach Anerkennung suchenden Protagonisten teilhaben lässt. Die ungewöhnliche Geschichte erzählt von Heimatgefühlen und Anpassung.
Der Schreibstil ist flüssig und der Leser kann sich schnell in die Person des Protagonisten versetzen. Martin Kordić hat es verstanden, die besondere Beziehung zwischen Martha und Jimmy zu vermitteln. Eindrucksvoll auch die Umsetzung der zum Teil wortkargen Sprache zwischen den beiden.
Ein Buch, das ich gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 27.06.2022
Der Mann, der vom Himmel fiel
Tevis, Walter

Der Mann, der vom Himmel fiel


ausgezeichnet

Die Originalausgabe vom Buch erschien 1963 und wurde jetzt neu übersetzt.
Die Geschichte spielt in den Jahren 1985 bis1990 und handelt von Thomas Jerome Newton, der als Außerirdischer vom Planet Anthea mit der besonderen Mission, die gefährdete Erde zu retten, in seiner Einmannrakete sozusagen vom Himmel gefallen ist. Insofern wird das Cover dem Inhalt nicht ganz gerecht, dennoch gefällt es mir.
Von seiner Umwelt nur als sonderbarer Mann wahrgenommen, bleibt seine wahre Herkunft lange geheimnisvoll.
Anfänglich scheint dem Fremden, der mit der Einführung neuartiger Technologien Millionen verdient, alles zu gelingen. Schon die Idee, einen analogen, feinkörnigen Film in dieser Form zu entwickeln, würde auch heutzutage die Fotografie revolutionieren.
Aber, wird Newton es schaffen seine Mission zu erfüllen und die Welt retten?
Grandios, wie der Autor die besondere Situation eines Außerirdischen, der trotz akribischer Vorbereitungen auf eine Welt trifft mit der er, der intellektuell weit Überlegenere, nicht zurechtkommt.

Eigentlich wäre so eine Geschichte schnell erzählt. Wären da nicht die gesellschaftlichen, philosophischen und ökologischen Betrachtungen, die dem Buch eine besondere Bedeutung verleihen. Allein die zwischenmenschlichen Beziehungen zu den Nebencharakteren, insbesondere zu Betty Jo und Nathan Bryse, verleiht dem Roman eine bedeutende Note. Und damit ist es auch eine Geschichte über die Einsamkeit, Verluste und das Scheitern.
Das Buch aus dem Jahr 1963 ist aktueller denn je und aufgrund der derzeitigen ökologischen Krise auch ein mahnendes Buch, das zum Nachdenken anregt.
Walter Tevis Buch „Der Mann, der vom Himmel fiel“ als Science-Fiction-Roman einzustufen, wäre zu oberflächlich beurteilt.
Es ist ein überaus spannendes Buch, das vieles beinhaltet. Teils Zukunftsroman, teils Krimi, hat der Roman aber auch viele feinfühlige Momente. Unerwartet für mich, die schicksalhafte Wendung im Leben des Protagonisten.
Der Schreibstil ist flüssig und die einzelnen Kapitel sind übersichtlich gegliedert. Der Kreis der Nebenprotagonisten ist klein und so macht es dem Leser keine Schwierigkeiten, der Geschichte, die aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird, zu folgen.
Es ist ein großartiges Buch, das mich angeregt hat, weitere Bücher des Autors zu lesen. Diesem Buch gebe ich auf jeden Fall fünf Sterne.

Bewertung vom 07.05.2022
Affenhitze / Kommissar Kluftinger Bd.12
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Affenhitze / Kommissar Kluftinger Bd.12


ausgezeichnet

Das Cover des Buches finde ich sehr gelungen. Ich habe sofort an eine von großer Hitze angesengte Folie gedacht.
In der Pforzener Tongrube, einer Ausgrabungsstelle in der Professor Brunner das berühmte Skelett des Uhrzeit-Affen „Udo“ gefunden hat, wird ausgerechnet am Tag, an dem der Ministerpräsident die Ausgrabungsstelle besichtigt, die Leiche des Wissenschaftlers Brunner gefunden. Die Schilderung des Staatsbesuchs, der für Kluftinger eine besondere Herausforderung darstellt ist Satire vom Feinsten. Die Beschreibung des Ministerpräsidenten ist eindeutig, um welche Person es sich handelt. Und wer die Arbeitsweise des Kluftinger-Ermittlerteams aus früheren Geschichten kennt, kann erahnen, was auf weiteren 550 Seiten auf ihn zukommt. Kluftingerfans werden jedenfalls nicht enttäuscht. Natürlich sind auch die altbekannten Nebencharaktere, von den Autoren wie gewohnt überspitzt dargestellt, mit von der Partie.
Der Krimi an sich tritt dabei mehr oder weniger in den Hintergrund. Aber, wer will schon von immer wiederkehrenden Ermittlungsritualen lesen.
Ungeachtet dessen wirkt dieser Roman auf mich überfrachtet. Es sind zu viele Geschichten. Kluftinger und die Drohnen, Kluftinger und Facebook, Kluftinger als Trödler, Kluftinger und die Sekte, um nur einige zu nennen. Andererseits enthält der Roman auch unnötige Längen. Kluftinger auf dem Flohmarkt, mit vorhersehbaren Pointen wirkte auf mich unnötig gestreckt. Wen wundert es, wenn 550 Seiten zu füllen sind.

Besonders gelungen ist es dem Autorenduo, Kluftinger die Rolle des Interims-Polizeipräsidenten zu verpassen. Eine Herausforderung die der Kommissar, wie ich finde, für seine Verhältnisse bravourös gemeistert hat. Überhaupt ist der sonst tollpatschige Allgäuer gereifter aufgetreten.

Klufti hat sogar die Herausforderung der „Sozialen Medien“ angenommen. Eine beachtenswerte Wende im Leben des sonst so unbeholfenen Kommissars. Hier den Assistenten Elias Hermann einzubauen war ebenfalls eine gute Idee.
Niedlich, das Ende mit der Kinderfrau der Enkelin. Auf jeden Fall hinterlässt der Roman viel Potential für weitere Folgen.
Es macht einfach Freude, dem Kommissar, seiner Familie, dem Doktor Langhammer und den Polizeikollegen in einer weiteren Folge zu begleiten.
Der Schreibstil ist gewohnt flüssig. Ein Buch, das sich fernab jeder Realität wunderbar leicht lesen lässt.

Bewertung vom 19.04.2022
Verhängnisvolles Lavandou / Leon Ritter Bd.7
Eyssen, Remy

Verhängnisvolles Lavandou / Leon Ritter Bd.7


sehr gut

Mir fehlen die Inhalte der Vorgängerromane. Von daher konnte ich die familiären Verhältnisse sowie das Verhältnis des Kommissars zum Mordopfer Dussolier nicht einordnen. Dem Klappentext des Buches habe ich entnommen, dass es hier um umfangreiche Ermittlungen gehen soll. Stattdessen nimmt der Frankreich-Algerien Konflikt viel Raum ein, der die eigentliche Ermittlungsarbeit in den Hintergrund drängt. Auch die Verstrickungen von Staat und Justiz habe ich in dem Buch vermisst. Von einem Krimi kann meines Erachtens nicht die Rede sein. Zwischenzeitlich hatte ich den Eindruck, dass sich hier mit Hilfe von Duvals Lebensgefährtin ein Detektivroman entwickelt. Es hätte der Geschichte gut getan. Leider zerstörten die geschichtlichen Exkurse immer wieder den zu Beginn gut aufgebauten Spannungsbogen.
Das Ende dieses Romans ist schlicht enttäuschend. Offenbar auch für Leòn Duval.
Was bleibt, ist eine schön geschriebene Geschichte über das ganz private Leben eines Polizeikommissars. Besonders gefallen haben mir die vielen guten Situationsschilderungen. Es ist daher auch ein Buch über das ganz normale Leben neben der Polizeiarbeit und über das, was sonst noch wichtig ist.

Bewertung vom 30.03.2022
In einer stillen Bucht / Capri-Krimi Bd.3
Ventura, Luca

In einer stillen Bucht / Capri-Krimi Bd.3


ausgezeichnet

Es ist mein erstes Buch, das ich vom Autor Luca Ventura lese. Obwohl mich das Land interessiert, konnte ich mich bisher nicht sehr für italienische Literatur begeistern. Das Cover und der Klappentext haben mich jedoch neugierig gemacht. Und dann wartet der Krimi gleich mit einem Mord in dieser Urlaubsidylle auf. Die Auffindesituation der Leiche ist mehr als skurril und es scheint kompliziert zu werden.
Anfänglich hatte ich Probleme, mich mit den mir nicht geläufigen italienischen Namen zurechtzufinden. Dennoch bin ich schnell in die Geschichte reingekommen. Die Protagonisten Antonia Cirillo und Enrico Rizzi waren mir von Anfang an sympathisch. Besonders interessant der Charakter des mit der Insel sehr verwurzelten Enrico. In diesem Zusammenhang fand ich den bildhaften Erzählstil des Autors sehr angenehm. Er hat es wunderbar verstanden, die einzelnen Charaktere zu beschreiben. Phasenweise hatte ich den Eindruck, in einem Drehbuch zu lesen, so grandios gelungen sind die Beschreibungen von Gestik und Ausdrucksweise der Akteure.
Das Buch ist kein Krimi im herkömmlichen Sinn. Es variiert mit spannungsgeladen Momenten und Beschreibungen von Land und Leuten. Ich konnte als Leser gemeinsam mit Cirillo und Rizzi durch die Straßen schlendern, die Einheimischen, Touristen, Handwerker, Straßenhändler und das Private der Protagonisten miterleben und dabei das ganze Flair Italiens wahrnehmen.
Die Verknüpfung mit der Welt der Musikszene, insbesondere der eigenen Welt eines Konservatoriums mit all den Befindlichkeiten der im Kunstbetrieb Handelnden, fand ich besonders abwechslungsreich. Gut gelungen auch die Einbeziehung des Mysteriums der "Accademia per corpo e anima".
Währenddessen bleibt der Spannungsbogen des Romans erhalten. Wenn für mich auch das Ende und damit die Lösung des Falles nicht vorhersehbar waren, so ist die Geschichte letztendlich schlüssig.
Der Schreibstil ist sehr angenehm und es fällt schwer, das Buch aus der Hand zu legen.
Es ist ein Buch, das ich gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 20.03.2022
Gezeitenmord / Teit und Lehmann ermitteln Bd.1
Jürgensen, Dennis

Gezeitenmord / Teit und Lehmann ermitteln Bd.1


ausgezeichnet

Der erfolgreiche dänische Autor Dennis Jürgensen hat mit „Gezeitenmord“ seinen ersten Kriminalroman in deutscher Sprache veröffentlicht.
Ein Mordfall im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Dänemark. Von der dänischen Polizei wird Lykke Teit mit den Ermittlungen beauftragt. Sie soll mit dem deutschen Kollegen Rudi Lehmann zusammen arbeiten. Der humorvolle Rudi ist deutlich älter als Lykke, doch das sympathische Ermittlerduo harmoniert auf Anhieb. Bei den gemeinsamen Ermittlungen fühlte ich mich als Leser sofort aufgenommen. Es ist die Art und Weise, wie die beiden miteinander umgehen. Gemeinsame Schicksalsschläge, die sie verbinden, führen schließlich sogar zu einer innigen Beziehung, wobei Rudi eher den Part eines sehr guten Freundes ausfüllt. Der Autor versteht es, die Tiefe und das Gefühl dieser Beziehung unterschwellig zu vermitteln.
Besonders amüsant fand ich die Art und Weise wie Rudi immer wieder die Sticheleien der Dorfbewohner über die Besatzungszeit durch „die Deutschen“ während des Zweiten Weltkriegs humorvoll überspielt.
Der Fall selbst scheint eine Verbindung mit länger zurückliegenden Fällen von Kindesentführungen zu haben. Besondere Brisanz erhält der Fall dadurch dass Lykke zuvor mit dem Mordopfer eine, wenn auch kurze, Beziehung hatte.
Es ist ein intelligent geschriebener Krimi, bei dem das Miträtseln Spaß macht. Gefühlvolle Elemente wechseln mit Passagen ab, die eher an einen Thriller erinnern. Der Spannungsbogen bleibt dabei kontinuierlich erhalten. Mich als Leser hat der Autor bis zum Schluss im Ungewissen gelassen.
Der humorvolle und authentische Schreibstil ist flüssig und durch die atmosphärischen Beschreibungen der regionalen Besonderheiten des Landes und der Bewohner sehr kurzweilig zu lesen.
Ein Buch, das ich sehr gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 22.02.2022
Ein Präsident verschwindet / Philipp Gerber Bd.2
Langroth, Ralf

Ein Präsident verschwindet / Philipp Gerber Bd.2


ausgezeichnet

Es ist das Jahr 1954. Berlin ist in vier Sektoren aufgeteilt. Es ist die Zeit des Kalten Krieges.
Am 20. Juli 1954 verschwindet der Verfassungsschutzpräsident Otto John und taucht unter mysteriösen Umständen in Ostberlin wieder auf. Die Geschichte basiert auf einen tatsächlichen Fall und hat somit einen authentischen Hintergrund. Damals erregte dieser Vorfall viel Aufsehen.
Hat John freiwillig die Seiten gewechselt, oder wurde er entführt?

Philipp Gerber der Hauptkommissar beim Bundeskriminalamt, der Lesern des Buches „Die Akte Adenauer“ bereits bekannt sein dürfte, erhält vom Bundeskanzler Konrad Adenauer den Auftrag zu ermitteln.
Auch Eva Herden, die Journalistin eines kommunistischen Nachrichtenmagazins und Gerbers Freundin, ist verschwunden. Man vermutet hier aufgrund der prokommunistischen Einstellung der Journalistin einen politischen Zusammenhang.
Gerber nutzt die Gelegenheit, nach Eva zu suchen und gleichzeitig im Fall Otto John zu recherchieren.
Der Autor Ralf Langroth liefert mit diesem Buch politisches und zeitgeschichtliches Wissen auf sehr anschauliche Weise. Auch seine Schilderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse sind erstklassig.
Fiktiv ist der Roman im Zusammenhang mit Evas Verschwinden. Hinsichtlich der abweichenden politischen Historie müssen Leser und Leserinnen die künstlerische Freiheit des Autors akzeptieren. Irritiert hat mich dabei die teilweise nicht erklärbare chronologische Abfolge.
Dabei hat der Autor es nicht versäumt, auch die Nazivergangenheit der nach dem Krieg noch immer aktiven Nazis anhand der Figur des ehemaligen Generalmajors der Wehrmacht Reinhard Gehlen einzubeziehen.
Ich habe das Buch mit großem Interesse gelesen. Der Roman ist kurzweilig geschrieben, flüssig zu lesen und die Kapitel sind so gegliedert, dass der Fluss der Geschichte durchgängig ist. Außerdem hat mich das Buch animiert, mich näher mit den historischen Ereignissen dieser Zeit, insbesondere mit dem Spannungsverhältnis zwischen Ost und West während des kalten Krieges zu befassen.
Ein spannendes Buch, das ich mit fünf Sternchen weiterempfehlen kann.

Bewertung vom 03.02.2022
Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße
Leo, Maxim

Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße


ausgezeichnet

Der Protagonist, Michael Hartung, ist ein Mann aus einfachen Verhältnissen. Umso mehr ist er überrascht, als sich ein Journalist für ihn interessiert und in ihm einen Helden sieht. Er soll noch zu DDR-Zeiten bei der Reichsbahn als stellvertretender Stellwerksmeister eine Massenflucht ermöglicht haben, indem er durch die Manipulation einer Weiche eine S-Bahn in den Westen umgeleitet hat.
Hartung, der nach der Wende eine schlecht gehende Videothek betreibt, will mit alledem nichts zu tun haben. Er sieht seinen Anteil an den Geschehnissen als unbedeutend. Die ihm angebotene Gage verführt ihn jedoch zu einem Interview mit dem Journalisten und schließlich willigt er sogar ein, dass die Geschichte veröffentlicht wird. Trotz anfänglicher Gewissensbisse wird er sogar verleitet, die Tatsachen ein wenig abzufälschen. Die Medien sind begeistert und Hartung avanciert zum Helden.
Seine Geschichte gewinnt immer mehr an Bedeutung und sogar der Bundespräsident sieht ihn als geeigneten Festredner für den Festakt im Bundestag anlässlich des bevorstehenden Mauerfalljubiläums. Eine Situation, die ihn überfordert.
Zu allem Überfluss entwickelt sich noch eine Affäre mit Paula. Sie saß bei der Flucht mit ihren Eltern im Zug. Die Geschichte wird zunehmend verzwickter, zumal andere inzwischen auf Ungereimtheiten in seiner Geschichte aufmerksam werden. Er gerät in Gefahr, als Hochstapler aufzufliegen. Es bleibt bis zum Ende spannend.
Eine erstklassig konstruierte Geschichte. Als Leser hatte ich anfänglich den Eindruck, einen Doku-Roman zu lesen, so realistisch hat der Autor die damaligen Verhältnisse in der DDR wiedergegeben. Die Leser und Leserinnen werden gefühlsmäßig in die anfänglich ausweglose Situation des Protagonisten hineingezogen. Aber sie dürfen auch viele gefühlvolle schöne und emotionale Situationen miterleben.
Maxim Leo versteht es meisterhaft, Situationen und die unterschiedlichen Charaktere eindrucksvoll zu beschreiben.
Der Text ist flüssig, bildhaft und überaus kurzweilig geschrieben.
Ein wunderbar unterhaltsames Buch, das mich neugierig auf weitere Bücher des Autors gemacht hat.