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1968: Teo, eine junge Laotin, kommt am Berliner Ostbahnhof an. Es ist die Liebe, die sie in die DDR führt, weit weg von ihrer Familie. Doch ihr neues Leben in Potsdam, scheinbar ein sozialistisches Idyll, ist schwer, und auch perfektes Deutsch kommt gegen die Fremdheit, die man sie als Asiatin jeden Tag spüren lässt, nicht an. - Weihnachten 1982: André, Teos Sohn, ist dreizehn und wünscht sich nur eines: den Schikanen seiner Lehrerin entgehen und möglichst nicht auffallen, was nicht so einfach ist als halblaotischer DDR-Bürger mit einem behinderten jüngeren Bruder. Trotzdem ist eigentl...
1968: Teo, eine junge Laotin, kommt am Berliner Ostbahnhof an. Es ist die Liebe, die sie in die DDR führt, weit weg von ihrer Familie. Doch ihr neues Leben in Potsdam, scheinbar ein sozialistisches Idyll, ist schwer, und auch perfektes Deutsch kommt gegen die Fremdheit, die man sie als Asiatin jeden Tag spüren lässt, nicht an. - Weihnachten 1982: André, Teos Sohn, ist dreizehn und wünscht sich nur eines: den Schikanen seiner Lehrerin entgehen und möglichst nicht auffallen, was nicht so einfach ist als halblaotischer DDR-Bürger mit einem behinderten jüngeren Bruder. Trotzdem ist eigentlich alles ganz schön, solange seine Mutter nicht wieder krank wird, solange sein Bruder nicht ausrastet, solange die Mutter und die Großmutter sich vertragen. Doch dann erschüttern mehrere Schicksalsschläge die Familie. «Nostalgia», André Kubiczeks vielleicht persönlichstes Buch, handelt von seiner Beziehung zur Mutter, die versuchte, in der Fremde eine Heimat zu finden. Dabei entsteht ein etwas anderes Bild vom Leben in der DDR - aus migrantischer Perspektive. Ein Roman, der einfühlsam und voller Wärme von Vertrautheit, Fremdsein und Liebe über Kulturen und Vorurteile hinweg erzählt.
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André Kubiczek, 1969 geboren, lebt in Berlin. 2002 erschien sein hochgelobter Roman «Junge Talente», 2003 «Die Guten und die Bösen». 2007 wurde André Kubiczek mit dem Candide-Preis ausgezeichnet. «Skizze eines Sommers» (2016) stand auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Zuletzt erschienen «Komm in den totgesagten Park und schau» (2018), «Straße der Jugend» (2020) und «Der perfekte Kuss» (2022).
Produktdetails
- Verlag: Rowohlt Verlag GmbH
- Seitenzahl: 400
- Erscheinungstermin: 14. Mai 2024
- Deutsch
- ISBN-13: 9783644016927
- Artikelnr.: 69177477
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ein weiteres Mal widmet sich André Kubiczek dem Leben in der Spätphase der DDR, erfahren wir von Rezensent Wolfgang Schneider. Im Zentrum des autobiografisch angelegten Romans steht diesmal die Mutter des Autors, Tochter einer Oberschichtsfamilie aus Laos, die einen Arbeiter aus der DDR heiratet. Sowohl der laotischen Familie als auch der DDR-Regierung ist die Verbindung verdächtig, so der Rezensent, was für Verwicklungen sorgt. Erzählt wird aus der Perspektive des Sohnes André, wodurch auch viel jugendliche DDR-Lebenswelt mitsamt heimlich in den Osten geschmuggelten West-Kasetten in die Erzählung schwappt. Außerdem wird der DDR-Alltagsrassismus thematisiert, das Leiden eines behinderten Bruders des Erzählers sowie die Krankheit der Mutter - deren Innenleben der Roman gelegentlich ebenfalls ausleuchtet, was Schneider zufolge nicht unbedingt eine erzählerisch elegante Lösung ist, aber dem Buch eine wertvolle weitere Ebene hinzufügt. Ein paar Längen hat das Buch schon, gesteht der Rezensent ein, insgesamt jedoch fügt Kubiczek der DDR-Erinnerungsliteratur aufgrund der laotischen Perspektive durchaus etwas Neues hinzu. Und man kommt dem Leiden, das Kubiczeks Schreiben durchweg bestimmt, durchaus ziemlich nahe in diesem Buch, schließt die Besprechung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Laotische Komponente einer deutschen Konstellation: André Kubiczek erzählt in "Nostalgia" seine Familiengeschichte als Roman
Bekannt wurde der 1969 in Potsdam geborene Schriftsteller André Kubiczek vor zwanzig Jahren mit Büchern wie "Die Guten und die Bösen", einem verwilderten Berlin-Roman, der sich als kantiges Gegenstück zur Erfolgskomödie "Good Bye, Lenin!" lesen ließ, zum Kino der gesamtdeutschen Rührung und Versöhnung. Danach widmete er sich in Romanen wie "Skizze eines Sommers" oder "Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn" dem Aufwachsen in der niedergehenden DDR und den Spannungen in einer bikulturell geprägten Familie - eine
Laotische Komponente einer deutschen Konstellation: André Kubiczek erzählt in "Nostalgia" seine Familiengeschichte als Roman
Bekannt wurde der 1969 in Potsdam geborene Schriftsteller André Kubiczek vor zwanzig Jahren mit Büchern wie "Die Guten und die Bösen", einem verwilderten Berlin-Roman, der sich als kantiges Gegenstück zur Erfolgskomödie "Good Bye, Lenin!" lesen ließ, zum Kino der gesamtdeutschen Rührung und Versöhnung. Danach widmete er sich in Romanen wie "Skizze eines Sommers" oder "Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn" dem Aufwachsen in der niedergehenden DDR und den Spannungen in einer bikulturell geprägten Familie - eine
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literarische Erinnerungsarbeit, die er nun in "Nostalgia" mit verstärkter Intensität fortsetzt.
Im Zentrum dieses autobiographischen Romans steht die Figur der Mutter, Khemkham Kubiczek. 1968 wandert die junge Frau aus Laos in die geschlossene Gesellschaft der DDR ein. Sie hat ihren Mann beim Studium in Moskau kennengelernt. Auch wenn der Internationalismus groß geschrieben wird in der DDR - abschätzige Blicke muss sie ertragen lernen unter den Ostdeutschen. Sie bleibt eine Frau zwischen zwei Welten. Ihr Vater war kurzfristig Außenminister des Königreichs Laos, bis er von seiner eigenen Leibgarde ermordet wurde. Schon aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung missbilligt die laotische Familie die Beziehung mit einem deutschen Arbeitersohn und schickt der Mutter vietnamesische Spione auf den Hals. Der Arbeitersohn wiederum, der sich auf den diplomatischen Dienst vorbereitet und deshalb zu besonders staatstreuem Verhalten verpflichtet ist, erregt bei der Stasi Verdacht wegen seiner Liebe zu einer Frau aus dem reaktionären Königreich Laos. Dass das junge Paar überraschend schnell einen Telefonanschluss bekommt, liegt nur daran, weil man sie dann besser abhören kann.
1975 wird in Laos die Monarchie gestürzt und eine kommunistische Regierung installiert. Plötzlich öffnet sich im Zeichen der sozialistischen Bruderschaft für Khemkham die Tür zu einer akademischen Karriere in der DDR, und sie ist gefragt als Übersetzerin, wenn Delegationen aus ihrer Heimat kommen. Dann entstehen staatstragende Fotos für das Familienalbum, die sie mit Erich Honecker in weißen Kitteln und Gummistiefeln bei der Besichtigung einer VEB-Melkanlage zeigen.
Weil der Roman aus der Perspektive des 1969 geborenen Sohns André geschrieben ist, erleben wir bei der Lektüre allerdings zunächst den realsozialistischen Schulalltag in Potsdam-Waldstadt II und erhalten Einblicke in die Popsozialisation eines Ostjugendlichen, der heimische musikalische Gewächse wie die Puhdys nicht ausstehen kann und lieber Hitparadenmaterial aus dem Westen auf seinen Cassettenrecorder schmuggelt. In der Schule bekommt André manchmal "Schlitzauge"-Rufe zu hören. Immerhin gibt es eine Lehrerin, die die Mitschüler zurechtweist. Sie sollen ihn nicht hänseln "bloß weil er ein Mischling ist. Kein Mensch kann etwas für sein Aussehen. Es ist nicht seine Schuld, dass er anders ist als ihr, habt ihr das verstanden?" Das ist gut gemeint, auch wenn es die heutige Korrektheit um Längen verfehlt. Aber darum geht es André Kubiczek nicht. Ihm geht es um historische Korrektheit, auch bei der Thematisierung des untergründigen Rassismus in der DDR.
Und dann ist Weihnachten 1981, und mit großer Ausführlichkeit wird erzählt, wie der Junge seine Großeltern aus dem Harz vom Bahnhof abholt und es im Verlauf der Feiertage nicht nur Freuden, sondern auch Streit gibt. Der Großvater war immer schon ein bisschen schwierig, auch politisch. Er hat sich als waschechter Proletarier am Aufstand von 1953 beteiligt, was für Andrés Vater eine peinliche Familienerinnerung ist: "Er schämte sich, dass sein Vater Teil des gewalttätigen Mobs aus alten Nazis, jungen Faschisten und ordinären Randalierern war, der die junge sozialistische Ordnung zum Einsturz bringen wollte." Später hat sich der Großvater offenbar mit den Verhältnissen arrangiert, mit viel Bier und Zigaretten, weshalb der Junge ihn als schlimm hustenden, etwas verwirrten und bereits der Fürsorge der Großmutter bedürftigen Alten erlebt, obwohl er erst Anfang sechzig ist.
Die sehr breit ausgerollte "Nostalgia" dieser Passagen erscheint bald jedoch in ganz anderem Licht: Hier wird eine noch halbwegs heile Familienwelt kurz vor der Abbruchkante in Szene gesetzt. Denn am Ende dieser Ferien setzt bei Andrés Mutter ein fürchterliches Siechtum ein. Sie ist unheilbar an Krebs erkrankt; dazu kommen missglückte Operationen. Für André ist die Leichtigkeit der Jugend dahin. Es schaudert ihn, wenn er die Beutel ihres künstlichen Darmausgangs entsorgen muss, obwohl eine Helferin die Sicherheit des Materials rühmt: "Da läuft nichts aus. Die Beutel sind aus dem Westen und haben ein Ventil." Das ganze Leben war damals durchwirkt von der Konkurrenz der Systeme, und so finden sich in diesem Roman Ost-West-Motive auch dort, wo man sie nicht vermutet.
Andrés ein Jahr jüngerer Bruder Alain leidet ebenfalls an einer schweren Krankheit, einer sich von Jahr zu Jahr verschlimmernden geistigen Behinderung. Irgendwann büßt er wegen seines unstillbaren Appetits auf Süßes auch die gewisse liebenswerte Niedlichkeit ein und wird von den Menschen nur noch als Zumutung empfunden. Hier ist der Bruderblick erbarmungslos, weil mitbetroffen. Vor seiner ersten Freundin verleugnet André den Bruder und bringt sich damit in ein unlösbares Dilemma.
Ein formales Problem des Romans besteht darin, dass die Vorgeschichte der Mutter nur schlecht durch die Perspektive des Sohnes vermittelt werden kann. Deshalb wechselt der Roman mehrfach in die Gedankenwelt der Mutter, was erzähltechnisch inkonsequent wirkt, aber inhaltlich erheblichen Zugewinn bringt. Ihre Sehnsucht nach der laotischen Herkunftswelt und das Fremdheitsgefühl in der DDR, wo es nur faden Kochbeutelreis gibt, werden immer größer. Ein starkes Kapitel erzählt eindringlich von der letzten Reise der Todkranken zur Familie nach Laos.
"Nostalgia" hätte zwar einige Straffungen vertragen, überzeugt aber durch große Authentizität und Ehrlichkeit. Der Roman lebt von den atmosphärischen Details, auch wenn die Umbrüche nach dem Mauerfall beschrieben werden. Die Tragik wird mit einem leichten, bisweilen gewitzten Ton kontrastiert. Erinnerungsschwere Familienromane mit DDR-Hintergrund gibt es inzwischen viele, aber durch die ungewöhnliche laotische Komponente bricht "Nostalgia" aus dem Gewohnten aus. Noch nie ist André Kubiczek den biographischen Leidensschichten, die sein Schreiben bestimmen, so nahe gekommen wie in diesem Buch, das er am Ende dessen beiden früh verstorbenen Hauptfiguren widmet: seiner Mutter Khemkham, die nur vierzig, und seinem Bruder Alain, der nur siebzehn Jahre alt wurde. WOLFGANG SCHNEIDER
André Kubiczek:
"Nostalgia". Roman.
Rowohlt Berlin Verlag,
Berlin 2024.
400 S., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Im Zentrum dieses autobiographischen Romans steht die Figur der Mutter, Khemkham Kubiczek. 1968 wandert die junge Frau aus Laos in die geschlossene Gesellschaft der DDR ein. Sie hat ihren Mann beim Studium in Moskau kennengelernt. Auch wenn der Internationalismus groß geschrieben wird in der DDR - abschätzige Blicke muss sie ertragen lernen unter den Ostdeutschen. Sie bleibt eine Frau zwischen zwei Welten. Ihr Vater war kurzfristig Außenminister des Königreichs Laos, bis er von seiner eigenen Leibgarde ermordet wurde. Schon aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung missbilligt die laotische Familie die Beziehung mit einem deutschen Arbeitersohn und schickt der Mutter vietnamesische Spione auf den Hals. Der Arbeitersohn wiederum, der sich auf den diplomatischen Dienst vorbereitet und deshalb zu besonders staatstreuem Verhalten verpflichtet ist, erregt bei der Stasi Verdacht wegen seiner Liebe zu einer Frau aus dem reaktionären Königreich Laos. Dass das junge Paar überraschend schnell einen Telefonanschluss bekommt, liegt nur daran, weil man sie dann besser abhören kann.
1975 wird in Laos die Monarchie gestürzt und eine kommunistische Regierung installiert. Plötzlich öffnet sich im Zeichen der sozialistischen Bruderschaft für Khemkham die Tür zu einer akademischen Karriere in der DDR, und sie ist gefragt als Übersetzerin, wenn Delegationen aus ihrer Heimat kommen. Dann entstehen staatstragende Fotos für das Familienalbum, die sie mit Erich Honecker in weißen Kitteln und Gummistiefeln bei der Besichtigung einer VEB-Melkanlage zeigen.
Weil der Roman aus der Perspektive des 1969 geborenen Sohns André geschrieben ist, erleben wir bei der Lektüre allerdings zunächst den realsozialistischen Schulalltag in Potsdam-Waldstadt II und erhalten Einblicke in die Popsozialisation eines Ostjugendlichen, der heimische musikalische Gewächse wie die Puhdys nicht ausstehen kann und lieber Hitparadenmaterial aus dem Westen auf seinen Cassettenrecorder schmuggelt. In der Schule bekommt André manchmal "Schlitzauge"-Rufe zu hören. Immerhin gibt es eine Lehrerin, die die Mitschüler zurechtweist. Sie sollen ihn nicht hänseln "bloß weil er ein Mischling ist. Kein Mensch kann etwas für sein Aussehen. Es ist nicht seine Schuld, dass er anders ist als ihr, habt ihr das verstanden?" Das ist gut gemeint, auch wenn es die heutige Korrektheit um Längen verfehlt. Aber darum geht es André Kubiczek nicht. Ihm geht es um historische Korrektheit, auch bei der Thematisierung des untergründigen Rassismus in der DDR.
Und dann ist Weihnachten 1981, und mit großer Ausführlichkeit wird erzählt, wie der Junge seine Großeltern aus dem Harz vom Bahnhof abholt und es im Verlauf der Feiertage nicht nur Freuden, sondern auch Streit gibt. Der Großvater war immer schon ein bisschen schwierig, auch politisch. Er hat sich als waschechter Proletarier am Aufstand von 1953 beteiligt, was für Andrés Vater eine peinliche Familienerinnerung ist: "Er schämte sich, dass sein Vater Teil des gewalttätigen Mobs aus alten Nazis, jungen Faschisten und ordinären Randalierern war, der die junge sozialistische Ordnung zum Einsturz bringen wollte." Später hat sich der Großvater offenbar mit den Verhältnissen arrangiert, mit viel Bier und Zigaretten, weshalb der Junge ihn als schlimm hustenden, etwas verwirrten und bereits der Fürsorge der Großmutter bedürftigen Alten erlebt, obwohl er erst Anfang sechzig ist.
Die sehr breit ausgerollte "Nostalgia" dieser Passagen erscheint bald jedoch in ganz anderem Licht: Hier wird eine noch halbwegs heile Familienwelt kurz vor der Abbruchkante in Szene gesetzt. Denn am Ende dieser Ferien setzt bei Andrés Mutter ein fürchterliches Siechtum ein. Sie ist unheilbar an Krebs erkrankt; dazu kommen missglückte Operationen. Für André ist die Leichtigkeit der Jugend dahin. Es schaudert ihn, wenn er die Beutel ihres künstlichen Darmausgangs entsorgen muss, obwohl eine Helferin die Sicherheit des Materials rühmt: "Da läuft nichts aus. Die Beutel sind aus dem Westen und haben ein Ventil." Das ganze Leben war damals durchwirkt von der Konkurrenz der Systeme, und so finden sich in diesem Roman Ost-West-Motive auch dort, wo man sie nicht vermutet.
Andrés ein Jahr jüngerer Bruder Alain leidet ebenfalls an einer schweren Krankheit, einer sich von Jahr zu Jahr verschlimmernden geistigen Behinderung. Irgendwann büßt er wegen seines unstillbaren Appetits auf Süßes auch die gewisse liebenswerte Niedlichkeit ein und wird von den Menschen nur noch als Zumutung empfunden. Hier ist der Bruderblick erbarmungslos, weil mitbetroffen. Vor seiner ersten Freundin verleugnet André den Bruder und bringt sich damit in ein unlösbares Dilemma.
Ein formales Problem des Romans besteht darin, dass die Vorgeschichte der Mutter nur schlecht durch die Perspektive des Sohnes vermittelt werden kann. Deshalb wechselt der Roman mehrfach in die Gedankenwelt der Mutter, was erzähltechnisch inkonsequent wirkt, aber inhaltlich erheblichen Zugewinn bringt. Ihre Sehnsucht nach der laotischen Herkunftswelt und das Fremdheitsgefühl in der DDR, wo es nur faden Kochbeutelreis gibt, werden immer größer. Ein starkes Kapitel erzählt eindringlich von der letzten Reise der Todkranken zur Familie nach Laos.
"Nostalgia" hätte zwar einige Straffungen vertragen, überzeugt aber durch große Authentizität und Ehrlichkeit. Der Roman lebt von den atmosphärischen Details, auch wenn die Umbrüche nach dem Mauerfall beschrieben werden. Die Tragik wird mit einem leichten, bisweilen gewitzten Ton kontrastiert. Erinnerungsschwere Familienromane mit DDR-Hintergrund gibt es inzwischen viele, aber durch die ungewöhnliche laotische Komponente bricht "Nostalgia" aus dem Gewohnten aus. Noch nie ist André Kubiczek den biographischen Leidensschichten, die sein Schreiben bestimmen, so nahe gekommen wie in diesem Buch, das er am Ende dessen beiden früh verstorbenen Hauptfiguren widmet: seiner Mutter Khemkham, die nur vierzig, und seinem Bruder Alain, der nur siebzehn Jahre alt wurde. WOLFGANG SCHNEIDER
André Kubiczek:
"Nostalgia". Roman.
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Berlin 2024.
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Laotische Komponente einer deutschen Konstellation: André Kubiczek erzählt in "Nostalgia" seine Familiengeschichte als Roman
Bekannt wurde der 1969 in Potsdam geborene Schriftsteller André Kubiczek vor zwanzig Jahren mit Büchern wie "Die Guten und die Bösen", einem verwilderten Berlin-Roman, der sich als kantiges Gegenstück zur Erfolgskomödie "Good Bye, Lenin!" lesen ließ, zum Kino der gesamtdeutschen Rührung und Versöhnung. Danach widmete er sich in Romanen wie "Skizze eines Sommers" oder "Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn" dem Aufwachsen in der niedergehenden DDR und den Spannungen in einer bikulturell geprägten Familie - eine
Laotische Komponente einer deutschen Konstellation: André Kubiczek erzählt in "Nostalgia" seine Familiengeschichte als Roman
Bekannt wurde der 1969 in Potsdam geborene Schriftsteller André Kubiczek vor zwanzig Jahren mit Büchern wie "Die Guten und die Bösen", einem verwilderten Berlin-Roman, der sich als kantiges Gegenstück zur Erfolgskomödie "Good Bye, Lenin!" lesen ließ, zum Kino der gesamtdeutschen Rührung und Versöhnung. Danach widmete er sich in Romanen wie "Skizze eines Sommers" oder "Der Genosse, die Prinzessin und ihr lieber Herr Sohn" dem Aufwachsen in der niedergehenden DDR und den Spannungen in einer bikulturell geprägten Familie - eine
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literarische Erinnerungsarbeit, die er nun in "Nostalgia" mit verstärkter Intensität fortsetzt.
Im Zentrum dieses autobiographischen Romans steht die Figur der Mutter, Khemkham Kubiczek. 1968 wandert die junge Frau aus Laos in die geschlossene Gesellschaft der DDR ein. Sie hat ihren Mann beim Studium in Moskau kennengelernt. Auch wenn der Internationalismus groß geschrieben wird in der DDR - abschätzige Blicke muss sie ertragen lernen unter den Ostdeutschen. Sie bleibt eine Frau zwischen zwei Welten. Ihr Vater war kurzfristig Außenminister des Königreichs Laos, bis er von seiner eigenen Leibgarde ermordet wurde. Schon aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung missbilligt die laotische Familie die Beziehung mit einem deutschen Arbeitersohn und schickt der Mutter vietnamesische Spione auf den Hals. Der Arbeitersohn wiederum, der sich auf den diplomatischen Dienst vorbereitet und deshalb zu besonders staatstreuem Verhalten verpflichtet ist, erregt bei der Stasi Verdacht wegen seiner Liebe zu einer Frau aus dem reaktionären Königreich Laos. Dass das junge Paar überraschend schnell einen Telefonanschluss bekommt, liegt nur daran, weil man sie dann besser abhören kann.
1975 wird in Laos die Monarchie gestürzt und eine kommunistische Regierung installiert. Plötzlich öffnet sich im Zeichen der sozialistischen Bruderschaft für Khemkham die Tür zu einer akademischen Karriere in der DDR, und sie ist gefragt als Übersetzerin, wenn Delegationen aus ihrer Heimat kommen. Dann entstehen staatstragende Fotos für das Familienalbum, die sie mit Erich Honecker in weißen Kitteln und Gummistiefeln bei der Besichtigung einer VEB-Melkanlage zeigen.
Weil der Roman aus der Perspektive des 1969 geborenen Sohns André geschrieben ist, erleben wir bei der Lektüre allerdings zunächst den realsozialistischen Schulalltag in Potsdam-Waldstadt II und erhalten Einblicke in die Popsozialisation eines Ostjugendlichen, der heimische musikalische Gewächse wie die Puhdys nicht ausstehen kann und lieber Hitparadenmaterial aus dem Westen auf seinen Cassettenrecorder schmuggelt. In der Schule bekommt André manchmal "Schlitzauge"-Rufe zu hören. Immerhin gibt es eine Lehrerin, die die Mitschüler zurechtweist. Sie sollen ihn nicht hänseln "bloß weil er ein Mischling ist. Kein Mensch kann etwas für sein Aussehen. Es ist nicht seine Schuld, dass er anders ist als ihr, habt ihr das verstanden?" Das ist gut gemeint, auch wenn es die heutige Korrektheit um Längen verfehlt. Aber darum geht es André Kubiczek nicht. Ihm geht es um historische Korrektheit, auch bei der Thematisierung des untergründigen Rassismus in der DDR.
Und dann ist Weihnachten 1981, und mit großer Ausführlichkeit wird erzählt, wie der Junge seine Großeltern aus dem Harz vom Bahnhof abholt und es im Verlauf der Feiertage nicht nur Freuden, sondern auch Streit gibt. Der Großvater war immer schon ein bisschen schwierig, auch politisch. Er hat sich als waschechter Proletarier am Aufstand von 1953 beteiligt, was für Andrés Vater eine peinliche Familienerinnerung ist: "Er schämte sich, dass sein Vater Teil des gewalttätigen Mobs aus alten Nazis, jungen Faschisten und ordinären Randalierern war, der die junge sozialistische Ordnung zum Einsturz bringen wollte." Später hat sich der Großvater offenbar mit den Verhältnissen arrangiert, mit viel Bier und Zigaretten, weshalb der Junge ihn als schlimm hustenden, etwas verwirrten und bereits der Fürsorge der Großmutter bedürftigen Alten erlebt, obwohl er erst Anfang sechzig ist.
Die sehr breit ausgerollte "Nostalgia" dieser Passagen erscheint bald jedoch in ganz anderem Licht: Hier wird eine noch halbwegs heile Familienwelt kurz vor der Abbruchkante in Szene gesetzt. Denn am Ende dieser Ferien setzt bei Andrés Mutter ein fürchterliches Siechtum ein. Sie ist unheilbar an Krebs erkrankt; dazu kommen missglückte Operationen. Für André ist die Leichtigkeit der Jugend dahin. Es schaudert ihn, wenn er die Beutel ihres künstlichen Darmausgangs entsorgen muss, obwohl eine Helferin die Sicherheit des Materials rühmt: "Da läuft nichts aus. Die Beutel sind aus dem Westen und haben ein Ventil." Das ganze Leben war damals durchwirkt von der Konkurrenz der Systeme, und so finden sich in diesem Roman Ost-West-Motive auch dort, wo man sie nicht vermutet.
Andrés ein Jahr jüngerer Bruder Alain leidet ebenfalls an einer schweren Krankheit, einer sich von Jahr zu Jahr verschlimmernden geistigen Behinderung. Irgendwann büßt er wegen seines unstillbaren Appetits auf Süßes auch die gewisse liebenswerte Niedlichkeit ein und wird von den Menschen nur noch als Zumutung empfunden. Hier ist der Bruderblick erbarmungslos, weil mitbetroffen. Vor seiner ersten Freundin verleugnet André den Bruder und bringt sich damit in ein unlösbares Dilemma.
Ein formales Problem des Romans besteht darin, dass die Vorgeschichte der Mutter nur schlecht durch die Perspektive des Sohnes vermittelt werden kann. Deshalb wechselt der Roman mehrfach in die Gedankenwelt der Mutter, was erzähltechnisch inkonsequent wirkt, aber inhaltlich erheblichen Zugewinn bringt. Ihre Sehnsucht nach der laotischen Herkunftswelt und das Fremdheitsgefühl in der DDR, wo es nur faden Kochbeutelreis gibt, werden immer größer. Ein starkes Kapitel erzählt eindringlich von der letzten Reise der Todkranken zur Familie nach Laos.
"Nostalgia" hätte zwar einige Straffungen vertragen, überzeugt aber durch große Authentizität und Ehrlichkeit. Der Roman lebt von den atmosphärischen Details, auch wenn die Umbrüche nach dem Mauerfall beschrieben werden. Die Tragik wird mit einem leichten, bisweilen gewitzten Ton kontrastiert. Erinnerungsschwere Familienromane mit DDR-Hintergrund gibt es inzwischen viele, aber durch die ungewöhnliche laotische Komponente bricht "Nostalgia" aus dem Gewohnten aus. Noch nie ist André Kubiczek den biographischen Leidensschichten, die sein Schreiben bestimmen, so nahe gekommen wie in diesem Buch, das er am Ende dessen beiden früh verstorbenen Hauptfiguren widmet: seiner Mutter Khemkham, die nur vierzig, und seinem Bruder Alain, der nur siebzehn Jahre alt wurde. WOLFGANG SCHNEIDER
André Kubiczek:
"Nostalgia". Roman.
Rowohlt Berlin Verlag,
Berlin 2024.
400 S., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Im Zentrum dieses autobiographischen Romans steht die Figur der Mutter, Khemkham Kubiczek. 1968 wandert die junge Frau aus Laos in die geschlossene Gesellschaft der DDR ein. Sie hat ihren Mann beim Studium in Moskau kennengelernt. Auch wenn der Internationalismus groß geschrieben wird in der DDR - abschätzige Blicke muss sie ertragen lernen unter den Ostdeutschen. Sie bleibt eine Frau zwischen zwei Welten. Ihr Vater war kurzfristig Außenminister des Königreichs Laos, bis er von seiner eigenen Leibgarde ermordet wurde. Schon aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung missbilligt die laotische Familie die Beziehung mit einem deutschen Arbeitersohn und schickt der Mutter vietnamesische Spione auf den Hals. Der Arbeitersohn wiederum, der sich auf den diplomatischen Dienst vorbereitet und deshalb zu besonders staatstreuem Verhalten verpflichtet ist, erregt bei der Stasi Verdacht wegen seiner Liebe zu einer Frau aus dem reaktionären Königreich Laos. Dass das junge Paar überraschend schnell einen Telefonanschluss bekommt, liegt nur daran, weil man sie dann besser abhören kann.
1975 wird in Laos die Monarchie gestürzt und eine kommunistische Regierung installiert. Plötzlich öffnet sich im Zeichen der sozialistischen Bruderschaft für Khemkham die Tür zu einer akademischen Karriere in der DDR, und sie ist gefragt als Übersetzerin, wenn Delegationen aus ihrer Heimat kommen. Dann entstehen staatstragende Fotos für das Familienalbum, die sie mit Erich Honecker in weißen Kitteln und Gummistiefeln bei der Besichtigung einer VEB-Melkanlage zeigen.
Weil der Roman aus der Perspektive des 1969 geborenen Sohns André geschrieben ist, erleben wir bei der Lektüre allerdings zunächst den realsozialistischen Schulalltag in Potsdam-Waldstadt II und erhalten Einblicke in die Popsozialisation eines Ostjugendlichen, der heimische musikalische Gewächse wie die Puhdys nicht ausstehen kann und lieber Hitparadenmaterial aus dem Westen auf seinen Cassettenrecorder schmuggelt. In der Schule bekommt André manchmal "Schlitzauge"-Rufe zu hören. Immerhin gibt es eine Lehrerin, die die Mitschüler zurechtweist. Sie sollen ihn nicht hänseln "bloß weil er ein Mischling ist. Kein Mensch kann etwas für sein Aussehen. Es ist nicht seine Schuld, dass er anders ist als ihr, habt ihr das verstanden?" Das ist gut gemeint, auch wenn es die heutige Korrektheit um Längen verfehlt. Aber darum geht es André Kubiczek nicht. Ihm geht es um historische Korrektheit, auch bei der Thematisierung des untergründigen Rassismus in der DDR.
Und dann ist Weihnachten 1981, und mit großer Ausführlichkeit wird erzählt, wie der Junge seine Großeltern aus dem Harz vom Bahnhof abholt und es im Verlauf der Feiertage nicht nur Freuden, sondern auch Streit gibt. Der Großvater war immer schon ein bisschen schwierig, auch politisch. Er hat sich als waschechter Proletarier am Aufstand von 1953 beteiligt, was für Andrés Vater eine peinliche Familienerinnerung ist: "Er schämte sich, dass sein Vater Teil des gewalttätigen Mobs aus alten Nazis, jungen Faschisten und ordinären Randalierern war, der die junge sozialistische Ordnung zum Einsturz bringen wollte." Später hat sich der Großvater offenbar mit den Verhältnissen arrangiert, mit viel Bier und Zigaretten, weshalb der Junge ihn als schlimm hustenden, etwas verwirrten und bereits der Fürsorge der Großmutter bedürftigen Alten erlebt, obwohl er erst Anfang sechzig ist.
Die sehr breit ausgerollte "Nostalgia" dieser Passagen erscheint bald jedoch in ganz anderem Licht: Hier wird eine noch halbwegs heile Familienwelt kurz vor der Abbruchkante in Szene gesetzt. Denn am Ende dieser Ferien setzt bei Andrés Mutter ein fürchterliches Siechtum ein. Sie ist unheilbar an Krebs erkrankt; dazu kommen missglückte Operationen. Für André ist die Leichtigkeit der Jugend dahin. Es schaudert ihn, wenn er die Beutel ihres künstlichen Darmausgangs entsorgen muss, obwohl eine Helferin die Sicherheit des Materials rühmt: "Da läuft nichts aus. Die Beutel sind aus dem Westen und haben ein Ventil." Das ganze Leben war damals durchwirkt von der Konkurrenz der Systeme, und so finden sich in diesem Roman Ost-West-Motive auch dort, wo man sie nicht vermutet.
Andrés ein Jahr jüngerer Bruder Alain leidet ebenfalls an einer schweren Krankheit, einer sich von Jahr zu Jahr verschlimmernden geistigen Behinderung. Irgendwann büßt er wegen seines unstillbaren Appetits auf Süßes auch die gewisse liebenswerte Niedlichkeit ein und wird von den Menschen nur noch als Zumutung empfunden. Hier ist der Bruderblick erbarmungslos, weil mitbetroffen. Vor seiner ersten Freundin verleugnet André den Bruder und bringt sich damit in ein unlösbares Dilemma.
Ein formales Problem des Romans besteht darin, dass die Vorgeschichte der Mutter nur schlecht durch die Perspektive des Sohnes vermittelt werden kann. Deshalb wechselt der Roman mehrfach in die Gedankenwelt der Mutter, was erzähltechnisch inkonsequent wirkt, aber inhaltlich erheblichen Zugewinn bringt. Ihre Sehnsucht nach der laotischen Herkunftswelt und das Fremdheitsgefühl in der DDR, wo es nur faden Kochbeutelreis gibt, werden immer größer. Ein starkes Kapitel erzählt eindringlich von der letzten Reise der Todkranken zur Familie nach Laos.
"Nostalgia" hätte zwar einige Straffungen vertragen, überzeugt aber durch große Authentizität und Ehrlichkeit. Der Roman lebt von den atmosphärischen Details, auch wenn die Umbrüche nach dem Mauerfall beschrieben werden. Die Tragik wird mit einem leichten, bisweilen gewitzten Ton kontrastiert. Erinnerungsschwere Familienromane mit DDR-Hintergrund gibt es inzwischen viele, aber durch die ungewöhnliche laotische Komponente bricht "Nostalgia" aus dem Gewohnten aus. Noch nie ist André Kubiczek den biographischen Leidensschichten, die sein Schreiben bestimmen, so nahe gekommen wie in diesem Buch, das er am Ende dessen beiden früh verstorbenen Hauptfiguren widmet: seiner Mutter Khemkham, die nur vierzig, und seinem Bruder Alain, der nur siebzehn Jahre alt wurde. WOLFGANG SCHNEIDER
André Kubiczek:
"Nostalgia". Roman.
Rowohlt Berlin Verlag,
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400 S., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
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Autobiografischer Roman
André Kubiczek erzählt in 'Nostalgia' seine Geschichte, vom Aufwachsen in der späten DDR und von der großen Verbundenheit zu seiner laotischen Mutter. Seine Eltern lernten sich beim Studium in Moskau kennen und gingen später gemeinsam nach …
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Autobiografischer Roman
André Kubiczek erzählt in 'Nostalgia' seine Geschichte, vom Aufwachsen in der späten DDR und von der großen Verbundenheit zu seiner laotischen Mutter. Seine Eltern lernten sich beim Studium in Moskau kennen und gingen später gemeinsam nach Potsdam. André wuchs sehr einsam auf. Der Vater war vielbeschäftigt, die Mutter erkrankte an der tödlichen Krankheit Krebs und auch sein Bruder starb noch im Teenageralter.
Im ersten Teil des Buches berichtet der Autor schonungslos ehrlich in welchen Konflikten er sich in seiner Pubertät befand, als er sich mit Fremdengfeindlichkeit und bedingungsloser Linientreue der Lehrerschaft auseinandersetzen musste. Wie wichtig war da die aus dem westdeutschen Teil der Welt stammende Musik, mit deren Hilfe er sich die englische Sprache beibrachte. Im zweiten Teil des Romans kommt die Mutter selbst mit ihren Gedanken und Gefühlen zu Wort, ihrem immer drängenderen Wunsch, der alten Heimat wieder nah zu sein.
Das Buch überzeugt durch seine Authentizität und schonungslose Ehrlichkeit, schaffte es, für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert zu werden.
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Gebundenes Buch
Favorit für die Shortlist
Nostalgia ist eine Familiengeschichte, die in den frühen Achtziger Jahren in der DDR angesiedelt und die trotz des Titels nicht nostalgisch verklärt sondern glaubhaft und echt den Zustand zeigt. Die erlebende Perspektive ist die des Kindes André. Es …
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Favorit für die Shortlist
Nostalgia ist eine Familiengeschichte, die in den frühen Achtziger Jahren in der DDR angesiedelt und die trotz des Titels nicht nostalgisch verklärt sondern glaubhaft und echt den Zustand zeigt. Die erlebende Perspektive ist die des Kindes André. Es ist ein autobiografisch gefärbter Text, liest sich aber nicht wie die übliche autofiktionale Literatur. Das liegt auch darin, dass nicht in der ersten Person erzählt wird.
Zentrale Figur ist die der Mutter, die aus Laos stammte und au Liebe in die DDR ging. Diese Herkunft ist manchmal nicht einfach für Andre, zum Beispiel wenn er in der Schule Schlitzauge genannt wird.
Hinzu kommt noch der jüngere Bruder, der geistig behindert ist. Und auch die Mutter wird krank. Es wird schlimmer und damit endet Andres unbekümmerte Jugend schnell. Später wird auch die Perspektive der Mutter gezeigt.
Andre Kubiczek schreibt detailliert, vielleicht manchmal zu ausführlich. Vielleicht erreicht er mit seiner Genauigkeit aber auch erst den Leser.
Es ist ein Text, der einen nicht gleichgültig lässt.
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NOSTALGIA
André Kubiczek
DDR in den 70er/80er Jahren:
„Nastalgia“ ist ein autobiografisches Familienporträt des Autors André Kubiczek. Geprägt von seiner laotischen Mutter und seinem geistig behinderten Bruder, wird der Protagonist immer wieder Ziel …
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NOSTALGIA
André Kubiczek
DDR in den 70er/80er Jahren:
„Nastalgia“ ist ein autobiografisches Familienporträt des Autors André Kubiczek. Geprägt von seiner laotischen Mutter und seinem geistig behinderten Bruder, wird der Protagonist immer wieder Ziel diskriminierender Anfeindungen. Kubiczek schildert detailliert seine Kindheit und lässt uns an Episoden jener und seiner Jugend teilhaben. Dabei gewährt er uns tiefe Einblicke in sein Inneres. Er ist ein sensibler Junge, der einfach nur „dazugehören" will und sich oft am liebsten unsichtbar machen würde. Freundschaften und seine Familie sind ihm dabei sehr wichtig.
Das erste Drittel des Buches liest sich wie eine Coming-of-Age-Geschichte.
Ab der Mitte des Buches steht seine Mutter im Fokus, die ihre Sicht der Dinge selbst erzählt. Im letzten Viertel erfahren wir, wie sich seine Eltern in Moskau kennenlernen und ineinander verlieben. Wir erleben, wie seine Mutter von ihrer Familie verstoßen wird, als sie mit einem Baby im Bauch "den Deutschen" heiraten möchte, und wie sie von Anfang an mit der Entscheidung haderte, ihren laotischen Pass gegen den der DDR einzutauschen.
Das Buch hat mich atmosphärisch überzeugt, vor allem durch die vielen offenen Fragen, die erst zum Ende hin aufgelöst wurden, den raffinierten Aufbau und die wechselnden Erzählperspektiven. Trotz dieser positiven Aspekte hätte ich mir ein wenig mehr Spannung oder einen größeren Plot zum Ende gewünscht.
4-/ 5
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Eine unsortierte Familienchronik
Dieser Roman handelt in den ersten drei Teilen von dem Aufwachsen eines Kindes André mit Migrationshintergrund in der DDR, beginnend ab 1981 mit harten Kindheitsproblemen rund um Schule, Freundschaft und Erwachsen werden. Nicht nur ist sein jüngerer …
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Eine unsortierte Familienchronik
Dieser Roman handelt in den ersten drei Teilen von dem Aufwachsen eines Kindes André mit Migrationshintergrund in der DDR, beginnend ab 1981 mit harten Kindheitsproblemen rund um Schule, Freundschaft und Erwachsen werden. Nicht nur ist sein jüngerer Bruder geistig behindert durch einen Unfall, auch der Gesundheitszustand seiner laotischen Mutter verschlechtert sich zunehmend bis zu deren Tod 1986. Im vierten Teil handelt es sich hingegen hauptsächlich um seine Mutter Teo, ab 1979 chronologisch in der Rückschau bis zu ihrer Kindheit in Laos. Der rote Faden ist verwirrend bei dieser zeitlichen Aufbereitung von detaillierten, interessanten Informationen zum Alltagsleben in der ehemaligen DDR. Der sensible, eher schweigsame Junge André, im Buch als “er“ bezeichnet, erträgt die schwere Bürde der großen Verantwortung für Bruder und kranker Mutter. Wie schwer diese familiäre Last ist, wird feinfühlig und atmosphärisch beschrieben, jedoch ohne Wut oder Vorwürfe gegenüber allen Familienmitgliedern. Der Vater spielt keine so wichtige Rolle hier, denn mit „Lappalien“ kann er nicht belastet werden neben dem Schreiben seiner Dissertation und starker akademischer Arbeitsbelastung mit Reisetätigkeit. Erzählerisch imponiert der Romanteil um André bis zu Teil 4, der eher die bisherige einheitliche Struktur zeitlich wirr verkompliziert.
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Hier also bin ich
Der stark autografisch inspirierte Roman «Nostalgia» des Schriftstellers André Kubiczek, dessen Mutter aus Laos stammte, beginnt wie eine Coming-of-Age-Geschichte, um dann aus laotischer Perspektive ein Frauenschicksal zu schildern, wie es beklemmender kaum …
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Hier also bin ich
Der stark autografisch inspirierte Roman «Nostalgia» des Schriftstellers André Kubiczek, dessen Mutter aus Laos stammte, beginnt wie eine Coming-of-Age-Geschichte, um dann aus laotischer Perspektive ein Frauenschicksal zu schildern, wie es beklemmender kaum vorstellbar ist. Ohne aber, trotz des Titels, nostalgisch verklärt zu sein. Die ersten zwei Teile der vierteiligen Erzählung schildern aus der Sicht Andrés dessen Schulalltag in der Spätphase der DDR. Mit seinem asiatischen Aussehen ist er in Potsdam Hänseleien der Mitschüler ausgesetzt, aber auch Schikanen einer böswilligen Lehrerin. Der jüngere Bruder des Dreizehnjährigen ist geistig behindert. Nur nicht auffallen ist die Devise von André angesichts des Alltagsrassismus, dem er ausgesetzt ist, und deshalb achtet er strikt darauf, dass ja niemand etwas von der Behinderung seines Bruders erfährt, auch seine Freundin nicht. Es ist eine Geschichte, die einem unter die Haut geht, deren Tragik aber von einem wohltuend lockeren Erzählton angenehm kontrastiert wird.
Der in der DDR geborene André ist sehr zufrieden mit seinem Leben, er kommt in der Schule gut voran, hat viele Freunde, ist gerne auch bei den Großeltern zu Besuch und erlebt all jene für einen Heranwachsenden prägenden Ereignisse. Der Autor versteht es, diese Jugend derart authentisch zu schildern, dass man häufig auch an eigenes Erleben erinnert wird. Das klingt dann auch sprachlich nicht nur so unglaublich real, dass man die Gedankengänge des Jugendlichen, seine Wünsche und Träume, aber auch seine Ängste geradezu mitzuspüren glaubt, alles scheint außerdem auch dokumentarisch echt zu sein. Für die Wessis unter den Lesern wird die sozialistische Idylle mit ihren subtilen Gängelungen und dem gehirnwäsche-artigen, politischen Weltbild äußerst stimmig beschrieben. Insoweit ist dieses Buch nicht nur ein Entwicklungs-Roman, sondern auch ein DDR-Roman.
Das kommt dann auch im dritten Teil der Geschichte zum Tragen, wenn im Rückblick Teo, die laotischen Mutter, in den Fokus rückt. Sie stammt aus einer prominenten Familie, ihr Vater war bis zum kommunistischen Putsch 1975 Außenminister von Laos und wurde dann von der eigenen Leibgarde ermordet. Während ihres Studiums in Moskau hatte Teo ihren aus der DDR stammenden Mann kennen gelernt und ist ihm in seine Heimat gefolgt, wo sie geheiratet haben und wo schon bald auch ihre zwei Söhne geboren wurden. Andrés Vater strebt eine wissenschaftliche Karriere an und schreibt an seiner Doktorarbeit, die Mutter arbeitet, deutlich unterqualifiziert, als Dolmetscherin, bis ihr Vorgesetzter auch ihr den Weg zur Promotion öffnet. Sie erkrankt aber unheilbar an Krebs, und eines Tages erhält André, der inzwischen selbst studiert, ein Telegramm mit der Todesnachricht. Über seinen Kommilitonen, der ihm kondoliert, heiß es im Buch: «Jens weiß, wie es ist, keine Mutter zu haben. Er hat seine eigene vor Jahren an einen Mann verloren, der nicht sein Vater ist».
Derartig stimmige, lockere Formulierungen finden sich viele in diesem Roman, der die Chronologie virtuos negiert und dann am Schluss eben damit endet, dass die junge Teo mit ihrem Samsonite-Koffer, «der T34 unter den Koffern der Welt», wie ihr Mann meint, am Bahnhof ankommt. Sie war nach Moskau geflogen und mit dem Nachtzug nach Berlin weiter gefahren, wo sie der Vater ihres Mannes abholt. Sie tritt auf den Bahnhofs-Vorplatz und denkt: «Hier also bin ich». Mit ihrem ersten Schritt ins Unbekannte, in ein neues Leben für die junge Loatin, endet diese Geschichte schließlich, so paradox es scheint. Alle Figuren werden so lebensecht geschildert und sind durchweg so sympathisch, dass man sich nur schwer von ihnen trennen kann. Der Roman wurde für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert, man kann dem in Anbetracht seiner literarischen Qualitäten nur zustimmen!
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