Clare Chambers
Gebundenes Buch
Scheue Wesen
Ein zarter Roman über die Sehnsucht, gesehen zu werden 'Eine sehr liebevolle Lektüre, die uns wieder mal zeigt, dass Menschen Menschen brauchen.' Elke Heidenreich, Autorin von "Altern"
Übersetzung: Kuhn, Wibke
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Wann hast du dich das letzte Mal richtig gesehen gefühlt?Helen Hansford ist alles andere als eine konventionelle Frau - erst recht für die Sechzigerjahre. Unter der Woche hilft sie Patienten in einer modernen Klinik durch Kunst zur Rehabilitation, an den Wochenenden versucht sie, die Affäre mit ihrem charismatischen Kollegen Dr. Gil Rudden zu retten. Dass Gil seine Frau und Kinder nicht verlassen will, macht Helen anfangs nicht aus. Schließlich ist sie doch jung, autonom und emanzipiert.Dann begegnet sie William Tapping.Er hat das Haus seiner verwirrten alten Tante seit Jahren nicht mehr v...
Wann hast du dich das letzte Mal richtig gesehen gefühlt?
Helen Hansford ist alles andere als eine konventionelle Frau - erst recht für die Sechzigerjahre. Unter der Woche hilft sie Patienten in einer modernen Klinik durch Kunst zur Rehabilitation, an den Wochenenden versucht sie, die Affäre mit ihrem charismatischen Kollegen Dr. Gil Rudden zu retten. Dass Gil seine Frau und Kinder nicht verlassen will, macht Helen anfangs nicht aus. Schließlich ist sie doch jung, autonom und emanzipiert.
Dann begegnet sie William Tapping.
Er hat das Haus seiner verwirrten alten Tante seit Jahren nicht mehr verlassen und spricht kein Wort. Alle anderen sehen in dem verwahrlosten William nicht mehr als eine Randfigur. Nur Helen bemerkt seine überraschende künstlerische Begabung und setzt alles daran, sein Geheimnis zu lüften.
Schnell offenbart sich, dass William nicht der Einzige ist, der schon lange nicht wirklich gesehen wurde ...
Inspiriert durch wahre Begebenheiten erzählt Clare Chambers nach ihrem Überraschungserfolg Kleine Freuden mit Scheue Wesen nun die Geschichte einer jungen Kunsttherapeutin im England der 1960er Jahre, die mit dem Schicksal eines Patienten konfrontiert ihr eigenes Leben hinterfragen muss.
"Chambers' Sprache ist wunderschön und schafft, was nur die geschicktesten Schriftsteller können: großes Vergnügen aus kleinen Details." The New York Times
Helen Hansford ist alles andere als eine konventionelle Frau - erst recht für die Sechzigerjahre. Unter der Woche hilft sie Patienten in einer modernen Klinik durch Kunst zur Rehabilitation, an den Wochenenden versucht sie, die Affäre mit ihrem charismatischen Kollegen Dr. Gil Rudden zu retten. Dass Gil seine Frau und Kinder nicht verlassen will, macht Helen anfangs nicht aus. Schließlich ist sie doch jung, autonom und emanzipiert.
Dann begegnet sie William Tapping.
Er hat das Haus seiner verwirrten alten Tante seit Jahren nicht mehr verlassen und spricht kein Wort. Alle anderen sehen in dem verwahrlosten William nicht mehr als eine Randfigur. Nur Helen bemerkt seine überraschende künstlerische Begabung und setzt alles daran, sein Geheimnis zu lüften.
Schnell offenbart sich, dass William nicht der Einzige ist, der schon lange nicht wirklich gesehen wurde ...
Inspiriert durch wahre Begebenheiten erzählt Clare Chambers nach ihrem Überraschungserfolg Kleine Freuden mit Scheue Wesen nun die Geschichte einer jungen Kunsttherapeutin im England der 1960er Jahre, die mit dem Schicksal eines Patienten konfrontiert ihr eigenes Leben hinterfragen muss.
"Chambers' Sprache ist wunderschön und schafft, was nur die geschicktesten Schriftsteller können: großes Vergnügen aus kleinen Details." The New York Times
Clare Chamberswurde 1966 in London geboren. Sie unterrichtete Englische Literatur in Oxford, bevor sie für die bedeutende Verlegerin Diana Athill erst als Sekretärin, später als Lektorin zu arbeiten begann. Nach acht Romanen und einer Schreibpause von zehn Jahren wurde Kleine Freuden ein durch Mundpropaganda erzeugter Überraschungsbestseller und erschien auf Deutsch im Eisele Verlag. Die Mutter dreier erwachsener Kinder lebt mit ihrem Mann im Südosten Londons.
Produktdetails
- Verlag: Eisele Verlag
- Originaltitel: Shy Creatures
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 512
- Erscheinungstermin: 1. August 2024
- Deutsch
- Abmessung: 146mm x 219mm x 44mm
- Gewicht: 724g
- ISBN-13: 9783961611966
- ISBN-10: 3961611963
- Artikelnr.: 70294769
Herstellerkennzeichnung
Julia Eisele Verlag GmbH
Lilienstraße 73
81669 München
kontakt@eisele-verlag.de
Warmherzig, voller Empathie, immer mit ganz leisem Humor geschrieben, erschafft die Autorin liebenswerte, lebensechte Charaktere, deren Handlungen stets folgerichtig sind. Rena Müller Rheinische Post 20241214
Helen Hansford arbeitet als Kunsttherapeutin in der psychiatrischen Klinik Westbury Park. Es sind die Sechzigerjahre, bestimmte invasive Behandlungen von Geisteskrankheiten wurden abgeschafft, die Kunsttherapie als neuer zusätzlicher Ansatz hinzugefügt. Mit William Tapping wird ein Patient …
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Helen Hansford arbeitet als Kunsttherapeutin in der psychiatrischen Klinik Westbury Park. Es sind die Sechzigerjahre, bestimmte invasive Behandlungen von Geisteskrankheiten wurden abgeschafft, die Kunsttherapie als neuer zusätzlicher Ansatz hinzugefügt. Mit William Tapping wird ein Patient eingeliefert, dem sie sich widmet, besonders als sie bemerkt, dass dieser mit einem großen künstlerischen Talent gesegnet ist. William lebte viele Jahre im Haus seiner Tante, ohne das Haus verlassen zu haben. Erst nach und nach kommen Einzelheiten zutage, die das ganze Ausmaß der Tragödie offenbaren.
»Die Polizei, die am Sonntag wegen Lärmbelästigung zu einem Haus in der Coombe Road gerufen worden war, entdeckte dort einen nackten Mann mit einem anderthalb Meter langen Bart, der als Einsiedler mit seiner älteren Tante zusammenwohnte. William Tapping, 37, ist stumm, und es ist davon auszugehen, dass er das Haus seit mindestens zehn Jahren nicht mehr verlassen hat.« (Seite 129)
Im Nachwort verrät Clare Chambers, dass ihr die Idee zum vorliegenden Buch gekommen ist aufgrund eines Zeitungsartikels, den sie gelesen hat. Aus dieser Perspektive bekommt die Erzählung für mich einen ganz besonderen Charakter, obwohl die Ereignisse rund um William natürlich vollkommen fiktiv sind.
Im Vordergrund steht eigentlich Helen, deren Affäre mit einem verheirateten Mann sie in Gewissensbisse und Grübeleien versetzt. Seit drei Jahren dauert diese unselige Beziehung bereits an und immer öfter merkt die junge Frau, dass Glück sich anders anfühlt. Es werden die üblichen Versprechen gemacht und zukünftige Taten in Aussicht gestellt. Dem gegenüber stehen Rückblenden, die William betreffen. Diese Reisen in die Vergangenheit erfolgen nicht chronologisch, die Sprünge scheinen auf den ersten Blick chaotisch und nicht zusammenhängend, aber für das Gesamtbild sind diese klug gewählt, denn die Spannung, die dadurch erzeugt wird, ist nicht zu unterschätzen. Beide Erzählstränge zusammen ergeben eine interessante und auch spannende Geschichte, die ich mir anders vorgestellt habe, durch deren Verlauf ich allerdings sehr angenehm überrascht worden bin. Insgesamt ein Buch mit wunderschöner Sprache und voller Wendungen, die unerwartet und passend gewählt wurden. Lesenswert!
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Schon allein auf dieses wunderschöne Cover könnte man Hymnen singen. Es passt perfekt zum Inhalt dieses genialen Romans, ebenso wie der Titel. Denn die Protagonisten der Geschichte sind in der Tat sehr scheue Wesen.
Was sich aber im Laufe der Zeit ändert. Zu Beginn ist die im …
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Schon allein auf dieses wunderschöne Cover könnte man Hymnen singen. Es passt perfekt zum Inhalt dieses genialen Romans, ebenso wie der Titel. Denn die Protagonisten der Geschichte sind in der Tat sehr scheue Wesen.
Was sich aber im Laufe der Zeit ändert. Zu Beginn ist die im Mittelpunkt stehende Helen, Anfang dreißig und ledig, sehr schüchtern und zurückhaltend. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer davon ist, dass sie mit einem verheirateten Kollegen eine Affäre hat. Sie arbeitet als Kunsttherapeutin in einer psychiatrischen Klinik in London, es ist das Jahr 1964.
Da wird sie eines Tage zusammen mit Gil, ihrem Liebhaber, der einer der leitenden Ärzte der Klinik ist, zu einem alten Haus gerufen. Nach Beschwerden der Nachbarn hatte die Polizei in diesem Haus eine verwirrte alte Dame gefunden und einen völlig verwahrlosten jungen Mann. William Tapping, so sein Name, spricht nicht, sein Bart reicht ihm bis zu den Knien, er hat offensichtlich seit Jahrzehnten das Haus nicht verlassen, keinen Kontakt zu anderen Menschen als seiner Tante gehabt.
Helen findet später in dem Haus Zeichnungen von William und erkennt sein fulminantes Talent, integriert ihn in ihre Therapiegruppe. Irgendwann entlockt sie ihm auch wieder Worte, beginnt er zu sprechen. Sie findet Menschen, die ihn von früher kennen und nach und nach stellt sich seine Geschichte heraus.
In rückwärts laufenden Rückblicken, die zwischen die aktuelle Handlung eingeschoben sind, erleben wir William während der Kriegsjahre, zuerst als junger Mann, dann als Teenager, dann als Kind. Wir lernen seine drei Tanten kennen, bei denen er aufwuchs und erfahren, warum er irgendwann nicht mehr aus dem Haus gehen durfte.
Die Erfahrungen mit William haben auf Helen einen großen Einfluss, sie beginnt ihre Beziehung zu Gil zu hinterfragen, ihr Verhältnis zu ihrer Mutter. Langsam lernt sie sich zu emanzipieren, ebenso wie ihre Nichte, die wiederum unter dem Verhältnis zu ihrer Mutter leidet.
Der Roman ist ganz wunderbar sanft, fast zärtlich geschrieben. Man gleitet durch die Seiten, verfolgt atemlos die spannende Geschichte Williams, möchte Helen anschubsen, sich von ihren Fesseln und (noch) zeitgemäßen Dünkeln zu befreien. Und neben der eigentlichen Romanhandlung greift die Autorin, deren voriger Roman „Kleine Freuden“ mich genauso begeistert hatte, noch das Thema der damaligen Entwicklungen in der Psychotherapie und dem Umgang mit deren Patienten auf.
Der Schreibstil von Clare Chambers ist unglaublich warmherzig, voller Empathie, immer mit ganz leisem Humor, als wolle sie die Schrullen ihrer Figuren zeigen, aber nie verurteilen. So erschafft sie liebenswerte, lebensechte Charaktere, deren Handlungen stets folgerichtig sind. Man kommt diesen Figuren so nah, kann sich so gut in sie hineinfühlen, dass man am Ende des Buchs ein großes Bedauern verspürt, sie nun verlassen zu müssen.
Ein ganz und gar wunderbares Buch, uneingeschränkt und nachdrücklich empfehlenswert.
Clare Chambers - Scheue Wesen
aus dem Englischen von Wibke Kuhn
Eisele, Juli 2024
Gebundene Ausgabe, 510 Seiten, 26,00 €
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Helen, eine junge Frau in den 60er Jahren, ist Kunsttherarapeutin an einer Klinik für psychische Erkrankungen - sie hat damit einen für diese Zeit eher modernen Weg gewählt. Sie muss sich gegenüber der männlichen Ärzteschaft behaupten. Damit begibt sie sich in die …
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Helen, eine junge Frau in den 60er Jahren, ist Kunsttherarapeutin an einer Klinik für psychische Erkrankungen - sie hat damit einen für diese Zeit eher modernen Weg gewählt. Sie muss sich gegenüber der männlichen Ärzteschaft behaupten. Damit begibt sie sich in die Beziehung mit einem Kollegen. Doch ist es das was sie will? Oder hält sie nur an dem Wunsch eines glücklichen Endes fest?
eines Tages wird William als Patient eingeliefert. Nach dem Tod seiner Tante spricht er nicht. Nach und nach kommt Williams Geschichte ans Licht. Und dank Helen lernt auch er, sich wieder zu öffnen.
Mein Eindruck:
Die Geschichten von Helen und William erscheinen zunächst völlig losgelöst voneinander und doch verbinden sie sich später. Durch Rückblicke erfahren wir beim Lesen auch Williams ganze Geschichte. Zunächst fand ich dies etwas verstörend, aber William ist leider einfach das Opfer seiner psychisch auffälligen Tanten. Ängste, Zwänge und schizophrene Gedanken haben William stark zugesetzt. Es war so einfühlsam und zart, wie Helen es geschafft hat, eine Verbindung aufzubauen. Umso härter ist es für Helen selbst, dass sie sich als moderne Frau in eine andere Form der Abhängigkeit begibt. Der Autorin gelingt es auf eine sehr zarte Art die Personen zu zeichnen. Das schrittweise auflösen der Geschichte ist wunderbar gelungen. Ein gefühlvoller Roman, leise und doch eindrucksvoll.
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Meine Meinung
William Tapping werde ich nicht mehr vergessen
Nach Kleine Freuden konnte mich Clare Chambers erneut mit Scheue Wesen überzeugen. Wieder hat mich die Lebendigkeit ihrer Figuren total begeistert. Mit William hat sie eine Person gezeichnet, die mich emotional sehr …
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Meine Meinung
William Tapping werde ich nicht mehr vergessen
Nach Kleine Freuden konnte mich Clare Chambers erneut mit Scheue Wesen überzeugen. Wieder hat mich die Lebendigkeit ihrer Figuren total begeistert. Mit William hat sie eine Person gezeichnet, die mich emotional sehr berührt hat. Kennengelernt habe ich den stummen Mann in den 60er Jahren. Verwildert, mit einem ungewöhnlich langen Bart und Haaren, gibt er ein erbarmungswürdiges Bild ab. Mit seiner betagten Tante Luise haust er in einem heruntergekommenen Cottage, das er seit Jahren nicht mehr verlassen hat. Nach einem lautstarken Streit alarmieren Nachbarn die Polizei. Keiner wusste, dass es William überhaupt gibt. Seine Tante und er landen in einer psychiatrischen Klink. Dort lernt William die empathische Helen Hansford kennen. Die Kunsttherapeutin hat das Herz am rechten Fleck. Zusammen mit dem Arzt Gil, versuchen sie William zu helfen, ein eigenbestimmtes Leben zu führen.
Helen führt ihren Beruf mit großer Leidenschaft aus. Für sie zählt nur das Wohl der psychisch kranken Menschen. Auch Gil ist überzeugt; die Patienten brauchen viel Zuwendung, statt Unmengen Medikamente. Die Einstellung der beiden hat sie mehr sehr sympathisch gemacht.
Die Affäre zwischen dem verheirateten Gil und Helen passt wunderbar in die Geschichte. Sie hat gezeigt, dass auch einfühlsame Menschen nicht immer ein moralisch tadelloses Leben führen.
In dieser Geschichte menschelt es gewaltig. In verschiedenen Zeitebenen erfahren wir abwechselnd aus der Perspektive von Helen und William, das ganze Ausmaß einer großen Tragödie, basierend auf einer wahren Begebenheit. Für mich war es manchmal sehr hart mitzuerleben, was William alles erleiden musste.
Einzig eine Person ist für diese Tragödie verantwortlich. Sämtliche andere Personen haben auch falsch gehandelt, aber sie waren sich dessen nicht bewusst. Sie hatten nach besten Wissen und Gewissen gehandelt. Aber diese eine Person hat einen Stein ins Rollen gebracht, der durch falsches Handeln lange Zeit nicht mehr zu stoppen war.
Ich bin von dem Schreibstil der Autorin sehr angetan. Clare Chambers schreibt sich in die Seele des Lesers und erzeugt ein emotionales Kopfkino.
Die komplexe Geschichte beinhaltet wichtige Themen, darunter den Alltag in einer psychiatrischen Klink. Der zweite Weltkrieg spielt eine untergeordnete Rolle, da die Thematik nur kurz angeschnitten wird. Ich empfehle das Nachwort zu lesen.
Von mir eine klare Empfehlung. Danke Clare Chambers.
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England, 1964. Helen, Mitte 30, ledig, ist Kunsttherpeutin in einer psychatrischen Einrichtung. Seit drei Jahren unterhält sie eine Beziehung zu Gil, einem Psychotherapeuten, der in der gleichen Einrichtung praktiziert. Doch zu ihrem Bedauern hat diese Beziehung keine Zukunft, denn Gil ist …
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England, 1964. Helen, Mitte 30, ledig, ist Kunsttherpeutin in einer psychatrischen Einrichtung. Seit drei Jahren unterhält sie eine Beziehung zu Gil, einem Psychotherapeuten, der in der gleichen Einrichtung praktiziert. Doch zu ihrem Bedauern hat diese Beziehung keine Zukunft, denn Gil ist verheiratet und hat von vornherein klar gemacht, dass die Trennung von seiner Familie keine Option ist. Sie lässt sich sehr von Gil beeinflussen, und mehr und mehr wird ihr klar, dass sie in einem unguten Abhängigkeitsverhältnis feststeckt und ihr Leben sehr, zu sehr, nach seinen Bedürfnissen ausrichtet. Dabei vergisst sie, selbst zu leben.
Dann wird sie zufällig eines Tages dazugerufen, als ein neuer Patient aufgenommen wird. William ist wie sie in den Dreißigern, jedoch wirkt er verwahrlost und verschroben. Kein Wunder, denn er war für gute zwanzig Jahre völlig von der öffentlichen Bildfläche verschwunden und lebte mit zunächst drei, zuletzt noch einer Tante zurückgezogen und versteckt vor der Öffentlichkeit. Das Schicksal des künstlerisch begabten jungen Mannes geht Helen nahe, und so sucht sie nach Hinweisen und legt seine Vergangenheit und den Ursprung seines abgeschiedenen Lebens frei.
Der Roman gibt interessante Einblicke in die Abläufe in einer psychatrischen Klinik in den 60er Jahren. Zentral ist auch die Frage, aufgebracht durch Gil, der sich an R. L. Laings antipsychatrischem Ansatz orientiert, was normal ist und was nicht, und ob es nicht normal überhaupt gibt, oder ob es nicht vielmehr darum geht, gesellschaftlich kompatibel zu sein und normal somit lediglich eine Vereinbarung ist. Heute würde man dies vielleicht unter Schubladendenken fassen, wobei die Gesellaschaft in den 60ern vermutlich weit weniger großzügig war verglichen mit heute, welches Verhalten gesellschaftlich noch akzeptabel ist und welches nicht.
Gut illustriert wird dies auch durch Helens pubertierende Nichte, die eines Tages Patientin in der Einrichtung wird. Die Ursache ist harmlos: sie pubertiert, ist nicht mehr gut lenkbar, und damit kommt ihre Mutter nicht zurecht. Wobei Pubertät historisch betrachtet ein Phänomen des späteren 20. Jahrhunderts ist. Was nicht bedeutet, dass es sie vorher faktisch nicht gegeben hätte.
Die kurzweilig zu lesende Geschichte ist multiperspektivisch erzählt. 1964 erleben wir aus der Sicht von Helen. Diese Handlungsebene wird unterbrochen durch Rückblicke aus Williams Sicht, die chonologisch rückwärts angeordnet sind. Und manchmal gibt es auch einen allwissenden Erzähler. Die Idee zu Clare Chambers Roman geht auf einen wahren Fall zurück. Die psychologischen Aspekte dieses Romans sind für mich definitiv der interessantere Teil und hätten nach meinem Geschmack noch stärker herausgearbeitet werden dürfen. Etwas zu auserzählt empfinde ich das Beziehungskonstrukt von Helen und Gil. Besonders das Intro hätte hier kürzer gefasst werden können, es braucht schon eine ganze Weile, bis die Story zur eigentlich relevanten Handlung kommt.
Aus dem Englischen übersetzt wurde der Roman von Wibke Kuhn. Diese Information habe ich der Website des Verlags entnommen, denn im Buch wird die Übersetzerin leider nicht namentlich genannt.
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SCHEUE WESEN
Clare Chambers
1964:
Helen, ehemalige Kunstlehrerin, arbeitet seit einigen Jahren als Kunsttherapeutin in einer Einrichtung für psychisch erkrankte Menschen.
Sie hat seit drei Jahren eine Affäre mit einem der Ärzte der Klinik. Während sie zu Beginn der Liebe …
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SCHEUE WESEN
Clare Chambers
1964:
Helen, ehemalige Kunstlehrerin, arbeitet seit einigen Jahren als Kunsttherapeutin in einer Einrichtung für psychisch erkrankte Menschen.
Sie hat seit drei Jahren eine Affäre mit einem der Ärzte der Klinik. Während sie zu Beginn der Liebe noch glücklich war, plagt sie nun zunehmend das schlechte Gewissen, denn der Psychiater Gil ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Während Helen versucht, immer für spontane Besuche seitens Gils parat zu stehen, vergisst sie, dass sie ein eigenes Leben mit Freunden und Familie führen könnte.
Eines Tages wird der stumme William Tapping mit seiner verwirrten Tante in die Klinik eingeliefert.
Nachbarn hatten die Polizei benachrichtigt, nachdem im Nachbarhaus ein Streit ausbrach. Diese waren ganz verwundert, dass aus dem Haus ein völlig verwildert und vernachlässigter Mann mit einem unendlich langen Bart abgeführt wurde. In der ganzen Zeit, in der sie dort wohnten, hatten sie nie zuvor einen Mann in dem Haus gesehen.
William wird Gils Patient. Helen bemerkt schnell, dass dieser ein besonderes Talent zum Zeichnen hat und lädt ihn in ihre Therapiestunde ein. Um seine Vergangenheit zu klären, wendet sie sich an Williams ehemalige Klassenkameraden und erfährt so Bruchstücke aus seinem Leben. Unter anderem findet sie heraus, dass William seine Schule im Alter von 11 Jahren abbrach und nie mehr zur Schule zurückkehrte, außerdem ist es wahrscheinlich, dass er ab diesem Zeitpunkt das Haus nie mehr verließ.
Mit Fingerspitzengefühl gelingt es Helen, hinter das große Geheimnis von William zu kommen.
Was für ein unglaublich tolles Buch!
Ich habe es in nur drei Tagen gelesen und bin nur so durch die Seiten geflogen. Zum Ende wurde es so spannend, dass ich das Buch mit seinem leichten Schreibstil und dem schönen Cover gar nicht mehr aus der Hand legen konnte.
Geschickt hat es die Autorin verstanden, Fiktion und die wahre Geschichte des William Tapping zu verknüpfen. Dabei gefiel mir besonders gut, dass der Erzählstrang vom William rückwärtslaufend war und bis in den Sommer 1938 reichte.
Die Protagonisten wirkten auf mich komplett authentisch und absolut passend in die Zeit der 60er-Jahre, als die Frauen gerne mal als hysterisch in den Psychiatrien weggeschlossen und mit Elektroschocks behandelt wurden.
Große Leseempfehlung für dieses feine Buch und ja, es müsste eigentlich eine Triggerwarnung geben, aber wenn ich die ausspräche, verrate ich den Plot.
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Broschiertes Buch
Helen Hansford arbeitet 1964 als Kunsttherapeutin an einer psychiatrischen Klinik. Seit drei Jahren hat sie eine Affäre mit einem der leitenden Ärzte, der sich fortschrittlich für neue Therapiemethoden einsetzt. Helen steht für ihn auf Abruf bereit, solange sie noch an sein …
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Helen Hansford arbeitet 1964 als Kunsttherapeutin an einer psychiatrischen Klinik. Seit drei Jahren hat sie eine Affäre mit einem der leitenden Ärzte, der sich fortschrittlich für neue Therapiemethoden einsetzt. Helen steht für ihn auf Abruf bereit, solange sie noch an sein Versprechen glaubt, seine Ehefrau, die ausgerechnet eine entfernte Cousine Helens ist, zu verlassen, wenn ihre Kinder aus dem Gröbsten heraus sind.
Als ein neuer Patient eingeliefert wird, der isoliert mit seiner Tante zusammenlebte, verwahrlost und mindestens zehn Jahre nicht mehr das Haus verlassen hatte, ist Helen von seinem Schicksal berührt. Sie erkennt sein künstlerisches Talent und versucht mehr über ihren stummen Patienten herauszufinden.
Die Geschichte handelt im Jahr 1964 und gibt dabei Einblicke in den Alltag in einer "Irrenanstalt" und entwirft ein anschauliches Porträt der Gesellschaft der damaligen Zeit. Durch Szenen aus dem Familienleben werden die patriarchalen Strukturen und die Stellung der Frau erkennbar.
Mit dem Auffinden von William Tapper ergänzt eine weitere Perspektive die Handlung. In Rückblenden, die sich mit der Gegenwart 1964 abwechseln, wird Williams Lebensgeschichte chronologisch rückwärts erzählt und deckt auf, was ihm ab dem Jahr 1938 widerfahren ist und zu der prekären Situation der Abschottung in einem Haus mit einer zunehmend verwirrten Tante geführt hat.
Die Geschichte ist warmherzig und einfühlsam geschildert. Helen widmet sich liebevoll ihrer Arbeit mit den Patienten in der psychiatrischen Klinik. Auch für Dr. Gil Rudden steht das Wohl seiner Patienten an erster Stelle, weshalb er neue Ansätze vertritt und die Gesprächstherapie statt einer alleinigen medikamentösen Behandlung vorzieht. Gleichzeitig sind sie moralisch wenig integer, indem sie ihre heimliche Affäre bereits seit drei Jahren praktizieren.
Während Helen versucht, das Geheimnis hinter Williams Isolierung zu entschlüsseln und sich um ihre Nichte sorgt, die ebenfalls als Patientin in Westbury Park aufgenommen wird, stellt sie zunehmend sie ihre Beziehung zu Gil in Frage, die auf unterschiedlichen Erwartungen beruht.
"Scheue Wesen" ist dramatisch und spannend, wird jedoch sehr sanft und einfühlsam erzählt und spiegelt auf diese Art auch den Titel wider. Das Schicksal Williams geht zu Herzen und fesselt durch die Art der Erzählweise, die erst allmählich seinen Hintergrund aufdeckt.
Es ist ein zartfühlender Roman über Trauma, Verlust und Selbstfindung sowie ein Plädoyer für Freundlichkeit und Mitgefühl im Umgang mit einander.
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