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Benutzername: 
Lena
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Köln

Bewertungen

Insgesamt 89 Bewertungen
Bewertung vom 21.04.2025
Dunkles Wasser / Polizistin Kate Linville Bd.5
Link, Charlotte

Dunkles Wasser / Polizistin Kate Linville Bd.5


sehr gut

Vor 15 Jahren wurden im Sommer in Schottland mehrere Urlauber beim Zelten kaltblütig ermordet. Überlebt hat nur die 16-jährige Iris, die sich vor den Tätern verstecken konnte.
Iris ist traumatisiert und nach wie vor in psychotherapeutischer Behandlung. Zudem wird sie seit kurzem von einem anonymen Stalker bedroht. Als sie mit ihrer Freundin in Frankreich im Urlaub ist, ist die Stimmung gedrückt und ihre Wege trennen sich durch die Verwicklung unglücklicher Umstände. Auf sich allein gestellt, trifft Iris auf Caleb Hale, der selbst in Frankreich im Urlaub ist und der attraktiven Frau helfen möchte. Auf der Suche nach ihrer Freundin sieht sich der ehemalige Polizist an seine Berufung erinnert. Die Ereignisse überschlagen sich, als sich herausstellt, dass Iris tatsächlich in unmittelbarer Gefahr ist und einer der Täter von damals die Zeugin offenbar eliminieren möchte.
Kate Linville, die zum Inspector befördert worden ist und unglücklich von einem aktuellen Entführungsfall abgezogen wurde, ist plötzlich für Iris Shaw zuständig und versucht alles, um den Cold Case zu lösen und deckt dabei so manche Ungereimtheit auf.

"Dunkles Wasser" ist der fünfte Band der "Kate-Linville"-Reihe, der sich bezogen auf den Kriminalfall unabhängig von den Teilen davor lesen lässt. Im Hinblick auf die handelnden Personen ist es jedoch aufschlussreich die Reihe chronologisch zu lesen.

Der Roman handelt von zwei unterschiedlichen Kriminalfällen, wobei der aktuelle Fall der Entführung einer Jugendlichen in den Hintergrund tritt und nachrangig ist. Er hat jedoch zur Folge, dass Kate freie Kapazitäten hat und deshalb bereitwillig ihren Freund Caleb unterstützt, für den sie immer noch mehr empfindet. Beide beißen sich im weiteren Verlauf aus unterschiedlichen Gründen an dem Cold Case fest, der eine Bedrohung für die einzig überlebende Zeugin Iris ist. Kate ist überzeugt, dass ihr Verfolger nur mit Hilfe der Aufklärung des alten Falls gelöst werden kann.

Die Geschichte ist spannend und wendungsreich und durch die Sicht des Täters im Jahr 2008 brutal. Auf diese Weise hat der Leser gegenüber den Ermittlern einen Wissensvorsprung, was die Spannung allerdings nur geringfügig mindert. Der Fall ist komplex, weshalb es dauert, bis sich alle Zusammenhänge zwischen Gegenwart und Vergangenheit, Opfern und Tätern offenbaren.

Die Ermittlungen sind dabei sehr von Kates Hartnäckigkeit und ihrem Instinkt und weniger von konkreten Spuren geleitet. Zudem erscheinen durch den langen Zeitraum nach 15 Jahren die Motive nicht immer ganz schlüssig und nachvollziehbar. Die Offenbarung am Ende ist überraschend, aber weniger raffiniert als vielmehr weit hergeholt.
Die Atmosphäre ist hingegen durchgehend authentisch beschrieben. Die Stimmung ist trotz des Sommers düster und wechselt zwischen Starkregen und unerträglicher Hitze.
Wie gewohnt hat Kate immer noch mit ihren inneren Dämonen zu kämpfen, die weiterhin die Nerven des Lesers strapazieren. Auch Caleb ist mit seiner blinden Verliebtheit in diesem Band neben der Spur.

"Dunkles Wasser" ist durch den undurchsichtigen Zusammenhang zwischen Vergangenheit und Gegenwart spannend und durch immer neue Hinweise wendungsreich. Das Szenario um das Gewaltverbrechen als eine Folge von sozialer Ungleichheit, Rachegelüsten und einem Gewaltexzess und die späten Folgen ist nicht abwegig, aber für die Dramaturgie in vieler Hinsicht konstruiert. Für mich deshalb nicht der beste Teil der Reihe.

Bewertung vom 19.04.2025
Die Erbin
Winter, Claire

Die Erbin


ausgezeichnet

Cosima Liefenstein ist eine der Nachfahren von Wilhelm Liefenstein, der das Unternehmen Liefenstein gegründet hatte, das mit der Herstellung von Batterien groß geworden ist und sich auch in der Stahlindustrie einen Namen gemacht hat. Sein Sohn Theodor, der Onkel von Cosima, führt das Unternehmen in seinem Sinne weiter. Cosima hat ein enges Verhältnis zu ihrem Onkel, nachdem ihr Vater verstorben ist, als sie noch ein junges Mädchen war.
Sie selbst hatte vor Kurzem einen Reitunfall und hat nach einer Begegnung mit einer jungen, verwitweten Mutter eine Stiftung für bedürftige Frauen gegründet. Während ihr Verlobter Alexander ihr Engagement als nicht angemessen erachtet, interessiert sich der Journalist Leo Marktgraf für ihre Tätigkeit. Er hat jedoch noch ein ganz eigenes Interesse an ihrer Familie, nachdem sein Freund und Anwalt Walter Weber nach einer Anschuldigung der Liefensteins unter seltsamen Umständen ums Leben gekommen ist.
Auch bei Cosima ist das Interesse an der Geschichte ihrer Familie geweckt, nachdem sie auf dem Dachboden Fotos gefunden hat, die eine enge Verbindung der Liefensteins zur SS im Dritten Reich belegen.

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen und rückt in der Gegenwart im Jahr 1957 den Fokus auf die junge Erbin Cosima Liefenstein, die den Einfluss ihrer Familie für soziale Zwecke nutzen möchte und sich damit nicht nur Freunde macht.
Die Vergangenheit erzählt beginnend ab dem Jahr 1929 die Geschichte der Industriellenfamilie Liefenstein, wobei der Fokus dabei einerseits auf die junge Hausangestellte Elisa Kopper und andererseits auf einzelne Mitglieder der Familie Liefenstein gerichtet ist, im Besonderen Cosimas Vater Edmund, der die zunehmend engeren Beziehungen zu den Nationalsozialisten missbilligt.

Die Vergangenheit bildet damit den Hintergrund zudem, was Cosima in der Gegenwart aufdeckt. Mit Fortlauf der Geschichte nähern sich die Erzählebenen zeitlich und inhaltlich immer weiter an.
Die Personenübersicht der Familie und weiterer handelnder Personen ist zum Einstieg in die Geschichte hilfreich. Durch die wechselnden Perspektiven und Einblicke in ihr Denken und Handeln entstehen nahbare Charaktere, so dass trotz der Vielzahl der Personen der Entwicklung leicht zu folgen ist.

"Die Erbin" ist erneut ein vielschichtiger Roman von Claire Winter über die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte. Anhand der fiktiven Familie Liefenstein wird deutlich, wie eng Politik und Wirtschaft, Macht und Geld, zur damaligen Zeit verknüpft waren und auf welche Weise frühzeitig Vorbereitungen für einen Krieg getroffen, die Aufrüstung unterstützt und von der Arisierung und Ausbeutung finanziell profitiert wurde.

Es ist eine lebendige Zeitgeschichte über eine wohlsituierte Familie und ihren Beziehungen untereinander, bei der auch die Unterschiede zwischen Arm und Reich und der innere Kampf gegen Konventionen deutlich werden. Sie handelt von Enthüllungen und dunklen Geheimnissen, die Emotionen wecken und entwickelt durch die Aufklärung der Rolle des Unternehmens Liefenstein im Dritten Reich und den Nachforschungen dazu einen spannenden Krimianteil. Die Geschichte entwickelt sich dabei zunehmend dramatisch gibt einem Bösewicht eine zu dominante Rolle.
Es geht um die Schuld vorangegangener Generationen und die Last eines Erbes - eine Geschichte, die als historischer Roman nicht neu ist, aber so bildhaft und empathisch erzählt wird, dass der 600-Seiten-Epos nie langweilig wird und anhand der fiktiven Geschichte beispielhaft Erschütterndes zutage treten lässt, was durch das Nachwort der Autorin nochmals deutlich wird.

Bewertung vom 12.04.2025
Die sieben Geheimnisse meiner Schwester
Ringland, Holly

Die sieben Geheimnisse meiner Schwester


sehr gut

Ein Jahr nach dem Verschwinden ihrer älteren Schwester Aura kehrt Esther widerwillig in ihre Heimat Tasmanien zurück, um an einer Gedenkfeier für ihre Schwester teilzunehmen. Familie und Freunde trauern um die junge Frau, die zuletzt gesehen wurde, wie sie in Richtung Meer ging. Esther hat den Verlust nicht verkraftet, bewegt sich zwischen Schuldgefühlen, Einsamkeit und Wut und sabotiert ihr Leben, in dem sie sich nicht mehr Zuhause fühlt.
Auf Drängen ihrer Eltern, die Auras Tagebuch gefunden haben, reist Esther auf den Spuren ihrer Schwester nach Dänemark und auf die Faröer, um eine Erklärung für Auras Verschwinden zu finden.
In ihrem Tagebuch erzählt Aura durch Bilder von Skulpturen und Zitate aus Märchen und Sagen ihre Geschichte, die sich auch heimlich auf ihren Rücken hat tätowieren lassen. Für Esther ist es ein schmerzhafter Weg zu erfahren, wie wenig sie über ihre Schwester wusste. Gleichzeitig ist es ihr Weg der Trauerbewältigung und zu einem neuen Gefühl für sich selbst.

Die Geschichte handelt im Jahr 2011, die Schwestern sind in den 1980ern groß geworden. Es wird immer wieder Bezug auf die 1980er, auf Musik, Filme und Bekleidung genommen. Passend dazu gibt es von der Autorin Playlists mit der im Buch erwähnten Musik, die auf Spotify abrufbar sind.

Der Roman wird fast ausschließlich aus der Perspektive von Esther - der Schwanenschwester - erzählt, die nach dem Verlust ihrer geliebten älteren Robbenschwester den Halt im Leben verloren hat. Sie verheimlicht ihrer Familie ihren Job als Tellerwäscherin, tröstet sich mit unverbindlichem Sex und zu viel Alkohol. Der nicht verarbeitete Verlust belastet die Familie und die Beziehungen untereinander. Erst das Auffinden von Auras Tagebuch bietet die Chance herauszufinden, was der Grund für ihr Verschwinden sein könnte. Getragen von den Erinnerungen an die gemeinsame Kindheit und Jugend und von der Dechiffrierung der Botschaften und Symbole in Auras Tagebuch, begibt sich Ester auf eine lange Reise des Abschiednehmens.

Sieben Märchen und Sagen über Selkies, Schwäne und Frauen, die ihre Stimmen und ihre Schwerter erheben, kennzeichnen Auras und Esthers Weg. Esther begegnet dabei nicht nur den starken Frauen in ihrer Familie, sondern auch zahlreichen Fremden, die sie liebevoll auffangen und unterstützen sowie Personen, zu denen Aura abseits Australiens Kontakt geknüpft hatte. Durch Gespräche und die Deutung der kryptischen Verse im Tagebuch offenbaren sich Auras Geheimnisse und ein tief sitzender Schmerz.

Der Roman führt an malerische Orte, die bildhaft beschrieben werden. Er handelt von Schwesternliebe und von Trauer und ist schwermütig geschrieben. Die Geschichte entfaltet sich langsam und ist mit der Entschlüsselung der Fabeln und Mythen und Übertragung auf Auras Leben metaphorisch und in Teilen wiederholend. Die Verbindung zu den keltischen Ahninnen und zu den kraftvollen Geschichten über Verwandlungen ist faszinierend, aber man sollte für diese Art der Spiritualität und Folklore offen sein.

"Die sieben Geheimnisse meiner Schwester" ist eine Geschichte voller Schmerz und Sehnsucht, die analog zu den Märchen eine Transformation beschreibt. Der Roman ist sehr symbolträchtig und feiert geradezu die Stärke der Frauen, ihre Verbundenheit und Solidarität, aber auch die Möglichkeit und den Mut für eine Veränderung und Verwandlung.

Bewertung vom 09.04.2025
Vorsehung
Moriarty, Liane

Vorsehung


sehr gut

Auf einem australischen Inlandsflug ist eine ältere Dame an Bord, die bevor eine der Flugbegleiter sie aufhalten kann, durch die Reihen geht und die Passagiere mit ihrem Sterbealter und ihrer Todesursache konfrontiert. Die einen halten die Lady für verrückt, die anderen für eine Hellseherin.
Nach der Landung kehren die Passagiere in ihre Leben zurück, aber viele sind verunsichert, haben Angst vor einer Krankheit, befürchten einen Unfall oder sorgen sich um Angehörige.
Als die ersten Vorhersagen eintreten und Menschen genauso sterben wie die Lady es behauptet hat, ruft dies Reaktionen hervor. Kann das Unvermeidliche verhindert werden oder handelt es sich gar um sich selbst erfüllende Prophezeiungen?

Der Roman entwickelt passend zum Cover ein interessantes Szenario zum Schmetterlingseffekt, das nachdenklich stimmt.
Die Geschichte wird aus wechselnden Perspektiven erzählt, wobei gezielt einzelne Passagiere in den Vordergrund rücken, so dass sie trotz der Vielzahl an Personen nicht ausufert. Durch die Bildung von Allianzen unter den Passagieren und die Berichterstattung der Medien über vorhergesagte Todesfälle können sie die weitere Entwicklung ihrer Leidgenossen verfolgen können, was die losen Handlungsstränge miteinander verknüpft.
Jedes zweite Kapitel ist aus der Sicht der Todesdame geschildert, die ihre eigene Biographie darlegt und damit auch den Versuch einer Erklärung für ihre Prophezeiungen gibt.

Die Aussagen der alten Dame bleiben nicht ohne Effekt. Die einen setzen auf körperliche und mentale Gesundheit, agieren vorsichtiger oder versuchen vermeintlich gefährdete Angehörige zu schützen, um einen (zu) frühen Tod vorzubeugen. Die anderen gehen bewusst Risiken ein, in dem Bewusstsein, noch viele Jahre vor sich zu haben. Allen gleich ist das Klammern am Leben und das Setzen auf Hoffnung. Hoffen, dass die Vorhersage einer geringen Lebenserwartung nicht eintrifft und die eines langen Lebens wahr wird.

Es sind ganz natürliche Reaktionen, die hervorgerufen werden, weshalb man sich in jede Figur gut hineinversetzen kann. Allerdings sind es zu viele, als dass man eine wirkliche emotionale Nähe aufbauen könnte. Die Geschichte ist deshalb wenig dramatisch oder emotional und macht mehr durch die existentiellen Fragestellungen neugierig, als durch einen ausgefeilten gruseligen oder mysteriösen Plot. So kann man sich stellvertretend durch die Charaktere mit der eigenen Sterblichkeit beschäftigen, ob es so etwas wie Schicksal gibt oder ob das Leben vom freien Willen gesteuert ist.
Der Roman gibt vielseitige und interessante Einblicke in verschiedene Leben, die Angst vor Ungewissheiten und Kontrollverlust. Trotz der Beschäftigung mit dem Tod ist das Buch nicht traurig, sondern weckt ein Bewusstsein für die Sterblichkeit. Plattitüden, wie jeden Augenblick zu genießen, bis es keinen mehr gibt, bleiben dabei nicht aus.

Bewertung vom 09.04.2025
Tochterliebe
McCreight, Kimberly

Tochterliebe


sehr gut

Als Cleo, eine Studentin der New York University, zu spät zu einer Verabredung mit ihrer Mutter Katrina kommt, zu der sie ein sehr angespanntes Verhältnis hat, findet sie in ihrem Elternhaus in Brooklyn nur das angebrannte Abendessen und Blutspuren vor. Von ihrer Mutter, einer Patentanwältin, die für ihre Zuverlässigkeit bekannt ist, fehlt jede Spur.
Die Polizei wird alarmiert und beginnt mit Ermittlungen, aber auch Cleo begibt sich auf eine nicht ungefährliche Spurensuche.
Sie findet heraus, dass ihre Eltern sich getrennt haben und ihr Vater Geld von ihrer Mutter gefordert hat. Zudem hatte sich ihre Mutter auf einem Datingportal angemeldet und mit fragwürdigen Männern getroffen. Sorgen bereitet Cleo darüber hinaus das Tagebuch ihrer Mutter, das ihre Kindheit in einem Internat schildert, die viel schlimmer war, als gedacht.

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen und wird in der Gegenwart aus Sicht von Tochter Cleo geschildert, die herausfinden möchte, was mit ihrer Mutter geschehen ist. Auch wenn sie aufgrund eines Streits kaum noch ein Wort mit ihrer Mutter wechseln wollte, ist sie sicher, dass sie nie einfach so verschwinden würde.
Die Vergangenheit schildert acht Tage vor Kats Verschwinden. Dabei werden verschiedene Möglichkeiten offengelegt, weshalb nicht unwahrscheinlich erscheint, dass sie Opfer eines Verbrechens wurde. Kat wird aufgrund eines dunklen Geheimnisses ihrer Vergangenheit erpresst. Ihr Ehemann fordert Geld von ihr ein, um sich aus einer beruflichen Misere zu retten. Als Anwältin ist sie mit einem brisanten Fall betraut, in dem bereits ein Mann ums Leben gekommen ist und sie legt sich mit einem Drogendealer an, mit dem ihre Tochter trotz ihrer Intervention offenbar immer noch in Kontakt steht.
Durch die Schilderungen der jüngsten Vergangenheit und Cleos Recherchen ergeben sich zahlreiche Verdachtsmomente, die für Spannung sorgen. Kat könnte sich sowohl durch ihre Arbeit als "Problemlöserin" der Kanzlei als auch durch ihre Sorgen um ihre Tochter in Gefahr gebracht haben und Cleo selbst, die die Ermittlungen der Polizei untergräbt, scheint durch ihr eigenmächtiges Vorgehen ebenfalls mit dem Feuer zu spielen.

Neben den beiden Erzählsträngen gibt es Abschriften von Therapiesitzungen Cleos mit ihrer Therapeutin, Aktennotizen einer Sammelklage gegen das Pharmaunternehmen, das Kats Kanzlei vertritt sowie Auszüge von Kats Tagebuch aus dem Winter 1992, die für weitere Hintergrundinformationen und Abwechslung sorgen.

Durch den Fokus auf die Sicht der beiden Frauen bleibt unklar, was die Polizei leistet. Dass Cleo als junge Studentin im Alleingang das Verschwinden ihrer Mutter aufklärt, ist filmreif. Auch ist das sehr versöhnliche Ende nach den zahlreichen Konflikten etwas zu positiv.

"Tochterliebe" ist ein Suspense-Roman, der sich um das mysteriöse Verschwinden einer toughen Anwältin dreht, die immer alles richtig machen wollte. Durch die vielen Feinde, die sich Kat gemacht haben könnte und die Geheimnisse, die allmählich offenbart werden, entspinnt sich ein undurchsichtiges Rätsel, was mit Kat passiert sein könnte und sorgt auf beiden Zeitebenen für anhaltende Spannung.
Neben dem eigentlichen Thriller ist es die Geschichte einer komplizierten Mutter-Tochter-Beziehung. Die Mutter und ihre erwachsene Tochter bewegen sich auf dem schmalen Grat zwischen Verantwortung, Überbehütung, Sorge und Abnabelung. Mangelndes Vertrauen und Trotzreaktionen haben zu einer schier unüberbrückbaren Kluft geführt. Trotz aller Differenzen sind es aber auch zwei Frauen, die alles tun würden, um die jeweils andere zu retten - und sich damit in Gefahr begeben.

Bewertung vom 07.04.2025
Die Garnett Girls
Moore, Georgina

Die Garnett Girls


sehr gut

Margo hat gegen den Willen ihrer Eltern früh ihre große Liebe Richard geheiratet, einen Poet mit Hang zum Alkohol. Die drei gemeinsamen Kinder konnten dabei auch nichts daran ändern, dass Richard immer weiter dem Alkohol verfallen ist und Margo schließlich verlassen hat. Depressiv hat Margo ihre Kinder sich selbst überlassen und die älteste Rachel hat sich um ihre Geschwister Imogen und Sasha gekümmert.
Jahre später wohnt Rachel mit ihrem Ehemann Gabriel und zwei Kindern in ihrem Elternhaus auf der Isle of Wight, das Margo immer noch nutzt, um dort ihre ausschweifenden Partys zu feiern. Rachel lebt nur noch ihren Kindern zu Liebe auf der Insel und würde lieber in London leben. Imogen wohnt wie Sasha in London und sieht sich unter Druck gesetzt, ihren Freund William zu heiraten, der ihr einen Heiratsantrag gemacht hat. Die jüngste Sasha hingegen ist verheiratet, mit ihrem Mann Phil jedoch nicht mehr glücklich, der zunehmend jähzornig und kontrollierend ist.
Alle drei Töchter leiden auf unterschiedliche Weise unter dem Verlust des Vaters, der auch zu einem ambivalenten Verhältnis zur Mutter geführt hat.

Das Leben der Garnett Girls ist von der Abwesenheit des Vaters bestimmt. Für Mutter Margo ist Richard ein Tabuthema. Selbst mit ihren erwachsenen Töchtern spricht sie nicht über ihre große Liebe. Sie möchte nur das Beste für ihre Mädchen, vor allem verlässliche Ehemänner.
Ihre Töchter stehen unter Druck und möchten es ihrer dominanten Mutter stets recht machen, sehnen sich jedoch nach der leidenschaftlichen Liebe wie Margo und Richard sie hatten.
Je mehr sie ihre eigenen Bedürfnisse hinter dem Berg halten und ihre eigenen Geheimnisse hüten, desto weiter steigt das Konfliktpotential innerhalb der Familie.
Trotz der vielen unausgesprochenen Wahrheiten, trifft man sich regelmäßig in der Strandvilla Sandcove, feiert Partys mit zu viel Alkohol und hält an alten Traditionen fest.

Durch die Schilderungen aus wechselnden Perspektiven ist die Geschichte, die in London und der Isle of Wight handelt, abwechslungsreich und gibt Einblicke in die Leben aller Garnett-Frauen. Diese sind sich grundsätzlich ähnlich, aber im Detail doch verschieden. Der enge Zusammenhalt der drei Schwestern ist spürbar, jedoch auch die Verbundenheit mit der Mutter, die zu viel Raum einnimmt.

Es spielen sich größere und kleinere Dramen ab, Affären, Lügen und Geheimnisse, die zu einer seifenopernartigen Melodramatik führen, aber durch die vermittelten Hintergründe zu den Charakteren und ihren inneren Konflikten, die sie steuern, plausibel sind.
Das Schweigen über die Vergangenheit ist eine Belastung, die schwer über allen schwebt und während die jüngste Schwester schon rebelliert und ein Tabu bricht, ist es letztlich auch Margo, die lernt, dass ein Abschluss mit der Vergangenheit nötig ist und sie für ihre Töchter über ihren Schatten springen muss.

"Die Garnett Girls" ist eine Familiengeschichte mit interessanten Frauenfiguren, in der die Beziehungen untereinander in den Mittelpunkt rücken. Der Roman zeigt einen engen Zusammenhalt, der für Verlässlichkeit sorgt, aber auch die Notwendigkeit, sich abzunabeln und eigene Entscheidungen zu treffen, um sein persönliches Glück zu finden. Durch die schwelenden Geheimnisse und drohenden Konflikte entsteht eine dramatische Spannung, die einen Lesesog entwickelt. Zudem kann eine authentische Entwicklung der Charaktere nachvollzogen werden.

Bewertung vom 07.04.2025
Dream Count
Adichie, Chimamanda Ngozi

Dream Count


weniger gut

"Dream Count" handelt von vier in Westafrika geborenen Frauen, die familiär oder freundschaftlich miteinander verbunden sind.
Der Roman ist in fünf Abschnitte unterteilt und widmet sich in den ersten vier Teilen jeweils einer der vier Hauptfiguren. Im Wesentlichen geht es dabei um ihre Beziehung zu Männern. Chiamaka möchte unbedingt heiraten, hat aber mit 44 Jahren immer noch nicht den geeigneten Mann dafür gefunden. Zikora steht am Ende mit Baby ohne Mann da, Kadiatous Jugendliebe landet im Gefängnis und sie selbst wird in Amerika Opfer eines sexuellen Übergriffs, wobei öffentlich an ihrer Glaubwürdigkeit gezweifelt wird. Omelogor profitiert von der Korruption in Nigeria, bereichert sich selbst und unterstützt anschließend andere Frauen mit beruflichen Ambitionen. Mit Männern hat sie selbst kein Glück, an ihrer Seite ist jedoch ihr homosexueller Freund Jide.
Der fünfte Abschnitt handelt wiederum von Chiamaka und ihren Erinnerungen an ihre Verflossenen und erwähnt, wie es für Kadiatou ausgegangen ist. Warum diese Inhalte nicht schon in den vorangegangen Abschnitten vermittelt wurden, erschließt sich dabei nicht.

Auch wenn es Verbindungen zwischen den Figuren gibt, liest sich das Buch weniger wie ein Roman, sondern wie mehrere Kurzgeschichten. Trotz der Kürze sind sie unheimlich zäh geschrieben, geben episodenhaft Einblicke in die Leben, können jedoch weder fesseln noch ein Gespür für die Figuren vermitteln. Es gibt zudem viel zu wenig gemeinsame Szenen mit den Frauen, die eine Solidarität unter ihnen erkennen lassen könnten. Die getrennten Darstellungen statt einer chronologischen Erzählung mit wechselnden Perspektiven verstärken den Effekt überdies.

Alle Frauen sind zutiefst verunsichert, unglaublich naiv und wirken um Jahre jünger als sie tatsächlich sind. Wie hilflose Teenager navigieren sie durch ihre Leben, was die Lektüre unheimlich anstrengend macht. Die Männer sind dabei Statisten, die denkbar schlecht wegkommen. Sie sind durchweg mit negativen Eigenschaften besetzt, sind Lügner, Betrüger, Straftäter, Vergewaltiger, Männer, die Frauen ausnutzen und erniedrigen - eine Ansammlung eindimensionaler Stereotypen. Einzige Ausnahme bildet klischiert ein homosexueller Mann.

Das Buch ist langweilig einseitig und selbst innerhalb der einzelnen Abschnitte so sprunghaft geschrieben, dass es stellenweise nicht einfach ist, den Gedankengängen zu folgen. Auch wenn mehrere Jahre in den Leben der einzelnen Frauen geschildert werden, ist bei keiner eine charakterliche Entwicklung erkennbar.

"Dream Count" ist so enttäuschend wie die Leben, die darin erzählt werden.
Ich hatte andere Erwartungen an einen Roman über "die Sehnsucht nach Sichtbarkeit, Liebe und Selbstbestimmung". In dieser Hinsicht konnte mich das Buch weder inhaltlich noch sprachlich überzeugen. Ein flüssiges Lesen ist durch die zusammenhanglose Aneinanderreihung von Episoden nicht möglich, die Einblicke in die Leben der Frauen weder unterhaltsam noch erhellend.
Dieses Buch zeigt Frauen, die die Erfüllung an der Seite eines Partners ersehnen und sich in ihren Handlungen davon leiten lassen oder Frauen mit durchweg schlechten Erfahrungen mit dem "Feindbild" Mann.

Bewertung vom 05.04.2025
Wo wir uns treffen
Hope, Anna

Wo wir uns treffen


gut

Philip Brooke ist gestorben und die Familie kommt zusammen, um ihn zu beerdigen. Die Trauer ist verhalten, denn Philip hat seiner Frau und seinen Kindern Verletzungen zugefügt, die ihre Leben bestimmt haben. Frannie ist als Älteste der Geschwister die Alleinerbin von 400 Hektar Land und einem maroden Haus in Sussex. Das Erbe ist millionenschwer, aber auch eine enorme Last. Zusammen mit ihrem Vater hatte sie das Projekt Albion entwickelt, ein Konzept zur Renaturierung der Landschaft, und möchte dies weiter führen. Neben der Erbschaftssteuer, die ihr Kummer bereitet, ist es ihr jüngerer Bruder Milo, der Anspruch auf einen Teil des Grundstücks erhebt, das er für ein Therapiezentrum nutzen möchte. Die jüngste Isa kehrt nur ungern an den Ort zurück, der sie mit ihrer Jugendliebe verbindet. Sie überrascht den Rest der Familie zudem mit einem unerwarteten Gast. In Erwartung einer größeren Beerdigungszeremonie hatte sie die Tochter der Geliebten ihres Vaters eingeladen. Mit der Offenbarung, die die junge Amerikanerin macht, hat jedoch niemand gerechnet.

Der Roman handelt an fünf Tagen rund um die Beerdigung des Familienoberhaupts und wird aus wechselnden Perspektiven aller Beteiligten erzählt. Jede der Figuren hat eigene Erinnerungen an Philip Brooke, die wenig schmeichelhaft oder sogar schmerzhaft sind. Ein keiner Lichtblick in der niederdrückenden Erzählung ist Enkelin Rowan, die unabsichtlich ulkig ist. Die Siebenjährige betrachtet den Tod ihres Großvaters emotionslos und rein aus wissenschaftlicher Sicht.

Die Brookes sind eine dysfunktionale Familie, die ein Anwesen besitzt, das für sie kein Zuhause war. Der Vater war stets abwesend, die Mutter hilflos, die Kinder unglücklich und auf der Flucht.
Vordergründig ist nicht die Trauer, sondern der Abschied von einem Mann, der ein Narzisst war und erst im Alter nicht mehr nur an sich selbst dachte und ein zukunftsweisendes Projekt initiierte.

Durch die Darstellung aus der Sicht von acht Personen, die Narben, die sie haben und die Schwierigkeiten, die mit dem Anwesen verbunden sind, ist die Geschichte kleinteilig und bleibt in vielerlei Hinsicht nur an der Oberfläche.
Die Geschichte ist dialoglastig und nahezu ereignislos. Auch wenn es während der Beerdigung durch den unerwarteten Gast zu einem dramatischen Höhepunkt kommt, entwickelt die Geschichte keine Spannung. Am Ende ist Philip zwar unter der Erde, aber fast alle anderen Schicksale blieben unbefriedigend offen.

Neben den vielen persönlichen Problemen handelt der Roman von einer Erblast und der Verantwortung für die Fehler vorangegangener Generationen. Wieviel Schuld tragen wir noch Jahrhunderte später? Kann und muss es eine Wiedergutmachung geben und wie soll diese funktionieren?

Bewertung vom 05.04.2025
Before I Let Go
Ryan, Kennedy

Before I Let Go


weniger gut

Yasmen und Josiah Wade waren glücklich verheiratet, bis ein tragisches Unglück sie vor so große Herausforderungen stellte, dass die Scheidung als Lösung erschien, um den Schmerz zu stoppen. Knapp zwei Jahre später haben sich Yasmen und Josiah in ihren neuen Leben eingerichtet. Sie kümmern sich weiterhin liebevoll gemeinsam um ihre beiden Kinder und führen auch zusammen das Restaurant, das sie gemeinsam aufgebaut hatten, mit Erfolg. Yasmen hat neue Freundinnen gefunden, die ihr Halt geben und die Unterstützung ihrer Therapeutin. Es geht ihr wieder gut und das kann auch Josiah sehen. Die Liebe zu einander war nie weg und plötzlich ist auch die Leidenschaft für einander wieder da. Beide fühlen sich zu einander hingezogen, aber der Trennungsschmerz sitzt bei Josiah tief und das weiß auch Yasmen.

"Before I let go" ist der Auftakt der "Skyland"-Buchreihe, einer Reihe von Liebesromanen, die im ersten Band die Liebe von Yasmen und Josiah in den Mittelpunkt rückt, während in den Folgebänden die Liebesgeschichten von Yasmens Freundinnen Soledad und Hendrix folgen werden.

Der Roman wird wechselnd aus den Perspektiven von Yasmen und Josiah erzählt, wobei die weibliche Sicht den größeren Anteil hat. Durch Einblicke in das Leben und die Gedanken beider Personen ist von Anbeginn spürbar, dass die beiden auch nach der Scheidung noch viel verbindet, nicht nur die Kinder und das gemeinsame Restaurant. Sie lieben sich und fühlen sich körperlich anzogen. Bei jeder Begegnung ist ein Knistern spürbar und ihre Gedanken gehen, geprägt von den gemeinsamen Erinnerungen, weiter.
Es sind aber nicht nur die Gedanken an Sex, es sind auch die schmerzhaften Erinnerungen an zwei verstorbene Menschen und die mangelnde Fähigkeit, gemeinsam zu trauern. Die Scheidung war die Konsequenz von Streitigkeiten und dem Wunsch, den Verletzungen ein Ende zu setzen.

Die Geschichte hat berührende Punkte, ist in Teilen aber auch sehr derb und explizit. Es ist vorhersehbar, wie sich die Beziehung von Yasmen und Josiah entwickeln wird, aber dennoch ist es fraglich, ob die beiden die Fehler der Vergangenheit klären oder ob sie bei dem Versuch einer zweiten Chance nahtlos an schöne Zeiten anknüpfen können.

Authentisch ist dargestellt, welche Schwierigkeiten es bei der Trennung mit Kindern gibt und wie das gemeinsame Sorgerecht gelöst werden kann. Auch die Freundschaft von Yasmen mit Soledad und Hendrix hat ihre schönen Momente, denn es fühlt sich an, es würden die drei sich schon ewig kennen.
Die Entwicklung der Geschichte hat Potential, das jedoch ab der Hälfte des Romans nicht mehr genutzt wurde. Während in der ersten Hälfte des Romans die körperliche Attraktivität beider Hauptpersonen bereits wichtig ist, reduziert sich die zweite Hälfte darüber hinaus fast ausschließlich auf Sex. Sex in Gedanken. Sex im Hotelzimmer. Sex in der Garage. Sex im Ehebett. Sex bei der Elternversammlung. Es findet keine charakterliche Weiterentwicklung statt. Stattdessen gibt es seitenweise Ausführungen, wie zwei geschiedene Menschen sich wie rattige Teenager verhalten und unkontrolliert ihrer körperlichen Lust frönen.
Alle emotionalen Aspekte, aller psychischer Ballast, mögliche Problemklärungen und -bewältigungen treten komplett in den Hintergrund. Am Ende sind die Hauptfiguren bei der selben Gewissheit wie zu Beginn: Sie lieben sich immer noch und dazwischen gab es Verkehr.

Der Roman handelt von einer Trennung, die nicht aus mangelnder Liebe und Zuneigung erfolgte, von psychischer Gesundheit und Verlust. Dabei gibt es gerade zu Beginn bewegende Szenen, aber die Entwicklung der Liebe von Yasmen und Josiah im Hinblick auf einen Neustart bleibt oberflächlich und mit einem viel zu großen Fokus auf der körperlichen Anziehung, schlüpfrigen Gedanken, "f*cken und "v*geln".
Mich hat der Roman nach einem guten Start im weiteren Verlauf gelangweilt und schlicht genervt. Eine Fortsetzung der Reihe kommt für mich damit nicht in Frage, sollten Band 2 und 3 ins Deutsche übersetzt werden.

Bewertung vom 29.03.2025
Die Bibliothek der geborgten Herzen
Gilmore, Lucy

Die Bibliothek der geborgten Herzen


ausgezeichnet

Chloe Sampson arbeitet in der Bibliothek in der Kleinstadt Colville und hat dort im Keller eine seltene Ausgabe des Romans "Wendekreis des Krebses" aus den 1960er-Jahren gefunden, in welche Anmerkungen von offenbar zwei Liebenden geschrieben wurden. Sie sucht nach weiteren Exemplaren mit ähnlichen Notizen, um die Kommunikation der beiden weiter zu verfolgen. Als ihr mürrischer alter Nachbar Jasper Holmes ihr einen Scheck in Höhe von mehreren tausend Dollar für das Buch ausstellt, wird ihr klar, dass Jasper ein sehr persönliches Interesse daran hat.
Trotz ihrer Geldsorgen, die Chloe als Verantwortliche für ihre drei Geschwister hat, löst sie den Scheck nicht ein und versucht herauszufinden, was mit den beiden tragischen Liebenden geschehen ist, für die es offenbar kein romantisches Happy End gab.

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen und wird aus mehreren Perspektiven der handelnden Personen erzählt.
In der Gegenwart hat es die 24-jährige Chloe nicht einfach, die ihr Studium aufgegeben hat, um sich um ihre drei Halbgeschwister zu kümmern, die ihre Mutter im Stich gelassen hatte. Chloe kommt finanziell kaum um die Runden und wird von der Verantwortung erdrückt, die es ihr nicht erlaubt, ein unabhängiges Leben zu führen. Zudem hat sie noch regelmäßig Ärger mit ihrem griesgrämigen Nachbarn, der keine Menschenseele näher an sich heranlässt.
Das ändert sich mit dem Fund mehrere Bücher und den Liebesbotschaften, die darin enthalten sind und eine geheimnisvolle Affäre enthüllen. Jasper zeigt sich untypisch hilfsbereit, als er seine Tür für Chloes Geschwister öffnet und sie begibt sich neugierig geworden auf eine literarische Schnitzeljagd.

Rückblenden in die Vergangenheit in das Jahr 1960 zeigen, wie es zu den Randnotizen in den Büchern gekommen ist und wie sich die Liebe zwischen Jasper und Catherine entwickelte, die keine Zukunft hatte.

Die Geschichte ist durch die Perspektivenwechsel und Erinnerungen an vergangene Zeiten abwechslungsreich geschildert. Durch die etwas verschrobenen Charaktere, die witzigen Dialoge und die feine Ironie, die das Buch durchzieht, ist der Roman humorvoll geschrieben. Trotz vieler amüsanter Szenen entwickelt das Buch aber auch eine Tragik und hat ernsthafte Untertöne auf beiden Zeitebenen.
Es handelt von einer Liebesgeschichte, die - anders als in den romantischen Romanen, die Jasper gerne liest - nicht mit einem Happy End endete. Es geht um einsame Seelen und um eine unerwartete Freundschaft, um schmerzhafte Erfahrungen, Verbitterung, geplatzte Träume und schwere Entscheidungen, aber auch um Zusammenhalt, Hoffnung, Versöhnung und den individuellen Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit.
Die Charaktere sind liebevoll und individuell gezeichnet und auch wenn man wahrlich nicht jede Entscheidung nachvollziehen kann, macht genau das den Reiz der Geschichte aus, die damit weniger vorhersehbar wird, als man in dem Genre annehmen möchte.

"Die Bibliothek der geborgten Herzen" ist ein äußerst charmanter, tragikomischer Roman, der zeigt, wie Bücher Menschen zusammenbringen können und dass man die Hoffnung auf ein glückliches Ende - wie es in so vielen Romanen vorgelebt wird - nicht aufgeben sollte. Bezug genommen wird dabei auf verschiedene Klassiker der Literatur, wobei es nicht notwendig ist, die Geschichten im Detail zu kennen. Die Botschaften erschließen sich beim Lesen ganz von selbst. Eine Übersicht über die erwähnten Romane findet sich als Literaturliste im Anhang.