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5 Kundenbewertungen

Der Debütroman des Bachmann-Preisträgers Ferdinand Schmalz - nominiert für den Deutschen Buchpreis 2021 und den Österreichischen Buchpreis 2021
Der Wiener Tiefkühlkostvertreter Franz Schlicht soll einem makabren Wunsch nachkommen. Sein Kunde Doktor Schauer ist fest entschlossen, sich zum Sterben in eine Tiefkühltruhe zu legen. Er beauftragt Franz Schlicht, den gefrorenen Körper auf eine Lichtung zu verfrachten. Zum vereinbarten Zeitpunkt ist die Tiefkühltruhe jedoch leer, und Schlicht begibt sich auf eine höchst ungewöhnliche Suche nach der gefrorenen Leiche. Dabei begegnet er der…mehr

Produktbeschreibung
Der Debütroman des Bachmann-Preisträgers Ferdinand Schmalz - nominiert für den Deutschen Buchpreis 2021 und den Österreichischen Buchpreis 2021

Der Wiener Tiefkühlkostvertreter Franz Schlicht soll einem makabren Wunsch nachkommen. Sein Kunde Doktor Schauer ist fest entschlossen, sich zum Sterben in eine Tiefkühltruhe zu legen. Er beauftragt Franz Schlicht, den gefrorenen Körper auf eine Lichtung zu verfrachten. Zum vereinbarten Zeitpunkt ist die Tiefkühltruhe jedoch leer, und Schlicht begibt sich auf eine höchst ungewöhnliche Suche nach der gefrorenen Leiche. Dabei begegnet er der Tatortreinigerin Schimmelteufel, einem Ingenieur, der sich selbst eingemauert hat, und einem Ministerialrat, der Nazi-Weihnachtsschmuck sammelt. Ferdinand Schmalz nimmt uns in »Mein Lieblingstier heißt Winter« mit auf eine abgründige Tour quer durch die österreichische Gesellschaft, skurril, intelligent und mit großem Sprachwitz.
Autorenporträt
Ferdinand Schmalz, geboren 1985 in Graz, aufgewachsen in Admont in der Obersteiermark, erhielt gleich mit seinem ersten Theaterstück »am beispiel der butter« 2013 den Retzhofer Dramapreis und wurde zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt. Sein Stück »jedermann (stirbt)« wurde am Burgtheater uraufgeführt und mit dem Nestroy-Theaterpreis ausgezeichnet. 2017 nahm er an den Tagen der deutschsprachigen Literatur teil und gewann mit einem Auszug aus »Mein Lieblingstier heißt Winter« den Ingeborg-Bachmann-Preis. 2021 erschien sein gleichnamiger Debütroman, der auf der Longlist des Deutschen Buchpreises sowie auf der Shortlist des Österreichischen Buchpreises 2021 stand. Ferdinand Schmalz lebt in Wien. Auszeichnungen:  2020 Peter-Rosegger-Literaturpreis 2018 Nestroy-Theaterpreis in der Kategorie Bestes Stück für jedermann (stirbt) 2018 Ludwig-Mülheims-Theaterpreis 2017 Ingeborg-Bachmann-Preisträger mit dem Text MEIN LIEBLINGSTIER HEISST WINTER 2017 Kasseler Förderpreis Komische Literatur 2014/2016/2017 Nominiert für den Mülheimer Dramatikpreis 2015 Eröffnung der Autorentheatertage am Deutschen Theater in Berlin in einer Inszenierung des Wiener Burgtheaters mit DOSENFLEISCH 2014 Dramatik Stipendium der Stadt Wien 2014 Nachwuchsdramatiker in der Kritikerumfrage des Jahrbuchs von "Theater heute" 2013 2. Platz beim MDR-Literaturpreis für die Kurzprosa SCHLAMMLAND.GEWALT 2013 Retzhofer Dramapreis für AM BEISPIEL DER BUTTER
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Jan Wiele entdeckt Momente eigenartiger Schönheit in diesem Roman von Ferdinand Schmalz. Davon abgesehen berückt ihn der Text mit einer Sprachsensibilität, die Wiele in der Gegenwartsliteratur sonst schmerzlich vermisst. Dass Schmalz syntaktisch nie den geraden Weg geht und realistisches Erzählen eher zu seinen Pflichten gehört, während die Kür "Fiktion unter der Hand" hervorbringt beziehungsweise experimentelle Prosa, findet Wiele eigentlich ganz wunderbar. Es geht übrigens um einen Wiener Tiefkühllieferanten während der Hundstage in diesem Buch, um seine merkwürdige Kundschaft und sogar um ein krimitaugliches Verschwinden, erklärt Wiele, aber im Grunde geht es einmal um die Form.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.08.2021

Modrige Mentalität
Ferdinand Schmalz’ Geschichte vom Eismann Franz Schlicht und seinen morbiden Mitmenschen hat sich zum Roman ausgewachsen
Im glücklichen Österreich haben sie ja auch den Todestrieb erfunden. Oder vielleicht nur das Wort, das aber die Sache selbst gleich viel wirklicher macht. Von dem, wie der alte Sigmund Freud es nannte, „allgemeinsten Streben alles Lebenden, zur Ruhe der anorganischen Welt zurückzukehren“ gibt der Dramatiker Ferdinand Schmalz ein paar Beispiele in seinem Debütroman „Mein Lieblingstier heißt Winter“.
Herr Huber mauert die Fenster seines Hauses zu, verpuppt sich in ein Mausoleum voller „Faxgeräte, Kabeltrommeln, Taschenlampen, Gaskartuschen, Zeitungsstapel“. Und erzählt zur Erklärung von buddhistischen Mönchen, die sich binnen zweitausend Tagen selbst mumifizieren, immer weniger essen, meditieren, kalte Bäder, schließlich nur noch Tee, der einen innerlich vertrocknen lässt, in die selbst aufgesuchte Gruft hinein. Wo anders soll so eine Geschichte spielen, als in Wien. Ein anderer, Doktor Schauer, möchte sich in die Tiefkühltruhe legen, zu all dem Rehragout, das er über Jahre von immer demselben Eiswarenlieferanten namens Franz Schlicht bekommen hat. Um die Hinterbliebenen zu schonen, bittet er Schlicht, ihn danach an verborgener Stelle wieder aufzutauen.
Diese seltsame Begegnung hat der 1985 in Graz als Matthias Schweiger geborene Ferdinand Schmalz 2017 in Klagenfurt vorgelesen und dafür den Ingeborg-Bachmann-Preis bekommen. Vor allem aber ist Schmalz Autor einiger viel gespielter Theaterstücke, unter anderem hat er mit dem 2019 am Wiener Burgtheater uraufgeführten „jedermann (stirbt)“ unter viel Applaus das Volksstück adaptiert. Das Personal seines ersten Romans ist nun auch so ein Völkchen, eine wie in einem Ensemblestück überschaubare, auf verworrene Art ineinander verstrickte Gesellschaft. Und alle haben sie es darin mit dem Blutigen, Schmutzigen, Modrigen.
Was selbstverständlich eine Metapher ist, die Schmalz seine Figuren an einigen Stellen deutlich ausbuchstabieren lässt. Da ist vom gammelnden Gesellschaftskörper die Rede, es sei, als ob „heute den Worten nur mehr die absolute Bedeutungslosigkeit zukomme, wenn das, was sich da in quälend langem Strom aus all den Mündern in die Welt rausfurze, sich kaum mehr unterscheide von unsren anderen Ausscheidungsströmen“, und in der Masse sei der Mensch doch „womöglich austauschbarer, als uns das vielleicht lieb ist“. In diesem sumpfigen Weltbild haben sich offenbar alle gegen den Eismann Franz Schlicht verschworen, der seinem Namen auf sympathische Art gerecht wird und als eine Art spätmoderner Candide versucht, darin nicht zu versinken. „Er wolle sich in keine Rolle reintheatern“, gibt er Bescheid, „und in keine größere Erzählung betten lassen. Ihm seien Erzählungen, ob große oder kleine, seien ihm suspekt.“
Die Schlichtheit des Schlicht zeigt Ferdinand Schmalz auch, indem er den ganzen Roman in einer dialektverwandten Kunstsprache hält, die aus einer invertierten Satzstellung und Wiederholungen einen quasimündlichen Rhythmus baut: „Und hätt, hätt nicht hierher, hier in den Keller kommen sollen, er, der Schlicht.“ Das dem Subjekt vorangestellte Pronomen verstärkt die sowieso im Süddeutschsprachigen vorhandene, woanders als tumb empfundene Eigenart, Namen mit Artikel zu nennen.
Dazu kommt die betäubende Häufung deiktischer Ausdrücke wie „jetzt“, „drin“ und „draußen“: „Und trotzdem steht er da im Keller drin, im fahlen Neonlicht, da im Verwesungsdunst des Rehragouts“. Das Holzgeschnitzte des Dialekts drängt sich so unheimlich auf, während nur manchmal die Schönheit eines erweiterten Wortschatzes durchkommt. Im österreichischen Verb „heimdrehen“ zum Beispiel, mit dem die Todesarten des Romans aber tatsächlich zu freundlich beschrieben wären. Es macht den Text auf die Länge des Buch jedenfalls etwas beschwerlich, dass sein Idiom wenig Modulationen kennt, dass alle so sprechen und über alles so gesprochen wird. Und so stark Schmalz zu Anfang in Bildern und Allegorien den Eindruck erweckt, Verwesung und Verblendung drohten jederzeit die Menschen ins Anorganische herüberzulocken, verharmlost sich der Plot seines Romans gegen Ende fatal und ähnelt sich populären Geschichten aus dem morbiden Österreich an.
Man kann gar nicht nicht an die ganze David-Schalko-Wolf-Haas-Josef-Hader-Welt denken, wenn ein Immobiliendeal beim Gulasch ausgekartelt und sich zum Showdown in einem abgewrackten Vergnügungspark getroffen wird. Weil das aber alles schon so gut bekannt ist, kippt der Roman damit in eine Sonntagabend-Gemütlichkeit, eine Krimi-Folklore, die einen bei allem sprachlichen und szenischen Aufwand matt enttäuscht zurücklassen kann.
MARIE SCHMIDT
Ferdinand Schmalz:
Mein Lieblingstier heißt Winter. Roman.
S. Fischer, Frankfurt am Main 2021.
192 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.10.2021

Da fuhr er ab, der Charakterzug
Schockfrostung in der Hitze der Hundstage: Das Romandebüt des Dramatikers Ferdinand Schmalz

Es ist erfreulich, wenn Gegenwartsliteratur überhaupt noch einen Formwillen offenbart - also zeigt, dass sie mehr will als dürftige Dialoge, bräsigen Biographismus oder, noch schlimmer, die flache Fiktionalisierung von Debattenthemen. Und es mag spätestens seit der durchstilisierten Prosa Thomas Bernhards ein Klischee sein, dass österreichische Gegenwartsliteratur noch am ehesten solchen Formwillen offenbart, aber vielleicht stimmt es einfach.

Ein gutes Beispiel dafür wäre jedenfalls der 1985 in Graz geborene Ferdinand Schmalz, der unter diesem Künstlernamen Theaterstücke schreibt und 2018 mit einem Prosatext den Bachmannpreis gewann. Dass aus diesem recht absurden Text über einen Tiefkühllieferanten ein Roman werden könnte, hätte man damals allerdings kaum für möglich gehalten. Ging es nicht gerade um das novellistisch Unabgeschlossene, das keinen Ausschnitt aus einer größeren Fabel oder gar aus einer gesellschaftlichen Wirklichkeit darstellte? Ob das überhaupt "realistisch" erzählt sei, diskutierte jedenfalls damals schon die Jury in Klagenfurt, und zu Recht: Einen Eismann namens Franz Schlicht, der die geheimen Wünsche seiner Kunden kennt, und einen schwerkranken Mann namens Doktor Schauer, der exzessiv Rehragout hortet - ja, wo gibt's denn des?

Nun zeigt sich: Das gibt es innerhalb einer weiter ausgesponnenen, aber nicht weniger absurden Fabel, die man, ohne den Begriff allzu sehr zu strapazieren, durchaus auch Roman nennen kann. Er beginnt in einem Setting, das ebenfalls schon fast klassisch österreichisch anmutet: nämlich zur Zeit der brütend heißen Hundstage im August, die in Ulrich Seidls gleichnamigem Spielfilm von 2001 die Abgründe nicht nur der Wiener Vorstadt gräßlich zum Ausdruck gebracht hat.

Von einer "Hitzequalle", die sich über Wien gelegt habe, ist nun bei Schmalz die Rede. Gelähmt davon werden neben den Tiefkühlexperten auch die Mitarbeiter einer Reinigungsfirma, die in einem Freizeitpark Dinosaurierfiguren von Schimmelflecken befreien oder, wie es im Roman heißt, "den Mikroorganismen auf den Makroechsen nun zu Leibe rücken wollen". Der Erzählton ist oft von einer künstlichen Umständlichkeit, die am Mündlichen, nicht an der Schriftsprache orientiert ist und also häufig verdrehte oder unvollständige Sätze hervorbringt. So heißt es etwa über die Chefin dieser beiden Reinigungsfachkräfte: "Und Schmerz und Denken hochfrequenzt da jetzt in ihr. Der ganze Körper durchquert von Wellen, die sich an ihren Innenwänden brechen. Und drückt sie nun das runde Ende der Stimmgabel hinein sich (. . .)."

Mit Darstellungstechniken, die an solche der (Wiener) Moderne erinnern, kommt Schmalz dem Denken und Fühlen aller Figuren sehr nah und kehrt es bisweilen expressionistisch nach außen. In banalen Situationen wird plötzlich Existenzielles offenbart, etwa wenn Eismann Schlicht sich darüber klar wird, sein Lebenslauf habe sich in einem Sekundenbruchteil entschieden: "Da fuhr er ab, dieser Charakterzug, mit ihm." Schmalz hat offensichtlich eine fabulierende Lust daran, seine Fiktion unter der Hand zu entwickeln und amüsiert zuzuschauen, wohin sie ihn treibt. Das ist das Gegenteil solcher Romane, die ihr Baukasten-Setting oft schon im Klappentext offenbaren. Hier dagegen handelt es sich um experimentelle Prosa, in der die Figuren ihre eigene Erfundenheit offenbar spüren können: "Er wolle sich in keine Rolle reintheatern und in keine größere Erzählung betten lassen. Erzählungen, ob große, ob kleine, seien ihm suspekt", heißt es ferner über Herrn Schlicht.

Trotz solcher Selbstreflexivität erschöpft sich das Buch aber nicht im bloß Spielerischen. Der Schmerz ist ein Leitthema, das die Figuren und Episoden verbindet. Ohne Weiteres könnte man einige von ihnen als traumatisiert beschreiben, allen voran den Doktor Schauer, der nach seinem geplanten Suizid zu einer makabren Kunstinstallation werden möchte und auf eigenen Wunsch schockgefrostet wird - ebenso aber den Pathologen Tulp, in dessen "Pathologenseele" wie in einem Lichtspielsaal die Bilder aller schon gesehenen Leichen wieder aufscheinen und der sich fühlt wie ein Filmcutter, der sie wieder neu zusammensetzen muss.

Weil Doktor Schauer aber nicht stirbt, sondern mysteriös verschwindet, nimmt die Erzählung sogar streckenweise Züge eines Krimis an, auch wenn es einer mit einigen losen Enden ist. Darin weitere Rollen spielen ein Ministerialrat mit "obszöner Sammelleidenschaft" für Weihnachtskugeln mit Swastikas darauf und ein "Feuerwerker", der mit diesen Kugeln am Ende Golf spielt. Aber immer wenn man gerade denkt, es werde jetzt doch eine Spur zu abgedreht, überrascht Schmalz mit wirklichkeitsgesättigten Passagen wie jener über die Wiener Pathologie, die Eigenschaften von Donauwasserleichen und den Friedhof der Namenlosen. Wie es ihm gelingt, ausgerechnet in dieser Umgebung eine nahezu romantische Begegnung zu schildern, die in einen Kuss mündet, ist von eigenartiger Schönheit. JAN WIELE

Ferdinand Schmalz:

"Mein Lieblingstier heißt Winter". Roman.

Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2021. 192 S., geb., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Mit Darstellungstechniken, die an solche der (Wiener) Moderne erinnern, kommt Schmalz dem Denken und Fühlen aller Figuren sehr nah Jan Wiele Frankfurter Allgemeine Zeitung 20211028
Modrige Mentalität

Ferdinand Schmalz’ Geschichte vom Eismann Franz Schlicht und seinen morbiden Mitmenschen hat sich zum Roman ausgewachsen

Im glücklichen Österreich haben sie ja auch den Todestrieb erfunden. Oder vielleicht nur das Wort, das aber die Sache selbst gleich viel wirklicher macht. Von dem, wie der alte Sigmund Freud es nannte, „allgemeinsten Streben alles Lebenden, zur Ruhe der anorganischen Welt zurückzukehren“ gibt der Dramatiker Ferdinand Schmalz ein paar Beispiele in seinem Debütroman „Mein Lieblingstier heißt Winter“.

Herr Huber mauert die Fenster seines Hauses zu, verpuppt sich in ein Mausoleum voller „Faxgeräte, Kabeltrommeln, Taschenlampen, Gaskartuschen, Zeitungsstapel“. Und erzählt zur Erklärung von buddhistischen Mönchen, die sich binnen zweitausend Tagen selbst mumifizieren, immer weniger essen, meditieren, kalte Bäder, schließlich nur noch Tee, der einen innerlich vertrocknen lässt, in die selbst aufgesuchte Gruft hinein. Wo anders soll so eine Geschichte spielen, als in Wien. Ein anderer, Doktor Schauer, möchte sich in die Tiefkühltruhe legen, zu all dem Rehragout, das er über Jahre von immer demselben Eiswarenlieferanten namens Franz Schlicht bekommen hat. Um die Hinterbliebenen zu schonen, bittet er Schlicht, ihn danach an verborgener Stelle wieder aufzutauen.

Diese seltsame Begegnung hat der 1985 in Graz als Matthias Schweiger geborene Ferdinand Schmalz 2017 in Klagenfurt vorgelesen und dafür den Ingeborg-Bachmann-Preis bekommen. Vor allem aber ist Schmalz Autor einiger viel gespielter Theaterstücke, unter anderem hat er mit dem 2019 am Wiener Burgtheater uraufgeführten „jedermann (stirbt)“ unter viel Applaus das Volksstück adaptiert. Das Personal seines ersten Romans ist nun auch so ein Völkchen, eine wie in einem Ensemblestück überschaubare, auf verworrene Art ineinander verstrickte Gesellschaft. Und alle haben sie es darin mit dem Blutigen, Schmutzigen, Modrigen.

Was selbstverständlich eine Metapher ist, die Schmalz seine Figuren an einigen Stellen deutlich ausbuchstabieren lässt. Da ist vom gammelnden Gesellschaftskörper die Rede, es sei, als ob „heute den Worten nur mehr die absolute Bedeutungslosigkeit zukomme, wenn das, was sich da in quälend langem Strom aus all den Mündern in die Welt rausfurze, sich kaum mehr unterscheide von unsren anderen Ausscheidungsströmen“, und in der Masse sei der Mensch doch „womöglich austauschbarer, als uns das vielleicht lieb ist“. In diesem sumpfigen Weltbild haben sich offenbar alle gegen den Eismann Franz Schlicht verschworen, der seinem Namen auf sympathische Art gerecht wird und als eine Art spätmoderner Candide versucht, darin nicht zu versinken. „Er wolle sich in keine Rolle reintheatern“, gibt er Bescheid, „und in keine größere Erzählung betten lassen. Ihm seien Erzählungen, ob große oder kleine, seien ihm suspekt.“

Die Schlichtheit des Schlicht zeigt Ferdinand Schmalz auch, indem er den ganzen Roman in einer dialektverwandten Kunstsprache hält, die aus einer invertierten Satzstellung und Wiederholungen einen quasimündlichen Rhythmus baut: „Und hätt, hätt nicht hierher, hier in den Keller kommen sollen, er, der Schlicht.“ Das dem Subjekt vorangestellte Pronomen verstärkt die sowieso im Süddeutschsprachigen vorhandene, woanders als tumb empfundene Eigenart, Namen mit Artikel zu nennen.

Dazu kommt die betäubende Häufung deiktischer Ausdrücke wie „jetzt“, „drin“ und „draußen“: „Und trotzdem steht er da im Keller drin, im fahlen Neonlicht, da im Verwesungsdunst des Rehragouts“. Das Holzgeschnitzte des Dialekts drängt sich so unheimlich auf, während nur manchmal die Schönheit eines erweiterten Wortschatzes durchkommt. Im österreichischen Verb „heimdrehen“ zum Beispiel, mit dem die Todesarten des Romans aber tatsächlich zu freundlich beschrieben wären. Es macht den Text auf die Länge des Buch jedenfalls etwas beschwerlich, dass sein Idiom wenig Modulationen kennt, dass alle so sprechen und über alles so gesprochen wird. Und so stark Schmalz zu Anfang in Bildern und Allegorien den Eindruck erweckt, Verwesung und Verblendung drohten jederzeit die Menschen ins Anorganische herüberzulocken, verharmlost sich der Plot seines Romans gegen Ende fatal und ähnelt sich populären Geschichten aus dem morbiden Österreich an.

Man kann gar nicht nicht an die ganze David-Schalko-Wolf-Haas-Josef-Hader-Welt denken, wenn ein Immobiliendeal beim Gulasch ausgekartelt und sich zum Showdown in einem abgewrackten Vergnügungspark getroffen wird. Weil das aber alles schon so gut bekannt ist, kippt der Roman damit in eine Sonntagabend-Gemütlichkeit, eine Krimi-Folklore, die einen bei allem sprachlichen und szenischen Aufwand matt enttäuscht zurücklassen kann.

MARIE SCHMIDT

Ferdinand Schmalz:
Mein Lieblingstier heißt Winter. Roman.
S. Fischer, Frankfurt am Main 2021.
192 Seiten, 22 Euro.

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