Joanna Rakoff
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Lieber Mr. Salinger
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"Eine Liebeserklärung an die Zeit kurz vor der digitalen Revolution und an die immerwährende Kraft der Literatur." The Chicago TribuneVon ihnen gibt es Hunderte: blitzgescheite junge Frauen, frisch von der Uni und mit dem festen Vorsatz, in der Welt der Bücher Fuß zu fassen. Joanna Rakoff war eine von ihnen. 1996 kommt sie nach New York, um die literarische Szene zu erobern. Doch zunächst landet sie in einer Agentur für Autoren und wird mit einem Büroalltag konfrontiert, der sie in eine längst vergangen geglaubte Zeit katapultiert. Joanna lernt erst das Staunen kennen, dann einen kauzi...
"Eine Liebeserklärung an die Zeit kurz vor der digitalen Revolution und an die immerwährende Kraft der Literatur." The Chicago Tribune
Von ihnen gibt es Hunderte: blitzgescheite junge Frauen, frisch von der Uni und mit dem festen Vorsatz, in der Welt der Bücher Fuß zu fassen. Joanna Rakoff war eine von ihnen. 1996 kommt sie nach New York, um die literarische Szene zu erobern. Doch zunächst landet sie in einer Agentur für Autoren und wird mit einem Büroalltag konfrontiert, der sie in eine längst vergangen geglaubte Zeit katapultiert. Joanna lernt erst das Staunen kennen, dann einen kauzigen Kultautor - und schließlich sich selber.
Von ihnen gibt es Hunderte: blitzgescheite junge Frauen, frisch von der Uni und mit dem festen Vorsatz, in der Welt der Bücher Fuß zu fassen. Joanna Rakoff war eine von ihnen. 1996 kommt sie nach New York, um die literarische Szene zu erobern. Doch zunächst landet sie in einer Agentur für Autoren und wird mit einem Büroalltag konfrontiert, der sie in eine längst vergangen geglaubte Zeit katapultiert. Joanna lernt erst das Staunen kennen, dann einen kauzigen Kultautor - und schließlich sich selber.
Joanna Rakoff stürzte sich nach ihrem Studium an renommierten amerikanischen Universitäten in die Welt der Literatur. Sie arbeitete als Kritikerin für die New York Times, die Los Angeles Times und die Vogue und veröffentlichte einen Roman, der zahlreiche Auszeichnungen erhielt. Joanna Rakoff lebt in Cambridge, Massachusetts.
Produktdetails
- Verlag: Knaus
- Originaltitel: My Salinger Year
- Seitenzahl: 304
- Erscheinungstermin: 17. Februar 2015
- Deutsch
- Abmessung: 215mm x 135mm x 25mm
- Gewicht: 512g
- ISBN-13: 9783813505153
- ISBN-10: 3813505154
- Artikelnr.: 41831168
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
"Eine leichtfüßige Verneigung vor der Kraft der Literatur und eine Momentaufnahme der letzten Monate vor Beginn des digitalen Zeitalters." BRIGITTE
Mr. Salinger möchte keine Post von Lesern
Der für seine Abwesenheit berühmte Autor ist plötzlich sehr präsent: Eine Biographie, ein Roman und ein Erinnerungsbuch widmen sich J. D. Salinger, doch besser noch sind einige frühe Erzählungen.
Für den "Fänger im Roggen" ist er so berühmt wie für sein jahrzehntelanges Schweigen als Autor: Eine Biographie, ein Roman und ein Erinnerungsbuch wollen jetzt von J. D. Salingers Leben erzählen - und drei seiner frühen Geschichten erscheinen erstmals auf Deutsch.
Bevor J. D. Salinger in den Krieg gegen Hitler zog, war der junge Autor in eines der schönsten Mädchen von New York verliebt, verlor sie aber an den etliche Jahre älteren Filmstar Charlie Chaplin. Nach dem Krieg
Der für seine Abwesenheit berühmte Autor ist plötzlich sehr präsent: Eine Biographie, ein Roman und ein Erinnerungsbuch widmen sich J. D. Salinger, doch besser noch sind einige frühe Erzählungen.
Für den "Fänger im Roggen" ist er so berühmt wie für sein jahrzehntelanges Schweigen als Autor: Eine Biographie, ein Roman und ein Erinnerungsbuch wollen jetzt von J. D. Salingers Leben erzählen - und drei seiner frühen Geschichten erscheinen erstmals auf Deutsch.
Bevor J. D. Salinger in den Krieg gegen Hitler zog, war der junge Autor in eines der schönsten Mädchen von New York verliebt, verlor sie aber an den etliche Jahre älteren Filmstar Charlie Chaplin. Nach dem Krieg
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brachte er mit dem "Fänger im Roggen" (1951), seinem ersten und einzigen Roman, einen unvergesslichen Ton in die amerikanische Literatur. Der Ich-Erzähler Holden Caulfield, dessen Stimme einen so fesselt, haut aus seinem Internat ab, taumelt allein durchs vorweihnachtliche New York, säuft, pöbelt, flucht und reibt sich an der Verlogenheit der Welt wund.
Dem millionenfach verkauften Debüt folgten drei Bände mit wunderbaren Erzählungen, aber 1965 erschien Salingers letzte Geschichte im "New Yorker", ganze fünfundvierzig Jahre vor seinem Tod. Mancher hielt das lange Schweigen für ein weiteres Werk, sozusagen Salingers fünftes Buch.
Mit "Die jungen Leute" liegt jetzt tatsächlich ein fünftes Buch von Salinger auf Deutsch vor, und auch in drei anderen Neuerscheinungen begegnet er uns dieses Frühjahr. Während David Shields und Shane Salerno sich in einer voluminösen Biographie mit Salingers ganzem Leben befassen und Frédéric Beigbeder in einem Roman von den Leiden des jungen Autors in Liebe und Krieg erzählt, schreibt Joanna Rakoff über ihre Zeit bei der Literaturagentur, die Salinger vertrat. Der für seine Abwesenheit so berühmte Autor ist plötzlich sehr präsent.
Jerome David Salinger wurde am 1. Januar 1919 in New York geboren. Sein jüdischer Vater machte Karriere in einer Firma, die Fleisch und Käse importierte. Die Mutter war katholisch. Salinger wollte Schriftsteller werden und belegte an der Columbia University einen Kurs im Schreiben von Kurzgeschichten bei Whit Burnett, der in der Zeitschrift "Story" junge Talente förderte, von denen einige zu großen Autoren wurden. Dort debütierte im Frühjahr 1940 auch Salinger mit "Die jungen Leute". Das Honorar betrug 25 Dollar.
Bei einem Urlaub an der Küste von New Jersey lernte Salinger im Sommer 1941 die Tochter des Dramatikers Eugen O'Neill kennen. Salinger verliebte sich in die sechzehnjährige Oona, ging in New York mit ihr aus und schrieb ihr Briefe, als er 1942 die Grundausbildung bei der Armee begann. In Hollywood, wo sie als Schauspielerin vorsprach, traf Oona jedoch Chaplin, sechsunddreißig Jahre älter, den sie 1943 heiratete. Salinger erlebte im Krieg die Landung der Alliierten in der Normandie am D-Day, die Schlacht im Hürtgenwald und die Befreiung eines Außenlagers von Dachau.
Am Beginn seines Romans "Oona & Salinger" betont der französische Autor Beigbeder die Nachprüfbarkeit der Daten, hebt aber gleichwohl seinen Beitrag als Romancier hervor, weil die Figuren "sehr diskrete Leben geführt" hätten. Er fühlt sich Salinger nicht nur literarisch verbunden, sondern auch in der Liebe zu jungen Frauen. Er sagt sehr viel über sich und tritt hier in vielen Rollen auf: als Fan, der für einen Film auf Salingers Spuren nach Amerika reist, als sein Vorbild noch lebt, dann aber nicht an dessen Tür klopft; als Aufklärer, der seine Liste "WAS MAN DEN FRANZOSEN ÜBER DEN D-DAY NICHT ERZÄHLT" präsentiert; und eben als Verfechter von Beziehungen mit großem Altersunterschied.
Ein großer historischer Roman wäre Beigbeder wohl zu langweilig gewesen. Er dreht an den Daten des Lebens seiner Figuren mehr herum, als er zugibt. Sein Buch enthält ein paar platte Provokationen (oder Fallen für Kritiker, die sich über platte Provokationen empören?). Doch neben einer amüsanten bis anstrengenden Nervensäge kann Beigbeder, wenn er es denn will, auch ein Autor sein, der genau weiß, welche Stilmittel und Bilder er benötigt, um packend zu erzählen. Und seine Begeisterung für Salinger teilt er auf vielen Ebenen mit, wenn er dessen Widmung aus "Franny und Zooey" (1961) variiert, um "Oona & Salinger" seiner Frau, Lara Micheli, zu widmen, oder wenn er die Neugier auf die wenig bekannten frühen Texte weckt.
Salinger nahm einundzwanzig Geschichten aus den Vierzigern in keinen seiner Erzählbände auf und hoffte, dass sie in den alten Zeitschriften "eines ganz natürlichen Todes sterben". Da er sich für "Die jungen Leute" und zwei andere frühe Texte aber offenbar das Copyright nicht gesichert hatte, brachte sie im vergangenen Jahr ein Kleinverlag in Amerika neu heraus. "Die jungen Leute" entlarvt kühl die Lügen, die Leere und das Gelaber auf einer Party. In "Geh zu Eddie", ebenfalls von 1940, geraten die Geschwister Bobby und Helen wegen Helens Affären in Streit.
Vier Jahre später, Ende 1944, erschien "Einmal die Woche bringt dich schon nicht um". Ein junger Mann bricht auf, um zum Militär zu gehen. Der Abschied scheint seine Frau weniger zu stören als die Zumutung, so elend früh aufstehen zu müssen, um ihm Lebewohl zu sagen. Seine wirre Tante überreicht ihm ein Empfehlungsschreiben, das er zerreißt. Im Ungesagten werden die Ungewissheit und die Wehmut des Moments spürbar. Nach diesen starken ersten Eindrücken von Salingers Anfängen wäre es erfreulich, wenn mehr aus seinem todgeweihten Frühwerk weiterleben würde in einem Buch.
Statt auf die Literarisierung von Salingers Leben à la Beigbeder setzen Shields und Salerno in ihrer Biographie auf die Zerteilung in Hunderte von Zitaten. Sie montieren ein Lebensmosaik aus Salingers Büchern und Briefen, aus Kritiken und wissenschaftlichen Analysen der Werke und aus Interviews mit Zeitzeugen und Forschern. Die Menge an Material ist bemerkenswert, die Autoren bekommen es aber nicht in den Griff - denn sie bieten sowohl zu viel als auch zu wenig. Zu viel wird es, die Chronologie für zwölf "Gespräche mit Salinger" zu unterbrechen, wenn dann bisweilen doch nur jemand eine Anekdote darüber erzählt, dass er jemand anderen kennt, der auf einem Flug zufällig ein Gespräch von Salinger belauscht haben will. Zu wenig ist es dagegen, die Anschriften von Salingers Eltern vor dem Umzug in die renommierte Park Avenue einfach runterzurattern. Da leistet Kenneth Slawenski mehr, der in seiner Biographie nachzeichnet, wie die Umzüge den Aufstieg der Familie in Salingers Kindheit widerspiegeln.
Als Salinger im Februar 1955 die einundzwanzigjährige Claire Douglas heiratete, war er mit dem "Fänger" und den "Neun Erzählungen" (1953) ein erfolgreicher Schriftsteller geworden und hatte sich nach Cornish, New Hampshire, zurückgezogen, um ganz für sein Schreiben zu leben. Seine neuen Geschichten im "New Yorker", nur noch fünf von 1955 bis 1965, drehten sich um die Familie Glass, deren Mitglieder teils auch in den "Neun Erzählungen" vorkamen. Während er über die fiktive Familie schrieb, ging das reale Familienleben mit Claire und den zwei Kindern in die Brüche. Die Ehe wurde 1967 geschieden.
Franny Glass sucht nach Erleuchtung und erleidet einen Nervenzusammenbruch. Ihr ältester Bruder, der Veteran Seymour, schießt sich neben seiner schlafenden Frau eine Kugel in den Kopf. Und Holden Caulfield kommt nicht über den Tod seines kleinen Bruders Allie hinweg: Die Verlorenheit von Salingers Figuren sprach die verzweifelten Jugendlichen ebenso an wie die ehemaligen Soldaten, die sich nach dem Krieg nicht mehr im Alltag zurechtfanden.
Die Glass-Geschichten griffen spirituelle Fragen auf und wurden sehr lang. Salinger konnte durchaus den halben "New Yorker" (oder mehr) für sich haben. Shields und Salerno deuten Salingers Leben und Literatur im Zeichen seiner Hinwendung zum Vedanta, einer Richtung des Hinduismus. Die Religion "zerstörte sein literarisches Talent". Salinger habe sich "von einem Schriftsteller in ein Sprachrohr des Mystizismus" verwandelt. Angesichts der These vom total zerstörten literarischen Talent staunt man über die Ankündigung, mit der Shields und Salerno nach siebenhundert Seiten enden. Zwischen 2015 und 2020 sollen neue Bücher von Salinger erscheinen, darunter auch "Chroniken der beiden außergewöhnlichen Familien Glass und Caulfield" - mit den bekannten Geschichten, aber erweitert um unveröffentlichte Texte. Die Chroniken aus der Zeit von 1941 bis 2008 seien Salingers "Meisterwerke, durch die er uns für immer im Gedächtnis bleiben wird". Um die Logik solcher Aussagen ist es in dieser undurchdachten Biographie also leider auch nicht besser bestellt als um die Auswahl und Aufbereitung des Materials.
Wie gut die Texte aus dem Nachlass wirklich sind, wird sich erweisen, wenn sie erscheinen. Trotz aller Verlorenheit liegt viel Trost in Salingers Werk, ob in der Spiritualität, im Humor oder in der großen literarischen Leistung, die Salinger von sparsamsten Kurzgeschichten bis zum selbstreflexiven, mit Fußnoten und Klammern gespickten Schreiben übers Schreiben in "Seymour, eine Einführung" vollbrachte. Salingers Leser sahen ihn als Ratgeber, wollten ihn persönlich aufsuchen (Beigbeder war wahrlich nicht der Erste) oder schrieben ihm auch noch Jahrzehnte nach seiner letzten Veröffentlichung. Diese Briefe landeten bei Joanna Rakoff, die in den Neunzigern ein Jahr lang als Assistentin von Salingers Literaturagentin arbeitete.
Ihr Erinnerungsbuch macht die Wucht deutlich, mit der Salingers Werke die Leser erwischen. Rakoff sollte eine seit 1963 übliche Standardantwort verschicken: "Wie Sie vielleicht wissen, wünscht es Mr. Salinger nicht, Post von seinen Lesern zu erhalten." Die Briefe ließen sie aber nicht los, deshalb antwortete sie den jungen Verzweifelten und alten Veteranen ausführlicher, bis sie begriff, warum Salinger die Briefe nicht mehr bekommen wollte. Der emotionale Preis war zu hoch.
THORSTEN GRÄBE
J. D. Salinger: "Die jungen Leute". Drei Stories.
Aus dem Englischen von Eike Schönfeld. Piper Verlag, München 2015. 67 S., geb., 14,99 [Euro].
David Shields und Shane
Salerno: "Salinger". Ein
Leben.
Aus dem Englischen von
Yamin von Rauch. Droemer Verlag, München 2015.
824 S., geb., 34,- [Euro].
Frédéric Beigbeder: "Oona & Salinger". Roman.
Aus dem Französischen von
Tobias Scheffel. Piper Verlag, München 2015. 304 S., geb., 19,99 [Euro].
Joanna Rakoff: "Lieber Mr. Salinger".
Aus dem Englischen von
Sabine Schwenk. Knaus
Verlag, München 2015.
302 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dem millionenfach verkauften Debüt folgten drei Bände mit wunderbaren Erzählungen, aber 1965 erschien Salingers letzte Geschichte im "New Yorker", ganze fünfundvierzig Jahre vor seinem Tod. Mancher hielt das lange Schweigen für ein weiteres Werk, sozusagen Salingers fünftes Buch.
Mit "Die jungen Leute" liegt jetzt tatsächlich ein fünftes Buch von Salinger auf Deutsch vor, und auch in drei anderen Neuerscheinungen begegnet er uns dieses Frühjahr. Während David Shields und Shane Salerno sich in einer voluminösen Biographie mit Salingers ganzem Leben befassen und Frédéric Beigbeder in einem Roman von den Leiden des jungen Autors in Liebe und Krieg erzählt, schreibt Joanna Rakoff über ihre Zeit bei der Literaturagentur, die Salinger vertrat. Der für seine Abwesenheit so berühmte Autor ist plötzlich sehr präsent.
Jerome David Salinger wurde am 1. Januar 1919 in New York geboren. Sein jüdischer Vater machte Karriere in einer Firma, die Fleisch und Käse importierte. Die Mutter war katholisch. Salinger wollte Schriftsteller werden und belegte an der Columbia University einen Kurs im Schreiben von Kurzgeschichten bei Whit Burnett, der in der Zeitschrift "Story" junge Talente förderte, von denen einige zu großen Autoren wurden. Dort debütierte im Frühjahr 1940 auch Salinger mit "Die jungen Leute". Das Honorar betrug 25 Dollar.
Bei einem Urlaub an der Küste von New Jersey lernte Salinger im Sommer 1941 die Tochter des Dramatikers Eugen O'Neill kennen. Salinger verliebte sich in die sechzehnjährige Oona, ging in New York mit ihr aus und schrieb ihr Briefe, als er 1942 die Grundausbildung bei der Armee begann. In Hollywood, wo sie als Schauspielerin vorsprach, traf Oona jedoch Chaplin, sechsunddreißig Jahre älter, den sie 1943 heiratete. Salinger erlebte im Krieg die Landung der Alliierten in der Normandie am D-Day, die Schlacht im Hürtgenwald und die Befreiung eines Außenlagers von Dachau.
Am Beginn seines Romans "Oona & Salinger" betont der französische Autor Beigbeder die Nachprüfbarkeit der Daten, hebt aber gleichwohl seinen Beitrag als Romancier hervor, weil die Figuren "sehr diskrete Leben geführt" hätten. Er fühlt sich Salinger nicht nur literarisch verbunden, sondern auch in der Liebe zu jungen Frauen. Er sagt sehr viel über sich und tritt hier in vielen Rollen auf: als Fan, der für einen Film auf Salingers Spuren nach Amerika reist, als sein Vorbild noch lebt, dann aber nicht an dessen Tür klopft; als Aufklärer, der seine Liste "WAS MAN DEN FRANZOSEN ÜBER DEN D-DAY NICHT ERZÄHLT" präsentiert; und eben als Verfechter von Beziehungen mit großem Altersunterschied.
Ein großer historischer Roman wäre Beigbeder wohl zu langweilig gewesen. Er dreht an den Daten des Lebens seiner Figuren mehr herum, als er zugibt. Sein Buch enthält ein paar platte Provokationen (oder Fallen für Kritiker, die sich über platte Provokationen empören?). Doch neben einer amüsanten bis anstrengenden Nervensäge kann Beigbeder, wenn er es denn will, auch ein Autor sein, der genau weiß, welche Stilmittel und Bilder er benötigt, um packend zu erzählen. Und seine Begeisterung für Salinger teilt er auf vielen Ebenen mit, wenn er dessen Widmung aus "Franny und Zooey" (1961) variiert, um "Oona & Salinger" seiner Frau, Lara Micheli, zu widmen, oder wenn er die Neugier auf die wenig bekannten frühen Texte weckt.
Salinger nahm einundzwanzig Geschichten aus den Vierzigern in keinen seiner Erzählbände auf und hoffte, dass sie in den alten Zeitschriften "eines ganz natürlichen Todes sterben". Da er sich für "Die jungen Leute" und zwei andere frühe Texte aber offenbar das Copyright nicht gesichert hatte, brachte sie im vergangenen Jahr ein Kleinverlag in Amerika neu heraus. "Die jungen Leute" entlarvt kühl die Lügen, die Leere und das Gelaber auf einer Party. In "Geh zu Eddie", ebenfalls von 1940, geraten die Geschwister Bobby und Helen wegen Helens Affären in Streit.
Vier Jahre später, Ende 1944, erschien "Einmal die Woche bringt dich schon nicht um". Ein junger Mann bricht auf, um zum Militär zu gehen. Der Abschied scheint seine Frau weniger zu stören als die Zumutung, so elend früh aufstehen zu müssen, um ihm Lebewohl zu sagen. Seine wirre Tante überreicht ihm ein Empfehlungsschreiben, das er zerreißt. Im Ungesagten werden die Ungewissheit und die Wehmut des Moments spürbar. Nach diesen starken ersten Eindrücken von Salingers Anfängen wäre es erfreulich, wenn mehr aus seinem todgeweihten Frühwerk weiterleben würde in einem Buch.
Statt auf die Literarisierung von Salingers Leben à la Beigbeder setzen Shields und Salerno in ihrer Biographie auf die Zerteilung in Hunderte von Zitaten. Sie montieren ein Lebensmosaik aus Salingers Büchern und Briefen, aus Kritiken und wissenschaftlichen Analysen der Werke und aus Interviews mit Zeitzeugen und Forschern. Die Menge an Material ist bemerkenswert, die Autoren bekommen es aber nicht in den Griff - denn sie bieten sowohl zu viel als auch zu wenig. Zu viel wird es, die Chronologie für zwölf "Gespräche mit Salinger" zu unterbrechen, wenn dann bisweilen doch nur jemand eine Anekdote darüber erzählt, dass er jemand anderen kennt, der auf einem Flug zufällig ein Gespräch von Salinger belauscht haben will. Zu wenig ist es dagegen, die Anschriften von Salingers Eltern vor dem Umzug in die renommierte Park Avenue einfach runterzurattern. Da leistet Kenneth Slawenski mehr, der in seiner Biographie nachzeichnet, wie die Umzüge den Aufstieg der Familie in Salingers Kindheit widerspiegeln.
Als Salinger im Februar 1955 die einundzwanzigjährige Claire Douglas heiratete, war er mit dem "Fänger" und den "Neun Erzählungen" (1953) ein erfolgreicher Schriftsteller geworden und hatte sich nach Cornish, New Hampshire, zurückgezogen, um ganz für sein Schreiben zu leben. Seine neuen Geschichten im "New Yorker", nur noch fünf von 1955 bis 1965, drehten sich um die Familie Glass, deren Mitglieder teils auch in den "Neun Erzählungen" vorkamen. Während er über die fiktive Familie schrieb, ging das reale Familienleben mit Claire und den zwei Kindern in die Brüche. Die Ehe wurde 1967 geschieden.
Franny Glass sucht nach Erleuchtung und erleidet einen Nervenzusammenbruch. Ihr ältester Bruder, der Veteran Seymour, schießt sich neben seiner schlafenden Frau eine Kugel in den Kopf. Und Holden Caulfield kommt nicht über den Tod seines kleinen Bruders Allie hinweg: Die Verlorenheit von Salingers Figuren sprach die verzweifelten Jugendlichen ebenso an wie die ehemaligen Soldaten, die sich nach dem Krieg nicht mehr im Alltag zurechtfanden.
Die Glass-Geschichten griffen spirituelle Fragen auf und wurden sehr lang. Salinger konnte durchaus den halben "New Yorker" (oder mehr) für sich haben. Shields und Salerno deuten Salingers Leben und Literatur im Zeichen seiner Hinwendung zum Vedanta, einer Richtung des Hinduismus. Die Religion "zerstörte sein literarisches Talent". Salinger habe sich "von einem Schriftsteller in ein Sprachrohr des Mystizismus" verwandelt. Angesichts der These vom total zerstörten literarischen Talent staunt man über die Ankündigung, mit der Shields und Salerno nach siebenhundert Seiten enden. Zwischen 2015 und 2020 sollen neue Bücher von Salinger erscheinen, darunter auch "Chroniken der beiden außergewöhnlichen Familien Glass und Caulfield" - mit den bekannten Geschichten, aber erweitert um unveröffentlichte Texte. Die Chroniken aus der Zeit von 1941 bis 2008 seien Salingers "Meisterwerke, durch die er uns für immer im Gedächtnis bleiben wird". Um die Logik solcher Aussagen ist es in dieser undurchdachten Biographie also leider auch nicht besser bestellt als um die Auswahl und Aufbereitung des Materials.
Wie gut die Texte aus dem Nachlass wirklich sind, wird sich erweisen, wenn sie erscheinen. Trotz aller Verlorenheit liegt viel Trost in Salingers Werk, ob in der Spiritualität, im Humor oder in der großen literarischen Leistung, die Salinger von sparsamsten Kurzgeschichten bis zum selbstreflexiven, mit Fußnoten und Klammern gespickten Schreiben übers Schreiben in "Seymour, eine Einführung" vollbrachte. Salingers Leser sahen ihn als Ratgeber, wollten ihn persönlich aufsuchen (Beigbeder war wahrlich nicht der Erste) oder schrieben ihm auch noch Jahrzehnte nach seiner letzten Veröffentlichung. Diese Briefe landeten bei Joanna Rakoff, die in den Neunzigern ein Jahr lang als Assistentin von Salingers Literaturagentin arbeitete.
Ihr Erinnerungsbuch macht die Wucht deutlich, mit der Salingers Werke die Leser erwischen. Rakoff sollte eine seit 1963 übliche Standardantwort verschicken: "Wie Sie vielleicht wissen, wünscht es Mr. Salinger nicht, Post von seinen Lesern zu erhalten." Die Briefe ließen sie aber nicht los, deshalb antwortete sie den jungen Verzweifelten und alten Veteranen ausführlicher, bis sie begriff, warum Salinger die Briefe nicht mehr bekommen wollte. Der emotionale Preis war zu hoch.
THORSTEN GRÄBE
J. D. Salinger: "Die jungen Leute". Drei Stories.
Aus dem Englischen von Eike Schönfeld. Piper Verlag, München 2015. 67 S., geb., 14,99 [Euro].
David Shields und Shane
Salerno: "Salinger". Ein
Leben.
Aus dem Englischen von
Yamin von Rauch. Droemer Verlag, München 2015.
824 S., geb., 34,- [Euro].
Frédéric Beigbeder: "Oona & Salinger". Roman.
Aus dem Französischen von
Tobias Scheffel. Piper Verlag, München 2015. 304 S., geb., 19,99 [Euro].
Joanna Rakoff: "Lieber Mr. Salinger".
Aus dem Englischen von
Sabine Schwenk. Knaus
Verlag, München 2015.
302 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Ein Buch, dass viel mehr ist als ein Roman. Ein Buch, dass - laut Aussage der Autorin - das widerspiegelt, was sie 1996/1997 erlebt hat.
"" Die Verlagsbranche, die Bücher, das Leben", dachte ich.....Es schien durchaus möglich, eins davon gut hinzubekommen. Aber nicht alle …
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Ein Buch, dass viel mehr ist als ein Roman. Ein Buch, dass - laut Aussage der Autorin - das widerspiegelt, was sie 1996/1997 erlebt hat.
"" Die Verlagsbranche, die Bücher, das Leben", dachte ich.....Es schien durchaus möglich, eins davon gut hinzubekommen. Aber nicht alle drei." (S. 269)
Joanna ist jung, 23 Jahre, als sie nach einem Aufenthalt in London wieder nach New York zurückkehrt. Sie hat Literatur studiert und sie hat Glück. Sie ergattert einen Job in einer Literaturagentur, obwohl sie keinen blassen Schimmer von dem hat, was sie dort erwartet. Hauptsache erst einmal einen Job. Sie wird die persönliche Assistentin einer Agenturchefin, die den berühmten Schriftsteller J.D. Salinger betreut. Joanna kennt zwar dessen Namen, hat aber noch nie ein Werk von ihm gelesen. Ihre Aufgabe ist es u.a. auch seine Fanpost zu benantworten.
Genauso blauäuig wie sie anfangs ihren Job antritt, geht sie auch durch ihr privates Leben. Mit Don hat sie sich einen Freund zugelegt, der so gar nicht zu ihr passt. Doch sie ist noch sehr jung und naiv und ungefestigt.
Doch dieses Jahr wird sie verändern. Sie wird sich wandeln, besonders als sie endlich die Werke Salingers liest.....
Der Schreibstil von Joanna Rakoff ist angenehm flüssig. Man erlebt dieses Jahr mit und sehr authentisch kommt der Wandel herüber, den sie in diesem Jahr erlebt. Man schüttelt den Kopf über die naive, junge Joanna und möchte sie fast schütteln, sie aufrüttelten, ihr die Augen öffnen.
Durch ihre Augen erlebt man mit, wie es in dieser kleinen Agentur Ende der 90er Jahr zuging. In einer Agentur, die an Altem festhing, sich nur widerwillig den moderen Kommunikationsmedien öffnete, in der die Briefe noch mit Schreibmaschine geschrieben wurden.
"" Ich weiß nicht, was ein elektronisches Buch ist, aber die Rechte dafür werde ich nicht hergeben" schrie meine Chefin, als sie den Begriff zum ersten Mal las." S. 223
Besonders interessant sind die Passagen, bei denen J.D. Salinger anrief, vorbei kam, seine Fans zu Wort kamen oder hinterher die Autorin seine Bücher gelesen hat und sich fasziniert und intensiv mit ihnen beschäftigt hat, sich regelrecht in sie verliebt hat. Sie ist an ihnen gereift, diese Bücher haben ihr Leben verändert.
" Salinger war nicht kitschig.....Salinger war nicht annährern so, wie ich gedacht hatte. Nicht annähernd.
Salinger war knallhart. Knallhart, witzig und sehr genau. Ich war Feuer und Flamme für ihn und für alles, was er geschrieben hatte." (S. 234)
Ich selber habe von Salinger noch kein Buch gelesen, doch dieses Buch hat mich neugierig gemacht, hat mein Interesse geweckt, es endlich nachzuholen.
Ein Buch, das einen eintauchen lässt, das sich leicht lesen ist und das einen einfach fesselt!
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Es ist das Jahr 1996, die 24jährige Joanna bekommt einen Job in einer Literaturagentur in New York, in der sie genau ein Jahr arbeitet. Völlig augeregt und erwartungsvoll glaubt sie Manuskripte von Autoren bzw. Leute die gern Autoren werden möchten lesen zu dürfen. Allerdings ist …
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Es ist das Jahr 1996, die 24jährige Joanna bekommt einen Job in einer Literaturagentur in New York, in der sie genau ein Jahr arbeitet. Völlig augeregt und erwartungsvoll glaubt sie Manuskripte von Autoren bzw. Leute die gern Autoren werden möchten lesen zu dürfen. Allerdings ist ihr Hauptjob der einer Sekretärin/Assistentin, die tippt Briefe auf einer Schreibmaschine - da sich die Chefin dem Fortschritt noch verschließt und einem Computer noch skeptisch gegenüber seht - und nimmt Anrufe für ihre Chefin entgegen. Da die Agentur auch Jerry Salinger vertritt, bekommt sie genaue Anweisungen, wie im Falle eines Anrufes von ihm zu verfahren ist, auf keinen Fall ihn in ein Gespräch verwickeln, ihm keine Manuskripte schicken, keine Fanpost ihm zuschicken usw. Allein von diesen Regeln, die sie ständig gesagt bekommt, ist sie so eingeschüchtert, dass sie völlig sprachlos ist, als er eines Tages tatsächlich anruft, ein total kauziger und menschenscheuer Mann, der mit Vorsicht zu behandeln ist.
Irgendwann darf Joanna tatsächlich Manuskripte lesen, allerdings in ihrer Freizeit. Sie schreibt Gedichte und wohnt mit ihrem unverschämten Freund Don in einer total heruntergekommen Wohnung, wo die Heizung meistens ihrem Dienst versagt. Der Lohn von der Agentur reicht kaum zum Leben, nach diesem lehrreichen Jahr, weiss Joanna wo ihre Stärken liegen.
Ein tolles Buch, der Leser begleitet Joanna für ein Jahr durch ihr Leben bei der Arbeit, spürt ihre Liebe zum geschriebenen Wort und leidet mit ihr unter ihrem Geldmangel und ihrer Wohnsituation und vor allem unter dem unsäglichen Freund. Salinger, obwohl nicht oft present, spielt eine große Rolle, da ständig über ihn geredet wird und seine Bücher durch die Fanpost lebendig werden. Man muss seine Werke allerdings nicht kennen, um das Buch zu genießen. Das Ende war mir dann doch zu plötzlich und ich hätte mir etwas mehr Informationen gewünscht. Das Buch ist in Jahreszeitenkapitel aufgeteilt.
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Am Ende dieses Buches war ich irgendwie frustriert, weil ich soooo viele unbeantwortete Fragen im Kopf hatte und irgendwie fehlte auch so etwas. Das Buch wirkte ein bisschen gekünstelt und die Protagonistin sehr naiv mit 24 und einem Auslandsjahr hinter sich.
Im Buch wird viel von ihrer …
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Am Ende dieses Buches war ich irgendwie frustriert, weil ich soooo viele unbeantwortete Fragen im Kopf hatte und irgendwie fehlte auch so etwas. Das Buch wirkte ein bisschen gekünstelt und die Protagonistin sehr naiv mit 24 und einem Auslandsjahr hinter sich.
Im Buch wird viel von ihrer Umgebung preisgegeben, viel zu intime Details ihrer Chefin mit denen man dann doch nichts anfangen kann. Alle Fehler, die ihr momentaner Freund hat, aber kein einziges Mal wieso sie mit ihm zusammen ist oder bleibt. Es gibt ziemlich viele lose Enden, die für mich geschlossen gehörten oder einfach weggelassen.
Ich fühlte mich immer wieder angestachelt, aber dann verlor man vollkommen alle diese Fäden. Manche Sachen schienen auch einfach nicht realistisch, machten einen sauer oder traurig und waren einem im Endeffekt dann doch wieder egal, denn man bekam sicherlich keine Antwort.
Ausführlicher und auch unterhaltsame, sogar zeitweise spannende Ausblicke bekommt man in ihr Leben in der Agentur. Sie hat dort einen eher schlecht bezahlten Job als Assisstentin einer Lektorin. Die ganze Szene erinnert zu Beginn an “Der Teufel trägt Prada”. Ende der 90er wird sich in diesem Büro sichtlich noch gegen den technischen Fortschritt geweigert. Sehr unterhaltsam werden die Umstellungen auf Kopierer und Computer beschrieben.
Am wichtigsten ist wohl aber der Hauptkunde der Agentur: J.D.Salinger. Mit dem Joanna auf keinen Fall plaudern soll und strikt Anweisungen im Umgang mit ihm und seinen Fanbriefen hat. Obwohl Salinger unglaublich nett, zuvorkommend und eben als Eigenbrödler daher kommt. Man erfährt aber auch hier nicht wirklich viel…Es geht mehr um die Fanbriefe, die sie anfängt persönlich zu beantworten anstatt standadisiert. Was auch wirklich interessant war, vor allem für die Leute die Salinger gelesen haben. Denn die Briefe gehen einem ziemlich nahe.
Dennoch braucht Joanna Ewigkeiten die Bücher Salinger´s zu lesen, sie lobt zwischenzeitlich lieber ganz viele andere Meisterwerke der Literatur. Als sie endlich durch alle Geschichten durchgeht, verändert sich etwas. Für mich fängt das Buch hier erst an und ist leider dann doch schon vorbei. Sie analysiert alles durch die Augen der Protagonisten aus Salinger´s Büchern. Hier kann man mitfühlen, wenn man sie gelesen hat, aber auch viel erfahren, wenn man es noch nicht getan hat.
Und dann ist die Reise auch schon vorbei, mit Entscheidungen, die ich wie so viele andere nicht nachvollziehen kann.
Fazit:
Das Buch hat sehr schöne Ansätze und man erfährt viel über die Arbeit und das Leben in einer Buch-Agentur, dennoch bleibt es für mich einfach zu oberflächlich.
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Natürlich ist dieser Roman eine Hommage an J.D. Salinger, aber er zeigt auch innerhalb eines Jahres die Entwickling der jungen Joanna Rakoff, sozusagen ihr persönliches Coming of age. Als Leser nimmt man Anteil an ihrem Leben, ihrer Arbeit und ihrer Beziehung. Dabei wächst mir Joanna …
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Natürlich ist dieser Roman eine Hommage an J.D. Salinger, aber er zeigt auch innerhalb eines Jahres die Entwickling der jungen Joanna Rakoff, sozusagen ihr persönliches Coming of age. Als Leser nimmt man Anteil an ihrem Leben, ihrer Arbeit und ihrer Beziehung. Dabei wächst mir Joanna nach anfänglichem Zögern langsam ans Herz. Ihre jugendliche Naivität und ihr blinder Arbeitseifer entwickeln sich weiter und sie gewinnt an Selbstbewusstsein und steckt sich eigene Ziele, die sie bewusst verfolgt. Dabei geniesst man ihre Liebe zur Literatur und wie sie sich an J.D. Salingers Werken orientiert. Salingers Bücher drücken Gesellschaftskritik aus und sie stehen ebenfalls als Zeugnisse für Coming of Ages (Der Fänger im Roggen) und so schliesst sich der Kreis sehr authentisch. Salinger wollte die Menschen mit seinen Werken erreichen und ihnen etwas mitteilen. Das ist ihm bei Joanna Rakoff in besonderem Mass gelungen.
Besonders gefallen hat mir auch die Beschreibung der Literatur-Agentur, die selbst im Jahr 1996 noch ohne Digitalisierung den Buchmarkt erobern musste. Welchen beschwerlichen Weg ein Manuskript hinter sich bringen muss, um dann endlich als fertiges Buch im Regal des Handels zu erscheinen, wird hier nebenbei erkenntlich.
Der Schreibstil von Joanna Rakoff liest sich angenehm flüssig und ist sehr anschaulich. Nur zu deutlich sieht man durch Joannas Person den Wandel von Schreibmaschine und Diktiergerät zum digitalen Zeitalter mit moderner Computervernetzung und weltweiter Webanbindung.
Aber in der Zeit vollzieht sich auch Joannas Reifeprozess. Vom eintönigen Tippen kommt sie zu anspruchsvollen Vertragsabschlüssen mit Autoren. Die private Entwicklung lässt sie eine unliebsame Beziehung auflösen und ihre wahre Liebe erkennen. Dieser Wandel macht sie sympathisch. Langsam, aber sicher habe ich mich an Joanna gewöhnt und muss sie am Ende des Buches wieder ziehen lassen.
Joanna beschreibt neben ihrer Liebe zu den Büchern ebenfalls die New Yorker Literatur-Szene mit ihren Parties und die angesagten Magazine der Presse der 90er Jahre. Man sieht sie inmitten einer Menge von Tausenden von New Yorkern, die per Subway und durch die Strassen zur Arbeit eilen und in der Mittagspause auf den Treppenstufen einer Mall ein Sandwich essen. Dieses New Yorker Flair in der Geschichte hat mir gefallen und mich in seinen Bann gezogen. Auch die Einbindung der Person Salingers, eines bewusst zurückgezogen lebenden Schriftstellers, und seiner literarischen Werke in diesen autobiografischen Roman Joanna Rakoffs ist gut gelungen. Einzig das Ende ist etwas abrupt und hätte etwas detailgenauer sein können.
Dieses Buch lässt den Leser dabei zusehen, wie eine junge Frau erwachsen wird und wie ihr dabei die Werke Salingers ans Herz wachsen. Es macht Lust auf die zeitlosen Bücher des verstorbenen Literaten und lässt sich wunderbar lesen.
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"Es war weiß Gott nicht nur ein Tag, der wild wuchernde Zeichen und Symbole, sondern auch der maßlos ausgiebigen Kommunikation mittels des geschriebenen Worts."
J.D. Salinger
Hebt an den Dachbalken, Zimmerleute
Zuallererst war es das außergewöhnliche Cover, …
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"Es war weiß Gott nicht nur ein Tag, der wild wuchernde Zeichen und Symbole, sondern auch der maßlos ausgiebigen Kommunikation mittels des geschriebenen Worts."
J.D. Salinger
Hebt an den Dachbalken, Zimmerleute
Zuallererst war es das außergewöhnliche Cover, welches mich neugierig machte, da es so erfrischend wirkt. Inhaltlich ist es dann doch anders als erwartet. Wir befinden uns in einer literarischen Zeitschleife, die mich wirklich ansprechen konnte. Joanna Rakoff hat einen aussagekräftigen Schreibstil, der mich mit in ihren Büroalltag nehmen konnte. Bücher über Bücher oder auch den Alltag in einer Agentur fand ich faszinierend, da man zwar als Leser doch eine genaue Vorstellung davon hat, dennoch kaum Einblicke bekommt und es seiner Fantasie überlassen muss, wie ein Buch zustande kommt. Wir sehen oft nur das Buch vor uns und nicht die Arbeit und Vorbereitung, bis es so vor uns liegt, wie wir es gewohnt sind. Hier ist es J.D. Salinger, der uns durch das Buch führt und auch Joanna mitunter sprachlos macht. Die Agentur für die sie arbeitet, hat ihn im Fokus und er verhält sich tatsächlich kauzig, wie im Klappentext beschrieben. Für mich ein Autor, dessen Namen ich zwar schon gehört habe, aber bisher keines seiner Bücher las. "Lieber Mr. Salinger" ist also keine Fiktion, sondern erzählt Joannas Geschichte und ihr Erleben.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mit der Story richtig warm wurde, aber nachdem ich erst einmal mitten im Buch war, wurde das Lesen flüssiger und ich konnte mich begeistern lassen. Die alte Schreibmaschine auf dem Cover bekommt einen hohen Stellenwert, denn auf ihr werden Briefe getippt und anderes, was einen Büroalltag ausmacht. Besonders hervortreten kann die Tatsache, das es für fast alles einen Standardbrief gibt, den Joanna nur noch personifizieren müsste. Joanna lässt sich aber darauf ein, Fanpost zu lesen und auch zu beantworten. Sie übernimmt immer mehr an Aufgaben und lässt sich komplett auf das Agenturleben ein. Was mich verwirrte ist die Tatsache, das wir uns zwar im Jahre 1996 befinden, die Agentur aber komplett veraltet erscheint. Neuerungen kommen zwar nach und nach dazu, aber es wirkt dennoch sehr altertümlich. Ich bewege mich also als Leser einer einer literarischen Zeitschleife, die sich erst nach und nach entwickeln muss. Letztendlich konnte mich "Lieber Mr. Salinger"begeistern. Es ist kein Buch, welches sich schnell lesen lässt, sondern eins, was mich herausfordert mitzudenken. Es ist zum Teil Sachbuch, zum Teil Roman. Absolut gelungen. Es besticht durch seine Authentizität persönlicher Erfahrungen, die mich im Nachhinein wirklich begeistert zurücklassen.
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