Santiago Amigorena
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Kein Ort ist fern genug
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Der internationale Bestseller über den Umgang mit Schuld und die unerschütterliche Kraft der LiebeSantiago Amigorena erzählt die bewegende Geschichte seines Großvaters: In den Zwanzigern flüchtet Vicente Rosenberg aus Warschau nach Buenos Aires. Dort verliebt er sich in Rosita, gründet mit ihr eine Familie und betreibt ein Möbelgeschäft. Fernab von dem, was in Europa geschieht. Doch mit jedem neuen Brief seiner Mutter aus dem Warschauer Ghetto wachsen Schuld und Ohnmacht. Bis Vicente verstummt und ins innere Exil geht. Rosita aber kämpft weiter - um ihre Liebe, um ihre Familie, um ein...
Der internationale Bestseller über den Umgang mit Schuld und die unerschütterliche Kraft der Liebe
Santiago Amigorena erzählt die bewegende Geschichte seines Großvaters: In den Zwanzigern flüchtet Vicente Rosenberg aus Warschau nach Buenos Aires. Dort verliebt er sich in Rosita, gründet mit ihr eine Familie und betreibt ein Möbelgeschäft. Fernab von dem, was in Europa geschieht. Doch mit jedem neuen Brief seiner Mutter aus dem Warschauer Ghetto wachsen Schuld und Ohnmacht. Bis Vicente verstummt und ins innere Exil geht. Rosita aber kämpft weiter - um ihre Liebe, um ihre Familie, um eine Zukunft. Ein ergreifender Roman von großer Dringlichkeit, plastisch und virtuos erzählt.
"Ein tragisches Schicksal, eine erschütternde Erzählung - überwältigend." OLIVIER GUEZ
"Dieses wunderbare Buch erzählt die Geschichte eines Schweigens, das vielleicht die einzige Antwort auf das Undenkbare darstellt. Und die Geschichte der Worte, die ein Mann für dieses Schweigen findet: Jedes einzelne von ihnen ist treffend gewählt, direkt aus dem Kern des Wesens. Genau das vermag auf ebenso seltene wie kostbare Weise die Literatur." EMMANUEL CARRERE
"Die ganz eigene Klangfarbe dieses sensationellen Romans hallt nach der Lektüre noch lange nach." Le Figaro littéraire
Santiago Amigorena erzählt die bewegende Geschichte seines Großvaters: In den Zwanzigern flüchtet Vicente Rosenberg aus Warschau nach Buenos Aires. Dort verliebt er sich in Rosita, gründet mit ihr eine Familie und betreibt ein Möbelgeschäft. Fernab von dem, was in Europa geschieht. Doch mit jedem neuen Brief seiner Mutter aus dem Warschauer Ghetto wachsen Schuld und Ohnmacht. Bis Vicente verstummt und ins innere Exil geht. Rosita aber kämpft weiter - um ihre Liebe, um ihre Familie, um eine Zukunft. Ein ergreifender Roman von großer Dringlichkeit, plastisch und virtuos erzählt.
"Ein tragisches Schicksal, eine erschütternde Erzählung - überwältigend." OLIVIER GUEZ
"Dieses wunderbare Buch erzählt die Geschichte eines Schweigens, das vielleicht die einzige Antwort auf das Undenkbare darstellt. Und die Geschichte der Worte, die ein Mann für dieses Schweigen findet: Jedes einzelne von ihnen ist treffend gewählt, direkt aus dem Kern des Wesens. Genau das vermag auf ebenso seltene wie kostbare Weise die Literatur." EMMANUEL CARRERE
"Die ganz eigene Klangfarbe dieses sensationellen Romans hallt nach der Lektüre noch lange nach." Le Figaro littéraire
Santiago Amigorena, 1962 in Buenos Aires geboren, lebt und arbeitet in Paris. Er ist Autor, Drehbuchautor und Filmemacher. ¿A few Days in September¿ (2006) mit Juliette Binoche, die seine Partnerin war, und Nick Nolte wurde international gefeiert. Sein Roman ¿Kein Ort ist fern genug¿ wurde in Frankreich zum Bestseller, war u. a. für den Prix Goncourt nominiert und erscheint in zwölf Ländern weltweit. Nicola Denis wurde mit einer Arbeit zur Übersetzungsgeschichte promoviert. Sie übersetzte u. a. Werke von Alexandre Dumas, Honoré de Balzac, Éric Vuillard, Olivier Guez und Anne Dufourmantelle. Nicola Denis lebt seit vielen Jahren mit ihrer Familie in Frankreich.
Produktdetails
- Verlag: Aufbau-Verlag
- Originaltitel: Le Ghetto intérieur
- Artikelnr. des Verlages: 641/13831
- 1. Auflage
- Seitenzahl: 184
- Erscheinungstermin: 21. Juli 2020
- Deutsch
- Abmessung: 221mm x 128mm x 22mm
- Gewicht: 319g
- ISBN-13: 9783351038311
- ISBN-10: 3351038313
- Artikelnr.: 59166468
Herstellerkennzeichnung
Aufbau Verlagsgruppe GmbH
Neue Promenade 6
10178 Berlin
info@aufbau-verlag.de
www.aufbau-verlag.de
+49 (030) 28394-0
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Roman Bucheli entdeckt in Santiago H. Amigorenas Roman das Dokument einer Befreiung. Indem der Autor seinem angesichts der Kriegsgräuel und der Deportation ins Schweigen verfallenen polnischen Großvater seine Stimme gibt, errichtet er ihm ein Denkmal, meint Bucheli. Dass der Text "nicht romanhaft" ist, wie Bucheli feststellt, obgleich das meiste darin erfunden ist, scheint dem Rezensenten bemerkenswert. Und wenn Amigorena ausdrücklich nicht das Warschauer Ghetto oder die Deportation seiner Großmutter thematisiert, sondern eher nüchtern das Geschehen in Polen schildert, so bleibt das Grauen für Bucheli doch spürbar, aufgehoben im Gesicht des Großvaters.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Zwölftausend Kilometer Abstand reichen nicht
Santiago Amigorenas Roman "Kein Ort ist fern genug" erzählt die eigene jüdische Familiengeschichte des französischen Autors
Der französische Regisseur, Drehbuchautor und Schriftsteller Santiago Amigorena wurde 1962 in Buenos Aires geboren. Seine Vorfahren stammen aus Polen; der Großvater wanderte 1928 nach Argentinien aus. Südamerika schien damals der Kontinent der Zukunft zu sein und zog viele Emigranten an. Dass sich diese Erwartungen auf Dauer oft nicht erfüllt haben, zeigt die Rückkehr vieler Emigrantenfamilien nach Europa. Auch die Eltern von Amigorena kehrten 1973 zurück, allerdings nach Frankreich.
In seinem Roman "Kein Ort ist fern genug" imaginiert
Santiago Amigorenas Roman "Kein Ort ist fern genug" erzählt die eigene jüdische Familiengeschichte des französischen Autors
Der französische Regisseur, Drehbuchautor und Schriftsteller Santiago Amigorena wurde 1962 in Buenos Aires geboren. Seine Vorfahren stammen aus Polen; der Großvater wanderte 1928 nach Argentinien aus. Südamerika schien damals der Kontinent der Zukunft zu sein und zog viele Emigranten an. Dass sich diese Erwartungen auf Dauer oft nicht erfüllt haben, zeigt die Rückkehr vieler Emigrantenfamilien nach Europa. Auch die Eltern von Amigorena kehrten 1973 zurück, allerdings nach Frankreich.
In seinem Roman "Kein Ort ist fern genug" imaginiert
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Amigorena die Geschichte seines Großvaters. Vicente Rosenberg war als junger polnischer Offizier am "Wunder an der Weichsel" beteiligt. In Argentinien erzählt er seinen Freunden, dass er "Pilsudski bei der Befreiung Polens geholfen" und 1920 den Vormarsch der Roten Armee auf Westeuropa gestoppt habe. Vicente fühlt sich als Pole; seine jüdische Abstammung bedeutet ihm so wenig wie die Rituale der Vorfahren. In Argentinien fügt er seiner Identität neue Aspekte hinzu: die Leidenschaften für Tango, Roulette und Pferderennen. Und für die Pharmaziestudentin Rosita, Tochter eines Möbelfabrikanten, die er heiratet und mit der er drei Kinder hat. Sein Geld verdient Vicente mit einem Möbelgeschäft, in dem er die schwerfälligen Einrichtungsstücke verkauft, die sein Schwiegervater herstellt.
Vicente denkt viel über die verschiedenen Anteile seiner Identität nach (wobei er manchmal allerdings etwas zu sehr wie sein Enkel im Jahr 2019 klingt); das Irritierende besteht für ihn verständlicherweise darin, dass es Menschen gibt, die ihm und seinesgleichen eine komplexe Identität nicht zugestehen. Für die Nationalsozialisten wird er festgelegt auf ein einziges Merkmal: ein Körper zu sein, in dem vermeintlich "jüdisches Blut" kreist, das nicht länger kreisen soll.
Vicente könnte es im fernen Argentinien fast egal sein (dass es dort damals starke Sympathien mit dem "Dritten Reich" und auch entsprechenden Antisemitismus gab, ist ein anderes Thema, das der Roman ausspart). Aber sein Bruder und vor allem seine Mutter leben immer noch in Warschau. Er trifft sich mit seinen Freunden Sammy und Ariel in den Cafés von Buenos Aires und bespricht die Weltlage. Die beiden Freunde haben ihre engsten Angehörigen überreden können, ihnen nach Argentinien zu folgen. Vicente hat es versäumt, und die Bedrohung wächst. Die Briefe der Mutter werden seltener. In einem beschreibt sie, wie man die Juden im Warschauer Getto zusammenpfercht, in einem anderen, wie der Tod dort allgegenwärtig wird. Irgendwann kommen keine Briefe mehr. Fortan hat Vicente die Mutter, ihr Gesicht, ihre Hände und Gesten ständig vor Augen. "Ich hätte sie niemals in Warschau lassen dürfen"; das Schuldgefühl droht ihn zu erdrücken.
Das normale Leben geht weiter, im aufblühenden Buenos Aires geht es sogar sehr gut weiter. Aber im fernen, verrückten Europa passiert gerade ein unvorstellbares Menschheitsverbrechen. Einige Zeitungen berichten sogar darüber, aber erst auf den hinteren Seiten. Die Dimensionen des Massenmords sind so ungeheuer, dass sie dem Ganzen einen Beigeschmack des Unwahrscheinlichen geben. Vicente versinkt unterdessen immer tiefer in Düsternis und Depression, in Albträumen und einem radikalen Schweigen, das seine Familie verstört. Seine Freunde und seine Frau dringen nicht mehr durch in sein inneres Getto. "Le Ghetto intérieur" lautet der Originaltitel des Buches, ein wenig plakativ, denn diese Analogie stellt sich unweigerlich bei der Lektüre ein; sie muss nicht ausgesprochen werden.
Amigorena schreibt seit zwanzig Jahren an einem Zyklus autobiographischer Romane. Das Schweigen ist darin ein Grundmotiv. Hier liefert er die Voraussetzungen und die Vorgeschichte dafür nach. Ein heikler Punkt des Romans besteht darin, dass die Abläufe des Holocausts im Einzelnen eben doch nicht in den damaligen Zeitungen standen und deshalb kaum von Vicente gewusst, besprochen und überdacht werden können. Amigorena hilft sich aus diesem Dilemma, wie es derzeit beim neuen historischen Erzählen in Frankreich üblich ist. Er nutzt den eigenen erheblichen Wissensvorsprung vor seiner Figur und wechselt vom Ton des Erzählers zum Ton der Reportage oder der historischen Abhandlung. So berichtet er von den Massakern und Lagern, von Auftritten Himmlers, von der Wannseekonferenz. Der Roman bekommt dadurch einen gewissen Sachbuchanteil, wie es auch in den Bestsellern von Olivier Guez ("Das Verschwinden des Josef Mengele") oder Éric Vuillard ("Die Tagesordnung") der Fall ist. Das kann man pädagogisch vertretbar finden; literarisch überzeugt es nicht ganz, vor allem, wenn Amigorena die beiden Ebenen zu vermitteln versucht und die Exkurse mit Formulierungen anbindet wie "Das alles hätte Vicente Rosenberg Anfang 1942 wissen können" - hätte er es denn wissen können. Oder wenn er spätere Lektüren Vicentes, etwa der Bücher Primo Levis, geltend macht.
Dennoch ist dieser Roman dank seiner leisen Eindringlichkeit und ungewohnten Perspektive auf die Schoa lesenswert. Durch zwölftausend Kilometer Entfernung schafft Amigorena einen Verfremdungseffekt, so dass man das vielfach Erzählte, den Lehrstoff der Geschichte, noch einmal neu sieht: mit den Augen eines verzweifelnden, von Überlebensschuld gebrochenen Angehörigen, der seiner Mutter nicht helfen und kein einziges Wort an sie richten kann. Sie stirbt in Treblinka.
WOLFGANG SCHNEIDER
Santiago Amigorena: "Kein Ort ist fern genug". Roman.
Aus dem Französischen
von Nicola Denis. Aufbau Verlag, Berlin 2020.
190 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vicente denkt viel über die verschiedenen Anteile seiner Identität nach (wobei er manchmal allerdings etwas zu sehr wie sein Enkel im Jahr 2019 klingt); das Irritierende besteht für ihn verständlicherweise darin, dass es Menschen gibt, die ihm und seinesgleichen eine komplexe Identität nicht zugestehen. Für die Nationalsozialisten wird er festgelegt auf ein einziges Merkmal: ein Körper zu sein, in dem vermeintlich "jüdisches Blut" kreist, das nicht länger kreisen soll.
Vicente könnte es im fernen Argentinien fast egal sein (dass es dort damals starke Sympathien mit dem "Dritten Reich" und auch entsprechenden Antisemitismus gab, ist ein anderes Thema, das der Roman ausspart). Aber sein Bruder und vor allem seine Mutter leben immer noch in Warschau. Er trifft sich mit seinen Freunden Sammy und Ariel in den Cafés von Buenos Aires und bespricht die Weltlage. Die beiden Freunde haben ihre engsten Angehörigen überreden können, ihnen nach Argentinien zu folgen. Vicente hat es versäumt, und die Bedrohung wächst. Die Briefe der Mutter werden seltener. In einem beschreibt sie, wie man die Juden im Warschauer Getto zusammenpfercht, in einem anderen, wie der Tod dort allgegenwärtig wird. Irgendwann kommen keine Briefe mehr. Fortan hat Vicente die Mutter, ihr Gesicht, ihre Hände und Gesten ständig vor Augen. "Ich hätte sie niemals in Warschau lassen dürfen"; das Schuldgefühl droht ihn zu erdrücken.
Das normale Leben geht weiter, im aufblühenden Buenos Aires geht es sogar sehr gut weiter. Aber im fernen, verrückten Europa passiert gerade ein unvorstellbares Menschheitsverbrechen. Einige Zeitungen berichten sogar darüber, aber erst auf den hinteren Seiten. Die Dimensionen des Massenmords sind so ungeheuer, dass sie dem Ganzen einen Beigeschmack des Unwahrscheinlichen geben. Vicente versinkt unterdessen immer tiefer in Düsternis und Depression, in Albträumen und einem radikalen Schweigen, das seine Familie verstört. Seine Freunde und seine Frau dringen nicht mehr durch in sein inneres Getto. "Le Ghetto intérieur" lautet der Originaltitel des Buches, ein wenig plakativ, denn diese Analogie stellt sich unweigerlich bei der Lektüre ein; sie muss nicht ausgesprochen werden.
Amigorena schreibt seit zwanzig Jahren an einem Zyklus autobiographischer Romane. Das Schweigen ist darin ein Grundmotiv. Hier liefert er die Voraussetzungen und die Vorgeschichte dafür nach. Ein heikler Punkt des Romans besteht darin, dass die Abläufe des Holocausts im Einzelnen eben doch nicht in den damaligen Zeitungen standen und deshalb kaum von Vicente gewusst, besprochen und überdacht werden können. Amigorena hilft sich aus diesem Dilemma, wie es derzeit beim neuen historischen Erzählen in Frankreich üblich ist. Er nutzt den eigenen erheblichen Wissensvorsprung vor seiner Figur und wechselt vom Ton des Erzählers zum Ton der Reportage oder der historischen Abhandlung. So berichtet er von den Massakern und Lagern, von Auftritten Himmlers, von der Wannseekonferenz. Der Roman bekommt dadurch einen gewissen Sachbuchanteil, wie es auch in den Bestsellern von Olivier Guez ("Das Verschwinden des Josef Mengele") oder Éric Vuillard ("Die Tagesordnung") der Fall ist. Das kann man pädagogisch vertretbar finden; literarisch überzeugt es nicht ganz, vor allem, wenn Amigorena die beiden Ebenen zu vermitteln versucht und die Exkurse mit Formulierungen anbindet wie "Das alles hätte Vicente Rosenberg Anfang 1942 wissen können" - hätte er es denn wissen können. Oder wenn er spätere Lektüren Vicentes, etwa der Bücher Primo Levis, geltend macht.
Dennoch ist dieser Roman dank seiner leisen Eindringlichkeit und ungewohnten Perspektive auf die Schoa lesenswert. Durch zwölftausend Kilometer Entfernung schafft Amigorena einen Verfremdungseffekt, so dass man das vielfach Erzählte, den Lehrstoff der Geschichte, noch einmal neu sieht: mit den Augen eines verzweifelnden, von Überlebensschuld gebrochenen Angehörigen, der seiner Mutter nicht helfen und kein einziges Wort an sie richten kann. Sie stirbt in Treblinka.
WOLFGANG SCHNEIDER
Santiago Amigorena: "Kein Ort ist fern genug". Roman.
Aus dem Französischen
von Nicola Denis. Aufbau Verlag, Berlin 2020.
190 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Amigorena hat seinen Vorfahren ein schlichtes, dafür umso bewegenderes literarisches Denkmal gesetzt.« Neue Zürcher Zeitung 20201211
Das Leid der Verstummten
1940-1945. Vicente Rosenberg emigrierte 1928 von Warschau nach Buenos Aires, wo er schon bald mit Rosita Szapire, der Liebe seines Lebens, eine Familie gründete. Schnell hat sich Vicente in seiner neuen Wahlheimat eingelebt und besitzt neben drei Kindern auch ein …
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Das Leid der Verstummten
1940-1945. Vicente Rosenberg emigrierte 1928 von Warschau nach Buenos Aires, wo er schon bald mit Rosita Szapire, der Liebe seines Lebens, eine Familie gründete. Schnell hat sich Vicente in seiner neuen Wahlheimat eingelebt und besitzt neben drei Kindern auch ein gutgehendes Möbelgeschäft. Alles wäre wunderbar, wären da nicht die alarmierenden Briefe seiner Mutter, die die sich zuspitzende Lage in Europa sowie ihr Leben und das seines Bruders im Warschauer Ghetto eindringlich beschreiben und in Vicente übermäßig große Gefühle von Ohnmacht, Schuld und Unvermögen hervorrufen, so dass er sich immer mehr von allem zurückzieht. Doch er hat die Rechnung ohne seine liebende Ehefrau Rosita gemacht, die ihn nicht aufgibt und für die Familie kämpft…
Santiago Amigorena hat mit „Kein Ort ist fern genug“ einen sehr berührenden Roman vorgelegt, in dem er dem Leser die Geschichte seines Großvaters nahe bringt. Mit eindringlichen, ruhigen und bildhaften Worten lässt der Autor Vicente wieder lebendig werden und gibt dem Leser mit einer Zeitreise die Möglichkeit, dessen Schicksal hautnah mitzuerleben. Dabei schildert er nicht nur Vicentes Mut und Tatkraft, sich in einem fremden Land eine neue Zukunft aufzubauen, sondern spiegelt dabei auch die damalige Zeit wunderbar wieder. Im fernen Argentinien war der zweite Weltkrieg für die Auswanderer weit entfernt, das Ausmaß der dort stattfindenden Tragödie kannten Auswanderer nur aus Briefen, die sie zeitverzögert erreichten.
Amigorena gelingt es hervorragend, die Gedanken- und Gefühlswelt seines Großvaters an die Oberfläche zu holen, dessen Zerrissenheit ob der Handlungsunfähigkeit, die ständig weiterwachsenden Schuldgefühle sowie die Frage nach der eigenen Identität, die vorher für Vicente kein Thema war. Obwohl Vicente nicht direkt dem Holocaust ausgesetzt war, fühlt er sich den fernab Leidenden so verbunden, während seine Schuldgefühle ihm zusätzlich zusetzen. Virtuos zeichnet Amigorena das Bild einer Generation, die das Leid der KZs und der Verfolgung zwar nicht selbst erleben mussten, doch in ihren Herzen und Seelen durch Ohnmacht gekennzeichnet wurden und sich selbst dafür bestraften. Besonders interessant ist die Sichtweise, aus der Amigorena erzählt. Sein Großvater kannte die Lage von 1940 bis 1945 nur aus den Briefen seiner Mutter und dennoch hat dies ausgereicht, dass Vicente sich von allem abkapselte, während sein Enkel all die Gräueltaten inzwischen durch belegte Fotos, Augenzeugenberichte etc. kennt und somit viel mehr Zugang zu den Emotionen seines Großvaters hat. Gerade dies macht den Roman so besonders, denn die intensive Recherche nebst der engen familiären Bindung lässt diese sehr berührende Schilderung zu, die Vicente nach Jahrzehnten doch noch zum Leser sprechen lässt.
Absolute Leseempfehlung für ein literarisches Highlight! Ergreifend und einfach wunderbar – Chapeau!
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1928 verlässt Vicente Rosenberg seine Heimat Warschau Richtung Südamerika. In Buenos Aires gründet er mit Rosita eine Familie und eröffnet ein Möbelgeschäft. Sie bekommen drei Kinder und alles entwickelt sich prächtig in der lebendigen Stadt. Doch dann werden die …
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1928 verlässt Vicente Rosenberg seine Heimat Warschau Richtung Südamerika. In Buenos Aires gründet er mit Rosita eine Familie und eröffnet ein Möbelgeschäft. Sie bekommen drei Kinder und alles entwickelt sich prächtig in der lebendigen Stadt. Doch dann werden die Briefe der Mutter zunehmend besorgniserregend. Juden hatten es schon lange nicht mehr leicht, aber nun scheint sich die Lage doch zu verschlimmern. Während die Nazis in Europa die Endlösung vorbereiten, sitzt Vicente machtlos 12.000 Kilometer entfernt. Nachrichten erreichen ihn nur spärlich und verzögert, bald schon kann und will er diese nicht mehr ertragen und zieht sich zurück in sein inneres Ghetto. Wie die Mauer, die Warschau umschließt, verschließt er sich vor der Welt und seiner Familie. Fragen nach der Identität – was ist er: Pole, Argentinier, Jude? – und Schuld – hätte er mehr tun müssen, um seine Mutter zur Auswanderung zu bewegen, bevor es zu spät war? – plagen ihn bis er nur noch einen einzigen Ausweg für sich sieht.
Santiago Amigorena schildert die Geschichte seines Großvaters, seiner Familie, die Vertreibung auf beide Seiten des Atlantiks erlebt hat. Viele Sprachen fließen in seinen Adern, Vicente wächst mit dem Jiddischen auf, lernt dann Polnisch für die Schule, ist begeistert von der deutschen Sprache und Kultur und eigentlich sich dann das argentinische Spanisch an, sein Enkel muss später im französischen Exil erneut eine andere Sprache erlernen. Doch alle Sprachen der Welt können nicht das Entsetzen zum Ausdruck bringen, dass mit der Shoa verbunden ist und das am Beispiel Vicentes greifbar wird.
Es sind nur wenige Jahre, die Amigorena schildert, von Ende 1940 bis zum Waffenstillstand 1945, diese jedoch sind entscheidend für Vicente Rosenberg und machen aus dem lebendigen und energischen jungen Vater einen gebrochenen Mann. Der kurze Roman ist dicht und voller essentieller Fragen, die nachdenklich stimmen.
„Wie alle Juden hatte Vicente geglaubt, vieles zu sein, bis die Nazis ihm zeigten, dass ihn tatsächlich nur eines charakterisierte: sein Jüdischsein.“
Weder war er besonders religiös, noch war das Jiddische seine Alltagssprache, in verschiedenen Ländern und Sprachen zu Hause wurde plötzlich etwas zum Distinktionsmerkmal, das Hitler und seine Gefolgsleute brauchten, um sich selbst zu rechtfertigen. Die Definition des Ichs obliegt jetzt nicht mehr dem Individuum, sondern ihm wird zugeschrieben, was er/sie ist und trotz der Entfernung merkt auch Vicente, dass er sich zunehmend als Jude identifiziert und Mitglied der Leidensgemeinschaft wird, ohne jedoch unmittelbar selbst Leid zu erfahren.
Genau dieses treibt ihn in den emotionalen Ausnahmezustand. Er fühlt eine Schuld, fühlt sich als Verräter, denn er ist weit entfernt von der Gräuel, muss nicht erleben, was seine Familie und Freunde durchmachen müssen. Dabei verfügt er nur über wenig Belastbares, was das Ausmaß der Schandtaten angeht. Wie alle anderen ahnt er, dass unbegreifliche Dinge geschehen, aber erst nach der Befreiung wird die Welt begreifen und einen Begriff dafür finden, was die Nazis in Europa angerichtet haben. Doch das wenige Wissen reicht schon, um Vicente zur inneren Migration zu veranlassen und das Reden einzustellen. Nicht dass er nicht wollte, er kann nicht mehr. Das, was er durchlebt, ist sinnbildlich für das, was sich in den Lagern abspielte, und was nicht in Worte zu fassen ist.
Amigorenas Roman war nach Erscheinen 2019 für alle großen französischen Literaturpreise nominiert, was einem nach der Lektüre nicht verwundert. Die Geschichte ist intensiv, jedes Wort passt hier und lässt den Ausnahmezustand des Protagonisten greifbar werden. Der Aufbau in der Parallelität zwischen den inneren und äußeren Vorgängen ist schlicht genial. „Kein Ort ist fern genug“ ist eines dieser ganz wenigen Bücher, die man liest und denkt: so geht große Literatur.
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„Mit am schlimmsten am Antisemitismus ist die Tatsache, dass die Juden sich zwangsläufig als Juden zu fühlen haben, dass man sie auf eine Identität jenseits ihres Willens festlegt und kurzerhand für sie beschließt, wer sie wirklich sind.“ (Zitat Pos. …
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„Mit am schlimmsten am Antisemitismus ist die Tatsache, dass die Juden sich zwangsläufig als Juden zu fühlen haben, dass man sie auf eine Identität jenseits ihres Willens festlegt und kurzerhand für sie beschließt, wer sie wirklich sind.“ (Zitat Pos. 572)
Inhalt
1928 verlässt der junge Pole Vicente Rosenberg Europa und wandert nach Argentinien aus. Fünf Jahre später begegnet er Rosita Szapire, die er heiratet. 1940 haben die beiden drei Kinder und Vicente hat gerade sein Möbelhaus eröffnet. Als er im Oktober 1941 einen Brief von seiner Mutter erhält, in dem sie ihm das Leben im Warschauer Ghetto schildert, fühlt er sich schuldig, weil er sie und seinen Bruder nicht schon längst zu sich nach Argentinien geholt hat. Um die Stimme des eigenen Gewissens nicht mehr hören zu müssen, spricht auch er nicht mehr, er zieht sich völlig in sein Schweigen zurück.
Thema und Genre
Das Hauptthema dieses biografischen Romans ist eine andere Perspektive des Völkermordes an den Juden im WKII, es geht um die Schuldgefühle jener, die überlebt haben, ihre Fassungslosigkeit, Scham und Ohnmacht, nichts tun zu können. Weitere Themen sind die Frage nach den eigenen Wurzeln und Identität, und die Familie.
Charaktere
Vicente Rosenberg war der Großvater des Autors, der sich als Pole, später als Argentinier, aber nie als Jude fühlte. Die Ungewissheit über das Schicksal seiner Mutter und seines Bruders stürzen ihn in tiefe Schuldgefühle, gefolgt von Depressionen und Spielsucht. Er hüllt sich buchstäblich in ein umfassendes Schweigen.
Handlung und Schreibstil
Im Mittelpunkt der Handlung stehen die Jahre 1940 bis 1945, ergänzt durch Rückblenden und sachliche Berichte über geschichtliche Tatsachen. Die bewegende Geschichte beginnt voll Hoffnung, Vicente ist dabei, sich ein erfolgreiches Leben aufzubauen, ist ein romantischer Ehemann und liebevoller Vater. Dies alles ändert sich schlagartig, als die ersten kurzen Meldungen über die Situation der Juden in Europa nach Argentinien gelangen. Nun stehen Vicente und seine Befindlichkeiten und Schuldgefühle im Mittelpunkt der weiteren Geschichte und die bisherige Intensität der Handlung und die eindrückliche Sprache verlieren etwas von der ursprünglichen Aussagekraft.
Fazit
Eine ergreifende Geschichte, beklemmend in ihrer Hoffnungslosigkeit. Irgendwann jedoch mündest sie in eine ständige Wiederholung der Metaphern und Schilderungen der Befindlichkeit des Hauptprotagonisten, als ob auch dem Autor weitere Worte fehlten. Ich vermute, dass dies Absicht ist, mich konnte es jedoch nicht vollkommen überzeugen.
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Zum Inhalt:
Vicente flieht aus Warschau nach Buenos Aires und entkommt so dem Holocaust. Er verliebt sich dort und baut sich ein schönes Leben auf. Mit jedem Brief seiner Mutter aus dem Warschauer Ghetto verändert sich seine Sicht bis er schließlich verstummt.
Meine …
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Zum Inhalt:
Vicente flieht aus Warschau nach Buenos Aires und entkommt so dem Holocaust. Er verliebt sich dort und baut sich ein schönes Leben auf. Mit jedem Brief seiner Mutter aus dem Warschauer Ghetto verändert sich seine Sicht bis er schließlich verstummt.
Meine Meinung:
Mir war bis zum Ende des Buches gar nicht bewusst, dass der Autor die Geschichte seines Großvaters erzählt und das machte die Geschichte am Ende des Buches nochmal berührender als es sowieso schon war. Es zeigt in leisen Tönen wie uns das Leben, hier im speziellen die gefühlte Schuld, verändern kann. Man spürt das Leiden des Protagonisten und auch durch den einfühlsamen Schreibstil des des Autoren. Der Schreibstil hat mir ausgesprochen gut gefallen. Und ich finde es toll, dass der Autor so seinem Großvater im Nachhinein wieder ein Stimme verliehen hat.. Große Kunst und voller Respekt hat dieses Buch 5 Sterne verdient.
Fazit:
Extrem berührend
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eBook, ePUB
1928 macht sich der junge Vincente Rosenberg auf nach Südamerika. Er verspricht seiner Mutter noch, wöchentlich zu schreiben. In Buenos Aires trifft er Rosita, heiratet und gründet ein Möbelgeschäft. Rosita und er bekommen drei Kinder. Alles läuft gut. Während …
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1928 macht sich der junge Vincente Rosenberg auf nach Südamerika. Er verspricht seiner Mutter noch, wöchentlich zu schreiben. In Buenos Aires trifft er Rosita, heiratet und gründet ein Möbelgeschäft. Rosita und er bekommen drei Kinder. Alles läuft gut. Während seine Mutter ihm regelmäßig schreibt, werden seine Briefe immer seltener. Die Nachrichten seiner Mutter aus Warschau werden immer besorgniserregender. Doch was kann Vincente aus der Entfernung tun? Er macht sich Vorwürfe. Hätte er seine Mutter auch gegen ihren Willen früher aus Warschau herausholen sollen? Irgendwann ist es soweit, dass Vincente die Nachrichten nicht mehr ertragen kann. Er zieht sich in sich selbst zurück, ignoriert Frau und Kinder und schafft sich sein höchsteigenes Ghetto.
Es ist ein sehr eindringlicher und erschütternder Roman, der mich wirklich berührt hat. Der Autor schildert in diesem Roman sehr einfühlsam die Geschichte seines Großvaters und seiner Familie.
Vincente fühlt sich nicht wirklich als Jude, er ist nicht religiös. Doch das, was in Deutschland geschieht, macht ihm bewusst, dass er immer als Jude betrachtet wird und sich so zu fühlen hat. Die Artikel in den Zeitungen sind nicht wirklich aussagefähig, trotzdem fühlt er sich zunehmend schuldiger, was vor allem an den Briefen der Mutter liegt, die nicht wirklich schreibt, was sie aushalten müssen und die dennoch das Schreckliche deutlich machen.
Mir hat seine Familie leidgetan. Rosita versucht alles, zu ihm durchzudringen. Auch mit ihr kann Vincente seine Not und seine Schuld nicht teilen. Wie sollen die Kinder dann begreifen?
Es ist wirklich ein berührender Roman, der einen nicht loslässt. Meine absolute Leseempfehlung!
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