Jean-Paul Dubois
Gebundenes Buch
Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise
Roman - Prix Goncourt 2019. Ausgezeichnet mit Prix Goncourt 2019
Übersetzung: Mälzer, Nathalie; Rüenauver, Uta
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Warum sitzt ein unauffälliger Mensch wie Paul Hansen im baufälligen Gefängnis von Montréal? Der in Frankreich aufgewachsene Sohn eines dänischen Pastors und einer Kinobesitzerin hatte schon einiges hinter sich, bevor er seine Berufung als Hausmeister in einer exklusiven Wohnanlage in Kanada fand. Ein Vierteljahrhundert lang lief alles rund - die Heizungsanlage ebenso wie die Kommunikation, bis Paul eines Tages die Sicherung durchbrennt. Nun erträgt er mit stoischer Ruhe seinen Zellengenossen Patrick, einen Hells-Angels-Biker, der sich jedoch von einer Maus ins Bockshorn jagen lässt. Pau...
Warum sitzt ein unauffälliger Mensch wie Paul Hansen im baufälligen Gefängnis von Montréal? Der in Frankreich aufgewachsene Sohn eines dänischen Pastors und einer Kinobesitzerin hatte schon einiges hinter sich, bevor er seine Berufung als Hausmeister in einer exklusiven Wohnanlage in Kanada fand. Ein Vierteljahrhundert lang lief alles rund - die Heizungsanlage ebenso wie die Kommunikation, bis Paul eines Tages die Sicherung durchbrennt. Nun erträgt er mit stoischer Ruhe seinen Zellengenossen Patrick, einen Hells-Angels-Biker, der sich jedoch von einer Maus ins Bockshorn jagen lässt. Paul hat viel Zeit zum Nachdenken - Zeit für tragikomische Lebenslektionen und unerwartetes Glück.
Jean-Paul Dubois, geboren 1950 in Toulouse, studierte Soziologie und arbeitete zunächst als Sportreporter für verschiedene Tageszeitungen. Später berichtete er für den 'Nouvel Observateur' aus den USA. Er hat über 20 Romane veröffentlicht und wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem renommierten Prix Femina und dem Prix Goncourt, den wichtigsten französischen Literaturpreisen. Er zählt zu den wichtigsten französischen Autoren der Gegenwart.
Nathalie Mälzer, geboren 1970, ist Literaturübersetzerin und Professorin für Transmediale Übersetzung an der Universität Hildesheim. Sie hat über 40 Romane, Sachbücher, Theaterstücke und Hörspiele aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt, darunter Marcel Aymé, Maurice Blanchot, Céline Minard und Cécile Wajsbrot.
Nathalie Mälzer, geboren 1970, ist Literaturübersetzerin und Professorin für Transmediale Übersetzung an der Universität Hildesheim. Sie hat über 40 Romane, Sachbücher, Theaterstücke und Hörspiele aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt, darunter Marcel Aymé, Maurice Blanchot, Céline Minard und Cécile Wajsbrot.
Produktdetails
- Verlag: DTV
- 4. Aufl.
- Seitenzahl: 256
- Erscheinungstermin: 21. Juli 2020
- Deutsch
- Abmessung: 216mm x 142mm x 20mm
- Gewicht: 393g
- ISBN-13: 9783423282406
- ISBN-10: 3423282401
- Artikelnr.: 59151101
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Katharina Teutsch staunt und versteht schließlich, weshalb dieser Roman des ehemaligen Nordamerika-Korrespondenten des "Nouvel Observateur" den Prix Goncourt gewonnen hat. "Auf fast aufreizend leisen Sohlen" nämlich schleicht sich Jean-Paul Dubois heran, meint die Kritikerin, die erst nach und nach versteht, weshalb dieser eigensinnige, auf Pointen und Wertungen verzichtende Roman sie derart in den Bann zieht. Die Geschichte um den Franzosen Paul Hansen, der mit dem sensiblen Hells Angel Patrick im Knast in Montreal sitzt, entfaltet ihre ganze "Würze" erst im Leser selbst, versichert Teutsch. Erst spät erfährt sie von Pauls Verbrechen, vielmehr bewundert sie, wie Dubois das Verhältnis der beiden Gefängniskumpane beschreibt. Vor allem aber verliebt sie sich in Dubois' "bescheidenen" Helden: Ein "moderner Hiob", schließt sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Hiob kommt auch bis Kanada
Als der geduldige Hausmeister es mit dem Haustyrannen aufnimmt: Der Roman "Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise" von Jean-Paul Dubois
Selten war der Titel eines Buchs so sehr Programm für das, was sich weltanschaulich in ihm zeigen würde. "Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise" hat im vergangenen Jahr den renommierten Prix Goncourt erhalten. Mit mehr als zwanzig Büchern, von denen bislang fünf ins Deutsche übertragen wurden, gehört der ehemalige Nordamerika-Korrespondent des "Nouvel Observateur" zum literarischen Paris der Gegenwart. Er selbst lebt in seinem Elternhaus in Toulouse, wo er auch seinen Helden Paul aufwachsen lässt: als Sohn einer Programmkinobesitzerin,
Als der geduldige Hausmeister es mit dem Haustyrannen aufnimmt: Der Roman "Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise" von Jean-Paul Dubois
Selten war der Titel eines Buchs so sehr Programm für das, was sich weltanschaulich in ihm zeigen würde. "Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise" hat im vergangenen Jahr den renommierten Prix Goncourt erhalten. Mit mehr als zwanzig Büchern, von denen bislang fünf ins Deutsche übertragen wurden, gehört der ehemalige Nordamerika-Korrespondent des "Nouvel Observateur" zum literarischen Paris der Gegenwart. Er selbst lebt in seinem Elternhaus in Toulouse, wo er auch seinen Helden Paul aufwachsen lässt: als Sohn einer Programmkinobesitzerin,
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die sich später das Leben nehmen wird, und eines von Glaubenskrisen gebeutelten dänischen Pastors, der später nach Kanada auswandern wird. Zuvor hatte seine Frau in ihrem Kino "Deep Throat" gezeigt. Ein irreparabler Schaden für die Ehe der Hansens.
Von diesen beiden Menschen erfahren wir in der ersten Romanhälfte mehr als über den Ich-Erzähler. Es ist, als würden die Ankerpunkte seiner Existenz beschrieben, ohne die kein Verständnis von der Person gelingen kann. In welcher Weise einer die Welt "bewohnt", erscheint hier als logische Konsequenz von Herkunft und Ereignis.
Das Buch selbst beginnt auf der anderen Seite des Globus, in Montreal. Es ist Winter dort. "Seit einer Woche schneit es", lautet der erste Satz. Zwei Jahre ohne Bewährung ist das Strafmaß, das für Paul Hansen festgelegt wurde, weil er keinerlei Reue gezeigt haben soll. Wir befinden uns in einer Gefängniszelle. Die Knastheizkörper kommen kaum über die vierzehn Grad. Das Essen schmeckt abscheulich. Das Klo befindet sich mitten in der Zelle. Die teilt sich Paul mit einem Hells Angel namens Patrick, der sich in einem Bandenkrieg blutige Finger geholt haben soll, sich aber im Verlauf der Lektüre als grüblerisches Sensibelchen entpuppt.
Schon bei der Schilderung dieser ungewöhnlichen Wohngemeinschaft wird deutlich, worin das Wunder dieses Buchs besteht: Hat man zunächst das Gefühl, hier hätte jemand ohne Salz und Pfeffer beschrieben, begreift man schnell, dass die Würze im Leser selbst entsteht. Erstaunlicherweise wächst jede Figur in diesem Roman, der nicht wertet und keine Pointen setzt, mit jeder Zeile, die sich ihrer Funktionalisierung verweigert. So wird Patrick unter dem Blick seines Zellengenossen nicht zum Menschen mit einem Gewaltproblem, sondern zu einem mit einer Geschichte: einem Sohn, der nach der Liebe seiner Mutter sucht, einem Jungen, der über seine Harley redet, als wäre sie ihm Freund und Frau zugleich, einem Mann mit einer Haarschneidephobie, der die delikate Friseuraufgabe seinem Zellengenossen überlässt. "Ich lasse Patricks Haare durch meine Finger gleiten. Mit äußerster Behutsamkeit dünne ich Strähne für Strähne diesen Fellhaufen aus."
Patricks Verbrechen liefert diesem Roman keinen Erzählanlass, obwohl das naheliegen würde. Auch über Pauls Vergehen erfährt man lange nichts. Nur, dass Patrick ihn dafür bewundert: "Das hast du richtig gemacht. Gar keine Frage. Ich hätte ihn gekillt." Paul, so enthüllt der Roman auf seinen nur 250 Seiten, war mehr als zwanzig Jahre lang Hausmeister in einer großen Wohnanlage mit Swimmingpool und Gemeinschaftsgarten. Dieses "Excelsior" ist eine Wohnstadt, und Hansen war ihr Statthalter. In Rückblicken erfahren wir nun vom Leben und Wirken eines guten Geistes, der zunächst als Techniker ins Haus gekommen. Bald kennt er den Maschinenraum des Wohnschiffs so gut wie den eigenen Körper. Und neben dem Maschinenraum gilt es, die Blutbahn des Gebäudes kalkfrei zu halten. Mit den Dienstjahren altern auch die Bewohner, und so wird Paul Hansen bald zu einem Faktotum. Er kümmert sich um die Demenzkranken, die durch die Flure irren. Er redet mit den Einsamen. Er reanimiert die Sterbenden. Er macht all das, ohne sich selbst darin zu gefallen - eher reflexhaft als reflektiert. "Es gibt nichts Gutes: Außer man tut es", hat Erich Kästner einmal gedichtet. Dieses Buch über einen Menschen, dem das Gute das Natürliche ist, hat es nicht nötig zu moralisieren. Es ist moralisch.
Paul Hansen, so erfährt der Leser seines Berichts, hat eine Ehefrau, die von den Algonkin abstammt. Mit ihr teilt er eine tiefe Verbundenheit mit der Natur. Eine entschlossene Person, die ihren Lebensunterhalt als Pilotin eines Wasserflugzeugs verdient, mit dem sie Menschen in entlegene Seenlandschaften befördert. Die beiden retten einer Hündin das Leben und führen fortan ein zufriedenes Leben in der Hausmeisterwohnung des Excelsior. Und dann, um den Jahrtausendwechsel herum, beginnt der Abstieg. Das Haus bekommt im Zuge einer Kältewelle erste Risse. Die Sitten werden mit dem neuen Chef der Eigentümerversammlung roher. Unter Schmerzen liest man das Protokoll einer systematischen Vernichtung. Der Hausmeister soll weg; er kostet zu viel und kümmert sich um Sachen, für die er nicht bezahlt wird. Auf einer gespenstischen einmütigen Eigentümerversammlung wird Hansen öffentlich gedemütigt. Trotz seiner Beliebtheit.
Als Hansens Frau Winona bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückt, verliert der eselsgeduldige Hausmeister den Boden unter den Füßen. Und auf jemand, der am Boden liegt, kann man gut herumtrampeln. Davon macht der neue Haustyrann ausgiebig Gebrauch. Bis es zum wölfischen Kampf zwischen den beiden Männern kommt. "Er setzte sich zur Wehr, wie es Tiere tun, die noch leben wollen, während die Menschen sie ersäufen, weil sie sie nicht mehr wollen. Ohne mir dessen bewusst zu sein, fuhrwerkte ich schon seit Jahren genauso verzweifelt in diesem krankmachenden Haus herum, das mir nach und nach alles genommen hatte."
Was ist das für ein Buch, dem es auf fast aufreizend leisen Sohlen gelungen ist, den wichtigsten Literaturpreis seines Landes zu gewinnen? Es erzählt von einem Menschen, der zufrieden ist und damit ganz anders als die hadernden Helden der Weltliteratur. Paul Hansen ist ein moderner Hiob, der auch nach vielen Prüfungen und einer geduldig abgesessenen Haftstrafe noch in der Lage ist zu sagen: "Dennoch bereue ich nichts von diesem Leben, das nicht viel hermachte, mir aber genügte."
Es ist ungeheuer tröstlich, einen bescheidenen Helden im Zentrum einer Erzählung aus dem 21. Jahrhundert zu wissen. Er kann die Brutalisierung der Konventionen zwar nicht aufhalten. Aber er kann ihr einen Humanismus entgegenhalten, der beständiger ist. Das Erbe des dänischen Pastorenvaters spielt ganz am Ende des Romans noch einmal eine unerwartet schöne Rolle.
KATHARINA TEUTSCH
Jean-Paul Dubois: "Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise". Roman.
Aus dem Französischen von Nathalie Mälzer und Uta Rüenauver. Dtv, München 2020. 256 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Von diesen beiden Menschen erfahren wir in der ersten Romanhälfte mehr als über den Ich-Erzähler. Es ist, als würden die Ankerpunkte seiner Existenz beschrieben, ohne die kein Verständnis von der Person gelingen kann. In welcher Weise einer die Welt "bewohnt", erscheint hier als logische Konsequenz von Herkunft und Ereignis.
Das Buch selbst beginnt auf der anderen Seite des Globus, in Montreal. Es ist Winter dort. "Seit einer Woche schneit es", lautet der erste Satz. Zwei Jahre ohne Bewährung ist das Strafmaß, das für Paul Hansen festgelegt wurde, weil er keinerlei Reue gezeigt haben soll. Wir befinden uns in einer Gefängniszelle. Die Knastheizkörper kommen kaum über die vierzehn Grad. Das Essen schmeckt abscheulich. Das Klo befindet sich mitten in der Zelle. Die teilt sich Paul mit einem Hells Angel namens Patrick, der sich in einem Bandenkrieg blutige Finger geholt haben soll, sich aber im Verlauf der Lektüre als grüblerisches Sensibelchen entpuppt.
Schon bei der Schilderung dieser ungewöhnlichen Wohngemeinschaft wird deutlich, worin das Wunder dieses Buchs besteht: Hat man zunächst das Gefühl, hier hätte jemand ohne Salz und Pfeffer beschrieben, begreift man schnell, dass die Würze im Leser selbst entsteht. Erstaunlicherweise wächst jede Figur in diesem Roman, der nicht wertet und keine Pointen setzt, mit jeder Zeile, die sich ihrer Funktionalisierung verweigert. So wird Patrick unter dem Blick seines Zellengenossen nicht zum Menschen mit einem Gewaltproblem, sondern zu einem mit einer Geschichte: einem Sohn, der nach der Liebe seiner Mutter sucht, einem Jungen, der über seine Harley redet, als wäre sie ihm Freund und Frau zugleich, einem Mann mit einer Haarschneidephobie, der die delikate Friseuraufgabe seinem Zellengenossen überlässt. "Ich lasse Patricks Haare durch meine Finger gleiten. Mit äußerster Behutsamkeit dünne ich Strähne für Strähne diesen Fellhaufen aus."
Patricks Verbrechen liefert diesem Roman keinen Erzählanlass, obwohl das naheliegen würde. Auch über Pauls Vergehen erfährt man lange nichts. Nur, dass Patrick ihn dafür bewundert: "Das hast du richtig gemacht. Gar keine Frage. Ich hätte ihn gekillt." Paul, so enthüllt der Roman auf seinen nur 250 Seiten, war mehr als zwanzig Jahre lang Hausmeister in einer großen Wohnanlage mit Swimmingpool und Gemeinschaftsgarten. Dieses "Excelsior" ist eine Wohnstadt, und Hansen war ihr Statthalter. In Rückblicken erfahren wir nun vom Leben und Wirken eines guten Geistes, der zunächst als Techniker ins Haus gekommen. Bald kennt er den Maschinenraum des Wohnschiffs so gut wie den eigenen Körper. Und neben dem Maschinenraum gilt es, die Blutbahn des Gebäudes kalkfrei zu halten. Mit den Dienstjahren altern auch die Bewohner, und so wird Paul Hansen bald zu einem Faktotum. Er kümmert sich um die Demenzkranken, die durch die Flure irren. Er redet mit den Einsamen. Er reanimiert die Sterbenden. Er macht all das, ohne sich selbst darin zu gefallen - eher reflexhaft als reflektiert. "Es gibt nichts Gutes: Außer man tut es", hat Erich Kästner einmal gedichtet. Dieses Buch über einen Menschen, dem das Gute das Natürliche ist, hat es nicht nötig zu moralisieren. Es ist moralisch.
Paul Hansen, so erfährt der Leser seines Berichts, hat eine Ehefrau, die von den Algonkin abstammt. Mit ihr teilt er eine tiefe Verbundenheit mit der Natur. Eine entschlossene Person, die ihren Lebensunterhalt als Pilotin eines Wasserflugzeugs verdient, mit dem sie Menschen in entlegene Seenlandschaften befördert. Die beiden retten einer Hündin das Leben und führen fortan ein zufriedenes Leben in der Hausmeisterwohnung des Excelsior. Und dann, um den Jahrtausendwechsel herum, beginnt der Abstieg. Das Haus bekommt im Zuge einer Kältewelle erste Risse. Die Sitten werden mit dem neuen Chef der Eigentümerversammlung roher. Unter Schmerzen liest man das Protokoll einer systematischen Vernichtung. Der Hausmeister soll weg; er kostet zu viel und kümmert sich um Sachen, für die er nicht bezahlt wird. Auf einer gespenstischen einmütigen Eigentümerversammlung wird Hansen öffentlich gedemütigt. Trotz seiner Beliebtheit.
Als Hansens Frau Winona bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückt, verliert der eselsgeduldige Hausmeister den Boden unter den Füßen. Und auf jemand, der am Boden liegt, kann man gut herumtrampeln. Davon macht der neue Haustyrann ausgiebig Gebrauch. Bis es zum wölfischen Kampf zwischen den beiden Männern kommt. "Er setzte sich zur Wehr, wie es Tiere tun, die noch leben wollen, während die Menschen sie ersäufen, weil sie sie nicht mehr wollen. Ohne mir dessen bewusst zu sein, fuhrwerkte ich schon seit Jahren genauso verzweifelt in diesem krankmachenden Haus herum, das mir nach und nach alles genommen hatte."
Was ist das für ein Buch, dem es auf fast aufreizend leisen Sohlen gelungen ist, den wichtigsten Literaturpreis seines Landes zu gewinnen? Es erzählt von einem Menschen, der zufrieden ist und damit ganz anders als die hadernden Helden der Weltliteratur. Paul Hansen ist ein moderner Hiob, der auch nach vielen Prüfungen und einer geduldig abgesessenen Haftstrafe noch in der Lage ist zu sagen: "Dennoch bereue ich nichts von diesem Leben, das nicht viel hermachte, mir aber genügte."
Es ist ungeheuer tröstlich, einen bescheidenen Helden im Zentrum einer Erzählung aus dem 21. Jahrhundert zu wissen. Er kann die Brutalisierung der Konventionen zwar nicht aufhalten. Aber er kann ihr einen Humanismus entgegenhalten, der beständiger ist. Das Erbe des dänischen Pastorenvaters spielt ganz am Ende des Romans noch einmal eine unerwartet schöne Rolle.
KATHARINA TEUTSCH
Jean-Paul Dubois: "Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise". Roman.
Aus dem Französischen von Nathalie Mälzer und Uta Rüenauver. Dtv, München 2020. 256 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Alles schillert und oszilliert in diesem prachtvollen Roman zwischen Komik und Melancholie. Berliner Zeitung 20201217
»Vielleicht sein bestes Buch, herzzerreißend und tröstlich zugleich.« France Inter
"Das Excelsior war wie Zahnpasta, schnell dabei, aus der Tube zu quellen, doch wenig bestrebt, wieder in sie zurückzukehren." (Buchauszug)
Paul Hansen sitzt im Gefängnis in Montreal in einem baufälligen, heruntergekommenen Condo, das sie zu zweit belegen. Sein Mitinsasse …
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"Das Excelsior war wie Zahnpasta, schnell dabei, aus der Tube zu quellen, doch wenig bestrebt, wieder in sie zurückzukehren." (Buchauszug)
Paul Hansen sitzt im Gefängnis in Montreal in einem baufälligen, heruntergekommenen Condo, das sie zu zweit belegen. Sein Mitinsasse Hells Angel Biker Patrick, ein Hüne von Mann hat genauso seine Eigenheiten wie Paul selbst. So bekommt er zum Beispiel von einer Maus regelrecht Panik. Wir gehen zurück in Pauls Vergangenheit nach Frankreich, wo er als Sohn eines dänischen Pastors und einer französischen Mutter und Kinobesitzerin zur Welt kam. Doch nach der Scheidung ihrer Eltern zieht der Vater nach Kanada, wo später auch Paul sein neues Leben beginnt. Als Hausmeister im Excelsior fristet er sein Leben, zwischen Swimmingpool, Heizanlagen und alten Menschen. Lediglich seine Frau Winona und Hund Nouk geben seinen Leben einen Sinn.
Meine Meinung:
Das preisgekrönte Buch des Franzosen Jean-Paul Dubois, hat mich durch den Klappentext neugierig gemacht, den bisher kannte ich diesen Autor noch nicht. Besonders weil es ausgezeichnet wurde, wollte ich gerne mehr von Paul Hansens Vergangenheit wissen. Der Schreibstil ist einfach, allerdings nicht gerade so, dass man dieses Buch nebenher lesen kann. Den der Inhalt ist schon teilweise recht technisch, kompliziert und durchaus auch mal trocken. Ich war schon etwas enttäuscht, den ich hatte doch teilweise eine etwas andere Vergangenheit erwartet. Sei es die Lebensgeschichten der Eltern, die unterschiedlicher nicht sein kann, sie scheitert dann auch irgendwann an ihren recht verschiedenen Interessen. Leidtragender aus dem Ganzen ist natürlich wie immer der Sohn in dem Fall Paul. Zudem wirkt Dubois Humor in diesem Buch oft auf mich recht trocken und nicht immer kann ich mich darüber amüsieren. Besonders wenn viele Einlagen den Gastrointestinaltrakt betreffen, fand ich das schon ein wenig schräg. Doch mitunter bringt er auch recht humorvolle Einlagen, sei es die Haare schneiden bei Zellengenosse Patrick. Dieser hat deshalb eine regelrechte Phobie, bei der bis auf seine Mutter, seither jeder gescheitert ist. Überhaupt gefallen mir die Abschnitte, bei denen ich Paul im Gefängnis erlebe besonders gut. Dagegen sind viele Szenen aus der Vergangenheit regelrecht überladen mit technischen Details oder für mich einfach zu belanglos. Am ehesten gefiel mir noch die Zeit, wo er als Hausmeister und Mädchen für alles im Excelsior arbeitet. Dieses Gebäude, das für mich ein wenig wie ein exquisites Altenheim vorkommt, bestimmt immer mehr Pauls Leben. Den mit den Jahren ist er nicht nur Hausmeister, sondern übernimmt immer mehr zeitaufwendige Tätigkeiten für die älteren Insassen. Dieses Buch ist eine Geschichte, die man wirklich in Ruhe lesen sollte. Man darf sich dabei nicht ablenken lassen, sonst überliest man recht schnell die kleinen Details, die der Autor hier gerne mit einbaut. Es gibt wenig Höhepunkte, sondern Pauls Leben plätschert im Grunde so dahin, wie es begonnen hat. Wenn überhaupt, dann vielleicht erst am Schluss, als man erfährt, warum er in Haft ist. Für mich war es allerdings wenig überraschend, da ich gegen Ende zu mir schon fast denken konnte, warum er im Gefängnis war. Die Charaktere sind zwar alle recht gut durchdachte, doch für mich blieben sie teilweise zu oberflächlich. Trotz einiger Enttäuschungen und anderen Erwartungen, konnte mich dieses Buch dann doch noch etwas begeistern, deshalb von mir 3 1/2 von 5 Sterne.
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Den preisgekrönten französischen Schriftsteller Jean-Paul Dubois hatte ich vorher noch nie gelesen. Wirklich ein Versäumnis, denn sein Schreibstil gefällt mir außergewöhnlich gut. Er nennt John Updike und Philip als literarische Vorbilder und tatsächlich hat er …
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Den preisgekrönten französischen Schriftsteller Jean-Paul Dubois hatte ich vorher noch nie gelesen. Wirklich ein Versäumnis, denn sein Schreibstil gefällt mir außergewöhnlich gut. Er nennt John Updike und Philip als literarische Vorbilder und tatsächlich hat er eine vergleichbare Haltung und das drückt sich auch im Ton aus.
„Tous les hommes n'habitent pas le monde de la même façon“ ist der Originaltitel des neuen Buchs Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise.
Der Roman wird von der Erzählstimme des Protagonisten bestimmt. Sie erzeugt einen melancholischen Grundton. Verständlich, denn der Erzähler Paul Hansen sitzt in einer Haftanstalt in Montreal ein. Hier berichtet er vom eintönigen Gefängnisleben mit seinem Zellennachbar Patrick Horton, ein früherer Hells Angel und dann streifen seine Gedanken zu seinem früheren Leben. Dazu gehört auch seine Kindheitsgeschichte. er ist in Frankreich aufgewachsen. Sein Vater stammte aus Dänemark und war Pastor.
Es dauert praktisch den ganzen Roman bis man die Hintergründe erfährt, was Paul zu der Tat getrieben hat, die ihn für zwei Jahre ins Gefängnis brachten.
Es ist kein spektakulärer Roman. Manche Leser werden sich vielleicht langweilen, aber für mich war es ein interessantes und entspanntes Leseerlebnis.
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Pageturner par excellence
Überraschend, aber nicht unverdient hat Jean-Paul Dubois für seinen kürzlich auch auf Deutsch erschienenen Roman «Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise» 2019 den Prix Goncourt erhalten. Es ist die bisher höchste Auszeichnung …
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Pageturner par excellence
Überraschend, aber nicht unverdient hat Jean-Paul Dubois für seinen kürzlich auch auf Deutsch erschienenen Roman «Jeder von uns bewohnt die Welt auf seine Weise» 2019 den Prix Goncourt erhalten. Es ist die bisher höchste Auszeichnung für ein Werk aus seinem umfangreichen Œuvre, von dem bisher nur sehr wenig auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Wie bei vielen anderen seiner Bücher herrscht auch in dieser Geschichte ein melancholischer Grundton vor. Ein vom Schicksal gebeutelter Pfarrerssohn, der im Gefängnis sitzt, berichtet als Ich-Erzähler davon, warum er straffällig geworden ist und zu Recht dort hingekommen sei. Dabei zieht der französische Autor gekonnt alle Register für eine ebenso unterhaltsame wie - bis zum versöhnlichen Ende - spannende Erzählung, in der es auch manches zu schmunzeln gibt. Er erzeugt damit einen Lesesog, dem man sich kaum entziehen kann, ein Pageturner also ‹par excellence›.
Paul Hansen, der Sohn eines dänischen Pfarrers und einer attraktiven Französin, die in Toulouse ein Programmkino betreibt, erzählt aus seiner Kindheit und von der langsamen Entfremdung seiner Eltern. Die linksorientierte, aufmüpfige Mutter treibt es auf die Spitze, als sie 1975 den Skandalfilm «Deep Throat» zeigt, was ihren Mann vorhersehbar die Stelle kostet, er wird von seiner empörten Kirchengemeinde sofort entlassen. Das Paar trennt sich, er findet in Kanada schließlich eine neue Pfarrstelle. Sein damals zwanzigjähriger Sohn Paul folgt ihm ein Jahr später dorthin und schlägt sich zunächst als handwerklich begabter junger Mann mit allerlei Gelegenheitsjobs durch, ehe er in Montreal die Hausmeisterstelle einer gepflegten Wohnanlage mit 68 Wohnungen übernimmt. Mit großem Engagement kümmert er sich fortan nicht nur um das Gebäude, sondern auch um dessen Bewohner. Als Faktotum mit einer nie ermüdenden Hilfsbereitschaft ist er bei allen Bewohnern äußerst beliebt. Bis sich nach über zwanzig Jahren plötzlich alles ändert.
«Seit einer Woche schneit es», heißt es im ersten Satz. In der ersten Erzählebene des Romans wird aus der viel zu kalten Gefängniszelle berichtet, die sich der zu zwei Jahren Haft verurteilte Paul mit einem hünenhaften Biker von den Hells Angels teilen muss. Sein furchterregender Zellengenosse, dessen Missetat ungeklärt bleibt, erweist sich im weiteren Verlauf aber als Sensibelchen, das vor den Mäusen in der Zelle Angst hat. Im zweiten Handlungsstrang erzählt Paul von seinem Leben, von der weitverzweigten dänischen Familie seines Vaters in Skagen, die seit Generationen vom Fisch lebt, vom Vater selbst, der mit den Jahren den Glauben verliert und spielsüchtig wird, seinen Beruf aber weiterhin ausübt. Er erzählt von seiner Frau, die er als Pilotin eines Flugtaxi-Unternehmens kennen lernt und die ihm, als indianisches Halbblut, die Schönheiten der grandiosen kanadischen Natur nahe bringt. Oder von einem guten Freund, der als Angestellter einer Versicherung nach Schwachstellen in der Vita des Verunglückten suchen muss, damit die fällige Versicherungsprämie für den Wert von dessen Leben möglichst weit heruntergedrückt werden kann. Was er ganz gegen seine innere Überzeugung tun muss, weil er für einen Berufswechsel schon zu alt ist.
Im Auf und Ab der Schicksale seiner zahlreichen Figuren entwickelt der Autor ein elegisches Bild des Lebens und kommt dabei erfreulicherweise ohne Klischees aus. Obwohl es um existentielle Themen geht, ist der Erzählton auffallend locker. Als langjähriger Journalist ist Jean-Paul Dubois ein genauer Beobachter, der sich beim Schreiben, wie er im Interview erklärt hat, immer an realen Figuren orientiere, so auch beim Protagonisten dieser Geschichte. Wobei in dieser comédie humaine mit ihrem programmatischen Titel auch die moralische Keule geschwungen wird, Gut und Böse sich exemplarisch gegenüberstehen. Eine komplexe Thematik, die in diesem tragikomischen Roman auf eindrucksvolle Weise aufgegriffen wird , ganz ohne philosophische Tiefenbohrungen.
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Dieses Buch klang im Klappentext für mich wirklich interessant, hat mich beim Lesen aber enttäuscht.
Es handelt von einem Mann, der im Gefängnis sitzt und auf sein Leben zurück blickt. Er erzählt dem Leser quasi alles, was er bisher erlebt hat, bis er zu dieser …
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Dieses Buch klang im Klappentext für mich wirklich interessant, hat mich beim Lesen aber enttäuscht.
Es handelt von einem Mann, der im Gefängnis sitzt und auf sein Leben zurück blickt. Er erzählt dem Leser quasi alles, was er bisher erlebt hat, bis er zu dieser Gefängsnisstrafe verurteilt worden ist.
Mir war das ganze Buch einfach zu langweilig. Der Schreibstil war okay, aber nichts besonderes. Die ganze Geschichte konnte mich nicht fesseln. Als es aufs Ende zuging, war mir völlig egal, welche Tat den Protagonisten ins Gefängnis gebracht hat. Ich war nur froh, als ich das Buch endlich zu Ende gelesen hatte.
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eBook, ePUB
Zum Inhalt:
Paul ist eigentlich ein völlig unauffälliger Mann. Was führte dazu, dass er in Montreal im Knast sitzt? Er führte bis zum Tag X ein völlig normal Leben und dann genügte ein Auslöser und er drehte durch. Im Gefängnis sitzend lässt er uns an …
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Zum Inhalt:
Paul ist eigentlich ein völlig unauffälliger Mann. Was führte dazu, dass er in Montreal im Knast sitzt? Er führte bis zum Tag X ein völlig normal Leben und dann genügte ein Auslöser und er drehte durch. Im Gefängnis sitzend lässt er uns an seinem Leben teilhaben.
Meine Meinung:
Manchmal begegnen einem Bücher, in denen gar nicht so viel passiert, die einen aber dennoch ansprechen und fesseln. Das hier ist genau so ein Buch. Es ist eine eher ruhige und unaufgeregte Erzählung, die aber trotzdem irgendetwas mit einem macht. Der Schreibstil ist ungewöhnlich und springt auch oft zwischen dem jetzt und früher hin und her und das auch ohne große Hinweise darauf, lässt sich aber gut lesen. Mit hat es gefallen.
Fazit:
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