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Das Kieler Villenviertel Düsternbrook ist die ganze Welt.Hier wächst Axel behütet auf und fühlt sich doch oft fremd. Wie er versucht, sich zurechtzufinden und die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen, erzählt Axel Milberg mit Empathie, Humor und einem verträumten Ton. Als die populäre Theorie vom Wirken Außerirdischer die Stadt erreicht, scheint sie für Axel viele Merkwürdigkeiten zu erklären. Mit dem rätselhaften Verschwinden einiger Jungen wird die Heimat vollends unheimlich und der Wunsch auszubrechen übermächtig. Ein spannender Familien-, Adoleszenz- und Heimatroman, der...
Das Kieler Villenviertel Düsternbrook ist die ganze Welt.
Hier wächst Axel behütet auf und fühlt sich doch oft fremd. Wie er versucht, sich zurechtzufinden und die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen, erzählt Axel Milberg mit Empathie, Humor und einem verträumten Ton. Als die populäre Theorie vom Wirken Außerirdischer die Stadt erreicht, scheint sie für Axel viele Merkwürdigkeiten zu erklären. Mit dem rätselhaften Verschwinden einiger Jungen wird die Heimat vollends unheimlich und der Wunsch auszubrechen übermächtig. Ein spannender Familien-, Adoleszenz- und Heimatroman, der die bürgerliche Welt als schützend und bedroht, liebevoll und düster darstellt.
Hier wächst Axel behütet auf und fühlt sich doch oft fremd. Wie er versucht, sich zurechtzufinden und die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen, erzählt Axel Milberg mit Empathie, Humor und einem verträumten Ton. Als die populäre Theorie vom Wirken Außerirdischer die Stadt erreicht, scheint sie für Axel viele Merkwürdigkeiten zu erklären. Mit dem rätselhaften Verschwinden einiger Jungen wird die Heimat vollends unheimlich und der Wunsch auszubrechen übermächtig. Ein spannender Familien-, Adoleszenz- und Heimatroman, der die bürgerliche Welt als schützend und bedroht, liebevoll und düster darstellt.
Milberg, Axel§Axel Milberg, geboren in Kiel, wuchs dort in Düsternbrook auf. Nach dem Abitur an der Gelehrtenschule begann er ein Literaturstudium in Kiel, zog aber bald nach München, wo er von 1979 bis 1981 an der Otto Falckenberg Schule das Schauspielstudium absolvierte. Von Dieter Dorn wurde er direkt an die Münchner Kammerspiele engagiert und spielte die nächsten fünfzehn Jahre fast ausschließlich Theater. Mit den Kinofilmen »Nach Fünf im Urwald«, »Hannah Arendt« und »Rossini« und den Fernsehmehrteilern »Jahrestage« und »Es geschah am helllichten Tage« wurde er einem Millionenpublikum bekannt und ist als Klaus Borowski einer der beliebtesten Tatort-Kommissare. Mit seiner Frau Judith, einer Kunsthistorikerin und Malerin, und ihrem gemeinsamen Sohn lebt er in München. Aus früheren Beziehungen haben sie drei erwachsene Söhne.
Produktdetails
- Verlag: Piper
- 3. Aufl.
- Seitenzahl: 288
- Erscheinungstermin: 24. April 2019
- Deutsch
- Abmessung: 210mm x 148mm x 33mm
- Gewicht: 484g
- ISBN-13: 9783492059480
- ISBN-10: 3492059481
- Artikelnr.: 54398720
Herstellerkennzeichnung
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Der Junge mit dem Luftballon
Schmuddelkinder werden nicht geduldet, dafür gibt es Aliens und Schleckbrause in "Düsternbrook": Der Schauspieler Axel Milberg erinnert sich romanhaft an seine Kindheit in Kiel.
Axel Milberg spielt gern Figuren mit ein paar Macken oder schlimmeren Beschädigungen. Er war schon Killertunte mit hennaroten Haaren, Landarzt mit Blutphobie und natürlich Borowski, der eigenbrötlerische Kieler "Tatort"-Kommissar. Thomas Mann gehört eher nicht zu seinem Repertoire. "Düsternbrook" ist nicht der kleine Bruder der "Buddenbrooks", obwohl es auch hier um die Einsamkeit des heranwachsenden Künstlers in der bürgerlichen Krämerwelt geht. Milberg aber steht nicht am Ende einer langen Kette von
Schmuddelkinder werden nicht geduldet, dafür gibt es Aliens und Schleckbrause in "Düsternbrook": Der Schauspieler Axel Milberg erinnert sich romanhaft an seine Kindheit in Kiel.
Axel Milberg spielt gern Figuren mit ein paar Macken oder schlimmeren Beschädigungen. Er war schon Killertunte mit hennaroten Haaren, Landarzt mit Blutphobie und natürlich Borowski, der eigenbrötlerische Kieler "Tatort"-Kommissar. Thomas Mann gehört eher nicht zu seinem Repertoire. "Düsternbrook" ist nicht der kleine Bruder der "Buddenbrooks", obwohl es auch hier um die Einsamkeit des heranwachsenden Künstlers in der bürgerlichen Krämerwelt geht. Milberg aber steht nicht am Ende einer langen Kette von
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Familientragödien und unaufhaltsamer Dekadenz und schreibt auch nie so gravitätisch ironisch wie der Herr aus Lübeck. "Düsternbrook" klingt nach Gothic Novel und ist tatsächlich unheimlich als Lebensform. Aber es ist keine Metapher, kein Bildungsroman, sondern das Villenviertel in Kiel, in dem der Autor aufwuchs. Und Milberg will weder Repräsentant noch Gewissen der Nation sein, sondern, als Kind wie als Kommissar, immer nur der stille, hellwache Beobachter am Rande. Die Menge ist ein Wasserkopf, und "wir sind was Besseres", das sog er schon mit der Muttermilch ein. Milberg ist zu stolz, eigensinnig und aufsässig, um mit der Masse mitzulaufen, aber er beobachtet das Leben der anderen mit Neugier, gespannter Aufmerksamkeit und leisem Witz und stellt es auch so dar; nach Bühne und Film jetzt auch im Buch und notfalls in Talkshows.
Adorf, Bierbichler, Berkel, Liefers, Meyerhoff, Tukur, sogar Andrea Sawatzki und Miroslav Nemec: Heute schreiben ja fast alle Schauspieler und namentlich Fernsehkommissare von Rang Romane oder wenigstens sachdienliche Kindheitserinnerungen. Die narzisstische Selbstbespiegelung in Künstleranekdoten, Kantinenklatsch und Kalenderweisheiten überlassen die Theaterprofis ungehobelten Gangsterrappern, Influencern und Profifußballern. Der noble Mime flicht sich lieber Kränze aus kreativer Authentizität und gesteigerter Lebenswahrheit. Oder wie es Matthias Brandt in seiner "Raumpatrouille" ausdrückte: "Alles, was ich erzähle, ist erfunden. Einiges davon habe ich erlebt."
Auch bei seinem Kommissarkollegen Milberg gehen Dichtung und Wahrheit, Erfundenes und Erlebtes munter durcheinander. Was Schauspiel und Rollenprosa, Inszenierung oder echte Ausdrucksnot ist, bleibt offen; es spielt aber auch eigentlich keine Rolle. Milbergs Vater war nicht gerade Bundeskanzler, aber ein bekannter Scheidungsanwalt in Kiel; den Werbeslogan "Kannst du deine Frau nicht leiden, geh zu Milberg, lass dich scheiden" hat aber wohl doch sein Sohn erfunden. Die Mutter tunkte mittags einmal den Kopf eines Suppenkasperkindes resolut in Spinat; ob es der Bruder oder die Schwester war, weiß Axel heute nicht mehr so genau.
Im Hause Milberg gingen Grafen, Generaldirektoren und weltläufige Dandys aus und ein; die vornehme Welt der Herrensitze, Salons und Treibjagden war Axel von Kindesbeinen an geläufig. Der kleine Junge lauscht atemlos Don Fernandos Geschichten von Krieg und Liebe in Mexiko und roch gern das "Pengföng" seines schwulen Patenonkels Carl-Oscar Ritter von Georg. Aber als 1956 geborenes Nachkriegskind kannte er auch die Abgründe und Ängste des Kleinbürgers, "Schnippedillerich" und andere verschämte Wörter für den Piephahn und später als Rebell ohne Grund den Überdruss an bundesdeutschem Spießertum und speziell norddeutscher Gefühlsarmut. 1968 kam für ihn zu früh, aber 1977 heftete Milberg sich dann einen RAF-Button an den Parka. Er hatte eine glückliche, behütete Kindheit, aber für ihn stand früh fest, dass er in Düsternbrook nicht bleiben konnte.
Düsternbrook war ein Idyll, ein Hort von Wohlstand, Sicherheit und Geborgenheit: "Es gab niemanden, der diese Welt hätte ändern wollen. Warum auch? So zu leben, wie wir lebten, wollten das nicht die meisten Menschen auf der Erde?" Aber Axel war ein sensibles, zu Verschwörungstheorien neigendes Kind, und damals lauerte Düsternis unter allen Treppen und Teppichen, die Gespenster einer unbewältigten Vergangenheit, das Grauen des Kriegs. Auch bei Milbergs wurden Schmuddelkinder nicht geduldet, Not und Tod, Geheimnis und Verbrechen beschwiegen und verdrängt. Dabei trieb sich im Wald doch ein Serienmörder herum, und Axels Freund Kalle verschwand einmal spurlos und hing Tage später übel zerschlagen an der Teppichstange von Frau Knüppel. Axel wird in seinen Albträumen von einem sadistischen Zwerg verfolgt. Ein Vortrag von Erich von Däniken erhärtet seinen Verdacht: Die Aliens leben längst mitten unter uns.
Er fühlt sich selbst oft als Außerirdischer, auch nach seinem Umzug nach Süden noch. München leuchtete, aber die Universität erwies sich als Missverständnis: "Wer Literatur liebt, sollte nicht Literaturwissenschaft studieren." Bleibt nur noch das Theater: "Das machen, was man will. Sich nicht schämen, für nichts mehr schämen." Mit vierzehn schreibt Milberg sein erstes Theaterstück ("Der Wilde Westen wie er wirklich war"), mit sechzehn hat er im Schultheater seinen ersten großen Auftritt als Apotheker Laberdan in Heinar Kipphardts "Die Stühle des Herrn Szmil". Mit neunzehn ermuntert ihn der große Gert Fröbe, seinen Traum von der Schauspielerei wahr zu machen. Im Theater ist alles möglich, auch das Dehnen, Zurückspulen und Anhalten der Zeit. Milbergs Kindheitserinnerungen schließen daher mit der Aufnahmeprüfung in der Otto-Falckenberg-Schule.
Alles ist in Milbergs hellwacher Erinnerung wieder da: der erste neugierige Blick aus dem Kinderwagen, das Barockzimmer im ersten Stock, die Aalverkäufer und Matchboxautos, Bäcker Iwersens Pflaumenkuchen, Frau Möllers Schleckbrause, Tante Irmis Rinderrouladen und natürlich Lilli, die erste große Liebe. Milberg beschreibt Düsternbrook samt Förde, Düster-Wald, Karstadt, Sternwarte, Psychiatrie und Tennisplätzen so exakt wie auf seinen Kinderzeichnungen im Umschlag. Sich selbst lässt er dabei eher im Dunkeln; schließlich will er seine Kindheitserlebnisse nicht mit den Worten und Wertungen des Erwachsenen verfälschen. Er trifft den naiven, staunenden Kinderblick von damals oft sehr gut, etwa wenn Klein-Axel eine Frau "auf vielleicht fünfunddreißig, mindestens aber sechzig" schätzt oder die Öffnungszeiten im Elternhaus benennt: "Papa hatte seine acht Stunden im Büro und mittags eine Stunde geschlossen, Mama hatte nie geschlossen". Aber wenn der Jüngling dann im klapprigen Peugeot 404 nach Frankreich fährt, um mit einer adjanihaften Francesca, viel Rotwein und Gitanes ein sommerlich-flirrendes "Oh là là"-Liebesglück zu erleben, verrutscht er, wahr oder nicht, doch ins Eric-Rohmer-Klischee.
"Düsternbrook" ist ein stilistisch und formal heterogenes Zwischending zwischen Roman, Memoir und Familienalbum. Es enthält, mal in Ich-, mal in Er-Form, Kindergeschichten, Schulanekdoten, Porträts, Milbergs Abiturrede, Radiodialoge, Traumprotokolle und nahezu kafkaeske Erzählungen. Das ist eine Menge an Sprüngen, Brüchen und schwarzen Löchern, aber eine kontinuierlich-kompakte Autobiographie will das Buch ja auch gar nicht sein. Milberg schreibt so trocken, nüchtern, ernst- und rätselhaft, wie er spielt, immer ein wenig verschmitzt, aber frei von bräsiger Nostalgie, Ironie und später Besserwisserei. Er stellt sein Licht unter den Scheffel und sonnt sich lieber selig in einem Strahlenkranz von Momentaufnahmen und Erinnerungssplittern. Das ewige Kind aus Düsternbrook ist nie ganz im Hellen oder gar im Zentrum des Geschehens, aber immer voll da. Auf dem schwarz-weißen Cover steht es breitbeinig verlegen, misstrauisch und trotzig vor einer Klinkerwand, auf dem Kopf eine Schiebermütze, im Mund ein Daumen, in der Hand ein roter Luftballon, fast wie bei Banksy. Wenn das Bild nicht echt ist, ist es jedenfalls gut erfunden.
MARTIN HALTER
Axel Milberg: "Düsternbrook". Roman.
Piper Verlag, München 2019. 283 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Adorf, Bierbichler, Berkel, Liefers, Meyerhoff, Tukur, sogar Andrea Sawatzki und Miroslav Nemec: Heute schreiben ja fast alle Schauspieler und namentlich Fernsehkommissare von Rang Romane oder wenigstens sachdienliche Kindheitserinnerungen. Die narzisstische Selbstbespiegelung in Künstleranekdoten, Kantinenklatsch und Kalenderweisheiten überlassen die Theaterprofis ungehobelten Gangsterrappern, Influencern und Profifußballern. Der noble Mime flicht sich lieber Kränze aus kreativer Authentizität und gesteigerter Lebenswahrheit. Oder wie es Matthias Brandt in seiner "Raumpatrouille" ausdrückte: "Alles, was ich erzähle, ist erfunden. Einiges davon habe ich erlebt."
Auch bei seinem Kommissarkollegen Milberg gehen Dichtung und Wahrheit, Erfundenes und Erlebtes munter durcheinander. Was Schauspiel und Rollenprosa, Inszenierung oder echte Ausdrucksnot ist, bleibt offen; es spielt aber auch eigentlich keine Rolle. Milbergs Vater war nicht gerade Bundeskanzler, aber ein bekannter Scheidungsanwalt in Kiel; den Werbeslogan "Kannst du deine Frau nicht leiden, geh zu Milberg, lass dich scheiden" hat aber wohl doch sein Sohn erfunden. Die Mutter tunkte mittags einmal den Kopf eines Suppenkasperkindes resolut in Spinat; ob es der Bruder oder die Schwester war, weiß Axel heute nicht mehr so genau.
Im Hause Milberg gingen Grafen, Generaldirektoren und weltläufige Dandys aus und ein; die vornehme Welt der Herrensitze, Salons und Treibjagden war Axel von Kindesbeinen an geläufig. Der kleine Junge lauscht atemlos Don Fernandos Geschichten von Krieg und Liebe in Mexiko und roch gern das "Pengföng" seines schwulen Patenonkels Carl-Oscar Ritter von Georg. Aber als 1956 geborenes Nachkriegskind kannte er auch die Abgründe und Ängste des Kleinbürgers, "Schnippedillerich" und andere verschämte Wörter für den Piephahn und später als Rebell ohne Grund den Überdruss an bundesdeutschem Spießertum und speziell norddeutscher Gefühlsarmut. 1968 kam für ihn zu früh, aber 1977 heftete Milberg sich dann einen RAF-Button an den Parka. Er hatte eine glückliche, behütete Kindheit, aber für ihn stand früh fest, dass er in Düsternbrook nicht bleiben konnte.
Düsternbrook war ein Idyll, ein Hort von Wohlstand, Sicherheit und Geborgenheit: "Es gab niemanden, der diese Welt hätte ändern wollen. Warum auch? So zu leben, wie wir lebten, wollten das nicht die meisten Menschen auf der Erde?" Aber Axel war ein sensibles, zu Verschwörungstheorien neigendes Kind, und damals lauerte Düsternis unter allen Treppen und Teppichen, die Gespenster einer unbewältigten Vergangenheit, das Grauen des Kriegs. Auch bei Milbergs wurden Schmuddelkinder nicht geduldet, Not und Tod, Geheimnis und Verbrechen beschwiegen und verdrängt. Dabei trieb sich im Wald doch ein Serienmörder herum, und Axels Freund Kalle verschwand einmal spurlos und hing Tage später übel zerschlagen an der Teppichstange von Frau Knüppel. Axel wird in seinen Albträumen von einem sadistischen Zwerg verfolgt. Ein Vortrag von Erich von Däniken erhärtet seinen Verdacht: Die Aliens leben längst mitten unter uns.
Er fühlt sich selbst oft als Außerirdischer, auch nach seinem Umzug nach Süden noch. München leuchtete, aber die Universität erwies sich als Missverständnis: "Wer Literatur liebt, sollte nicht Literaturwissenschaft studieren." Bleibt nur noch das Theater: "Das machen, was man will. Sich nicht schämen, für nichts mehr schämen." Mit vierzehn schreibt Milberg sein erstes Theaterstück ("Der Wilde Westen wie er wirklich war"), mit sechzehn hat er im Schultheater seinen ersten großen Auftritt als Apotheker Laberdan in Heinar Kipphardts "Die Stühle des Herrn Szmil". Mit neunzehn ermuntert ihn der große Gert Fröbe, seinen Traum von der Schauspielerei wahr zu machen. Im Theater ist alles möglich, auch das Dehnen, Zurückspulen und Anhalten der Zeit. Milbergs Kindheitserinnerungen schließen daher mit der Aufnahmeprüfung in der Otto-Falckenberg-Schule.
Alles ist in Milbergs hellwacher Erinnerung wieder da: der erste neugierige Blick aus dem Kinderwagen, das Barockzimmer im ersten Stock, die Aalverkäufer und Matchboxautos, Bäcker Iwersens Pflaumenkuchen, Frau Möllers Schleckbrause, Tante Irmis Rinderrouladen und natürlich Lilli, die erste große Liebe. Milberg beschreibt Düsternbrook samt Förde, Düster-Wald, Karstadt, Sternwarte, Psychiatrie und Tennisplätzen so exakt wie auf seinen Kinderzeichnungen im Umschlag. Sich selbst lässt er dabei eher im Dunkeln; schließlich will er seine Kindheitserlebnisse nicht mit den Worten und Wertungen des Erwachsenen verfälschen. Er trifft den naiven, staunenden Kinderblick von damals oft sehr gut, etwa wenn Klein-Axel eine Frau "auf vielleicht fünfunddreißig, mindestens aber sechzig" schätzt oder die Öffnungszeiten im Elternhaus benennt: "Papa hatte seine acht Stunden im Büro und mittags eine Stunde geschlossen, Mama hatte nie geschlossen". Aber wenn der Jüngling dann im klapprigen Peugeot 404 nach Frankreich fährt, um mit einer adjanihaften Francesca, viel Rotwein und Gitanes ein sommerlich-flirrendes "Oh là là"-Liebesglück zu erleben, verrutscht er, wahr oder nicht, doch ins Eric-Rohmer-Klischee.
"Düsternbrook" ist ein stilistisch und formal heterogenes Zwischending zwischen Roman, Memoir und Familienalbum. Es enthält, mal in Ich-, mal in Er-Form, Kindergeschichten, Schulanekdoten, Porträts, Milbergs Abiturrede, Radiodialoge, Traumprotokolle und nahezu kafkaeske Erzählungen. Das ist eine Menge an Sprüngen, Brüchen und schwarzen Löchern, aber eine kontinuierlich-kompakte Autobiographie will das Buch ja auch gar nicht sein. Milberg schreibt so trocken, nüchtern, ernst- und rätselhaft, wie er spielt, immer ein wenig verschmitzt, aber frei von bräsiger Nostalgie, Ironie und später Besserwisserei. Er stellt sein Licht unter den Scheffel und sonnt sich lieber selig in einem Strahlenkranz von Momentaufnahmen und Erinnerungssplittern. Das ewige Kind aus Düsternbrook ist nie ganz im Hellen oder gar im Zentrum des Geschehens, aber immer voll da. Auf dem schwarz-weißen Cover steht es breitbeinig verlegen, misstrauisch und trotzig vor einer Klinkerwand, auf dem Kopf eine Schiebermütze, im Mund ein Daumen, in der Hand ein roter Luftballon, fast wie bei Banksy. Wenn das Bild nicht echt ist, ist es jedenfalls gut erfunden.
MARTIN HALTER
Axel Milberg: "Düsternbrook". Roman.
Piper Verlag, München 2019. 283 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Wunderbar fragil fügt (Axel Milberg) Szenen und Erinnerungen kaleidoskopartig zusammen, um zu ergründen, wie er als Kind, Jugendlicher, Student die Welt sah.« Hörzu 20190524
Das vornehme Kieler Villenviertel Düsternbrook, ist für viele Jahre die Heimat des jungen Axel und seiner Familie. Gemeinsam mit seinen zwei Geschwistern erlebt er alle Höhen und Tiefen, die ein neugieriger Junge haben kann, wenn er noch dazu ständig auf der Suche nach neuen …
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Das vornehme Kieler Villenviertel Düsternbrook, ist für viele Jahre die Heimat des jungen Axel und seiner Familie. Gemeinsam mit seinen zwei Geschwistern erlebt er alle Höhen und Tiefen, die ein neugieriger Junge haben kann, wenn er noch dazu ständig auf der Suche nach neuen Abenteuern ist. Dass seine Eltern nicht immer Zeit für ihn haben und auch das Verhältnis zu ihnen nicht immer als liebevoll zu bezeichnen ist, stört ihn wenig, denn seine blühende Fantasie erlaubt es ihm, dass er an Aliens glaubt und seine schauspielerischen Fähigkeiten bei Schulaufführungen zeigen bereits seinen zukünftigen Lebensweg auf.
Der Roman ,, Düsternbrook´´des bekannten Schauspielers Axel Milberg ist eine Erzählung von vielen kurzen Geschichten aus seiner Kinder -und Jugendzeit. Es ist mir doch schwer gefallen, das Buch richtig genussvoll zu lesen. Die Geschichten sind oft einfach nur aneinander gereiht, wo man nicht genau weiß, was der Autor damit erzählen wollte. Manche Szenen hören einfach scheinbar mittendrin auf und man weiß dann nicht, wie die Geschichte weitergegangen ist. Da das Buch teilweise autobiografische Züge aufweist und dann wieder frei erfundene Handlungen hat, ist es als Leser schwer sich wirklich emotional hinein zu versetzen, weil man ja nicht weiß, was Wahrheit und was erfunden ist. Es gibt natürlich auch Erzählungen, wo sich speziell ältere Leser gerne an ihre Kindheit zurückerinnern, wenn über Poesiealben oder spezielle Süßigkeiten, die es früher gegeben hat, berichtet werden. Axel Milberg schildert manchmal auch sehr drastisch die Beziehung zwischen den Eltern untereinander und auch gegenüber ihren Kindern. Da hat man als Leser schon immer wieder den Kopf schütteln müssen, wie lieblos und grob die Beziehung war. Der Autor hat wohl mit Absicht zu Beginn die Sprache und die Gedanken des jungen Alex auf einfacher und kindlicher Art und Weise dargestellt. Gegen Ende hin als Jugendlicher und junger Erwachsener merkt man dann schon, wie die Lebenseinstellung, die Sprache und die Handlungen sich ändern. Ich habe mir eine durchgehende Geschichte mit einem roten Faden erwartet, den es aber nicht wirklich gegeben hat. Es waren interessante, humorvolle und seltsam anmutende Geschichten dabei. Trotzdem ist leider nicht wirklich der Funke übergesprungen, den ich mir erhofft habe. Es wird aber sicher Leser geben, die gerne Eintauchen in die Vergangenheit und denen die episodenhaften Geschichten gefallen.
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Merkwürdige Episoden einer Kindheit in Kiel
Ich mag Axel Milberg in seinen Rollen, allerdings ist er ja auch da manchmal sehr speziell. Als ich erfahren habe, dass er ein Buch mit dem Titel "Düsternbrook" gerschrieben hat, war ich sehr neugierig und gespannt. Ich wusste, dass …
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Merkwürdige Episoden einer Kindheit in Kiel
Ich mag Axel Milberg in seinen Rollen, allerdings ist er ja auch da manchmal sehr speziell. Als ich erfahren habe, dass er ein Buch mit dem Titel "Düsternbrook" gerschrieben hat, war ich sehr neugierig und gespannt. Ich wusste, dass er Teile seines Lebens mit in den Roman hat einfließen lassen, einiges ist auch Fiktion. Schade finde ich, dass überhaupt nicht klar wird, wieviel Axel Milberg in dem Buch steckt, das ist für mich schon ein großer Kritikpunkt. Aber auch ansonsten gibt es in meinen Augen keine zusammenhängende Geschichte und auch die Episoden finde ich sehr merkwürdig.
Die Kapitel sind insgesamt sehr kurz gehalten und besteht größtenteils nur aus Episoden. Für mich kam da kein Lesefluß auf und so folgte bei mir recht schnell Lesefrust, denn mit der eigensinnigen Schreibweise konnte ich nichts anfangen. Ich habe mich oft gefragt, warum ich überhaupt noch weiterlese und am Ende muss ich sagen, dass ich mir diese Lesezeit auch hätte sparen können. Das einzig nette für mich war der Umstand, dass ich die Kieler Ortsbeschreibungen kenne und die haben mir auch am Besten gefallen.
Das Buch von Axel Milberg wird bestimmt sein Publikum bekommen, da mache ich mir keine Sorgen, aber ich konnte damit nichts anfangen und würde es auch nicht weiterempfehlen.
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Der Protagonist dieser Geschichte, Alex, wächst behütet im Kieler Villenviertel Düsternbrook auf und in diesem Buch gibt er uns Einblick in seine Kindheit und Jugend. Der Schauspieler Axel Milberg erzählt uns die Geschichte in vielen kleinen Episoden, aber ohne einen roten Faden. …
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Der Protagonist dieser Geschichte, Alex, wächst behütet im Kieler Villenviertel Düsternbrook auf und in diesem Buch gibt er uns Einblick in seine Kindheit und Jugend. Der Schauspieler Axel Milberg erzählt uns die Geschichte in vielen kleinen Episoden, aber ohne einen roten Faden.
Auch wenn die kleinen Geschichten manchmal humorvoll sind, so kam für mich mehr Düsternis herüber, eben Düsternbrook. Vielleicht fehlten mir auch einfach Emotionen, denn alles wurde recht teilnahmslos erzählt.
Der Schreibstil ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, denn der Autor fabuliert offensichtlich gerne. So bekommen wir Einblick in die kindliche Gedankenwelt des kleinen und des etwas größeren Alex. Wir erfahren, wie er versucht, sich in seiner Welt zurechtzufinden. Ich bin ebenfalls in jener Zeit aufgewachsen und beim Lesen kamen Erinnerungen an meine Kindheit und Jugendzeit hoch. Ich weiß ebenfalls noch genau, welche Diskussionen die Thesen von Erich von Däniken ausgelöst haben. Als dann Jungen aus dem Viertel verschwinden, möchte Alex diesem geordneten engen Leben entfliehen.
Auch wenn dieser Roman fiktiv ist, so scheinen doch biografische Erlebnisse des Autors immer wieder durch.
Mich konnte dieses Buch einfach nicht fesseln.
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Der Schauspieler Axel Milberg hat einen Roman geschrieben - so zumindest steht es auf Schutzumschlag und Titel. Ein Buch über sein Leben ist es, denn Düsternbrook ist der Kieler Stadtteil, in dem er aufwuchs. Ein "besserer" Stadtteil, wie man früher sagte, einer, in dem die …
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Der Schauspieler Axel Milberg hat einen Roman geschrieben - so zumindest steht es auf Schutzumschlag und Titel. Ein Buch über sein Leben ist es, denn Düsternbrook ist der Kieler Stadtteil, in dem er aufwuchs. Ein "besserer" Stadtteil, wie man früher sagte, einer, in dem die Familien eigene Häuser besitzen. Und Gärten. Richtige Häuser und richtige Gärten, es ist also keine Siedlung von Reihen- oder Doppelhäusern, sondern ein Viertel, das über die Jahre gewachsen ist.
Auch wenn die Menschen hier nicht alle reich sind. Auch Axels Familie spart an dem ein oder anderen. Wir lernen Axel als ganz kleines Kind kennen, das sich in seiner Umgebung orientiert.
Der Autor hat sich ganz auf die Perspektive eingestellt - es ist wirklich die Sicht, auch das Begreifen eines kleinen Jungen und wir erleben mit Axel, wie er älter wird, die Dinge anders wahrnimmt. Es verschiebt sich nicht nur die Perspektive, auch die Werte sind nun andere.
Allerdings ist dies ein Roman im Stakkato, ich als Leserin habe ihn als Folge willkürlich aneinander gereihter Sequenzen begriffen, als Blitzaufnahmen eines Lebens und darüber hinaus, denn der Autor erzählt auch über andere.
Somit habe ich dies nicht als zusammenhängenden Roman wahrgenommen und musste zwischendurch auch mal pausieren, weil es mir zu viel wurde. Auch an Redundanzen, denn einiges wurde wieder und wieder erwähnt, bspw. dass Mutter Milberg Medizin studiert hatte, also Ärztin war.
Es gab viele dieser Wiederholungen, aber wenig übergreifende Zusammenhänge. Ein sehr persönliches Buch, was man schon am Cover - einem Kindheitsfoto des Autors erkennt. Es scheint, als hätte der Autor dies für sich selbst und für sein enges Umfeld geschrieben, nicht unbedingt für Leser. Diese können es annehmen oder auch nicht. Ich finde, das ist eine sympathische Haltung. Der sogenannte Roman hingegen hat mich lediglich in Teilen erreicht.
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