Tom Hillenbrand
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Drohnenland
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Alles wird überwacht. Alles ist sicher. Doch dann geschieht ein Mord, der alles infrage stellt.Wozu Zeugen vernehmen, wenn all ihre Bewegungen und Gespräche bereits auf einer Festplatte archiviert sind? Warum Tatorte begehen, wenn fliegende Polizeidrohnen bereits alles abfotografiert haben? Als ein Brüsseler Parlamentarier auf einem Feld nahe der Hauptstadt ermordet aufgefunden wird, glaubt Kommissar Aart van der Westerhuizen zunächst, den Fall mithilfe des beinahe allwissenden Europol-Fahndungscomputers und der brillanten Forensikerin Ava Bittmann rasch lösen zu können. Und tatsächlich...
Alles wird überwacht. Alles ist sicher. Doch dann geschieht ein Mord, der alles infrage stellt.
Wozu Zeugen vernehmen, wenn all ihre Bewegungen und Gespräche bereits auf einer Festplatte archiviert sind? Warum Tatorte begehen, wenn fliegende Polizeidrohnen bereits alles abfotografiert haben? Als ein Brüsseler Parlamentarier auf einem Feld nahe der Hauptstadt ermordet aufgefunden wird, glaubt Kommissar Aart van der Westerhuizen zunächst, den Fall mithilfe des beinahe allwissenden Europol-Fahndungscomputers und der brillanten Forensikerin Ava Bittmann rasch lösen zu können. Und tatsächlich gibt es verblüffend schnell einen Verdächtigen. Doch dann entdeckt er immer mehr Hinweise darauf, dass die digitale Datenspur manipuliert wurde und gerät in eine Verschwörung, die ganz Europa in seinen Grundfesten zu erschüttern droht.
Wozu Zeugen vernehmen, wenn all ihre Bewegungen und Gespräche bereits auf einer Festplatte archiviert sind? Warum Tatorte begehen, wenn fliegende Polizeidrohnen bereits alles abfotografiert haben? Als ein Brüsseler Parlamentarier auf einem Feld nahe der Hauptstadt ermordet aufgefunden wird, glaubt Kommissar Aart van der Westerhuizen zunächst, den Fall mithilfe des beinahe allwissenden Europol-Fahndungscomputers und der brillanten Forensikerin Ava Bittmann rasch lösen zu können. Und tatsächlich gibt es verblüffend schnell einen Verdächtigen. Doch dann entdeckt er immer mehr Hinweise darauf, dass die digitale Datenspur manipuliert wurde und gerät in eine Verschwörung, die ganz Europa in seinen Grundfesten zu erschüttern droht.
Tom Hillenbrand, studierte Europapolitik, volontierte an der Holtzbrinck-Journalistenschule und war Redakteur bei SPIEGEL ONLINE. Seine Bücher erscheinen in vielen Sprachen, wurden mehrfach mit Preisen ausgezeichnet und stehen regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.
Produktdetails
- KiWi Taschenbücher 1265
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- Artikelnr. des Verlages: 4001490
- 15. Aufl.
- Seitenzahl: 432
- Erscheinungstermin: 15. Mai 2014
- Deutsch
- Abmessung: 193mm x 123mm x 30mm
- Gewicht: 324g
- ISBN-13: 9783462046625
- ISBN-10: 3462046624
- Artikelnr.: 39999191
Herstellerkennzeichnung
Kiepenheuer & Witsch GmbH
Bahnhofsvorplatz 1
50667 Köln
produktsicherheit@kiwi-verlag.de
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dass Dystopien Spaß machen können, erfährt Hannes Hintermeier bei der Lektüre von Tom Hillenbrands Sci-Fi-Krimi. Die gar nicht so ferne Zukunft im totalen Überwachungsstaat kann ihm der Autor plausibel darstellen. Auch wenn der Plot Hintermeier nicht allzu spektakulär vorkommt (Bond plus Batman), überzeugen ihn Hillenbrands Fantasie und erzählerische Lust, die dem Rätsel eine Chance lassen. Mitreißend wirken auf den Rezensenten ferner die gekonnt entworfenen Szenerien, der Witz, das Tempo und allgemein die Lässigkeit, mit der Hillenbrand mit diesem Buch vom Routinier des Gourmet-Krimis zum Orwell-Nachfolger wird.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Drohnenland riecht angebrannt
Souverän ist, wer über die Daten entscheidet: Tom Hillenbrand hat einen mitreißenden Krimi über unsere Zukunft im Überwachungsstaat geschrieben
Die Zukunft hat schon angefangen, und hier kann man nachlesen, wie sie in zwei, drei Generationen aussehen könnte. Die Europäische Union hat sechsunddreißig Mitgliedstaaten und ist zur Festung ausgebaut. Die Kommissionspräsidentin heißt weder Juncker noch Schulz, sondern Tansu Özal. England will die Union verlassen, weswegen eine neue Verfassung verabschiedet werden muss, die diesen Schritt überhaupt erst zulässt. Es brodelt in den Hinterzimmern des Parlaments.
Das reichste Unionsland ist Portugal, weil es als Energielieferant mit
Souverän ist, wer über die Daten entscheidet: Tom Hillenbrand hat einen mitreißenden Krimi über unsere Zukunft im Überwachungsstaat geschrieben
Die Zukunft hat schon angefangen, und hier kann man nachlesen, wie sie in zwei, drei Generationen aussehen könnte. Die Europäische Union hat sechsunddreißig Mitgliedstaaten und ist zur Festung ausgebaut. Die Kommissionspräsidentin heißt weder Juncker noch Schulz, sondern Tansu Özal. England will die Union verlassen, weswegen eine neue Verfassung verabschiedet werden muss, die diesen Schritt überhaupt erst zulässt. Es brodelt in den Hinterzimmern des Parlaments.
Das reichste Unionsland ist Portugal, weil es als Energielieferant mit
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Wellenkraftwerken punktet, die tatsächlich aber Konzernen der neuen Supermacht Brasilien gehören. In der Sahara wurden Solarkriege geführt, aktuell drohen wieder Anschläge von Tuaregfreischärlern auf Kollektorentürme. Die Britskis, vereinigte russische und englische Mafiosi, bedrohen die Union, dagegen hat sich Amerika abgemeldet, China zerfleischt sich selbst. Militante Christianisten stürmen Abtreibungskliniken. Ein Drink kostet zweitausend Euro.
Dieses "Drohnenland"-Europa ist ein beinahe perfekter Überwachungsstaat, in dem Supercomputer und Drohnen nicht nur Aufklärung betreiben, sondern auch aus der Luft hinrichten und mittels Prädikation hochgerechnete Wahrscheinlichkeiten zum Anlass nehmen, Kinder auszuschalten, die später straffällig werden könnten. Man trägt Specs, Datenbrillen, Medienfolien haben alles gedruckte Papier ersetzt. Eine Garderobe, an der man seine Persönlichkeit abgeben müsste, existiert lange nicht mehr. So weit die Lage.
Und doch beginnt der Münchner Journalist und Schriftsteller Tom Hillenbrand seinen Krimi ganz klassisch - mit einem Leichenfund. Ein Mann liegt im belgischen Dauerregen auf einem Acker, nobel gekleidet, laut Pass 47 Jahre alt, biologisch wegen diverser Optimierungen erst 29, errechnete Lebenserwartung 119 Jahre. Vittorio Pazzi ist Mitglied des Europäischen Parlaments, besser: war es, bis ihn ein Scharfschütze mit Kopfschuss erledigte.
Hillenbrand, Jahrgang 1972, hat bislang die Sparte Gourmet-Krimi beackert. Sein Luxemburger Spitzenkoch Xavier Kieffer reüssiert nebenbei als Ermittler. Jetzt hat er mit dem Holländer Arthur van der Westerhuizen einen überragenden Bruder im Geiste gefunden. Aart, wie ihn seine bezaubernde israelische Analystin Ava Bittmann nennt, ist Hauptkommissar bei Europol in Brüssel. Der Endvierziger trägt als seelische Wunde den Verlust seiner Frau seit zehn Jahren mit sich herum; als Soldat in den Saharakriegen hat er sich reichlich Narben zugezogen. Eine trockene Selbstironie aber ist ihm geblieben. Seinen Dienstwagen nennt er Gottlieb, in seiner Freizeit schaut er sich alte Schwarzweißfilme mit Humphrey Bogart an. Ein Ermittler vom alten Schlag, der nicht in seine Zeit zu passen scheint - das ahnt auch sein Chef, der dubiose Polizeipräfekt Vogel: "Effizienz ist Trumpf, Westerhuizen. Sich die Schuhsohlen abzulaufen ist nur noch eine romantische Fantasie aus 2-D-Filmen."
Längst steht Europol mit Terry ein Supercomputer zur Verfügung, der es ermöglicht, sich mittels einer Spiegelung, einer begehbaren Computersimulation, an den Tatort zu versetzen. Der wurde zuvor als Datenraum aus einer Vielzahl von Aufnahmen virtuell zusammengesetzt. Den Großteil der Ermittlungsarbeit erledigt Terry, der nach dem blinden Seher der Antike, Tereisias, benannt wurde. Wo ihm Phantasie und Riecher fehlen, helfen die Menschen. Etwa, indem sie sich im Paralleluniversum Mirrorspace umsehen. Dorthin beamt man sich mit einer Livespiegelung, kann als Ermittler unsichtbar neben einem Paar am Restauranttisch stehen und dessen Gespräche belauschen. Bevorzugt nutzt diesen Weg der Gegenspieler von Europol, der Unionsgeheimdienst Récupération des Renseignements (Wiederherstellung der Geheimdienste beziehungsweise der Informationen, kurz RR).
Westerhuizen stößt auf eine Spur, die er besser nicht gefunden hätte: Pazzi war nicht der erste Abgeordnete, der in den vergangenen Monaten zu Tode gekommen ist, aber bei allen anderen sah es nach natürlicher Todesursache beziehungsweise nach einem Unfall aus. Sah es, war es aber nicht. Denn die Kernfrage in dieser Welt lautet: Kann man den Daten vertrauen? Wenn im Mirrorspace die Wirklichkeit nach Belieben verformbar ist und sich sogar der Baum, auf dem Pazzis Killer gesessen haben soll, als in die Spiegelung hineingerechnet herausstellt, dann wird es eng mit dem Begriff, den schon heute, in unseren Träumereien von Datensicherheit, keiner mehr in den Mund nehmen mag.
Im Mirrorspace taucht alsbald ein maskierter Journalist namens Johnny Random auf, der Westerhuizen à la Deep Throat auf die Spur eines Großindustriellen bringt. Damit kommt der Ermittler höchsten politischen Kreisen in die Quere und wird selbst zum Opfer einer Jagd durch Drohnenland. Da wir dem Ich-Erzähler zu diesem Zeitpunkt als Leser nur allzu bereitwillig in jede drohnenfreie Kaschemme folgen, lassen wir uns von ihm auch gern belehren:
"Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten, einen flüchtigen Verbrecher aufzuspüren. Die erste ist seine Specsignatur. Anhand der Netzzugriffe lässt sich jeder Träger dadurch auf einige Zentimeter genau lokalisieren. Hat Terry ihn geortet, erledigen Überwachungskameras, Drohnen oder Panoptos den Rest. Falls der Flüchtige keine Specs trägt, ist die zweitbeste Datenspur sein Gesicht. Indem Terry die Feeds sämtlicher Kameraaufnahmen auswertet, kann er den Gesuchten in der Regel binnen Minuten ausfindig machen, und zwar unionsweit."
Als dritte Möglichkeit gibt es noch die Motorikanalyse: "Nicht nur Retina oder Fingerabdrücke eines Menschen sind einzigartig. Auch sein Gang, seine Körperhaltung, die Art und Weise, wie er eine Gabel zum Mund führt, lassen sich zuordnen ..." Und bitte nicht vergessen, sich den implantierten Chip aus dem Unterarm zu schneiden.
Wie Hillenbrand seinen Fundus bespielt, kann man nur bewundern. Der Hinweis des Verlags, der Sascha Lobo als Werbetrommler sagen lässt, das Buch sei "nachweislich vor den Enthüllungen von Edward Snowden verfasst", ist verzichtbar. Das Ausmaß an Phantasie, die erzählerische Lust, mit der der Autor hier aufwartet, sind mitreißend. Und vor allem ist Hillenbrand so schlau, nichts zu erklären, keine moderierenden Sätze über Colibris, Mites, Molekularscans, Roboterkakerlaken, Hobo- und Assassinendrohnen, Creeperfeeds, Ghosting oder Kohäsionskräfte einzufügen. Das erklärt sich dann schon beiläufig, die leichte Verrätselung funktioniert als Zugpferd der Geschichte einwandfrei. Die Niederlande gibt es nicht mehr, abgesoffen wegen Klimawandels, daher auch der Dauerregen in der neuen Klimazone - aber das wird mit keinem Wort erwähnt.
Da der gute Orwell auch schon in die Jahre gekommen ist, wurde es Zeit für diesen Roman. Er punktet mit Ausstattung und Szenerie, weniger im Plot, der tatsächlich nach James Bond plus Batman gestrickt ist, also nicht gerade originell. Hillenbrand zeigt vor allem eins: wie nahe wir schon an solchen Zuständen sind. Man kann das auch jeden Tag in den Berichten über die Zukäufe und Innovationsstrategien der Internetriesen lesen, aber nicht so witzig, temposicher, unbekümmert und lässig. Dystopien können auch Spaß machen.
"Der Verstand ist oft die Quelle der Barbarei; ein Übermaß an Verstand ist es immer" - mit diesem Satz von Giacomo Leopardi überschreibt Tom Hillenbrand seinen Roman. Und benennt damit die Quelle dieser Überwachungswelt. Dass es aus ihr kein Entrinnen gibt, scheint nur noch eine Handvoll von Rebellen zu stören. Wie sagt die in ihrer hemmungslosen Hingabe ein wenig schematisch geratene Ava: "Wer achtet schon auf Drohnen, Aart?"
HANNES HINTERMEIER
Tom Hillenbrand: "Drohnenland". Kriminalroman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014. 423 S., br., 9,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dieses "Drohnenland"-Europa ist ein beinahe perfekter Überwachungsstaat, in dem Supercomputer und Drohnen nicht nur Aufklärung betreiben, sondern auch aus der Luft hinrichten und mittels Prädikation hochgerechnete Wahrscheinlichkeiten zum Anlass nehmen, Kinder auszuschalten, die später straffällig werden könnten. Man trägt Specs, Datenbrillen, Medienfolien haben alles gedruckte Papier ersetzt. Eine Garderobe, an der man seine Persönlichkeit abgeben müsste, existiert lange nicht mehr. So weit die Lage.
Und doch beginnt der Münchner Journalist und Schriftsteller Tom Hillenbrand seinen Krimi ganz klassisch - mit einem Leichenfund. Ein Mann liegt im belgischen Dauerregen auf einem Acker, nobel gekleidet, laut Pass 47 Jahre alt, biologisch wegen diverser Optimierungen erst 29, errechnete Lebenserwartung 119 Jahre. Vittorio Pazzi ist Mitglied des Europäischen Parlaments, besser: war es, bis ihn ein Scharfschütze mit Kopfschuss erledigte.
Hillenbrand, Jahrgang 1972, hat bislang die Sparte Gourmet-Krimi beackert. Sein Luxemburger Spitzenkoch Xavier Kieffer reüssiert nebenbei als Ermittler. Jetzt hat er mit dem Holländer Arthur van der Westerhuizen einen überragenden Bruder im Geiste gefunden. Aart, wie ihn seine bezaubernde israelische Analystin Ava Bittmann nennt, ist Hauptkommissar bei Europol in Brüssel. Der Endvierziger trägt als seelische Wunde den Verlust seiner Frau seit zehn Jahren mit sich herum; als Soldat in den Saharakriegen hat er sich reichlich Narben zugezogen. Eine trockene Selbstironie aber ist ihm geblieben. Seinen Dienstwagen nennt er Gottlieb, in seiner Freizeit schaut er sich alte Schwarzweißfilme mit Humphrey Bogart an. Ein Ermittler vom alten Schlag, der nicht in seine Zeit zu passen scheint - das ahnt auch sein Chef, der dubiose Polizeipräfekt Vogel: "Effizienz ist Trumpf, Westerhuizen. Sich die Schuhsohlen abzulaufen ist nur noch eine romantische Fantasie aus 2-D-Filmen."
Längst steht Europol mit Terry ein Supercomputer zur Verfügung, der es ermöglicht, sich mittels einer Spiegelung, einer begehbaren Computersimulation, an den Tatort zu versetzen. Der wurde zuvor als Datenraum aus einer Vielzahl von Aufnahmen virtuell zusammengesetzt. Den Großteil der Ermittlungsarbeit erledigt Terry, der nach dem blinden Seher der Antike, Tereisias, benannt wurde. Wo ihm Phantasie und Riecher fehlen, helfen die Menschen. Etwa, indem sie sich im Paralleluniversum Mirrorspace umsehen. Dorthin beamt man sich mit einer Livespiegelung, kann als Ermittler unsichtbar neben einem Paar am Restauranttisch stehen und dessen Gespräche belauschen. Bevorzugt nutzt diesen Weg der Gegenspieler von Europol, der Unionsgeheimdienst Récupération des Renseignements (Wiederherstellung der Geheimdienste beziehungsweise der Informationen, kurz RR).
Westerhuizen stößt auf eine Spur, die er besser nicht gefunden hätte: Pazzi war nicht der erste Abgeordnete, der in den vergangenen Monaten zu Tode gekommen ist, aber bei allen anderen sah es nach natürlicher Todesursache beziehungsweise nach einem Unfall aus. Sah es, war es aber nicht. Denn die Kernfrage in dieser Welt lautet: Kann man den Daten vertrauen? Wenn im Mirrorspace die Wirklichkeit nach Belieben verformbar ist und sich sogar der Baum, auf dem Pazzis Killer gesessen haben soll, als in die Spiegelung hineingerechnet herausstellt, dann wird es eng mit dem Begriff, den schon heute, in unseren Träumereien von Datensicherheit, keiner mehr in den Mund nehmen mag.
Im Mirrorspace taucht alsbald ein maskierter Journalist namens Johnny Random auf, der Westerhuizen à la Deep Throat auf die Spur eines Großindustriellen bringt. Damit kommt der Ermittler höchsten politischen Kreisen in die Quere und wird selbst zum Opfer einer Jagd durch Drohnenland. Da wir dem Ich-Erzähler zu diesem Zeitpunkt als Leser nur allzu bereitwillig in jede drohnenfreie Kaschemme folgen, lassen wir uns von ihm auch gern belehren:
"Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten, einen flüchtigen Verbrecher aufzuspüren. Die erste ist seine Specsignatur. Anhand der Netzzugriffe lässt sich jeder Träger dadurch auf einige Zentimeter genau lokalisieren. Hat Terry ihn geortet, erledigen Überwachungskameras, Drohnen oder Panoptos den Rest. Falls der Flüchtige keine Specs trägt, ist die zweitbeste Datenspur sein Gesicht. Indem Terry die Feeds sämtlicher Kameraaufnahmen auswertet, kann er den Gesuchten in der Regel binnen Minuten ausfindig machen, und zwar unionsweit."
Als dritte Möglichkeit gibt es noch die Motorikanalyse: "Nicht nur Retina oder Fingerabdrücke eines Menschen sind einzigartig. Auch sein Gang, seine Körperhaltung, die Art und Weise, wie er eine Gabel zum Mund führt, lassen sich zuordnen ..." Und bitte nicht vergessen, sich den implantierten Chip aus dem Unterarm zu schneiden.
Wie Hillenbrand seinen Fundus bespielt, kann man nur bewundern. Der Hinweis des Verlags, der Sascha Lobo als Werbetrommler sagen lässt, das Buch sei "nachweislich vor den Enthüllungen von Edward Snowden verfasst", ist verzichtbar. Das Ausmaß an Phantasie, die erzählerische Lust, mit der der Autor hier aufwartet, sind mitreißend. Und vor allem ist Hillenbrand so schlau, nichts zu erklären, keine moderierenden Sätze über Colibris, Mites, Molekularscans, Roboterkakerlaken, Hobo- und Assassinendrohnen, Creeperfeeds, Ghosting oder Kohäsionskräfte einzufügen. Das erklärt sich dann schon beiläufig, die leichte Verrätselung funktioniert als Zugpferd der Geschichte einwandfrei. Die Niederlande gibt es nicht mehr, abgesoffen wegen Klimawandels, daher auch der Dauerregen in der neuen Klimazone - aber das wird mit keinem Wort erwähnt.
Da der gute Orwell auch schon in die Jahre gekommen ist, wurde es Zeit für diesen Roman. Er punktet mit Ausstattung und Szenerie, weniger im Plot, der tatsächlich nach James Bond plus Batman gestrickt ist, also nicht gerade originell. Hillenbrand zeigt vor allem eins: wie nahe wir schon an solchen Zuständen sind. Man kann das auch jeden Tag in den Berichten über die Zukäufe und Innovationsstrategien der Internetriesen lesen, aber nicht so witzig, temposicher, unbekümmert und lässig. Dystopien können auch Spaß machen.
"Der Verstand ist oft die Quelle der Barbarei; ein Übermaß an Verstand ist es immer" - mit diesem Satz von Giacomo Leopardi überschreibt Tom Hillenbrand seinen Roman. Und benennt damit die Quelle dieser Überwachungswelt. Dass es aus ihr kein Entrinnen gibt, scheint nur noch eine Handvoll von Rebellen zu stören. Wie sagt die in ihrer hemmungslosen Hingabe ein wenig schematisch geratene Ava: "Wer achtet schon auf Drohnen, Aart?"
HANNES HINTERMEIER
Tom Hillenbrand: "Drohnenland". Kriminalroman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014. 423 S., br., 9,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Tom Hillenbrand [hat] in diesem Jahr einen geradezu visionären und außerdem noch brillanten Nahzukunftsthriller namens Drohnenland geschrieben [...].« Die Welt 20141217
Geld regiert die Welt, aber in Tom Hillenbrands Sci-Fi Thriller „Drohnenland“ sind es Daten und Informationen, die die Machthungrigen gezielt einsetzen, um ihre Ziele zu erreichen.
Handlungsort ist im Wesentlichen Brüssel, und die Geschichte spielt sich in einer Zukunft ab, die …
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Geld regiert die Welt, aber in Tom Hillenbrands Sci-Fi Thriller „Drohnenland“ sind es Daten und Informationen, die die Machthungrigen gezielt einsetzen, um ihre Ziele zu erreichen.
Handlungsort ist im Wesentlichen Brüssel, und die Geschichte spielt sich in einer Zukunft ab, die sich George Orwell in seinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt hätte. Nicht nur, dass jeder Schritt und jede Handlung der Individuen von den allgegenwärtigen Drohnen überwacht wird, nein, es ist noch viel schlimmer, denn mit Hilfe der aus der Überwachung gewonnenen Daten werden Profile erstellt, die in der Lage sind, das Verhalten, die persönliche Entwicklung oder auch Krankheiten der Menschen vorherzusagen. Bereits diese Vorstellung ist gruselig!
Aber auch das politische Weltgefüge hat sich verändert. Die Vereinigten Staaten existieren zwar noch, spielen aber keine Rolle mehr. Portugal, früher eines der Armenhäuser Europas, hat mittlerweile das Sagen in der EU, denn durch die Lage am Atlantik verfügt das Land, dank der Wellenkraft, über unglaubliche Geldreserven. Das Klima hat sich verändert, und Dauerregen sorgt dafür, dass der Meeresspiegel stetig ansteigt, was dazu geführt hat, dass unkontrollierbare Wassermassen sowohl Holland als auch den Norden Deutschland überflutet und ausradiert haben.
Hauptfigur ist Aart Westerhuizen von Europol, ein sympathischer Kommissar der alten Schule. Ihm zur Seite steht Ava Bittman, eine israelische Datenspezialistin, immer vertraut mit den neuesten Technologien. Gemeinsam arbeiten sie an dem Fall des ermordeten EU-Parlamentariers und müssen zu ihrem Leidwesen feststellen, dass auch die totale Kontrolle ausgehebelt werden kann, wenn mächtige Interessen dahinterstehen.
Bei Sci-Fi Thrillern besteht oft die Gefahr, dass die Story „trocken“ und techniklastig daherkommt. Nicht so bei „Drohnenland“, denn obwohl Tom Hillenbrand seine Leser detailliert mit den Funktionsweisen der diversen Überwachungsinstrumente vertraut macht, gelingt es ihm, dies wohldosiert in eine spannende Handlung zu integrieren. Und vieles, was als utopisches Szenario beschrieben war, ist leider Realität, wie wir glücklicherweise mittlerweile durch die verschiedenen Whistleblower erfahren haben. Lesen!
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Meine Meinung:
Ich konnte mir anfangs noch nicht so viel unter diesem Krimi vorstellen. Klar... Alles wird überwacht, aber alles wird mit Drohnen gemacht? Schon sehr seltsam, aber dieses Thema wird immer akuteller. Es wird mittlerweile ja schon darüber gesprochen, dass Päckchen in …
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Meine Meinung:
Ich konnte mir anfangs noch nicht so viel unter diesem Krimi vorstellen. Klar... Alles wird überwacht, aber alles wird mit Drohnen gemacht? Schon sehr seltsam, aber dieses Thema wird immer akuteller. Es wird mittlerweile ja schon darüber gesprochen, dass Päckchen in Zukunft mit Drohnen ausgeliefert werden, etc.
Genau dieses Thema hat Tom Hillenbrand aufgenommen und daraus einen Krimi "gestrickt".
Es war teilweise schon wirklich erschreckend, wenn man sich überlegt, dass alles so kommen könnte, wie er es beschreibt und so unwahrscheinlich ist das alles gar nicht. Autos, die sprachgesteuert selbst in der Gegend rumfahren? Ich weiß, dass es mittlerweile schon Traktoren gibt, die GPS gesteuert sind. Sie merken sich genau, wo sie schon waren und man muss selbst gar nicht viel tun.
Aber nicht nur die Auffassung der möglichen Zukunft hat mich fasziniert. Auch der Schreibstil des Autors ist einfach genial. Man merkt, dass er sich mit den aktuellen Themen befasst. Sei es Technik als auch Politik.
Die handelnden Personen sind mir gleich nahe gekommen. Ich konnte mich mit ihnen identifizieren. Aart van der Westerhuizen weiß genau was er will und lässt sich durch nichts und niemanden aufhalten. Aber er wäre nicht so erfolgreich, wenn nicht seine Analystin Ava bei ihm sein würde. Sie ist seine rechte Hand uns steht ihm immer zur Seite. Auch bei den negativen Aspekten. Dabei setzen sie alle möglichen Mittel ein. Ob alles legal ist, sei zu bezweifeln ;)
Ich muss wirklich sagen, dass mich dieser Krimi voll und ganz überzeugt hat. Er ist einfach anders und zieht einen in den Bann. Mit viel Geschick kann Tom Hillenbrand erzählen wie es sein wird und man stellt sich alles auch wirklich bildlich vor.
Fazit:
Unbedingt lesen, wenn man sich auch ein wenig für die neuen Entwicklungen in der Technik interessiert.
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BigData und allgegenwärtige Drohnen.
Inhalt:
In Brüssel, im Europa der Zukunft, wird ein Parlamentarier ermordet. Kommissar Westerhuizen leitet die Untersuchung. Bei den Ermittlungen steht ihm Ava, eine israelische Analystin, zur Seite. Und Terry, ein hoch-leistungsfähiges und …
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BigData und allgegenwärtige Drohnen.
Inhalt:
In Brüssel, im Europa der Zukunft, wird ein Parlamentarier ermordet. Kommissar Westerhuizen leitet die Untersuchung. Bei den Ermittlungen steht ihm Ava, eine israelische Analystin, zur Seite. Und Terry, ein hoch-leistungsfähiges und (fast) selbstständig arbeitendes Analyseprogramm.
Der Roman setzt sich mit folgenden Themen auseinander:
Ein durch Unmengen an Drohnen total-überwachtes Europa.
BigData: aus den Daten der vielen Drohnen, Glasses und anderer Überwachungstechnik können sogenannte Spiegelungen der Realität erzeugt werden.
BigData: diese vielen, vielen Daten sind der Input für das (fast allwissende) Analyseprogramm.
Meine Meinung:
Ein spannender, technischer und science-fiction-mäßig angehauchter Roman - genau meine Wellenlänge.
Viele angesprochene Themen liegen, meiner Meinung nach, vielleicht gar nicht so weit in der Zukunft.
Der Roman ist zwar spannend, aber das letzte Quäntchen Spannung hat mir gefehlt, weshalb es nicht ganz für 5 Sterne gereicht hat.
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Beklemmend und erschreckend realistisch
Inhalt: Alles wird überwacht. Alles ist sicher. Doch dann geschieht ein Mord, der alles infrage stellt.
Wozu Zeugen vernehmen, wenn all ihre Bewegungen und Gespräche bereits auf einer Festplatte archiviert sind? Warum Tatorte begehen, wenn …
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Beklemmend und erschreckend realistisch
Inhalt: Alles wird überwacht. Alles ist sicher. Doch dann geschieht ein Mord, der alles infrage stellt.
Wozu Zeugen vernehmen, wenn all ihre Bewegungen und Gespräche bereits auf einer Festplatte archiviert sind? Warum Tatorte begehen, wenn fliegende Polizeidrohnen bereits alles abfotografiert haben? Als ein Brüsseler Parlamentarier auf einem Feld nahe der Hauptstadt ermordet aufgefunden wird, glaubt Kommissar Aart van der Westerhuizen zunächst, den Fall mithilfe des beinahe allwissenden Europol-Fahndungscomputers und der brillanten Forensikerin Ava Bittmann rasch lösen zu können. Und tatsächlich gibt es verblüffend schnell einen Verdächtigen. Doch dann entdeckt er immer mehr Hinweise darauf, dass die digitale Datenspur manipuliert wurde - und gerät in eine Verschwörung, die ganz Europa in seinen Grundfesten zu erschüttern droht.
Wertung: Beklemmend und erschreckend realistisch
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Tom Hillenbrand, den ich bisher als Autor mehrerer unterhaltsamer 'Küchen'krimis kannte, beweist mit diesem düsteren Zukunftsszenario dass er auch anders kann: spannend und durchaus beängstigend, nichtsdestoweniger aber ebenso unterhaltsam wie seine bisherigen Bücher.
In der von …
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Tom Hillenbrand, den ich bisher als Autor mehrerer unterhaltsamer 'Küchen'krimis kannte, beweist mit diesem düsteren Zukunftsszenario dass er auch anders kann: spannend und durchaus beängstigend, nichtsdestoweniger aber ebenso unterhaltsam wie seine bisherigen Bücher.
In der von ihm entworfenen Zukunft, Mitte des 21. Jahrhunderts, sieht es nicht sehr schön aus für die meisten EU-Bürger: der Klimawandel stellt sich als mehr oder weniger fortwährender Regen dar, weite Teile Europas liegen unter Wasser; die Überwachung der Einzelnen rund um die Uhr und überall ist fast vollkommen. Dennoch kommt es noch zu Straftaten und so wird Europol-Ermittler Aart zu einem Tatort gerufen: ein EU-Parlamentarier wurde ermordet auf einem Feld gefunden. Scheinbar keine allzu schwere Aufgabe, denn dank umfangreicher Bewegungsdaten und einem entsprechenden Fahndungsrechner bleibt nichts unentdeckt. Doch Aart stößt auf Merkwürdigkeiten: Sollten Datenspuren manipuliert worden sein?
Hillenbrand gelingt das Kunststück, eine Welt zu präsentieren mit vielen unbekannten Dingen, in der man sich jedoch schnell zurechtfindet, ohne dass er sie explizit erklären lässt. Stattdessen ergibt sich dies beiläufig in Gesprächen oder Aktionen der handelnden Personen, ebenso wie man in Kenntnis gesetzt wird über die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen der letzten 100 Jahre. Vielleicht fällt es aber auch deshalb so leicht, weil es letzten Endes eine Fortschreibung der Entwicklung darstellt, die sich in unserer Gegenwart bereits abzeichnet: die vorangetriebene Vernetzung aller Dinge und Menschen; die damit verbundenen Überwachungsmöglichkeiten; der Klimawandel; die Verknappung von Rohstoffen und damit einhergehende Unruhen undundund. Vieles findet sich in diesem Buch, was den Ursprung wohl in unseren Zeiten hat. Und es sind keine schönen Aussichten, was daraus vielleicht werden könnte.
Und doch ist dies nur der Hintergrund vor dem sich ein Kriminalfall abspielt, der zwar erstmal sehr sciencefictionmäßig wirkt, jedoch beim Lesen immer wieder Gedanken hervorruft wie: "So weit entfernt ist das doch nicht..." oder "Das gibt es doch schon, oder?". Spannend, aber auch erschreckend. Insbesondere jetzt nach den Ereignissen in Paris, nach denen im Namen der Sicherheit die Freiheit wohl als Erstes dran glauben muss.
Fast hätte ich noch den Vorleser vergessen ;-) Uve Teschner macht das richtig gut, selbst die Frauenstimmen waren gut zu unterscheiden, ohne dass er sie in irgendeiner Form nachmachte. Eine andere Tonlage und Akzentuierung - ich hatte die unterschiedlichen Personen immer vor Augen.
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