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Die Welt im Ausnahmezustand - Don DeLillos neuer Roman ist das Buch der Stunde.Nur wenige Wochen vor Ausbruch der Corona-Pandemie schloss Don DeLillo die Arbeit an seinem neuen Roman ab. Ein Werk mit verblüffenden Parallelen zur aktuellen Situation in der Welt. Ein literarischer Meilenstein.New York im Jahr 2022: Es ist der Super Bowl Sunday. In einer Wohnung auf der East Side von Manhattan wollen fünf Menschen gemeinsam das Finale der American Football-League im Fernsehen anschauen. Die emeritierte Physikprofessorin, ihr Mann und ihr früherer Student warten auf die Ankunft eines befreundet...
Die Welt im Ausnahmezustand - Don DeLillos neuer Roman ist das Buch der Stunde.
Nur wenige Wochen vor Ausbruch der Corona-Pandemie schloss Don DeLillo die Arbeit an seinem neuen Roman ab. Ein Werk mit verblüffenden Parallelen zur aktuellen Situation in der Welt. Ein literarischer Meilenstein.
New York im Jahr 2022: Es ist der Super Bowl Sunday. In einer Wohnung auf der East Side von Manhattan wollen fünf Menschen gemeinsam das Finale der American Football-League im Fernsehen anschauen. Die emeritierte Physikprofessorin, ihr Mann und ihr früherer Student warten auf die Ankunft eines befreundeten Paares, das gerade auf dem Rückflug von Paris ist. Die Gespräche drehen sich um Einsteins Relativitätstheorie, ein Überwachungsteleskop im nördlichen Chile und eine besondere Bourbon Marke.Und dann passiert etwas Seltsames - auf einmal brechen alle digitalen Verbindungen ab. Sämtliche Bildschirme werden schwarz. Tiefschwarz. Die Freunde treffen ein, ihr Flug war dramatisch. Verwunderung, Erschütterung, Mutmaßungen. Die fünf versuchen sich einen Reim auf das rätselhafte, beängstigende Geschehen zu machen. Sie tauchen tief ein in das Wesen der Zeit, in die Essenz der menschlichen Existenz.
Es ist geradezu unheimlich, wie hellsichtig Don DeLillo in seinem neuen Roman die gegenwärtige Situation in der Welt reflektiert oder gar vorwegnimmt. Seine geschliffene Sprache, seine Phantasie und sein seismographisches Gespür machen »Die Stille« zu einem unvergleichlichen literarischen Kunstwerk.
Nur wenige Wochen vor Ausbruch der Corona-Pandemie schloss Don DeLillo die Arbeit an seinem neuen Roman ab. Ein Werk mit verblüffenden Parallelen zur aktuellen Situation in der Welt. Ein literarischer Meilenstein.
New York im Jahr 2022: Es ist der Super Bowl Sunday. In einer Wohnung auf der East Side von Manhattan wollen fünf Menschen gemeinsam das Finale der American Football-League im Fernsehen anschauen. Die emeritierte Physikprofessorin, ihr Mann und ihr früherer Student warten auf die Ankunft eines befreundeten Paares, das gerade auf dem Rückflug von Paris ist. Die Gespräche drehen sich um Einsteins Relativitätstheorie, ein Überwachungsteleskop im nördlichen Chile und eine besondere Bourbon Marke.Und dann passiert etwas Seltsames - auf einmal brechen alle digitalen Verbindungen ab. Sämtliche Bildschirme werden schwarz. Tiefschwarz. Die Freunde treffen ein, ihr Flug war dramatisch. Verwunderung, Erschütterung, Mutmaßungen. Die fünf versuchen sich einen Reim auf das rätselhafte, beängstigende Geschehen zu machen. Sie tauchen tief ein in das Wesen der Zeit, in die Essenz der menschlichen Existenz.
Es ist geradezu unheimlich, wie hellsichtig Don DeLillo in seinem neuen Roman die gegenwärtige Situation in der Welt reflektiert oder gar vorwegnimmt. Seine geschliffene Sprache, seine Phantasie und sein seismographisches Gespür machen »Die Stille« zu einem unvergleichlichen literarischen Kunstwerk.
Don DeLillo, 1936 geboren in New York, ist der Autor von zahlreichen Romanen und Theaterstücken. Sein umfangreiches Werk wurde mit dem National Book Award, dem PEN/Faulkner Award for Fiction, dem Jerusalem Prize und der William Dean Howells Medal from the American Academy of Arts and Letters ausgezeichnet. 2015 erhielt Don DeLillo den National Book Award Ehrenpreis für sein Lebenswerk.

Produktdetails
- Verlag: Kiepenheuer & Witsch
- Originaltitel: The Silence
- Artikelnr. des Verlages: 4004103
- 5. Aufl.
- Seitenzahl: 112
- Erscheinungstermin: 20. Oktober 2020
- Deutsch
- Abmessung: 198mm x 134mm x 17mm
- Gewicht: 193g
- ISBN-13: 9783462001280
- ISBN-10: 3462001280
- Artikelnr.: 59878235
Herstellerkennzeichnung
Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG, Verlag
Bahnhofsvorplatz 1
50667 Köln
info@bod.de
+49 (0221) 37685-0
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensent René Hamann räumt ein, dass man von diesem Buch über einen folgenschweren New Yorker Stromausfall durchaus ein wenig enttäuscht sein könne: Für einen Roman sei es mit 105 Seiten eigentlich zu kurz, die Figuren seien kaum mehr als Schablonen und Diskurse werden nur angetippt, nicht vertieft. Das DeLillo-Werk schließt es in den Augen des Kritikers dennoch würdig ab, denn die großen Thesen des Autors der Postmoderne treten noch einmal deutlich zutage, wie er findet: Auch nach der scheinbar allumfassenden Zerstörung wird es Worte geben, die in ihren neuen Kontexten wieder sinnhaft zusammengesetzt werden, sinniert er: Das Ende sei immer auch ein Anfang.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Im Fall des Ausfalls
Don DeLillos Kurzroman "Die Stille"
Vor achtzehn Jahren kam ein Roman aus dem Nachlass des 1998 verstorbenen amerikanischen Schriftstellers William Gaddis heraus: "Das mechanische Klavier". Gemessen an Gaddis' schmalem, aber in seinen Einzelteilen in jeglicher Hinsicht gewaltigem Werk (man denke nur an die Romane "Die Fälschung der Welt", "JR", "Letzte Instanz"), war das Büchlein eine Enttäuschung: nur 124 trotz Kleinformat großgedruckte Seiten, vielleicht ein Zwanzigstel des Umfangs von "JR". Aber es bot die Essenz einer halbjahrhundertlangen Beschäftigung mit dem Stoff und eines bei aller materiellen Bescheidenheit kompromisslosen Gaddis: absatzlos philosophisch und ästhetisch verdichtete
Don DeLillos Kurzroman "Die Stille"
Vor achtzehn Jahren kam ein Roman aus dem Nachlass des 1998 verstorbenen amerikanischen Schriftstellers William Gaddis heraus: "Das mechanische Klavier". Gemessen an Gaddis' schmalem, aber in seinen Einzelteilen in jeglicher Hinsicht gewaltigem Werk (man denke nur an die Romane "Die Fälschung der Welt", "JR", "Letzte Instanz"), war das Büchlein eine Enttäuschung: nur 124 trotz Kleinformat großgedruckte Seiten, vielleicht ein Zwanzigstel des Umfangs von "JR". Aber es bot die Essenz einer halbjahrhundertlangen Beschäftigung mit dem Stoff und eines bei aller materiellen Bescheidenheit kompromisslosen Gaddis: absatzlos philosophisch und ästhetisch verdichtete
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Prosa, wie sie in Amerika niemand schrieb außer ihm. Kein Hauptwerk, aber ein Hirngewächs, das seitdem weiter in den Köpfen der wohl wenigen weiterwuchert, die es gelesen haben. Ein letztes Wort mit Nachhall.
Vor drei Wochen kam ein neuer Roman des 1936 geborenen amerikanischen Schriftstellers Don DeLillo heraus, der materiell an "Das mechanische Klavier" erinnert. Schmal (sogar nur 106 Seiten), kleinformatig, ganz das Gegenstück zu gefeierten dicken DeLillo-Büchern wie "Underworld", "Libra", "Mao II" oder "Weißes Rauschen". Zwar hat DeLillo immer wieder auch eher kurze Romane publiziert - "Cosmopolis" von 2001 etwa oder zwei Jahre später "Falling Man" -, aber nie zuvor war er so knapp. Dabei hatten diese bisherigen dünneren Bücher Stoffe enthalten, die ihm erkennbar auf den Nägeln brannten: der Raubtierkapitalismus von Wall Street, die Attentate vom 11. September 2001. Diese Romane drängten rasch nach den Ereignissen, die sie beschrieben, aus ihm heraus, deshalb konnten sie nicht ausufern.
Die Handlung von DeLillos neuem, noch viel dünnerem Roman "Die Stille" ist dagegen in der Zukunft angesiedelt: im Februar 2022, am Superbowl-Sonntag. Zwei Ehepaare sind zum Fernsehabend verabredet, eines kommt gerade mit dem Flugzeug aus Europa zurück, das andere erwartet die Gäste gemeinsam mit einem Freund des Hauses in seinem New Yorker Appartement. Doch es wird zwei unerhörte Begebenheiten geben: einen Beinahe-Flugzeugabsturz und einen Stromausfall in der Stadt. Unter dem Eindruck beider Ereignisse mündet das gerade einmal ein paar Stunden umfassende Geschehen in ein bühnenartiges Finale, bei dem jeder der fünf Protagonisten einen Schlussmonolog über seinen (buchstäblichen) Blick auf die Welt hält. DeLillo als Kammerspieler ist kein neues Phänomen, aber derart theatralisch hat man ihn noch nicht gekannt.
Gab es gar keinen aktuellen Antrieb? Der deutsche Verlag raunt von "verblüffenden Parallelen zur aktuellen Situation", vermutlich weil einmal das Wort "Shutdown" vorkommt. Das ist Nonsens, DeLillo interessiert gerade nicht die Abgeschlossenheit, sondern die Öffnung, die alle fünf Akteure unter dem Druck der Ereignisse vollziehen. Es ist eine kühle Bestandsaufnahme des vom reibungslosen Funktionieren der Technik über den eigenen emotionalen Leerlauf hinweggetäuschten Wohlstandsbürgertums. Angesichts des gegenwärtigen Zurückgeworfenseins auf die eigenen vier Wände wird aber im schönen Schein einer Kontinuität medialer Zerstreuung eine neue Lebenslüge aufgebaut: als könnte man die Unmittelbarkeit von Gesprächs- oder Kunsterlebnis durch Videokonferenzen und Kulturkonserven ersetzen. Das hat DeLillo nicht geahnt. Er entwirft in "Die Stille" zwar ein Gegenprogramm, aber ein derzeit unmögliches, weil just das, was da erzwungen wird - Aussprache in einem Moment, wo alles Geplapper schweigen muss -, in den isolierten Corona-Tagen qua Kontaktverbot verhindert wird.
Auch bei Don DeLillo kann man wie im Fall von William Gaddis von einem Lebensthema sprechen, nur kannten wir es bei DeLillo längst, spätestens seit "Weißes Rauschen". Im Grunde ist "Die Stille" nicht nur dem Titel nach ein Komplementärbuch zu dem Klassiker von 1985. Das macht den Unterschied zu "Das mechanische Klavier" aus: Das Element der Überraschung fehlt. "Die Stille" wird auch in unserem Kopf Stille hinterlassen.
ANDREAS PLATTHAUS
Don DeLillo:
"Die Stille". Roman.
Aus dem
amerikanischen
Englisch von Frank
Heibert. Verlag
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020. 106 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vor drei Wochen kam ein neuer Roman des 1936 geborenen amerikanischen Schriftstellers Don DeLillo heraus, der materiell an "Das mechanische Klavier" erinnert. Schmal (sogar nur 106 Seiten), kleinformatig, ganz das Gegenstück zu gefeierten dicken DeLillo-Büchern wie "Underworld", "Libra", "Mao II" oder "Weißes Rauschen". Zwar hat DeLillo immer wieder auch eher kurze Romane publiziert - "Cosmopolis" von 2001 etwa oder zwei Jahre später "Falling Man" -, aber nie zuvor war er so knapp. Dabei hatten diese bisherigen dünneren Bücher Stoffe enthalten, die ihm erkennbar auf den Nägeln brannten: der Raubtierkapitalismus von Wall Street, die Attentate vom 11. September 2001. Diese Romane drängten rasch nach den Ereignissen, die sie beschrieben, aus ihm heraus, deshalb konnten sie nicht ausufern.
Die Handlung von DeLillos neuem, noch viel dünnerem Roman "Die Stille" ist dagegen in der Zukunft angesiedelt: im Februar 2022, am Superbowl-Sonntag. Zwei Ehepaare sind zum Fernsehabend verabredet, eines kommt gerade mit dem Flugzeug aus Europa zurück, das andere erwartet die Gäste gemeinsam mit einem Freund des Hauses in seinem New Yorker Appartement. Doch es wird zwei unerhörte Begebenheiten geben: einen Beinahe-Flugzeugabsturz und einen Stromausfall in der Stadt. Unter dem Eindruck beider Ereignisse mündet das gerade einmal ein paar Stunden umfassende Geschehen in ein bühnenartiges Finale, bei dem jeder der fünf Protagonisten einen Schlussmonolog über seinen (buchstäblichen) Blick auf die Welt hält. DeLillo als Kammerspieler ist kein neues Phänomen, aber derart theatralisch hat man ihn noch nicht gekannt.
Gab es gar keinen aktuellen Antrieb? Der deutsche Verlag raunt von "verblüffenden Parallelen zur aktuellen Situation", vermutlich weil einmal das Wort "Shutdown" vorkommt. Das ist Nonsens, DeLillo interessiert gerade nicht die Abgeschlossenheit, sondern die Öffnung, die alle fünf Akteure unter dem Druck der Ereignisse vollziehen. Es ist eine kühle Bestandsaufnahme des vom reibungslosen Funktionieren der Technik über den eigenen emotionalen Leerlauf hinweggetäuschten Wohlstandsbürgertums. Angesichts des gegenwärtigen Zurückgeworfenseins auf die eigenen vier Wände wird aber im schönen Schein einer Kontinuität medialer Zerstreuung eine neue Lebenslüge aufgebaut: als könnte man die Unmittelbarkeit von Gesprächs- oder Kunsterlebnis durch Videokonferenzen und Kulturkonserven ersetzen. Das hat DeLillo nicht geahnt. Er entwirft in "Die Stille" zwar ein Gegenprogramm, aber ein derzeit unmögliches, weil just das, was da erzwungen wird - Aussprache in einem Moment, wo alles Geplapper schweigen muss -, in den isolierten Corona-Tagen qua Kontaktverbot verhindert wird.
Auch bei Don DeLillo kann man wie im Fall von William Gaddis von einem Lebensthema sprechen, nur kannten wir es bei DeLillo längst, spätestens seit "Weißes Rauschen". Im Grunde ist "Die Stille" nicht nur dem Titel nach ein Komplementärbuch zu dem Klassiker von 1985. Das macht den Unterschied zu "Das mechanische Klavier" aus: Das Element der Überraschung fehlt. "Die Stille" wird auch in unserem Kopf Stille hinterlassen.
ANDREAS PLATTHAUS
Don DeLillo:
"Die Stille". Roman.
Aus dem
amerikanischen
Englisch von Frank
Heibert. Verlag
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020. 106 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»DeLillos kurzer Text regt die Phantasie an, der innere Film beginnt zu laufen, erst recht, wenn man das letzte Wort des Romans liest.« Theo Byland P.S., Schweiz 20210310
Super Bowl Sonntag im Jahr 2022. Jim Kripps und Tessa Berens sitzen im Flieger aus Paris. Der Langstreckenflug geht an die Substanz, minutiös notiert Jim die ganzen Angaben, die auf dem Bildschirm über seinem Kopf erscheinen, auch wenn diese in Französisch sind und er nicht alles …
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Super Bowl Sonntag im Jahr 2022. Jim Kripps und Tessa Berens sitzen im Flieger aus Paris. Der Langstreckenflug geht an die Substanz, minutiös notiert Jim die ganzen Angaben, die auf dem Bildschirm über seinem Kopf erscheinen, auch wenn diese in Französisch sind und er nicht alles versteht. In New York wollen sie gemeinsam mit Freunden das Spiel des Jahres sehen. Diane Lucas und Max Stenner haben schon alles für den Fernsehabend vorbereitet, auch Martin Dekker, ein junger Physiklehrer und Dianes ehemaliger Schüler, ist schon da. Gerade als das Spiel begonnen hat, kommt es jedoch zu einem Stromausfall, der nicht nur Diane und Max‘ Wohnung, sondern ganz New York betrifft. Derweil kommt es auf dem Flughafen zu einer Notlandung, bei der ihre Gäste verletzt werden, die daher zuerst in ein Krankenhaus gebracht werden müssen.
Don DeLillo hat seinen Roman vor Ausbruch der globalen Pandemie beendet, nichtsdestotrotz finden sich durchaus einige Parallelen, vor allem in der Atmosphäre, die geprägt ist von einer gewissen Endzeitstimmung und der Tatsache, dass sich die Figuren einer unkontrollierbaren Situation ausgeliefert sehen. Auch dass es nur sehr wenig Interaktion außerhalb des kleinen Figurenzirkels gibt, spiegelt ebenfalls sehr gut die Lockdown-Situation wieder, die weltweit Millionen, wenn nicht Milliarden zur Kontaktbeschränkung auf den engsten Familien- und Freundeskreis gezwungen hat.
„Die Stille“ bricht plötzlich über die Menschen herein, wirft nicht nur alle Pläne über den Haufen, sondern stellt viele Konzepte der Figuren infrage. Versucht Jim im Flieger noch alles detailreich zu notieren, um später nochmals darauf zurückblicken zu können und sich nicht auf sein Gedächtnis verlassen zu müssen, sind seine Aufzeichnungen nach dem Crash einfach verloren. All die Mühe war umsonst und an das Ereignis selbst hat er gar keine Erinnerung. Mit einem Wimpernschlag wurde so die Gewissheit des Festhalten-Könnens zerstört.
Die Mitarbeiter im Krankenhaus haben alle Hände voll zu tun und funktionieren roboterartig. Warum Jim eine Wunde am Kopf hat, interessiert sie schon gar nicht mehr, jeder dort hat eine Geschichte zu erzählen, für die jedoch keine Zeit ist. Sie führen mechanisch die zugewiesenen Aufgaben aus und vermeiden das Philosophieren über die Gesamtlage; diese können sie ob ihrer Dimension ohnehin nicht erfassen.
In der Wohnung sieht Martin Dekker in Einsteins Theorie den ultimativen Referenzpunkt während Max noch amüsiert ist und die entstandene Leere mit Parodien der berühmt-berüchtigten Werbeclips des Super Bowl füllt. Die beiden könnten gedanklich kaum weiter auseinanderliegen, zeigen aber so die Spannbreite menschlicher Reaktionen auf eine Ausnahmesituation auf.
Endzeitszenarien haben mehrfach Eingang in DeLillos Romane gefunden, wie etwa ein Störfall in einer Chemiefabrik in „Weißes Rauschen“ oder das Leben nach der Welt, wie wir sie heute kennen, in „Zero K“. In seinem aktuellen Roman bleibt offen, was eigentlich geschehen und wie bedrohlich die Lage tatsächlich ist. Auch bietet er keine klare Deutung seines Textes an, viel Raum lässt er dem Leser selbst etwas aus dem Gelesenen zu machen. Ist es unser Verhältnis zur Technik, von der wir abhängiger sind als wir uns oft eingestehen wollen (und die wir schon lange nicht mehr verstehen – was sollen Jim all die Zahlen sagen und doch fliegt das Flugzeug)? An Martin zeigt er auch, wie die hohe Intelligenz und Bildung eher zur Verzweiflung führen, da die Gedanken in einen unkontrollierbaren Mahlstrom geraten und panisch versucht wird, das nicht Begreifbare zu erfassen. Andererseits auch das bewundernswert pragmatische Anpacke im Krankenhaus, manchmal ist es einfach die beste Lösung, das Naheliegende zu erledigen und mit Scheuklappen umherzugehen.
Don DeLillo gehört zweifelsfrei zu den besten zeitgenössischen Autoren der USA und unwillkürlich ist es ihm wieder einmal gelungen, die Stimmung der Stunde literarisch einzufangen.
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Die Stille im Kopf des Lesers
Der neueste Roman des Postmodernisten Don DeLillo mit dem deskriptiven Titel «Die Stille» wird oft als Dystopie missverstanden. Diese einen einzigen Tag des Jahres 2022 schildernde Erzählung ist eine nüchterne Zustandsbeschreibung, keine …
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Die Stille im Kopf des Lesers
Der neueste Roman des Postmodernisten Don DeLillo mit dem deskriptiven Titel «Die Stille» wird oft als Dystopie missverstanden. Diese einen einzigen Tag des Jahres 2022 schildernde Erzählung ist eine nüchterne Zustandsbeschreibung, keine negative Zukunftsvision. Plakativ könnte man das so umschreiben: Nehmt doch mal allen Leuten ihre Smartphones weg und schaut, was dann passiert! Der amerikanische Autor hat den Bogen aber noch viel weiter gespannt, er nimmt einfach den Strom weg. Ein Zusammenbruch aller digitalen Systeme ist die Folge. Alle Bildschirme bleiben schwarz, früher oder später sind auch alle Akkus leer, und sämtlichen Notstrom-Aggregaten geht der Treibstoff aus.
In New York haben sich fünf Menschen verabredet, abends gemeinsam das Finale der American Football-League im Fernsehen anzuschauen. In ihrem Appartement warten die emeritierte Physik-Professorin Diane, Max, ihr footballsüchtiger Mann und Martin, einer ihrer Ex-Studenten mit Savant-Syndrom, auf ein befreundetes Paar, das rechtzeitig mit dem Flugzeug aus Paris zurückkehren will. Die farbige Tessa, eine Journalistin und Schriftstellerin, und ihr Mann Jim führen im Flugzeug eine banale, belanglose Konversation, sie starren auf die Bildschirme vor ihnen. Sowohl im Appartement als auch im Flugzeug werden die Protagonisten von außen bespaßt, sie reden nicht über sich, über ihre Erlebnisse, sie kommentieren nur die Bilder, die sie vorgespielt bekommen. Bis im Landeanflug die Displays plötzlich schwarz werden, die Maschine ins Trudeln gerät und zur Notlandung ansetzt. Leicht lädiert flüchten die Beiden aus dem havarierten Flugzeug und werden in eine Klinik gebracht, wo Jims Kopfverletzung ambulant versorgt wird. Da der Verkehr völlig zusammengebrochen ist, müssen sie zu Fuß zur Wohnung ihrer Freunde gehen. Was sollten sie auch sonst tun?
Vor dem schwarzen Bildschirm kommentiert der enttäuschte Max pantomimisch in allen Details ein fiktives sportliches Geschehen auf der Mattscheibe, einschließlich aller eingeblendeten Werbeclips. Diese makabre Reportage spiegelt eindrucksvoll die beängstigende Situation, auf die sich alle keinen Reim machen können, über die es allenfalls Mutmaßungen gibt. Betrifft der totale Crash die ganze Welt? Zusammenhanglos zitiert der inselbegabte Martin immer wieder aus Einsteins Relativitäts-Theorie, auch das Atakama Radioteleskop in Chile wird erwähnt. Es fallen Begriffe wie Krypto-Währung, Cyberangriff, Biowaffen, digitales Wettrüsten, autonome Drohnen. Gibt es womöglich bereits Menschen, denen ein Telefon implantiert wurde? «Wir werden zombifiziert», sagt Max, «wir werden verspatzenhirnt». Einprägsam ist dem schmalen Bändchen ein Zitat Albert Einsteins vorangestellt: «Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der Dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im Vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen».
In einem kammerspielartigen Setting dreht sich das nur wenige Stunden umfassende Geschehen um nicht weniger als den Sinn der menschlichen Existenz. Jeder der fünf Protagonisten offenbart in einem theatralischen Schlussmonolog auf seine Weise seine emotionale Leere in einer saturierten Gesellschaft. Die scheint auf mediale Zerstreuungen derart angewiesen zu sein, dass sich ein totaler digitaler Crash schon fast als Nicht-Sein im philosophischen Sinne erweist. Wo nur Äußerliches wichtig erscheint, wo das Menschsein als Gesprächsstoff nicht mehr taugt, wo nur üppiger Wohlstand Befriedigung zu verschaffen vermag, da enttarnt so ein Blackout das virtuelle Paradies als Schimäre, er markiert eine Zäsur. Die allesamt konturlos bleibenden Figuren gleichen leeren Hüllen, sie reden zwar, aber sie kommunizieren nicht miteinander. Um sie herum herrscht die titelgebende Stille, die aber letztendlich auch im Kopf des Lesers keine Spuren zu hinterlassen vermag. Dazu trägt nicht wenig auch das hier ins Extreme komprimierte Erzählen bei, das sich leider allzu oft auf vage Andeutungen beschränkt.
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Don DeLillo, der große amerikanische Autor der Postmoderne, hat schon öfter kurze Romane geschrieben. In guter Erinnerung geblieben sind mir Der Omegapunkt und Körperzeit, auch einige Kurzgeschichten.
Die Stille ist auch sehr kurz, prägnanter als mir als Leser lieb ist. Die …
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Don DeLillo, der große amerikanische Autor der Postmoderne, hat schon öfter kurze Romane geschrieben. In guter Erinnerung geblieben sind mir Der Omegapunkt und Körperzeit, auch einige Kurzgeschichten.
Die Stille ist auch sehr kurz, prägnanter als mir als Leser lieb ist. Die Handlung ist 2022 angesiedelt.
Zugang zu den Figuren findet man nicht ganz leicht. Dabei haben viele von ihnen vielversprechende Ansätze.Interessant sind die Figuren allemal.
Da sind z.B. Max Stenner, Diane und Martin die den Superbowl ansehen wollen. Doch dann wird der Bildschirm schwarz.
Dann gibt es noch Jim und Tessa, die einen Flugzeug-beinahe-Absturz überlebt haben. Auch anderes fällt aus, z.B. Handys, Strom etc. Das nimmt im zweiten Teil immer größere Ausmaße an.
Es gibt einige Sätze, die ich ziemlich originell sind, dann gibt es aber auch ein paar, die mir einfach zu verknappt waren. Streckenweise kommt es mir wie ein zu lockeres Geplauder über den möglichen Weltuntergang vor. Als Gedankenspiel hat das auch was.
Das schmale Buch lässt mich zwiegespalten zurück. Mir hat es schon gefallen, aber das erwartete Lesefest war es doch nicht. Ein zweiter Lesegang mit etwas Abstand erscheint mir zwingend!
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