Bov Bjerg
Gebundenes Buch
Der Vorweiner
Roman Nach der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2020: Der neue Bov Bjerg!
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Der neue große Roman des Bestsellerautors von "Auerhaus" und "Serpentinen"Resteuropa, Ende des Jahrhunderts. Bürgerkriege und Naturkatastrophen haben die Welt verwüstet. Eine dicke Schicht Beton hebt den Rumpfkontinent über den steigenden Meeresspiegel. In den Auffanglagern Neuschwanstein und Neulübeck versammeln sich dänische, ghanaische oder niederländische Geflüchtete. Einer von ihnen ist Jan.Mit nichts am Leib tritt er in die Dienste von A. wie Anna. Für sie war es höchste Zeit, sich einen Trauergastarbeiter zuzulegen.Tränen bringen Prestige, und nur wer über einen fähigen Vor...
Der neue große Roman des Bestsellerautors von "Auerhaus" und "Serpentinen"
Resteuropa, Ende des Jahrhunderts. Bürgerkriege und Naturkatastrophen haben die Welt verwüstet. Eine dicke Schicht Beton hebt den Rumpfkontinent über den steigenden Meeresspiegel. In den Auffanglagern Neuschwanstein und Neulübeck versammeln sich dänische, ghanaische oder niederländische Geflüchtete. Einer von ihnen ist Jan.
Mit nichts am Leib tritt er in die Dienste von A. wie Anna. Für sie war es höchste Zeit, sich einen Trauergastarbeiter zuzulegen.
Tränen bringen Prestige, und nur wer über einen fähigen Vorweiner verfügt, um den wird am Ende überzeugend geweint. Zu echter Trauer ist ohnehin niemand mehr in der Lage. Auch nicht B. wie Berta, Annas Tochter. Berta ist die Erzählerin und das lidlose Auge unserer Geschichte. Und wie sie erzählt: furios, komisch und ohne Mitleid.
Bov Bjergs neuer Roman ist ein kühner Wurf: barock wie ein Menuett, gegenwärtig wie ein Liveticker, fernsichtig wie eine Vorhersage. Und mit absolutem Gehör für Sprache und ihre Möglichkeiten komponiert. Der Vorweiner ist ein preiswürdiges Erzählkunstwerk über eine Welt, die in Staunen versetzt.
Resteuropa, Ende des Jahrhunderts. Bürgerkriege und Naturkatastrophen haben die Welt verwüstet. Eine dicke Schicht Beton hebt den Rumpfkontinent über den steigenden Meeresspiegel. In den Auffanglagern Neuschwanstein und Neulübeck versammeln sich dänische, ghanaische oder niederländische Geflüchtete. Einer von ihnen ist Jan.
Mit nichts am Leib tritt er in die Dienste von A. wie Anna. Für sie war es höchste Zeit, sich einen Trauergastarbeiter zuzulegen.
Tränen bringen Prestige, und nur wer über einen fähigen Vorweiner verfügt, um den wird am Ende überzeugend geweint. Zu echter Trauer ist ohnehin niemand mehr in der Lage. Auch nicht B. wie Berta, Annas Tochter. Berta ist die Erzählerin und das lidlose Auge unserer Geschichte. Und wie sie erzählt: furios, komisch und ohne Mitleid.
Bov Bjergs neuer Roman ist ein kühner Wurf: barock wie ein Menuett, gegenwärtig wie ein Liveticker, fernsichtig wie eine Vorhersage. Und mit absolutem Gehör für Sprache und ihre Möglichkeiten komponiert. Der Vorweiner ist ein preiswürdiges Erzählkunstwerk über eine Welt, die in Staunen versetzt.
Bov Bjerg, geboren 1965, ist Schriftsteller und Vorleser. Sein erster Roman hieß 'Deadline', sein zweiter, 'Auerhaus', wurde verfilmt und von vielen Theatern inszeniert. Eine Geschichtensammlung erschien unter dem Titel 'Die Modernisierung meiner Mutter'. Mit 'Serpentinen' war Bov Bjerg auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2020.
Produktdetails
- Verlag: Claassen Verlag
- Auflage
- Seitenzahl: 237
- Erscheinungstermin: August 2023
- Deutsch
- Abmessung: 204mm x 128mm x 30mm
- Gewicht: 344g
- ISBN-13: 9783546100380
- ISBN-10: 3546100387
- Artikelnr.: 67725691
Herstellerkennzeichnung
Claassen-Verlag
Friedrichstraße 126
10117 Berlin
Info@Ullstein-Buchverlage.de
Perlentaucher-Notiz zur FAS-Rezension
Rezensentin Hanna Engelmeier wirkt nicht unbedingt überrascht, aber dennoch gut unterhalten von Bov Bjerks satirischer Dystopie. In der betreffenden Zukunft herrscht in einem Kontinent namens "Resteuropa" Wasserknappheit, die Menschen begegnen sich oft als Mörder und haben große Emotionen wie Trauer auf sogenannte Vorweiner, meist aus südlicheren Gebieten Geflüchtete, quasi outgesourced. Dabei gehe es in der eher lose verknüpften, szenenartigen Zusammenstellung "wenig zimperlich" zu. Vom Hineinlegen in Schweinekadaver liest Engelmeier etwa oder vom pragmatischen Mord zur Risikominimierung. Allzu düster werde es aber doch nie, was Engelmeier auf einen lakonischen, zuweilen "aufgekratzten" Erzählton vor allem in kurzen Zusammenfassungen vor jedem Kapitel zurückführt. Ein "enormes komisches Talent" gesteht sie dem Autor hier zu, gewinnt ab und an aber auch den Eindruck eines großen Poetry-Slam-Beitrags. Wie viel sie mit dieser Abgeklärtheit des Grotesken im Blick auf die Zukunft letztlich anfangen kann, bleibt offen, zumindest Bjerks handwerkliches Können scheint die Kritikerin aber zu schätzen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Berufsbefähigt zu trauern
Bov Bjergs Roman "Der Vorweiner" führt in eine beklemmende resteuropäische Zukunftsgesellschaft
Bov Bjergs neuer Roman ist visionär. Am Ende eines Augusts, in dem Deutschland zur Hauptferienzeit in sintflutartigem Regen versank, während weite Teile Südeuropas in Flammen standen, teilt "Der Vorweiner" ein klimagewandeltes Deutschland am Ende des 21. Jahrhunderts in eine Westhälfte unter Dauerregen und einen wüsten Osten mit Gürteltieren, Nandus, Wald- und Steppenbränden. Deutschland ist aber nicht mehr Deutschland, sondern Resteuropa. Alle Staaten ringsum sind buchstäblich den Bach heruntergegangen. Österreich am eigenen Nationalismus, die Schweiz an einem mysteriösen Goldpilz, der die
Bov Bjergs Roman "Der Vorweiner" führt in eine beklemmende resteuropäische Zukunftsgesellschaft
Bov Bjergs neuer Roman ist visionär. Am Ende eines Augusts, in dem Deutschland zur Hauptferienzeit in sintflutartigem Regen versank, während weite Teile Südeuropas in Flammen standen, teilt "Der Vorweiner" ein klimagewandeltes Deutschland am Ende des 21. Jahrhunderts in eine Westhälfte unter Dauerregen und einen wüsten Osten mit Gürteltieren, Nandus, Wald- und Steppenbränden. Deutschland ist aber nicht mehr Deutschland, sondern Resteuropa. Alle Staaten ringsum sind buchstäblich den Bach heruntergegangen. Österreich am eigenen Nationalismus, die Schweiz an einem mysteriösen Goldpilz, der die
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Depots in Humus verwandelt hat - "die Champignonzucht macht die Verluste nicht wett". In England wütet die Pest; Italien sowie die Nord- und Ostseeanrainerstaaten versanken im steigenden Meeresspiegel. Mitverursacht durch den dicken Betondamm, mit dem sich Resteuropa alias Deutschland eindeichte und alles außerhalb gnadenlos versenkte.
Wer in dieser auf Deutschland verkleinerten Frontex-Realität aus dem Rest der Welt via Schlauchboot in die Festung Resteuropa gelangt, ohne von Torpedos zerfetzt oder wachsamen Spaziergängern in den Tod getreten zu werden, landet beispielsweise in Neuschwanstein - mangels Tourismus nun Auffanglager. So auch der vom über den ehemaligen Niederlanden schwimmenden Floß stammende Jan. Er ist Vorweiner und somit Angehöriger eines neuen Berufsstands.
Angesichts des Sterbens ringsum hat Resteuropa das Trauern kurzerhand abgeschafft. Für A wie Anna ist dies ein revolutionärer Akt geistiger Hygiene, für ihre Tochter B wie Berta Ausdruck kollektiver Konzentrationsschwäche. Begräbnisse sind ebenso verboten wie Friedhöfe. In doppelsinnigen Zerstreuungsfeiern wird vor wenigen physisch Anwesenden die Asche der Verstorbenen ausgestreut, während alle anderen sich via Internet mit blinder Kamera zuschalten und parallel Hausarbeiten erledigen. Niemand will sich die Blöße des Trauerns geben, gleichwohl jeder formvollendet betrauert werden. Wer also nicht von einer amtlich zugeteilten Nachbarin beschluchzt werden will, legt sich beizeiten einen persönlichen Vorweiner zu, so wie A es mit Jan tut.
Nur die perfekte Performance der Vorweiner sorgt für ein Nachleben via Klicks. Dialektisch kehrt die abgeschaffte Trauer wieder als Luxusgut, das die Oberschicht hartnäckig gegen Begehrlichkeiten der Niederschicht verteidigt. Die Klageweiber traditioneller Gesellschaften haben das Geschlecht gewechselt. Das passt zu einer Geschichte, die vor allem unter Frauen spielt, die den patriarchalen Kapitalismus verinnerlicht haben. Zwischen ihnen und ihren stets aus dem Ausland stammenden Vorweinern herrscht eine Beziehung asexueller, pseudokindlicher Hingabe. Hündisch abgerichtet auf die für Trauer notwendige "Bindung" - und zu diesem Zweck regelmäßig mit ihren untergegangenen Nationalgerichten gefüttert -, investieren die Vorweiner ihr Leben als leeres Warten auf den fremden Tod. In der Hoffnung, vor dem eigenen noch einen Rest Leben in Wohlstand führen zu können. Bis dahin bleiben sie, wie Jan, eine Leerstelle.
Das verdrängte Sterben bestimmt das gesamte "resteuropäische" Leben. Alle Nachrichten, die A im Autoradioradio hastig wegdrückt, berichten über Tode und enden mit Schreien der Hinterbliebenen. Die meisten stammen von ihrer Tochter B., einer studierten Meisterin des modern journalism. In einem vom Dauerregen gefluteten Neuhamburger Kellerappartement entwirft die angeblich viel gebuchte, tatsächlich aber unter dem Existenzminimum lebende Klickbeuterin die Meldungen aus dem Kopf nach wiederkehrender Systematik. Dass sie sich dabei als letzte Quelle für "seriöse Nachrichten" definiert, ist eine Warnung, denn sie erzählt die vorliegende Geschichte. Aus räumlicher Froschperspektive, aber dem Blickwinkel der herrschenden Klasse betrachtet sie kühl ihren Niederschichten-Lover "Pizza-Pete" und beseitigt ihn am Ende genauso wie ehedem A ihren gewalttätigen Mann, B's Vater.
In der Niederschicht - sonst bei Bjerg mitunter Hoffnungsschimmer - sind die oberschichtlichen Verhaltenslehren der Kälte lediglich um ein Grad Körpertemperatur zu stumpfer Brutalität erhitzt. Und nun begehrt die aus Sicht der Oberschicht stumpfe, mit eigens für sie produziertem Bier stillgehaltene Masse auch noch die vermeintlich lukrativen Vorweinerstellen: "Die Niederschicht glaubt tatsächlich, sie könne diese Arbeit so gut machen wie die Ausländer. Sie verstehen nicht, dass sie gar nicht verzweifelt genug sind."
Im Vorweinen erkennt man unschwer eine Poetik der Wahrhaftigkeit und kunstvollen Überformung. Vieles in diesem pandemieversehrten brandaktuellen und hochpolitischen Roman mit seiner mehrfach geschichteten Zeitstruktur ist so fulminant, witzig und bitterböse erzählt wie die Zerstreuungsfeier einer "ewigen Kanzlerin", exquisit beweint von einem Vorweiner-Chor "lauter Staatsbeamte im Offiziersrang . . . sämtlich aufgewachsen in Kamerun und Nigeria", dessen Lebensgrundlage ihre Politik zerstört hat.
Ein raffiniertes Vexierspiel spiegelt unsere Gegenwart als unferne Zukunft einer barocken Vergangenheit und langt dabei ordentlich zu - von Sex mit einem Pizzakarton über diverse Morde an Menschen, Schnecken und einem Schwein. Nicht zufällig evozieren die den Kapiteln vorangestellten Inhaltsangaben sowohl Grimmelshausen als auch Döblin. Barockmusik berieselt die rokokohafte Bootsfahrt der alphabetisch aufgereihten Freundinnen von A, Kirchenlieder Paul Gerhardts die Zerstreuungsfeiern, und A redet ihren Vorweiner Jan mit "er" an, wie die Herrinnen des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts ihre Domestiken. Die winzigen Kartoffeln, nach denen A in verzweifelter Suche nach der authentischen Erfahrung ihrer kleinbürgerlichen Datschen-Vergangenheit im ausgedörrten märkischen Boden gräbt, mit dem Vorweiner schält und isst, evozieren nicht nur den ebenso kartoffel- wie barockseligen Günter Grass. Als dicke Supermarktware holen sie B schließlich am heimischen Herd ein, lassen sie ihr Picaro-Dasein abschließen und das Erbe der Mutter antreten.
"Die zerfransten Bilder und Gedanken, die Anna in Zeitlupe erlebte, gehörten nicht zusammen und passten nicht aneinander", heißt es am Ende, und tatsächlich bleibt nicht nur das Verhältnis zwischen Memento mori und emotionaler Verweigerung rätselhaft. Womit prosperiert dieses verewigte Deutschland als einsame Insel einer fast vollständig untergegangenen Welt? Woher stammen angesichts eines Klimas, in dem nichts mehr wachsen oder reifen kann, die exquisiten Lebensmittel, die A und B sich von ihrer Köchin zubereiten lassen? Ist die Niederschicht ausgehaltene oder doch ausgebeutete Masse? Bjergs "hohe Kunst der Verknappung" (Jan Wiele) wird angesichts der thematischen Fülle einer dystopischen Welt zum Hemmschuh, und dem barocken Text fehlt eine ebenbürtige Fabulierlust. Oft gerinnt die Lakonie zum Aperçu, und die satirischen Skizzen im letzten Drittel bremsen den Text dabei aus, von der hellsichtigen, aber auch durchsichtigen Allegorie auf unsere Gegenwart zu einem seiner Poetik ebenbürtigen Menetekel zu werden. TINA HARTMANN
Bov Bjerg: "Der Vorweiner". Roman.
Claassen Verlag, München 2023. 240 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wer in dieser auf Deutschland verkleinerten Frontex-Realität aus dem Rest der Welt via Schlauchboot in die Festung Resteuropa gelangt, ohne von Torpedos zerfetzt oder wachsamen Spaziergängern in den Tod getreten zu werden, landet beispielsweise in Neuschwanstein - mangels Tourismus nun Auffanglager. So auch der vom über den ehemaligen Niederlanden schwimmenden Floß stammende Jan. Er ist Vorweiner und somit Angehöriger eines neuen Berufsstands.
Angesichts des Sterbens ringsum hat Resteuropa das Trauern kurzerhand abgeschafft. Für A wie Anna ist dies ein revolutionärer Akt geistiger Hygiene, für ihre Tochter B wie Berta Ausdruck kollektiver Konzentrationsschwäche. Begräbnisse sind ebenso verboten wie Friedhöfe. In doppelsinnigen Zerstreuungsfeiern wird vor wenigen physisch Anwesenden die Asche der Verstorbenen ausgestreut, während alle anderen sich via Internet mit blinder Kamera zuschalten und parallel Hausarbeiten erledigen. Niemand will sich die Blöße des Trauerns geben, gleichwohl jeder formvollendet betrauert werden. Wer also nicht von einer amtlich zugeteilten Nachbarin beschluchzt werden will, legt sich beizeiten einen persönlichen Vorweiner zu, so wie A es mit Jan tut.
Nur die perfekte Performance der Vorweiner sorgt für ein Nachleben via Klicks. Dialektisch kehrt die abgeschaffte Trauer wieder als Luxusgut, das die Oberschicht hartnäckig gegen Begehrlichkeiten der Niederschicht verteidigt. Die Klageweiber traditioneller Gesellschaften haben das Geschlecht gewechselt. Das passt zu einer Geschichte, die vor allem unter Frauen spielt, die den patriarchalen Kapitalismus verinnerlicht haben. Zwischen ihnen und ihren stets aus dem Ausland stammenden Vorweinern herrscht eine Beziehung asexueller, pseudokindlicher Hingabe. Hündisch abgerichtet auf die für Trauer notwendige "Bindung" - und zu diesem Zweck regelmäßig mit ihren untergegangenen Nationalgerichten gefüttert -, investieren die Vorweiner ihr Leben als leeres Warten auf den fremden Tod. In der Hoffnung, vor dem eigenen noch einen Rest Leben in Wohlstand führen zu können. Bis dahin bleiben sie, wie Jan, eine Leerstelle.
Das verdrängte Sterben bestimmt das gesamte "resteuropäische" Leben. Alle Nachrichten, die A im Autoradioradio hastig wegdrückt, berichten über Tode und enden mit Schreien der Hinterbliebenen. Die meisten stammen von ihrer Tochter B., einer studierten Meisterin des modern journalism. In einem vom Dauerregen gefluteten Neuhamburger Kellerappartement entwirft die angeblich viel gebuchte, tatsächlich aber unter dem Existenzminimum lebende Klickbeuterin die Meldungen aus dem Kopf nach wiederkehrender Systematik. Dass sie sich dabei als letzte Quelle für "seriöse Nachrichten" definiert, ist eine Warnung, denn sie erzählt die vorliegende Geschichte. Aus räumlicher Froschperspektive, aber dem Blickwinkel der herrschenden Klasse betrachtet sie kühl ihren Niederschichten-Lover "Pizza-Pete" und beseitigt ihn am Ende genauso wie ehedem A ihren gewalttätigen Mann, B's Vater.
In der Niederschicht - sonst bei Bjerg mitunter Hoffnungsschimmer - sind die oberschichtlichen Verhaltenslehren der Kälte lediglich um ein Grad Körpertemperatur zu stumpfer Brutalität erhitzt. Und nun begehrt die aus Sicht der Oberschicht stumpfe, mit eigens für sie produziertem Bier stillgehaltene Masse auch noch die vermeintlich lukrativen Vorweinerstellen: "Die Niederschicht glaubt tatsächlich, sie könne diese Arbeit so gut machen wie die Ausländer. Sie verstehen nicht, dass sie gar nicht verzweifelt genug sind."
Im Vorweinen erkennt man unschwer eine Poetik der Wahrhaftigkeit und kunstvollen Überformung. Vieles in diesem pandemieversehrten brandaktuellen und hochpolitischen Roman mit seiner mehrfach geschichteten Zeitstruktur ist so fulminant, witzig und bitterböse erzählt wie die Zerstreuungsfeier einer "ewigen Kanzlerin", exquisit beweint von einem Vorweiner-Chor "lauter Staatsbeamte im Offiziersrang . . . sämtlich aufgewachsen in Kamerun und Nigeria", dessen Lebensgrundlage ihre Politik zerstört hat.
Ein raffiniertes Vexierspiel spiegelt unsere Gegenwart als unferne Zukunft einer barocken Vergangenheit und langt dabei ordentlich zu - von Sex mit einem Pizzakarton über diverse Morde an Menschen, Schnecken und einem Schwein. Nicht zufällig evozieren die den Kapiteln vorangestellten Inhaltsangaben sowohl Grimmelshausen als auch Döblin. Barockmusik berieselt die rokokohafte Bootsfahrt der alphabetisch aufgereihten Freundinnen von A, Kirchenlieder Paul Gerhardts die Zerstreuungsfeiern, und A redet ihren Vorweiner Jan mit "er" an, wie die Herrinnen des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts ihre Domestiken. Die winzigen Kartoffeln, nach denen A in verzweifelter Suche nach der authentischen Erfahrung ihrer kleinbürgerlichen Datschen-Vergangenheit im ausgedörrten märkischen Boden gräbt, mit dem Vorweiner schält und isst, evozieren nicht nur den ebenso kartoffel- wie barockseligen Günter Grass. Als dicke Supermarktware holen sie B schließlich am heimischen Herd ein, lassen sie ihr Picaro-Dasein abschließen und das Erbe der Mutter antreten.
"Die zerfransten Bilder und Gedanken, die Anna in Zeitlupe erlebte, gehörten nicht zusammen und passten nicht aneinander", heißt es am Ende, und tatsächlich bleibt nicht nur das Verhältnis zwischen Memento mori und emotionaler Verweigerung rätselhaft. Womit prosperiert dieses verewigte Deutschland als einsame Insel einer fast vollständig untergegangenen Welt? Woher stammen angesichts eines Klimas, in dem nichts mehr wachsen oder reifen kann, die exquisiten Lebensmittel, die A und B sich von ihrer Köchin zubereiten lassen? Ist die Niederschicht ausgehaltene oder doch ausgebeutete Masse? Bjergs "hohe Kunst der Verknappung" (Jan Wiele) wird angesichts der thematischen Fülle einer dystopischen Welt zum Hemmschuh, und dem barocken Text fehlt eine ebenbürtige Fabulierlust. Oft gerinnt die Lakonie zum Aperçu, und die satirischen Skizzen im letzten Drittel bremsen den Text dabei aus, von der hellsichtigen, aber auch durchsichtigen Allegorie auf unsere Gegenwart zu einem seiner Poetik ebenbürtigen Menetekel zu werden. TINA HARTMANN
Bov Bjerg: "Der Vorweiner". Roman.
Claassen Verlag, München 2023. 240 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Bov Bjerg hat ein neobarockes Kunstwerk verfasst, das in der zeitgenössischen Literatur seinesgleichen sucht.« Carsten Otte SWR
Rezensent Carsten Otte liest Bov Bjergs dystopischen Roman mit großem Interesse: Die Welt ist durch Naturkatastrophen und Kriege zerstört worden, nur noch wenige Orte auf der Welt sind bewohnbar, es gibt eine Unterschicht, bestehend aus Flüchtlingen und Ausgebeuteten, und eine Elite, die dazu angehalten wird, sich politisch-korrekt zu verhalten, zu echter Empathie aber nicht mehr fähig ist, lesen wir. Die Protagonistinnen, Anna und Berta, sind wie der Rest der Elite, auf der Suche nach Erlebnissen und echten Gefühlen, so Otte. Anna arbeitet für eine Nachrichtenagentur und produziert pseudo-wahre Geschichten, die das Mitleid der Eliten-Mitglieder anregen sollen - zum Beispiel die ausführliche Schilderung von der Gefühlswelt einer Mutter, die ihr Kind verliert. Im Todesfall holen sich die Reichen laut Otte einen Vorweiner, der mit seinem Weinen den Tränenfluss der anderen Teilnehmer anregen soll. Bjerg die achtsame Elite aufs Korn nimmt, erweist er sich für den begeisterten Kritiker als "gnadenloser Diskurskiller" - aber mit Tiefe.
© Perlentaucher Medien GmbH
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n einer Welt, in der Witze vintage sind und die Contenance künstlich durch ein bisschen Plastik im Oberlippenbogen gesichert wird, ist ein ganz neues Berufsfeld entstanden: das der Vorweiner. Wer etwas auf sich hält, der oder die sucht sich einen Vorweiner aus, der einen nach dem eigenen …
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n einer Welt, in der Witze vintage sind und die Contenance künstlich durch ein bisschen Plastik im Oberlippenbogen gesichert wird, ist ein ganz neues Berufsfeld entstanden: das der Vorweiner. Wer etwas auf sich hält, der oder die sucht sich einen Vorweiner aus, der einen nach dem eigenen Tod beweint. Zu finden sind dafür eher als genügend Bewerber, denn die Klimakatastrophe hat die Welt auch in einen Ort verwandelt, der nur noch wenig Lebensraum für Menschen bietet. Und somit sind massenweise Flüchtige unterwegs, die im noch bestehenden Resteuropa ihre Tränen gegen eine Heimat anbieten.
Ihr denkt, das klingt skurril? Es wird noch wilder und manchmal ist das lustig, dann schrecklich und im schlimmsten Fall abstoßend. Ich bin ehrlich, ich war zum
Ende hin schon sehr froh, dass es dann auch mal vorbei war mit dem Buch. Und verstanden hab ich ganz sicher auch nicht alles.
Stilistisch ist die Lektüre ebenfalls ein ungewöhnliches Vergnügen. Einige Elemente erinnern eher an eine Art Drehbuch und verbildlichen das Geschehen oder geben Zusatzinformationen, die, wie ich finde, nicht immer Sinn ergeben. Bov Bjerg spielt dabei geradezu mit der Sprache, was ziemlich Spaß machen kann aber manchmal hätte ich lieber einfach nur verstanden, was die Szene gerade soll.
Es ist wie ein Fiebertraum. Ein Fieberalbtraum.
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ungewöhnlich
Worum geht es?
Das Resteuropa Ende des 20. Jahrhunderts ist eher trostlos, karg und ohne Emotionen. Nur die dorthin geflüchteten Menschen können noch trauern und die reiche Oberschicht leistet sich Vorweiner, für den Falle ihres Todes. Von so einer Beziehung …
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ungewöhnlich
Worum geht es?
Das Resteuropa Ende des 20. Jahrhunderts ist eher trostlos, karg und ohne Emotionen. Nur die dorthin geflüchteten Menschen können noch trauern und die reiche Oberschicht leistet sich Vorweiner, für den Falle ihres Todes. Von so einer Beziehung handelt dieses Buch.
Worum geht es wirklich?
Herkunft, Hoffnung und Lebensgefühl
Lesenswert?
Ja, aber wird keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Der Aufbau der meist kurzen Kapitel ist sehr speziell und ungewohnt, oft kommen Einschübe und leere Zeilen. Dadurch ist der gesamte Text eigentlich noch viel kürzer als nur gut zweihundert Seiten.
Die Sprache ist ebenfalls eher interessant, schwankt zwischen keiner einfachen Lektüre und dann plapperndes Spiel mit bestimmten Worten. Fand ich interessant zu lesen, würde daher aber auf jeden Fall eine Leseprobe vor dem Kauf empfehlen.
Die ganze Welt, in der diese Geschichte spielt, fand ich cool konstruiert, interessante Ideen und habe ich in der Form bei nahen Dystopien noch nicht gelesen. Man erfährt nur häppchenweise etwas über die Situation und was passiert ist - war für mich völlig okay.
Dadurch, dass den Figuren der Oberschicht die Emotionen größtenteils fehlen und genau aus dieser Oberschicht die Protagonistinnen kommen, bekommt man kein Gefühl für die Figuren. Sie wirken nicht richtig menschlich, eher skurril und trostlos und agieren teilweise wie Roboter. Dabei sind sie oft auf der Suche nach Gefühlen oder nach einmaligen „echten“ Erlebnissen, wie es sie in der alten Welt gab.
Durch die Kürze des Textes gibt es auch keine große spannungsvolle Handlung.
Alles in allem finde ich das Buch spannend, weil irgendwie experimentell und auch humorvoll an einigen Stellen, zeitgleich finden sich schon ab und an ernste Themen wodurch man Dinge hinterfragen kann. Dennoch hat mir etwas gefehlt, damit ich dieses Buch im Hinterkopf behalten werde.
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Nicht stringent;
Dieses zynische Buch ist schwer zu lesen und genauso schwer zu bewerten. Der Schreibstil ist eigentlich nicht schlecht und wäre gut zu lesen, wenn der Inhalt etwas verdaulicher und logischer aufbereitet gewesen wäre. Durch die wirre Handlung in der Zukunft und der …
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Nicht stringent;
Dieses zynische Buch ist schwer zu lesen und genauso schwer zu bewerten. Der Schreibstil ist eigentlich nicht schlecht und wäre gut zu lesen, wenn der Inhalt etwas verdaulicher und logischer aufbereitet gewesen wäre. Durch die wirre Handlung in der Zukunft und der dystopischen Atmosphäre braucht man eine ganze Weile, um die Handlung zu verstehen und die Details richtig einordnen zu können. Auch das alles sehende „Auge“ fand ich anstrengend, da Sinn und Zweck sich mir nicht erschlossen haben. Von den Ideen her sind einige interessante und intelligente Aspekte vorhanden, die die Probleme der heutigen Zeit überhöhen und ins Extreme ziehen, z. B. Fake News, Flüchtlingskrise, Gefühllosigkeit, Vereinsamung, Schönheitswahn, Klassengesellschaft. Einige der angedeuteten Themen hätten tiefgründiger behandelt werden können, andere sind nichts Neues. Das Gesamtkonstrukt lässt wesentliche Bereiche einer Gesellschaft unerwähnt und verliert dadurch an Nachvollziehbarkeit. Interessante Ansätze, aber leider nicht stringent umgesetzt.
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Ein Roman wie ein Blick in den Spiegel der Zukunft.
Resteuropa Ende des 21. Jahrhunderts. Westresteuropa liegt unter grauen Wolken und leidet durch ewigen Regen. Ostresteuropa ist eine Steppe unter knallblauem Himmel und leidet durch ewige Trockenheit. Ein Gürteltier überquert die …
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Ein Roman wie ein Blick in den Spiegel der Zukunft.
Resteuropa Ende des 21. Jahrhunderts. Westresteuropa liegt unter grauen Wolken und leidet durch ewigen Regen. Ostresteuropa ist eine Steppe unter knallblauem Himmel und leidet durch ewige Trockenheit. Ein Gürteltier überquert die Straße, die von autonomen Elektroautos befahren wird.
Die Meeresspiegel steigen an. Jütland ist untergegangen. So haben sich Nord-und Ostsee zu einem Meer vereint.
Frauen befinden sich meist in höheren Positionen, Männer fast nur in Dienstleistungsjobs.
Die Menschen sind emotions- und empathielos geworden. Sie sind nicht mehr in der Lage zu trauern. Sie können ihre verstorbenen Angehörigen nicht mehr beweinen und stellen Vorweiner ein, die durch Agenturen vermittelt werden. Diese Menschen mussten wegen schlechter Lebensbedingungen aus ihren Ländern nach Resteuropa flüchten. Verstorbene werden nicht mehr beerdigt. Die Erklärung dafür ist nicht sehr überraschend. Ihre Asche wird verstreut. Je überzeugender und ansteckender der Vorweiner bei den Zerstreuungsfeiern weint, desto angesehener wird der Beweinte im Nachhinein in der Gesellschaft.
Bov Bjerg erzählt diese düstere Zukunftsvision mit sehr feinem Humor und augenzwinkerndem Sprachwitz, dass es eine sehr unterhaltsame Freude war, diesen Roman zu lesen. Auch, wenn einiges noch etwas unausgegoren wirkte.
Die Buchgestaltung (Cover, Einband, Vorsatz) in den Farben Schwarz, Rot, Gold finde ich passend und gelungen. Rundherum empfehlenswert.
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Humorvoll und ungewöhnlich
Den Autor Bov Bjerg kannte ich bisher nur aus der medialen Berichterstattung, sein Roman Auerhaus liegt seit Jahren ungelesen bei mir zuhause herum. Aber der ungewöhnliche Titel (der durch die typografische Gestaltung des Covers noch hervorgehoben wird) hat mich …
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Humorvoll und ungewöhnlich
Den Autor Bov Bjerg kannte ich bisher nur aus der medialen Berichterstattung, sein Roman Auerhaus liegt seit Jahren ungelesen bei mir zuhause herum. Aber der ungewöhnliche Titel (der durch die typografische Gestaltung des Covers noch hervorgehoben wird) hat mich neugierig gemacht.
Es fällt mir schwer, etwas über den Roman zu sagen, ohne schon zu viel zu verraten, nur so viel: er hat mich begeistert! Das dystopische Setting dieser apokalyptischen Welt mit ihren schrägen Figuren, die Sprache mit ihren eigenen Wortschöpfungen … Allein das Inhaltsverzeichnis im Stil eines Schelmenromans! Ich mochte den Roman wirklich sehr gern und fand ihn sehr komisch. „Creativity is intelligence having fun.“ Dieses (fälschlicherweise Albert Einstein zugeschriebene) Zitat kam mir unweigerlich in den Sinn beim Lesen.
Fazit: Unbedingte Leseempfehlung für Fans des Ungewöhnlichen.
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"Der Vorweiner" von Bov Bjerg entführt die Leser in eine beklemmende und düstere Zukunft, geprägt von Klimawandel, gesellschaftlichen Umbrüchen und einer ganz eigenen Realität. Die Idee des Vorweiners als professioneller Trauernder ist zweifellos originell und …
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"Der Vorweiner" von Bov Bjerg entführt die Leser in eine beklemmende und düstere Zukunft, geprägt von Klimawandel, gesellschaftlichen Umbrüchen und einer ganz eigenen Realität. Die Idee des Vorweiners als professioneller Trauernder ist zweifellos originell und skurril, und Bov Bjerg stellt diese Welt mit einer Prise bitterem Humor dar.
Der Schreibstil des Autors ist präzise und wortgewandt. Die kurzen Kapitel und die unkonventionelle Kapitelanordnung tragen dazu bei, dass das Buch flüssig zu lesen ist, obwohl die Geschichte anspruchsvolle Themen behandelt.
Die Charaktere, insbesondere Anna und Berta, sind ungewöhnlich und spiegeln die Absurdität der Gesellschaft in dieser Welt wider. Es gibt viele humorvolle Momente und ironische Seitenhiebe auf unsere gegenwärtige Realität.
Dennoch verliert die Handlung im Verlauf des Buches an Stringenz und Klarheit. Die Fülle an skurrilen Details und Absurditäten kann mitunter verwirrend wirken. Die Charaktere bleiben emotional flach, was es schwer macht, sich mit ihnen zu identifizieren.
"Der Vorweiner" ist zweifellos ein ungewöhnlicher Roman, der eine faszinierende dystopische Welt schafft. Er regt zum Nachdenken über Themen wie Macht, Emotionen und gesellschaftliche Strukturen an. Trotzdem ist es ein Buch, das nicht jedem Leser gefallen wird, da es unkonventionell und anspruchsvoll ist. Wer sich jedoch auf diese skurrile Reise einlassen kann, wird mit einem einzigartigen Leseerlebnis belohnt.
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Ein dystopischer Blick, der nicht ganz überzeugen kann
Ende des 21. Jahrhunderts ist von Europa nur noch Resteuropa übrig, in dem auch Deutschland aufgegangen ist. Die Bevölkerung ist in eine Nieder- und eine Oberschicht gegliedert. Die Oberschicht ist nicht mehr in der Lage …
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Ein dystopischer Blick, der nicht ganz überzeugen kann
Ende des 21. Jahrhunderts ist von Europa nur noch Resteuropa übrig, in dem auch Deutschland aufgegangen ist. Die Bevölkerung ist in eine Nieder- und eine Oberschicht gegliedert. Die Oberschicht ist nicht mehr in der Lage Gefühle zu zeigen und stellt deswegen Vorweiner, Trauergastarbeiter, in ihren Dienst, die auch bei den ihnen mit ihm Haus leben. Die Vorweiner übernehmen die Aufgabe öffentlich Trauer zu zeigen, für diejenige Person, für die sie tätig sind. Sie sind selbst Flüchtlinge, die nach Resteuropa wollen, da ihre eigenen Länder von Bürgerkriegen und Naturkatastrophen zerstört wurden.
Einblicke in diese gefühllose dystopische Welt erhält man durch die Protagonisten des Romanes A wie Anna, ihrem Vorweiner und B wie Berta.
Berta erzählt aus ihrer Perspektive die Geschichte ihrer Mutter Anna, wodurch man auch das Leben und die Gesellschaft an sich im Resteuropa kennenlernt. Das Leben und die Gesellschaft sind von Zerstreuung, fehlender Emotionalität und Grausamkeiten, die keinen wirklich mehr berühren, geprägt.
Auch wenn der eigenwillige und etwas abstruse Roman in einer fernen Zukunft spielt, besitzen die angesprochenen Themen, wie Flüchtlingskrise und Fake-News, Aktualitätsbezug.
Anfangs liest sich Bjergs dystopischer Blick auf Deutschland, Europa und die restliche Welt noch interessant, doch mit zunehmender Seitenzahl wirken manche Romanelemente ermüdend.
Die einzelnen Kapitel sind ähnlich eines Filmskripts aufgebaut und so bekommen die verschiedenen Erzählstränge auch einen episodenhaften Charakter. Das führt dazu, dass der Roman inhaltlich oberflächlich bleibt und sich eher in Belanglosigkeiten verliert. Es soll wahrscheinlich die emotionale Verarmung der Gesellschaft widerspiegeln, ein flüssiger Lesefluss, der das Interesse an der Geschichte hochhält, entsteht dadurch nicht gerade.
Darüber hinaus waren mir manche Textpassagen auch zu derb formuliert oder erschlossen sich mir auch nicht so wirklich in ihrem Sinn. Vielleicht ist es aber auch genau der Sinn der Handlung, dass sie stellenweise keinen Sinn ergibt...
Die Stärke des Romanes liegt für mich in seiner, wenn auch etwas befremdlichen, dystopischen Version und in seinen einzelnen starken Szenen, die jedoch leider nicht im Gesamtpaket überzeugen konnten.
"Der Vorweiner" ist ein sprachlich und inhaltlich gewagter Roman, der eine interessante dystopische Welt beschreibt. Er fängt stark an, verliert sich dann aber enttäuschenderweise etwas in Absurditäten und Belanglosigkeiten, sodass er es nicht schafft sein ganzes Potenzial auszuschöpfen.
Stilistisch und sprachlich ist der Roman durchaus interessant, jedoch fehlt mir die emotionale Wucht und die inhaltliche Stärke, die ich mir erhofft habe.
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Zwiegespalten
" Der Vorweiner"ist ein Roman der von der Idee her grandios hätte werden können. Die Vorstellung wie ein Deutschland der Zukunft aussehen könnte ist sehr spannend und wurde zu Beginn auch sehr überzeugend und vielversprechend umgesetzt. Allerdings ist …
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Zwiegespalten
" Der Vorweiner"ist ein Roman der von der Idee her grandios hätte werden können. Die Vorstellung wie ein Deutschland der Zukunft aussehen könnte ist sehr spannend und wurde zu Beginn auch sehr überzeugend und vielversprechend umgesetzt. Allerdings ist es auch eine erschreckende Vorstellung, dass ein Teil der Bevölkerung nicht mehr in der Lage ist Gefühle auszudrücken. So erklärt sich dann auch schnell der Titel, der die Menschen beschreibt, die dies für diese Menschen ausgleichen sollen.
Geführt wird die Handlung von drei Personen, wobei eine ein Vorweiner ist. Das als solches fand ich an sich sehr interessant, doch die Handlung driftete irgendwann in eine sehr abstruse Richtung, die mir dann leider gar nicht mehr gefallen hat. Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass der Roman konstant weitergeführt wird.
Viele Themen ähneln unserer jetzigen Zeit, schon spannend sich zu überlegen, ob es tatsächlich so laufen könnte. Abwegig ist es natürlich nicht, dass auch in ferner Zukunft Flüchtlinge Thema sein könnten.
Mein Fazit: Eine Dystopie, die stark beginnt, sich dann aber leider verliert.
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Wird mit der Zeit extrem langweilig
Klappentext: "Es gab eine Zeit, da weinten die Menschen um ihre Angehörigen. Heute trauert nur, wer sich nichts besseres leisten kann".
Und so besorgt sich diese vermögende Oberschicht quasi als 'letzten Schrei' einen 'Vorweiner'. Das …
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Wird mit der Zeit extrem langweilig
Klappentext: "Es gab eine Zeit, da weinten die Menschen um ihre Angehörigen. Heute trauert nur, wer sich nichts besseres leisten kann".
Und so besorgt sich diese vermögende Oberschicht quasi als 'letzten Schrei' einen 'Vorweiner'. Das sind Menschen aus Ländern außerhalb der Festung Resteuropa, wobei es bei den Qualitäten eines Vorweiners starke Unterschiede geben soll. Besonders gefragt sind Männer aus Westafrika, wohingegen es starke Vorbehalte gegenüber den Vorweinfähigkeiten der Männer aus Südostasien gibt.
A wie Anna, um die es in diesem Buch geht, hat sich für einen Vorweiner aus den Niederlanden entschieden. Dieser lebt schon vor ihrem Ableben bei ihr zu Hause, um eine Bindung aufzubauen, die es ihm erlaubt, angemessen und beeindruckend zu weinen, wenn es erst einmal soweit ist.
Dann gibt es da noch B wie Berta, Annas Tochter, die als Klickbeuterin arbeitet, d.h. sie schreibt Nachrichten, die nach Menge bezahlt werden. Zum Schluss einer jeden Nachricht ertönen immer die Schreie der Leute, um die es in der jeweiligen Nachricht geht.
Das fand ich anfangs originell, flachte aber mit jeder weiteren Wiederholung ab (wie bei einem Witz, über den man - weil neu - einmal lacht, der einem von einem 'Witzbold' aber immer und immer wieder erzählt wird).
Mit der Zeit hat sich bei mir folglich eine gähnende Langeweile eingestellt, denn die Geschichte ist nicht nur kompliziert konstruiert, sie ist auch einfach viel zu lang für das, was sie eigentlich zu erzählen hat. 238 Seiten waren einfach zu viel, um mich dauerhaft bei der Stange zu halten. Ich habe bis S. 135 tapfer durchgehalten und dann beschlossen, dass der Roman von Bov Bjerg und ich einfach keine best friends werden können.
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Ungewohnt
Nachdem ich bislang von Bov Bjerg nur "Auerhaus" kannte, dieses Meisterstück allerdings absolut geliebt habe, musste ich mich auch diesem neuen Roman des Autors auseinandersetzen. "Der Vorweiner" trägt kaum Informationen über das Buch auf dem Cover und …
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Ungewohnt
Nachdem ich bislang von Bov Bjerg nur "Auerhaus" kannte, dieses Meisterstück allerdings absolut geliebt habe, musste ich mich auch diesem neuen Roman des Autors auseinandersetzen. "Der Vorweiner" trägt kaum Informationen über das Buch auf dem Cover und ist damit recht simpel gestaltet - und doch wird man irgendwie direkt in den Bann gezogen durch das schöne Layout der Buchstaben von Titel und Autorname. Auch den Titel selbst finde ich der gelungen - originell und in Bezug auf den späteren Inhalt gut gewählt. Und dieser - der Inhalt - ist äußerst fulminant. Schwer kann ich in Worte kleiden, was ich mit diesem Buch erlebt habe und empfehle daher nur: Bitte lesen Sie es selbst. Ein wahnsinnig eigensinniger Stil und eine einmalige Geschichte, die man so nie wieder findet erwartet einen hinter diesem Cover. Eindrücklich - ungewohnt - intensiv
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