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Peter Stamms Roman »Das Archiv der Gefühle« fragt, ob wir im Leben unsere Chancen erkennen?
Die Sängerin Fabienne heißt eigentlich Franziska, und es ist vierzig Jahre her, dass sie eng befreundet waren und er ihr seine Liebe gestand. Fast ein ganzes Leben. Seitdem hat er alles getan, um Unruhe und Unzufriedenheit von sich fernzuhalten. Er hat sich immer mehr zurückgezogen und nur noch in der Phantasie gelebt. Er hat sein Leben versäumt. Aber jetzt taucht Franziska wieder auf. Gefährdet das seine geschützte Existenz, oder nimmt er diese zweite Chance wahr?
Die Sängerin Fabienne heißt eigentlich Franziska, und es ist vierzig Jahre her, dass sie eng befreundet waren und er ihr seine Liebe gestand. Fast ein ganzes Leben. Seitdem hat er alles getan, um Unruhe und Unzufriedenheit von sich fernzuhalten. Er hat sich immer mehr zurückgezogen und nur noch in der Phantasie gelebt. Er hat sein Leben versäumt. Aber jetzt taucht Franziska wieder auf. Gefährdet das seine geschützte Existenz, oder nimmt er diese zweite Chance wahr?
Peter Stamm, geboren 1963, studierte einige Semester Anglistik, Psychologie und Psychopathologie und übte verschiedene Berufe aus, u.a. in Paris und New York. Er lebt in der Schweiz. Seit 1990 arbeitet er als freier Autor. Er schrieb mehr als ein Dutzend Hörspiele. Seit seinem Romandebüt 'Agnes' 1998 erschienen sechs weitere Romane, fünf Erzählungssammlungen und ein Band mit Theaterstücken, zuletzt die Romane 'Weit über das Land', 'Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt', 'Das Archiv der Gefühle' und zuletzt 'In einer dunkelblauen Stunde' sowie die Erzählung 'Marcia aus Vermont'. Unter dem Titel 'Die Vertreibung aus dem Paradies' erschienen 2014 seine Bamberger Poetikvorlesungen sowie 2024 die Züricher Poetikvorlesungen 'Eine Fantasie der Zeit'. 'Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt' wurde ausgezeichnet mit dem Schweizer Buchpreis 2018. Literaturpreise: Rheingau Literatur Preis 2000 Bodensee-Literaturpreis 2012 Friedrich-Hölderlin-Preis 2014 Cotta Literaturpreis 2017 ZKB-Schillerpreis 2017 Solothurner Literaturpreis 2018 Schweizer Buchpreis 2018

Produktdetails
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- Originaltitel: Das Archiv der Gefühle
- Artikelnr. des Verlages: 1023336
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 188
- Erscheinungstermin: 25. August 2021
- Deutsch
- Abmessung: 205mm x 130mm x 23mm
- Gewicht: 302g
- ISBN-13: 9783103974027
- ISBN-10: 3103974027
- Artikelnr.: 61533434
Herstellerkennzeichnung
S. FISCHER Verlag GmbH
Hedderichstr. 114
60596 Frankfurt am Main
www.fischerverlage.de
+49 (069) 6062-0
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Oliver Jungen erkennt einige der Stammmotive Peter Stamms in dessen neuem Roman. Es geht um Beziehungen, das Scheitern daran und die Verfügungsgewalt über die eigene Geschichte. Sympathisch am neuen Buch findet Jungen nicht nur den nerdigen Helden, einen Archivar, beruflich wie privat, der den Ausbruch aus der Welt des Bewahrens ins Echte (in die Liebe) wagen will, sondern auch die elegante Leichtigkeit, mit der Stamm die Geschichte sich entfalten lässt. Was davon real, was Wunschdenken der Figur ist, bleibt unklar. Für Jungen ein weiteres Plus der Geschichte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Chanson vom Rückwärtsträumen
Die Paarbildung in ihrer ganzen Ungeheuerlichkeit: Peter Stamms Roman "Das Archiv der Gefühle"
Dass einer immer wieder dasselbe Buch schreibt, ist kein Einwand, zumindest dann nicht, wenn jede neuerliche Überformung von solch stilistischer Anmut ist wie bei Peter Stamm, diesem Meister des Mitteltons und der schwebenden Melancholie. Seine zunehmend verwobene Prosa ist von einer uns anspringenden Gegenwärtigkeit, scharfkantig wie ein schweizerischer Gebirgszug und doch zugleich unterhöhlt von Denkfluchttunneln hinüber ins Imaginäre, ins Molassebecken der Sehnsüchte und Erinnerungen, in dem Stamms Protagonisten sich selbst gern abhandenkommen, aber ebenso oft auch wieder Tritt fassen und
Die Paarbildung in ihrer ganzen Ungeheuerlichkeit: Peter Stamms Roman "Das Archiv der Gefühle"
Dass einer immer wieder dasselbe Buch schreibt, ist kein Einwand, zumindest dann nicht, wenn jede neuerliche Überformung von solch stilistischer Anmut ist wie bei Peter Stamm, diesem Meister des Mitteltons und der schwebenden Melancholie. Seine zunehmend verwobene Prosa ist von einer uns anspringenden Gegenwärtigkeit, scharfkantig wie ein schweizerischer Gebirgszug und doch zugleich unterhöhlt von Denkfluchttunneln hinüber ins Imaginäre, ins Molassebecken der Sehnsüchte und Erinnerungen, in dem Stamms Protagonisten sich selbst gern abhandenkommen, aber ebenso oft auch wieder Tritt fassen und
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zu Dramaturgen ihrer eigenen Geschichte avancieren.
Was sich ähnelt in vielen Stamm-Erzählungen, ist das Beziehungs-Sujet. Doch griffe es zu kurz, darin ein Sujet unter vielen zu sehen, handelt es sich doch um Profunderes, um etwas, das wohl bis zum Anbeginn der Menschheit zurückreicht: die Paarbildung in ihrer ganzen Ungeheuerlichkeit. Es geht um die spektakulären Abstürze auf diesem Weg, die doch nie verheerend genug sein können, um sich mit dem Alleinsein abzufinden.
Stamms Heroen sind nicht die Geleckten und Gegelten, sondern die Verbogenen und Verbeulten, sensible, verkrachte Existenzen, dabei aber so originell verkracht, dass sich eher Bewunderung einstellt als Mitleid. Das gilt ganz besonders für den namenlosen, entscheidungsschwachen Protagonisten des neuen Romans, der sich, auch das nicht neu bei Stamm, im mittleren Alter an eine zarte Jugendliebe erinnert, der er vierzig Jahre lang zu entkommen suchte. Nun streckt er die Waffen. Ohne Schutz und Filter überlässt er sich seinem Sehnsuchtskummer, parliert ausführlich mit der in Gedanken neben ihm laufenden, verzweifelt geliebten Franziska, die in Wahrheit eine prominente Chanson-Sängerin geworden ist, während der Held sich in deprimierten Momenten selbst für eine jämmerliche Gestalt hält, einen Promi-Stalker und traurigen Selbstgespräche-Vogel: "Dann wird mir bewusst, was Leben sein könnte, aber auch, wie wenig ich mich darauf eingelassen habe."
Was ihn interessant macht, ist ein biographisches Detail, das sich als tragende Idee des ganzen Buchs erweist. Angestellt nämlich war der Held bei einem Zeitungsverlag, und zwar - höchste Zeit, diesen Mitarbeitern endlich einen Roman zu widmen - im Archiv desselben. Über Jahre hat er mit seinen Kollegen die Gegenwart komprimiert: ausgeschnitten, abgeheftet und verschlagwortet, um den Redakteuren auf Zuruf alles Relevante, Veröffentlichte zu einem Thema oder einer Person liefern zu können. Die digitale Verdopplung der Welt, per Volltextsuche zu durchforsten und wahllos alles aufbewahrend, hat diese Hüter des kollektiven Gedächtnisses zu einem Anachronismus degradiert. Dem Helden wurde gekündigt. Das wertlos gewordene Papierarchiv überließ ihm der Verlag. Seither sitzt er als soziophober Frührentner in seinem zu einem Magazin voller Rollregale umgebauten Keller und führt die Sammlung mit Schere und Klebstoff fort: eine Figur von Doktor-Murke-Dimension.
Wie dieser rigide Dienst an der sonst so flüchtigen Zeitgeschichte mit neuen Denkbewegungen des Privatarchivars interferiert, gehört zu den eindrücklichsten Passagen des Romans. Der durch die Natur streifende, sich von Menschen fernhaltende Held (Ferndiagnose: leichter Asperger) - wohl kein Zufall, dass der Roman in der Zeit des Social Distancing entstand - entledigt sich nach und nach des positivistischen Korsetts eines Ereignis- und Personenarchivs, indem er zunächst poetisch anmutende Mappen anlegt, in die die Geräusche des Wassers oder des Vogelflugs eingetragen werden sollen. Sein Abbild der Welt, schwant es dem Mann mit den Scherenhänden, war trotz ihrer poststabilisierten Harmonie - der hergestellten Wer-wann-wo-Ordnung - bisher alles andere als vollständig. Vor allem das vielleicht Wichtigste fehlte darin: die Empfindungen.
Die Befreiung aus dem Keller führt nun über die Gefühle des Erzählers für Franziska (und ihre Akte im Archiv), hinter denen die für seine übrigen Partnerinnen zu verblassen beginnen. Das Erwachen ist überhaupt zugleich ein Entschwinden, ein Abtauchen in einen Erinnerungssee, in dem unser Held allmählich die Orientierung verliert. Er will immer tiefer hinein in sein Material, will mehr als der "Dabeiseiende" gewesen sein, seine eigene Spur hinterlassen, und zugleich möchte er ausbrechen ins Echte, ins Verpasste. So kommt es einem Hilferuf gleich, als er seine Jugendliebe nach Jahrzehnten kontaktiert. Stamm ist ein Spezialist darin, Ebenen zu verwischen, mit Luftspiegelungen zu operieren: Ist Franziskas Antwort Wunschdenken? Sind die Treffen real, wenigstens die, die sich nicht selbst als (Angst-)Träume entlarven? Die Befangenheit des Helden immerhin wirkt echt.
In jedem Fall jagt bald ein Sakrileg das nächste. Lücken entstehen im Archiv, Schneisen, durch die der immer noch nicht kategorisierte Wind fegt. Akten verwandeln sich in Origami-Figuren. Das kommt einer Offenbarung gleich: "Wenn das Archiv meine Welt ist, dann kann ich sie ebenso gut gestalten, kann sie verändern." Erregt gibt sich der Held einer Art Dämonenaustreibung hin, löscht den Nationalsozialismus aus der Geschichte, dann den Kommunismus, die Massentierhaltung, den Spitzensport, bis er wieder zu Sinnen kommt. Kann man einer solchen Massaker-Figur noch trauen, wenn sie sich im Finale plötzlich angenommen fühlt, erlöst von ihrem Solipsismus? Oder hat hier jemand den Anderen so fest im Eigenen verankert, dass es kein Außen mehr gibt?
Ob man diesen Schluss als Idyll vor Alpensilhouette verstehen möchte, so wie er sich gibt, oder als Sieg der Liebe zu sich selbst (dafür spräche ein Satz wie "niemand klagt dich an, wenn du es nicht selbst tust"), bleibt den Lesern überlassen. Schließlich sind nicht nur Erinnerungen formbar. Natürlich handelt damit auch dieser nie verkopfte, nie unter seinen Allegorien ächzende, sondern leichtfüßig dem sanft dahinplätschernden, leise mit den Flügeln schlagenden Dasein folgende Roman, wie fast alle Texte Stamms, von der Autorschaft, von der Verfügungsgewalt über die eigene Geschichte und vom Preis für diese Macht. Er tut das mit einer Eleganz, die ihresgleichen sucht. OLIVER JUNGEN
Peter Stamm: "Das Archiv der Gefühle". Roman.
Verlag S. Fischer,
Frankfurt am Main 2021. 190 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was sich ähnelt in vielen Stamm-Erzählungen, ist das Beziehungs-Sujet. Doch griffe es zu kurz, darin ein Sujet unter vielen zu sehen, handelt es sich doch um Profunderes, um etwas, das wohl bis zum Anbeginn der Menschheit zurückreicht: die Paarbildung in ihrer ganzen Ungeheuerlichkeit. Es geht um die spektakulären Abstürze auf diesem Weg, die doch nie verheerend genug sein können, um sich mit dem Alleinsein abzufinden.
Stamms Heroen sind nicht die Geleckten und Gegelten, sondern die Verbogenen und Verbeulten, sensible, verkrachte Existenzen, dabei aber so originell verkracht, dass sich eher Bewunderung einstellt als Mitleid. Das gilt ganz besonders für den namenlosen, entscheidungsschwachen Protagonisten des neuen Romans, der sich, auch das nicht neu bei Stamm, im mittleren Alter an eine zarte Jugendliebe erinnert, der er vierzig Jahre lang zu entkommen suchte. Nun streckt er die Waffen. Ohne Schutz und Filter überlässt er sich seinem Sehnsuchtskummer, parliert ausführlich mit der in Gedanken neben ihm laufenden, verzweifelt geliebten Franziska, die in Wahrheit eine prominente Chanson-Sängerin geworden ist, während der Held sich in deprimierten Momenten selbst für eine jämmerliche Gestalt hält, einen Promi-Stalker und traurigen Selbstgespräche-Vogel: "Dann wird mir bewusst, was Leben sein könnte, aber auch, wie wenig ich mich darauf eingelassen habe."
Was ihn interessant macht, ist ein biographisches Detail, das sich als tragende Idee des ganzen Buchs erweist. Angestellt nämlich war der Held bei einem Zeitungsverlag, und zwar - höchste Zeit, diesen Mitarbeitern endlich einen Roman zu widmen - im Archiv desselben. Über Jahre hat er mit seinen Kollegen die Gegenwart komprimiert: ausgeschnitten, abgeheftet und verschlagwortet, um den Redakteuren auf Zuruf alles Relevante, Veröffentlichte zu einem Thema oder einer Person liefern zu können. Die digitale Verdopplung der Welt, per Volltextsuche zu durchforsten und wahllos alles aufbewahrend, hat diese Hüter des kollektiven Gedächtnisses zu einem Anachronismus degradiert. Dem Helden wurde gekündigt. Das wertlos gewordene Papierarchiv überließ ihm der Verlag. Seither sitzt er als soziophober Frührentner in seinem zu einem Magazin voller Rollregale umgebauten Keller und führt die Sammlung mit Schere und Klebstoff fort: eine Figur von Doktor-Murke-Dimension.
Wie dieser rigide Dienst an der sonst so flüchtigen Zeitgeschichte mit neuen Denkbewegungen des Privatarchivars interferiert, gehört zu den eindrücklichsten Passagen des Romans. Der durch die Natur streifende, sich von Menschen fernhaltende Held (Ferndiagnose: leichter Asperger) - wohl kein Zufall, dass der Roman in der Zeit des Social Distancing entstand - entledigt sich nach und nach des positivistischen Korsetts eines Ereignis- und Personenarchivs, indem er zunächst poetisch anmutende Mappen anlegt, in die die Geräusche des Wassers oder des Vogelflugs eingetragen werden sollen. Sein Abbild der Welt, schwant es dem Mann mit den Scherenhänden, war trotz ihrer poststabilisierten Harmonie - der hergestellten Wer-wann-wo-Ordnung - bisher alles andere als vollständig. Vor allem das vielleicht Wichtigste fehlte darin: die Empfindungen.
Die Befreiung aus dem Keller führt nun über die Gefühle des Erzählers für Franziska (und ihre Akte im Archiv), hinter denen die für seine übrigen Partnerinnen zu verblassen beginnen. Das Erwachen ist überhaupt zugleich ein Entschwinden, ein Abtauchen in einen Erinnerungssee, in dem unser Held allmählich die Orientierung verliert. Er will immer tiefer hinein in sein Material, will mehr als der "Dabeiseiende" gewesen sein, seine eigene Spur hinterlassen, und zugleich möchte er ausbrechen ins Echte, ins Verpasste. So kommt es einem Hilferuf gleich, als er seine Jugendliebe nach Jahrzehnten kontaktiert. Stamm ist ein Spezialist darin, Ebenen zu verwischen, mit Luftspiegelungen zu operieren: Ist Franziskas Antwort Wunschdenken? Sind die Treffen real, wenigstens die, die sich nicht selbst als (Angst-)Träume entlarven? Die Befangenheit des Helden immerhin wirkt echt.
In jedem Fall jagt bald ein Sakrileg das nächste. Lücken entstehen im Archiv, Schneisen, durch die der immer noch nicht kategorisierte Wind fegt. Akten verwandeln sich in Origami-Figuren. Das kommt einer Offenbarung gleich: "Wenn das Archiv meine Welt ist, dann kann ich sie ebenso gut gestalten, kann sie verändern." Erregt gibt sich der Held einer Art Dämonenaustreibung hin, löscht den Nationalsozialismus aus der Geschichte, dann den Kommunismus, die Massentierhaltung, den Spitzensport, bis er wieder zu Sinnen kommt. Kann man einer solchen Massaker-Figur noch trauen, wenn sie sich im Finale plötzlich angenommen fühlt, erlöst von ihrem Solipsismus? Oder hat hier jemand den Anderen so fest im Eigenen verankert, dass es kein Außen mehr gibt?
Ob man diesen Schluss als Idyll vor Alpensilhouette verstehen möchte, so wie er sich gibt, oder als Sieg der Liebe zu sich selbst (dafür spräche ein Satz wie "niemand klagt dich an, wenn du es nicht selbst tust"), bleibt den Lesern überlassen. Schließlich sind nicht nur Erinnerungen formbar. Natürlich handelt damit auch dieser nie verkopfte, nie unter seinen Allegorien ächzende, sondern leichtfüßig dem sanft dahinplätschernden, leise mit den Flügeln schlagenden Dasein folgende Roman, wie fast alle Texte Stamms, von der Autorschaft, von der Verfügungsgewalt über die eigene Geschichte und vom Preis für diese Macht. Er tut das mit einer Eleganz, die ihresgleichen sucht. OLIVER JUNGEN
Peter Stamm: "Das Archiv der Gefühle". Roman.
Verlag S. Fischer,
Frankfurt am Main 2021. 190 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Der Leser wird Zeuge einer grossen Sehnsucht, einer unerfüllten Liebe, eines verpassten Lebens und [...] eines möglichen Neuanfangs. Kati Moser Tagblatt der Stadt Zürich 20220223
Sammeln und ordnen als Lebensaufgabe
In Peter Stamms neuem Roman geht es um einen sehr skurrilen Charakter. Der namenlose Protagonist war früher Archivar, wurde aber arbeitslos, als man Dokumente nicht mehr in Papierform speicherte. Er lebt allein in dem von der Mutter geerbten Haus, wo er das …
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Sammeln und ordnen als Lebensaufgabe
In Peter Stamms neuem Roman geht es um einen sehr skurrilen Charakter. Der namenlose Protagonist war früher Archivar, wurde aber arbeitslos, als man Dokumente nicht mehr in Papierform speicherte. Er lebt allein in dem von der Mutter geerbten Haus, wo er das von seinem Arbeitgeber übernommene Archiv täglich viele Stunden lang ergänzt. Er beachtet strenge Regeln, ohne die geringsten Veränderungen zuzulassen, weil er in einer ewigen Gegenwart leben möchte. Das Chaos der Welt macht ihm Angst. Er sieht seine Aufgabe darin, es zu ordnen und nicht darin, etwas Neues, Eigenes zu schaffen. So hat er auch fast 40 Jahre lang an der Liebe seines Lebens festgehalten, ohne dass daraus jemals eine Beziehung wurde. Es ist die Mitschülerin Franziska, die unter dem Namen Fabienne als Sängerin Karriere machte. Er nahm aus der Ferne an ihrem Leben Anteil und las die Artikel über ihre Beziehungen in der Boulevardpresse. In all den Jahren hatte er Kontakt zu zwei Frauen, einer ehemaligen Arbeitskollegin und einer Mitschülerin 25 Jahre nach dem Schulabschluss, als er eigentlich hoffte, Franziska zu treffen. Er liebte diese Frauen nicht, ließ die Dinge einfach geschehen, ohne jemals die Initiative zu ergreifen. Seine einzige Liebe war und ist Franziska, die ihm immer wieder in den Fantasien seiner Parallelwelt erscheint, die für ihn realer ist als die Wirklichkeit. Mit Mitte 50 wird ihm jedoch bewusst, dass das wirkliche Leben mehr zu bieten hat als das passive Abwarten, das er praktiziert, und er nimmt Kontakt zu Franziska auf. Nach mehreren Anläufen steht er ihr endlich gegenüber und erfährt, dass es in der Vergangenheit zwei Situationen gab, wo er auf sie hätte zugehen müssen, und ihr Leben wäre anders verlaufen. Er beschließt, sich von seinem Archiv zu trennen, weil es ihn unwiderruflich an die Vergangenheit bindet und jegliche Neuorientierung unmöglich macht. Am Ende wagt er tatsächlich einen Neuanfang. Er kann zwar die verflossene Zeit nicht zurückholen, aber für die ihm verbleibende Lebensspanne ein anderer werden.
Mir hat dieser ruhig erzählte, sprachlich anspruchsvolle und zum Nachdenken über die eigene Lebensplanung anregende Roman gut gefallen. Er vermittelt die Botschaft, dass es nie zu spät ist, sein Leben zu ändern. Besonders beeindruckt hat mich, wie gekonnt der Autor reales Geschehen und Fantasien ineinander übergehen lässt. Ein empfehlenswertes Buch.
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Ein Buch über Einsamkeit, Liebe und Lebensentscheidungen – gewohnt poetisch
„Das Archiv der Gefühle“ ist ein Roman, wie man ihn von Peter Stamm gewohnt ist: poetisch, lebensklug, mit einem intensiven und unverstellten Blick auf menschliche Emotionen.
Der …
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Ein Buch über Einsamkeit, Liebe und Lebensentscheidungen – gewohnt poetisch
„Das Archiv der Gefühle“ ist ein Roman, wie man ihn von Peter Stamm gewohnt ist: poetisch, lebensklug, mit einem intensiven und unverstellten Blick auf menschliche Emotionen.
Der Protagonist des Romans ist ein einsamer Mann: Als Dokumentar bei einer Zeitung ist er obsolet geworden, hat seine Stelle verloren und führt das Archiv nun privat weiter. So ordnet er die Welt, sein Leben, seine Gedanken – und seine Erinnerungen. Zum Beispiel an Franziska, seine Jugendliebe, die ihn ein Leben lang nicht losgelassen hat, auch als der Kontakt längst abgebrochen war. Nur lassen sich Gefühle nicht so einfach archivieren, und so muss er sich seinen Erinnerungen stellen und landet dabei unvermeidlich immer wieder vor der Frage: Was wäre, wenn …?
Immer wieder werden Möglichkeiten durchgespielt, fiktive Dialoge geführt, darüber nachgedacht, was er hätte anders machen können. Wäre er glücklich geworden? In „Das Archiv der Gefühle“ geht es ständig um Möglichkeiten, um verpasste Gelegenheiten, um Reue. All das schildert Peter Stamm ruhig und unaufgeregt, in gewohnt poetischer Sprache. Dabei übertrifft er sich allerdings keineswegs selbst. Es ist ein solider, intelligenter und nachdenklicher Roman, der jedoch nicht lange im Gedächtnis haften bleiben wird. Zu banal ist die Existenz seines Protagonisten bisweilen, zu vertraut die Geschichte von der großen Liebe (die jedoch einige durchaus ungewöhnliche Nuancen beinhaltet).
„Das Archiv der Gefühle“ ist ein Roman von gewohnt hoher Qualität, der die ganz großen Fragen des Lebens anreißt. Ein intelligenter, lesenswerter und sprachlich ansprechender Roman, jedoch nicht Stamms überzeugendstes Werk.
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das cover hat meinen blick auf sich gezogen und der titel hat mich angesprochen. der inhalt ist bewegend und sehr interessant. das buch hat die menschen im blick und wie sie denken und dadurch handeln. was ist real, was ist traum und wie wirkt sich alles aufeinander aus. ein mann der seine …
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das cover hat meinen blick auf sich gezogen und der titel hat mich angesprochen. der inhalt ist bewegend und sehr interessant. das buch hat die menschen im blick und wie sie denken und dadurch handeln. was ist real, was ist traum und wie wirkt sich alles aufeinander aus. ein mann der seine gefühle und gedanken nicht wirklich mit seiner grossen liebe teilt und die frau handelt genauso. nach langer trennung die dadurch zustande kam, treffen sie sich dann wieder und man erfährt wie es beiden inzwischen ergangen ist, aber auch wie es damals in ihnen aussah und was nun aus ihren leben geworden ist. sehr schön beschrieben sind die gedanken und gefühle der beiden, aber auch das leben drum herum. die sprache ist besonders und der schreibstil wunderschön, anders, beeindruckend. zudem erfährt man wie wichtig es ist miteinander zu sprechen, da sonst missverständnisse und hindernisse entstehen und alles erschweren oder gar unmöglich machen. hat mir sehr gefallen.
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Sowohl der Klappentext als auch das äußerst nichtssagende Cover hatten mich nicht gerade mit großer Vorfreude erfüllt, ich fing an zu Lesen und erwartete einen eher sperrigen und abgehobenen Text.
Der zurückgezogen lebende Erzähler berichtet in einer Mischung aus …
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Sowohl der Klappentext als auch das äußerst nichtssagende Cover hatten mich nicht gerade mit großer Vorfreude erfüllt, ich fing an zu Lesen und erwartete einen eher sperrigen und abgehobenen Text.
Der zurückgezogen lebende Erzähler berichtet in einer Mischung aus Realität, Phantasien und Rückblenden von seiner unerfüllt gebliebenen Jugendliebe. Nun, Mitte 50, kommt für ihn ein möglicher Wendepunkt im Leben, er nimmt Kontakt zu Franziska auf...
Seine Arbeit als Archivar bei einer Zeitung ist obsolet geworden, als Arbeitsloser jedoch pflegt er weiterhin akribisch seine Akten und hält somit sein ereignisloses Leben in vertrauten Bahnen. Als Leser erleben wir wie er sich plötzlich verändert, vorsichtig ausbricht und vielleicht zum ersten Mal seit seiner Jugend nicht nur passiv sein Leben an sich vorbeiziehen lassen möchte.
Mich hat der Roman sehr berührt, durch die schöne und präzise Sprache und durch den fehlenden Selbstmitleid seinerseits.
Ich erwartete einen extremen Freak, unnahbar und unsympathisch und bekam stattdessen einen verletzlichen Mann mit verschiedenen Facetten präsentiert. Einen Menschen wie er sicherlich zu tausenden in unser aller Mitte lebt.
Ein leises Buch welches noch länger in mir nachklingen wird.
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Meine Meinung und Inhalt
"Meine Gefühle für Franziska überwältigten mich, wenn ich mit ihr zusammen war, kam es mir vor, als befände ich mich in der Mitte der Welt, als gäbe es nur uns beide und diesen Moment und nichts und niemanden sonst, keine Schule, …
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Meine Meinung und Inhalt
"Meine Gefühle für Franziska überwältigten mich, wenn ich mit ihr zusammen war, kam es mir vor, als befände ich mich in der Mitte der Welt, als gäbe es nur uns beide und diesen Moment und nichts und niemanden sonst, keine Schule, keine Eltern, keine Kameraden. Aber Franziska liebte mich nicht." (ZITAT)
Nachdem ich "Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt" gelesen habe, war mir klar, dass ich nun auch "Das Archiv der Gefühle" lesen möchte, da Stamm's Schreibstil klar, einfach und direkt ist und mir sehr gefällt. Das Cover ist schön gestaltet.
In dem Buch geht es um die Sängerin Fabienne, die eigentlich Franziska heißt.
Es ist vierzig Jahre her, dass sie eng befreundet waren und er ihr seine Liebe gestand.
Fast ein ganzes Leben. Seitdem hat er alles getan, um Unruhe und Unzufriedenheit von sich fernzuhalten. Er hat sich immer mehr zurückgezogen und nur noch in der Phantasie gelebt. Er hat sein Leben versäumt. Aber jetzt taucht Franziska wieder auf. Gefährdet das seine geschützte Existenz, oder nimmt er diese zweite Chance wahr?
Die Atmosphäre untermalt mit sanfter Melancholie ist spürbar und als Leser ist man sofort gefesselt und kann vieles gut nachvollziehen.
"Mit der Zeit gewöhnte ich mich an dieses einsame Leben, und inzwischen fühle ich mich am wohlsten in meinen eigenen vier Wänden, im Haus, in dem ich aufgewachsen und in das ich nach dem Tod meiner Mutter wieder gezogen bin. Wenn ich draußen bin, fühle ich mich unsicher und gefangen, zu Hause bin ich abgeschirmt vom Durcheinander der sich dauernd verändernden Welt, das mich stört in meinen Gedanken und Erinnerungen, in meinen täglichen Routinen." (ZITAT)
Peter Stamm, geboren am 18. Januar 1963 in Kanton Thurgau, ist ein Schriftsteller und Journalist. Der Sohn eines Buchhalters wuchs in Weinfelden im Nordosten der Schweiz auf. Er absolvierte nach dem Schulabschluss zunächst eine kaufmännische Lehre und studiert danach einige Semester die Fächer Anglistik, Psychologie, Psychopathologie und Wirtschaftsinformatik. Nach längeren Aufenthalten in Paris, New York, Berlin und London lässt sich Stamm 1990 als freier Schriftsteller und Journalist in Zürich nieder. Peter Stamm produziert mehrere Hörspiele unter anderem für Radio DRS1, DRS2, Radio Bremen, den WDR und den Südwest Rundfunk. Daneben verfasst er auch Prosa, Theaterstücke und Beiträge für verschiedene Bücher. Als Journalist arbeitet er unter anderem für die Neue Zürcher Zeitung, den Tages-Anzeiger, die Weltwoche und die satirische Zeitschrift Nebelspalter. 1997 wird er Teil der Redaktion der Literaturzeitschrift entwürfe und tritt 2003 dem Verband „Autorinnen und Autoren der Schweiz“ bei. Peter Stamms Debütroman „Agnes“ erschien 1998 im Arche Verlag. 1999 veröffentlichte er im selben Verlag die Kurzgeschichtensammlung „Blitzeis“. 2001 folgte der Roman „Ungefähre Landschaft“ und 2003 ein weiterer Erzählband mit dem Titel „In fremden Gärten“. 2006 erschien beim S. Fischer Verlag der Roman „An einem Tag wie diesem“. 2008 veröffentlichte er gemeinsam mit dem Grafiker Hannes Binder eine neue Bilderbuchvariante von „Heidi“. Peter Stamm unternahm auch einige Lesereisen nach Estland, Mexiko, Russland und in den Iran. Er lebt heute in Winterthur.
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Cover:Ich habe nicht viel Gefühl für das Cover, aber ich denke, das Cover kann besser gestaltet werden. Da das aktuelle Cover etwas neutral ist, kann man sagen, dass es gut zum Inhalt des Romans passt, aber auch, dass es nicht ganz stimmig ist.
Gefühl:Das Cover dieses Buches …
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Cover:Ich habe nicht viel Gefühl für das Cover, aber ich denke, das Cover kann besser gestaltet werden. Da das aktuelle Cover etwas neutral ist, kann man sagen, dass es gut zum Inhalt des Romans passt, aber auch, dass es nicht ganz stimmig ist.
Gefühl:Das Cover dieses Buches hat mich nicht sehr angezogen, was mich im Vergleich zum Cover wirklich fasziniert hat, war der Schreibstil des Autors, die prägnant und kraftvoll war, die Geschichte wurde in der Ich-Perspektive erzählt und war sehr klar. Ich mag diesen Schreibstil! Sehr fließend und einfach zu verstehen.
Fazit: Ein Roman, der Realität mit Erinnerungen und Imagination verbindet. Manchmal braucht man etwas Zeit, um zu unterscheiden, welche Inhalte in der realen Welt sind und welche imaginär sind. Generell denke ich, dass dieses Buch nach der Lektüre ein Echo in den Köpfen des Lesers hinterlassen wird. Aber ob man dieses Buch annehmen kann, hängt vom persönlichen Geschmack ab, ich finde es in Ordnung.
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Stamm schreibt aus der Perspektive eines Mannes, der sein Leben fast autistisch einem Ordnungssystem unterordnet, das er als Archivar gelebt hat. Nach der Kündigung wegen der Digitalisierung des Zeitungsarchivs hat er die Regale in sein Haus übernommen und arbeitet neue Kategorien aus, die …
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Stamm schreibt aus der Perspektive eines Mannes, der sein Leben fast autistisch einem Ordnungssystem unterordnet, das er als Archivar gelebt hat. Nach der Kündigung wegen der Digitalisierung des Zeitungsarchivs hat er die Regale in sein Haus übernommen und arbeitet neue Kategorien aus, die aber nie gefüllt werden. Der Leser folgt wie nebenbei dem Lebenslauf und erfährt von seiner ersten Liebe Franziska, die ihm immer wieder in fiktiven Gesprächen und Erinnerungen begegnet. Interessant ist die Beschreibung des Kontrastes zwischen der streng auf Ordnung bedachten Person und der Entwicklung von Phantasie und Gefühl. Was ist Wirklichkeit? Es stellen sich viele Fragen. War es ein ungelebtes Leben trotz seiner Beziehungen zu verschiedenen Frauen? Ist ein neues Leben zu Franziska jetzt nach vierzig Jahren möglich? Ein Buch, das nachdenklich macht, ruhig, sensibel, ein wenig melancholisch. Sehr lesenswert.
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Ich mochte "Agnes" von Peter Stamm schon so gerne, dass ich mich unglaublich darauf gefreut habe sein Neustes Buch "Das Archiv der Gefühle" lesen zu können. Uuund das hat mir auch wieder so gut gefallen! Peter Stamms Schreibstil ist einfach etwas ganz besonderes und …
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Ich mochte "Agnes" von Peter Stamm schon so gerne, dass ich mich unglaublich darauf gefreut habe sein Neustes Buch "Das Archiv der Gefühle" lesen zu können. Uuund das hat mir auch wieder so gut gefallen! Peter Stamms Schreibstil ist einfach etwas ganz besonderes und auch wenn es ein kurzes Buch ist, das man gut in einem Rutsch durchlesen kann, hat es eine gute Message (bzw konnte ich etwas Gutes für mich herausziehen).
Unser Protagonist hat das Gefühl, dass er sein Leben ein bisschen verschwendet hat. Er ist noch immer in seine Jugendliebe verliebt. Und um die Beziehung zwischen den beiden und der Beziehung von dem Protagonisten zu sich selbst geht es in dem Buch.
Wer Lust auf eine kurze Geschichte hat, die unfassbar gut geschrieben ist und bei der man nicht weiß, wie es endet, bis man eben am Ende ankommt :D, dann sollte man dieses Buch lesen :) Und wenn man generell gerne Peter Stamm liest, dann ist das auch ein Must Read :)
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Ein Mann, Mitte fünfzig, lebt in seinem alten Kinderzimmer im Haus seiner verstorbenen Mutter. Mit Sorgfalt führt er das Archiv weiter, das inzwischen in seinem Keller lagert. Das war mal sein Beruf, aber der Job wurde längst wegrationalisiert.
Der Ich-Erzähler hängt …
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Ein Mann, Mitte fünfzig, lebt in seinem alten Kinderzimmer im Haus seiner verstorbenen Mutter. Mit Sorgfalt führt er das Archiv weiter, das inzwischen in seinem Keller lagert. Das war mal sein Beruf, aber der Job wurde längst wegrationalisiert.
Der Ich-Erzähler hängt nämlich in Gedanken immer noch seiner Jugendliebe Franziska nach. Er lebt in Erinnerungen und Träumen. Je mehr wir über ihn erfahren, desto sympathischer wird er. Und: Seine Phantasien wirken sehr real, so dass man sich oft fragt: Passiert das jetzt wirklich? Das Leben besteht eben aus vielen Möglichkeiten, die kann man sich ausmalen oder ausprobieren.
Ein Roman über ein ungelebtes Leben, ein Leben in der Möglichkeitsform. Da ist einer, der wartet und hofft, der den anderen beim Leben zusieht, während sein eigenes Leben an ihm vorüberzieht.
Peter Stamm eröffnet den Blick auf die innere Reise des Erzählers und seinen Weg von der Möglichkeit hin zur Realität.
Feinsinnig, zart und mit Tiefgang - mit dem unverkennbaren Ton von Peter Stamm.
Eine perfekte Herbstlektüre und daher 4 von 5 Sternen.
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Gibt es Leben in der Ordnung?
"Das Archiv der Gefühle" (2021) ist ein Roman von Peter Stamm, der die Geschichte eines Einzelgängers erzählt, der es nach langer Zeit doch noch schafft kleine Schritte zurück in die Welt und zu den Menschen zu machen.
Zum …
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Gibt es Leben in der Ordnung?
"Das Archiv der Gefühle" (2021) ist ein Roman von Peter Stamm, der die Geschichte eines Einzelgängers erzählt, der es nach langer Zeit doch noch schafft kleine Schritte zurück in die Welt und zu den Menschen zu machen.
Zum Inhalt:
Der Ich-Erzähler, der in der Geschichte namenlos bleibt, beschreibt sein jetziges Leben und wie es dazu kam. Er lebt zurückgezogen in seiner Phantasie und Erinnerung und nimmt am Leben nur noch als Beobachter teil. Er hat seine Leben versäumt, um seine Jugendliebe Franziska zu vergessen. Doch nun ist sie wieder da...
Persönliche Einschätzung:
Anfangs ist der Schreibstil durch die Sprache einerseits ausladend, andererseits wieder komprimiert durch das Zusammenziehen mehrerer Sätze in einen. Ungewöhnlich, aber schön und flüssig zu lesen. Leider geht das Ausladende später größtenteils verloren und die komprimierten Sätze lesen sich etwas eintönig. Gegen Ende lockert sich der Schreibstil auf.
Die Figur des ich-Erzählers ist sehr gut ausgearbeitet und man folgt ihm gerne auf seinem Weg. Die Ordnung, die er um sich herum schafft, wird so genau beschrieben, dass sie sich beinahe beim Lesen überträgt. Der Einstieg in die Geschichte gelingt durch den Schreibstil und die Beschreibungen reibungslos.
Die Veränderungen des Protagonisten und die meisten Botschaften, die dadurch vermittelt werden, sind anfangs eher subtil in der Geschichte versteckt. Erst gegen Ende zeichnet sich sein weiterer Weg ab. Auch nach der Lektüre dieses Romans wird einen die Geschichte wohl noch eine Weile beschäftigen.
Der Erzähl- und Schreibstil des Autors sind Geschmackssache. Ich fand den Schreibstil nach einer Weile eintönig. Der Erzählstil hat mir gefallen und die Botschaften der Geschichte haben mich nachdenklich gemacht. Allerdings ist mir die Geschichte und wie der Protagonist seine Veränderung erlebt insgesamt etwas zu flach.
Fazit: Ein guter Roman – ruhig, nachdenklich, gelegentlich tiefgründig. Kein „Muss“, aber ein gutes „Kann“.
Weniger
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