Alba de Céspedes
Gebundenes Buch
Aus ihrer Sicht
Roman Das hochpolitische Schicksal einer Frau im von Faschismus und Patriarchat beherrschten Italien
Mitarbeit: Vinken, Barbara;Übersetzung: Krieger, Karin
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Rom, 1939. Alessandra wächst in bescheidenen Verhältnissen auf. Ihre Mutter - ein außergewöhnliches Klaviertalent - wird vom Ehemann ständig in ihre Schranken verwiesen, und so wird Alessandra früh eingebläut, welche Rolle für Frauen vorgesehen ist. Nach dem plötzlichen Tod der Mutter wird sie vom Vater in ein Dorf in den Abruzzen geschickt, wo sie lernen soll, sich zu fügen. Doch Alessandra ist ein freier Geist, sie politisiert sich und fordert nichts weniger als die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Als sie zurück in Rom den antifaschistischen Philosophen Francesco kennenlernt...
Rom, 1939. Alessandra wächst in bescheidenen Verhältnissen auf. Ihre Mutter - ein außergewöhnliches Klaviertalent - wird vom Ehemann ständig in ihre Schranken verwiesen, und so wird Alessandra früh eingebläut, welche Rolle für Frauen vorgesehen ist. Nach dem plötzlichen Tod der Mutter wird sie vom Vater in ein Dorf in den Abruzzen geschickt, wo sie lernen soll, sich zu fügen. Doch Alessandra ist ein freier Geist, sie politisiert sich und fordert nichts weniger als die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Als sie zurück in Rom den antifaschistischen Philosophen Francesco kennenlernt, scheint sie endlich am richtigen Ort angelangt zu sein. Doch es wird ihr viel zu spät klar, was ihr für die ersehnte Freiheit abverlangt werden wird.
Dieser radikal »aus ihrer Sicht« erzählte Roman ist die Geschichte einer großen Liebe und eines Verbrechens. In einem von Faschismus und dem Patriarchat beherrschten Italien entspinnt sich das intime und hochpolitische Schicksal einer Frau, die das Unmögliche möglich macht: Resignation in Rebellion zu verwandeln.
Dieser radikal »aus ihrer Sicht« erzählte Roman ist die Geschichte einer großen Liebe und eines Verbrechens. In einem von Faschismus und dem Patriarchat beherrschten Italien entspinnt sich das intime und hochpolitische Schicksal einer Frau, die das Unmögliche möglich macht: Resignation in Rebellion zu verwandeln.
Alba de Céspedes wurde 1911 in Rom geboren, als Tochter eines kubanischen Vaters und einer italienischen Mutter. Während des Krieges war de Céspedes im aktiven Widerstand und wurde zweimal inhaftiert. Später arbeitete sie als Radio- und Fernsehjournalistin, schrieb Prosa, Lyrik und fürs Theater. De Céspedes starb 1997 in Paris. Ihre Romane erleben derzeit eine internationale Wiederentdeckung. Karin Krieger übersetzt vorwiegend aus dem Italienischen und Französischen, darunter Bücher von Elena Ferrante, Claudio Magris, Anna Banti, Armando Massarenti, Margaret Mazzantini, Ugo Riccarelli, Andrea Camilleri, Alessandro Baricco und Giorgio Fontana. Sie war mehrfach Stipendiatin des Deutschen Übersetzerfonds und erhielt 2011 den Hieronymusring. Barbara Vinken ist Professorin für Literaturwissenschaft, Kulturwissenschaftlerin und Modeexpertin. Flaubert beschäftigt sie seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr.
Produktdetails
- Verlag: Insel Verlag
- Originaltitel: Dalla parte di lei
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 637
- Erscheinungstermin: 8. Februar 2023
- Deutsch
- Abmessung: 213mm x 136mm x 41mm
- Gewicht: 674g
- ISBN-13: 9783458643661
- ISBN-10: 3458643664
- Artikelnr.: 66002659
Herstellerkennzeichnung
Insel Verlag GmbH
Torstraße 44
10119 Berlin
info@suhrkamp.de
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
In dieser Neuauflage von Alba de Céspedes' Roman findet Rezensent Niklas Bender eine Vorgängerin zu Elena Ferrantes Neapel-Tetralogie: 1949 erschien das Buch im Original, im Mittelpunkt steht die Römerin Alessandra im Alter zwischen 16 und Anfang 20, zunächst während der Mussolini-Diktatur in Rom, später im Herkunftsdorf, wo vergeblich versucht wird, sie in eine Rolle als unterwürfige Hausfrau zu pressen. Besonders zentral ist Bender zufolge die Beziehung der Protagonistin zu Francesco, die romantisch beginnt, aber doch enttäuschend endet. Dieser Fokus sagt dem Kritiker allerdings eher weniger zu, er fragt sich, warum weibliche Emanzipation unbedingt an männliche Beachtung geknüpft sein muss. Auch mit der Begeisterung der Autorin für Fidel Castro tut er sich schwer. Und so fällt sein Urteil gemischt aus: Das Buch ist "politisch und existenziell heikel, ästhetisch meist lohnend", erklärt er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Unsere Freiheit endet nur Stunden nach der Geburt
Ein Klassiker der emanzipativen Literatur: "Aus ihrer Sicht" von Alba de Céspedes in Neuübersetzung
Elena Ferrantes Romanzyklus "Meine geniale Freundin" hat einen großen Vorläufer: "Aus ihrer Sicht". Dieser 1949 erschienene Roman von Alba de Céspedes (1911 bis 1997) verhandelt vergleichbare Themen, vorneweg die heikle Stellung der Frau im modernen Italien gerade in einem Szenario sozialen Aufstiegs, das Selbstverwirklichung verheißt. Und auch wenn der Fokus bei Cespédes nicht auf Freundschaft liegt, spielt sie fürs Verhältnis der Heldin Alessandra und ihrer Bekannten Fulvia eine zentrale Rolle. Cespédes hat einen verkannten modernen Klassiker geschrieben, der auf
Ein Klassiker der emanzipativen Literatur: "Aus ihrer Sicht" von Alba de Céspedes in Neuübersetzung
Elena Ferrantes Romanzyklus "Meine geniale Freundin" hat einen großen Vorläufer: "Aus ihrer Sicht". Dieser 1949 erschienene Roman von Alba de Céspedes (1911 bis 1997) verhandelt vergleichbare Themen, vorneweg die heikle Stellung der Frau im modernen Italien gerade in einem Szenario sozialen Aufstiegs, das Selbstverwirklichung verheißt. Und auch wenn der Fokus bei Cespédes nicht auf Freundschaft liegt, spielt sie fürs Verhältnis der Heldin Alessandra und ihrer Bekannten Fulvia eine zentrale Rolle. Cespédes hat einen verkannten modernen Klassiker geschrieben, der auf
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den Ehebruchroman des neunzehnten Jahrhunderts konsequent antwortet. Man hofft, dass die schöne Neuübersetzung von Karen Krieger (die erste seit den Fünfzigerjahren) ihn den deutschen Lesern nahebringen wird.
"Aus ihrer Sicht" präsentiert die Perspektive der jungen Römerin Alessandra in den biographischen Schlüsseljahren zwischen sechzehn und Anfang zwanzig; diese fallen zusammen mit dem Ende des Faschismus und der Befreiung von deutscher Besatzung. Von Alessandra wird in drei Blöcken berichtet: Teil eins erzählt die außereheliche, tragische endende Liebe ihrer Mutter, einer begabten Pianistin, zu dem reichen Exzentriker Hervey Pierce. In Teil zwei wird Alexandra in die Heimat ihres Vaters geschickt, um eine klassische Frauenrolle zu erlernen; allerdings findet sie ihren Platz in dem Abruzzendorf nicht. Der dritte und längste Teil schließlich erzählt anfangs, wie die nach Rom zurückgekehrte Alessandra ihren erblindenden Vater versorgt und Kunstgeschichte studiert. Im Zentrum steht jedoch ihre Liebe zu Francesco, einem Dozenten der Rechtsgeschichte aus gutem Hause, der in den Widerstand geht und eine Politikerkarriere beginnt, während Alessandra in eine Hausfrauenrolle gedrängt wird. Céspedes lässt diese Liebe den Realitätstest Ehe durchlaufen. Ergebnis: nicht bestanden.
Seine Kraft zieht "Aus ihrer Sicht" aus mehreren Quellen. Schwer wiegt die Darstellung der bleiernen Faschismusjahre, eindrücklich kondensiert in jener Stimme, die aus dem Radio schallt - Mussolinis Name fällt nicht, aber die Dinge sind klar. Packend sind die Milieuschilderungen des römischen Kleinbürgertums, das Alessandras Vater, ein Beamter, aufs Widerwärtigste inkarniert, und die des Mietshauses mit seiner Innenhofgemeinschaft (Wahrsagerin inklusive). Die ländliche Großfamilie wird als zwiespältiges Korsett - sowohl Stütze als auch Gefängnis - treffend porträtiert, ebenso die Facetten der Mädchenfreundschaft zwischen Spiegel, Konkurrenz und Attraktion.
Besonders jedoch findet Céspedes' Hauptimpetus, das komplexe Verhältnis von Mann und Frau zu beschreiben, meisterhafte Umsetzung: Es gelingt ihr, hochfliegende Erwartung und schleichende Enttäuschung in ein teils krasses, teils subtiles Spannungsverhältnis zu setzen, die Säure des Alltags auf Ideale zu schütten und deren Zersetzung mit reiner Lupe zu beobachten. Die Mutter bringt es auf den Punkt: "Kein Mensch ist frei, niemand ist frei. Unsere Freiheit endet wenige Stunden nach unserer Geburt, wenn man uns einen Namen überstülpt und uns in eine Familie zwängt. Dann können wir nicht mehr entkommen, uns nicht mehr losreißen, nicht mehr wirklich frei sein. Das große Standesamtsgebäude ist unser Gefängnis." Fürs weibliche Geschlecht gilt das doppelt, in der Ehe wird es zum Objekt; Céspedes stellt die bis ins Ehebett geltende Gehorsamspflicht an den Pranger.
Weibliche Verzweiflung setzt Céspedes durch Gesten motivisch ins Bild, hier die einer namenlosen Bäuerin: "Ihre Ärmel waren hochgekrempelt und die Unterarme so muskulös wie die eines jungen Mannes. Ihre Hände, die den weichen Teig bearbeiteten, verrieten einen gewalttätigen Impuls, der sich in dieser Tätigkeit entlud. Plötzlich fiel mir wieder ein, wie erbittert Sista das Bügeleisen auf das Hemd meines Vaters gepresst hatte." Der Unterwerfung setzen Alessandra und ihre Mutter radikal romantische Liebe entgegen, gefasst im ambivalenten Motiv einer Liebenden, welche die Treppe hinuntereilt.
Die Kompromisslosigkeit der Mutter sorgt dafür, dass sie der Tochter zur "poetischen Legende" wird. Nicht umsonst ist die Pianistin eifrige Leserin von Flauberts "Madame Bovary": Wie Emma träumt sie von einer romanhaften Existenz. Ganz anders Alessandra: Mit Flaubert kann sie nichts anfangen. Als ihr zuerst so einfühlsamer Mann ihr signalisiert, dass ein Engagement im Widerstand, ja allgemein öffentliches Wirken von Frauen unangebracht sei, will sie ihm das Gegenteil beweisen. Heimlich und gegen seinen Willen schmuggelt sie Flugblätter, später Bomben. Als sie einsehen muss, dass selbst der verständnisvolle Intellektuelle sie zu Heim und Herd verurteilt, greift sie zur Pistole. Wo das neunzehnte Jahrhundert Ehebruch und Tod der Frau setzte, wird im zwanzigsten der Ehemann ausgeräumt.
Alba de Céspedes, Tochter von Carlos Manuel de Céspedes y Quesada (kubanischer Präsident im Jahr 1933) und einer Italienerin, führt ihren Roman mit radikaler Konsequenz zu Ende - schon dafür verdient sie Bewunderung. Allerdings enthält "Aus ihrer Sicht" Inkonsequenzen. Man fragt sich, warum Emanzipation und romantische Liebe unbedingt gekoppelt sein müssen - und ob nicht gerade das zu beider Scheitern führt. Die Abruzzen-Großmutter etwa bietet Alessandra Frauenherrschaft, die aber ohne Liebe auskommen muss, wie Barbara Vinken in ihrem Nachwort betont. Was sie nicht erwähnt, ist, dass Céspedes daraus Probleme entstehen, in die auch Ferrante sich verheddert: Erstens knüpft sie das weibliche Selbstbild an einen intimen liebeszentrierten Existenzentwurf, der paradoxerweise verlangt, in einer männlich dominierten Öffentlichkeit anerkannt zu werden. Zweitens hat dieser Entwurf einen Hang zum Kitsch. Drittens stellt sich die Frage, ob Alessandras Ansprüche nicht wie jene von Emma Bovary schlicht überzogen sind, ob das Problem also weniger bei misogynen Männern und den von ihnen geprägten Institutionen als vielmehr in der Unzulänglichkeit des Lebens zu suchen wäre.
Céspedes muss blind für derartige Überlegungen gewesen sein; das legt auch ihr Nachwort zur Neuauflage von 1994 nahe, in dem sie als Anhängerin Fidel Castros - Kubas "edler, aufrechter Führer" - ungebrochen Revolutionsideale vertritt und die Amerikaner beschimpft, an die Italien 1945 seine Unabhängigkeit verloren habe. Idealistische Maßlosigkeit kennzeichnen Céspedes' Ansprüche - politisch und existenziell heikel, ästhetisch meist lohnend. NIKLAS BENDER
Alba de Céspedes: "Aus ihrer Sicht". Roman.
Aus dem Italienischen von Karin Krieger. Nachwort von Barbara Vinken. Insel Verlag, Berlin 2023. 638 S., geb., 28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Aus ihrer Sicht" präsentiert die Perspektive der jungen Römerin Alessandra in den biographischen Schlüsseljahren zwischen sechzehn und Anfang zwanzig; diese fallen zusammen mit dem Ende des Faschismus und der Befreiung von deutscher Besatzung. Von Alessandra wird in drei Blöcken berichtet: Teil eins erzählt die außereheliche, tragische endende Liebe ihrer Mutter, einer begabten Pianistin, zu dem reichen Exzentriker Hervey Pierce. In Teil zwei wird Alexandra in die Heimat ihres Vaters geschickt, um eine klassische Frauenrolle zu erlernen; allerdings findet sie ihren Platz in dem Abruzzendorf nicht. Der dritte und längste Teil schließlich erzählt anfangs, wie die nach Rom zurückgekehrte Alessandra ihren erblindenden Vater versorgt und Kunstgeschichte studiert. Im Zentrum steht jedoch ihre Liebe zu Francesco, einem Dozenten der Rechtsgeschichte aus gutem Hause, der in den Widerstand geht und eine Politikerkarriere beginnt, während Alessandra in eine Hausfrauenrolle gedrängt wird. Céspedes lässt diese Liebe den Realitätstest Ehe durchlaufen. Ergebnis: nicht bestanden.
Seine Kraft zieht "Aus ihrer Sicht" aus mehreren Quellen. Schwer wiegt die Darstellung der bleiernen Faschismusjahre, eindrücklich kondensiert in jener Stimme, die aus dem Radio schallt - Mussolinis Name fällt nicht, aber die Dinge sind klar. Packend sind die Milieuschilderungen des römischen Kleinbürgertums, das Alessandras Vater, ein Beamter, aufs Widerwärtigste inkarniert, und die des Mietshauses mit seiner Innenhofgemeinschaft (Wahrsagerin inklusive). Die ländliche Großfamilie wird als zwiespältiges Korsett - sowohl Stütze als auch Gefängnis - treffend porträtiert, ebenso die Facetten der Mädchenfreundschaft zwischen Spiegel, Konkurrenz und Attraktion.
Besonders jedoch findet Céspedes' Hauptimpetus, das komplexe Verhältnis von Mann und Frau zu beschreiben, meisterhafte Umsetzung: Es gelingt ihr, hochfliegende Erwartung und schleichende Enttäuschung in ein teils krasses, teils subtiles Spannungsverhältnis zu setzen, die Säure des Alltags auf Ideale zu schütten und deren Zersetzung mit reiner Lupe zu beobachten. Die Mutter bringt es auf den Punkt: "Kein Mensch ist frei, niemand ist frei. Unsere Freiheit endet wenige Stunden nach unserer Geburt, wenn man uns einen Namen überstülpt und uns in eine Familie zwängt. Dann können wir nicht mehr entkommen, uns nicht mehr losreißen, nicht mehr wirklich frei sein. Das große Standesamtsgebäude ist unser Gefängnis." Fürs weibliche Geschlecht gilt das doppelt, in der Ehe wird es zum Objekt; Céspedes stellt die bis ins Ehebett geltende Gehorsamspflicht an den Pranger.
Weibliche Verzweiflung setzt Céspedes durch Gesten motivisch ins Bild, hier die einer namenlosen Bäuerin: "Ihre Ärmel waren hochgekrempelt und die Unterarme so muskulös wie die eines jungen Mannes. Ihre Hände, die den weichen Teig bearbeiteten, verrieten einen gewalttätigen Impuls, der sich in dieser Tätigkeit entlud. Plötzlich fiel mir wieder ein, wie erbittert Sista das Bügeleisen auf das Hemd meines Vaters gepresst hatte." Der Unterwerfung setzen Alessandra und ihre Mutter radikal romantische Liebe entgegen, gefasst im ambivalenten Motiv einer Liebenden, welche die Treppe hinuntereilt.
Die Kompromisslosigkeit der Mutter sorgt dafür, dass sie der Tochter zur "poetischen Legende" wird. Nicht umsonst ist die Pianistin eifrige Leserin von Flauberts "Madame Bovary": Wie Emma träumt sie von einer romanhaften Existenz. Ganz anders Alessandra: Mit Flaubert kann sie nichts anfangen. Als ihr zuerst so einfühlsamer Mann ihr signalisiert, dass ein Engagement im Widerstand, ja allgemein öffentliches Wirken von Frauen unangebracht sei, will sie ihm das Gegenteil beweisen. Heimlich und gegen seinen Willen schmuggelt sie Flugblätter, später Bomben. Als sie einsehen muss, dass selbst der verständnisvolle Intellektuelle sie zu Heim und Herd verurteilt, greift sie zur Pistole. Wo das neunzehnte Jahrhundert Ehebruch und Tod der Frau setzte, wird im zwanzigsten der Ehemann ausgeräumt.
Alba de Céspedes, Tochter von Carlos Manuel de Céspedes y Quesada (kubanischer Präsident im Jahr 1933) und einer Italienerin, führt ihren Roman mit radikaler Konsequenz zu Ende - schon dafür verdient sie Bewunderung. Allerdings enthält "Aus ihrer Sicht" Inkonsequenzen. Man fragt sich, warum Emanzipation und romantische Liebe unbedingt gekoppelt sein müssen - und ob nicht gerade das zu beider Scheitern führt. Die Abruzzen-Großmutter etwa bietet Alessandra Frauenherrschaft, die aber ohne Liebe auskommen muss, wie Barbara Vinken in ihrem Nachwort betont. Was sie nicht erwähnt, ist, dass Céspedes daraus Probleme entstehen, in die auch Ferrante sich verheddert: Erstens knüpft sie das weibliche Selbstbild an einen intimen liebeszentrierten Existenzentwurf, der paradoxerweise verlangt, in einer männlich dominierten Öffentlichkeit anerkannt zu werden. Zweitens hat dieser Entwurf einen Hang zum Kitsch. Drittens stellt sich die Frage, ob Alessandras Ansprüche nicht wie jene von Emma Bovary schlicht überzogen sind, ob das Problem also weniger bei misogynen Männern und den von ihnen geprägten Institutionen als vielmehr in der Unzulänglichkeit des Lebens zu suchen wäre.
Céspedes muss blind für derartige Überlegungen gewesen sein; das legt auch ihr Nachwort zur Neuauflage von 1994 nahe, in dem sie als Anhängerin Fidel Castros - Kubas "edler, aufrechter Führer" - ungebrochen Revolutionsideale vertritt und die Amerikaner beschimpft, an die Italien 1945 seine Unabhängigkeit verloren habe. Idealistische Maßlosigkeit kennzeichnen Céspedes' Ansprüche - politisch und existenziell heikel, ästhetisch meist lohnend. NIKLAS BENDER
Alba de Céspedes: "Aus ihrer Sicht". Roman.
Aus dem Italienischen von Karin Krieger. Nachwort von Barbara Vinken. Insel Verlag, Berlin 2023. 638 S., geb., 28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Ein Klassiker der emanzipativen Literatur ...« Niklas Bender Frankfurter Allgemeine Zeitung 20231019
"Aus ihrer Sicht" von Alba der Cespedes ist schon nach dem zweiten Weltkrieg erschienen, würde aber erst or kurzem ins Deutsche übersetzt und das - wie ich finde - hervorragend. Die Sprache fängt in ganz besonderer Weise den Zeitgeist ein. Sie ist sehr ausführlich, um …
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"Aus ihrer Sicht" von Alba der Cespedes ist schon nach dem zweiten Weltkrieg erschienen, würde aber erst or kurzem ins Deutsche übersetzt und das - wie ich finde - hervorragend. Die Sprache fängt in ganz besonderer Weise den Zeitgeist ein. Sie ist sehr ausführlich, um jedes Detail bemüht, und kann dadurch ein ganz klares Bild der jeweiligen Situation vermitteln.
Besonders gefallen hat mir die Beschreibung von der Kindheit Alessandras. Sie ist ein besonders gefühlvolles, intelligentes Mädchen, das sehr darunter leidet, immer im Schatten ihres verstorbenen Bruders zu leben. Sie verbringt viele, einsame Tage am Fenster ihres Zimmers und ist sich selbst genug. Ihre einzige Verbündete, nämlich ihre Mutter, verliert sie als junges Mädchen, als diese Selbstmord begeht.
Bei ihrer Großmutter in den Abruzzen hat man eine Zeitlang den Eindruck, daß sie zur Ruhe kommt und ganz im Alltag des Landlebens aufgeht.
Nach ihrer Rückkehr nach Rom, lernt sie Francesco kennen, der im Widerstand arbeitet. Die Zeichen stehen auf Krieg. Wohl um ihrem Mann nahe zu sein, wird sie ebenfalls im Widerstand aktiv. Nach dem Ende des Krieges und der Rückkehr von Francesco aus dem Gefängnis, beginnt für Alessandra leider nicht die Zeit der Zweisamkeit. Francescos politische Tätigkeit nimmt immer mehr Zeit in Anspruch und sie sieht sich zurückgeworfen auf das Hausfrauendasein. Sehr gut dargestellt wird das Frauenbild dieser Zeit, an dem Alessandra letztendlich zerbricht.
Das Buch ist in jeder Hinsicht interessant, sehr gut geschrieben und bekommt- weil es für mich an manchen Stellen zu ausführlich ist- vier Sterne. Es gibt niemanden, dem ich es nicht empfehlen würde.
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Eines der Bücher, die streckenweise mühsam sind – aber man will sie doch fertig lesen.
Die Autorin zeigt eine große Präzision im Beschreiben von Gefühlen und Stimmungen. Das ist einer der Gründe, warum ich den Roman bis zum Schluss geschafft habe.
Um sich ein …
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Eines der Bücher, die streckenweise mühsam sind – aber man will sie doch fertig lesen.
Die Autorin zeigt eine große Präzision im Beschreiben von Gefühlen und Stimmungen. Das ist einer der Gründe, warum ich den Roman bis zum Schluss geschafft habe.
Um sich ein bisschen in die Hauptperson Alessandra, eine anfangs sehr junge Römerin, versetzen zu können, ist es hilfreich, ein bisschen über die geschichtlichen Hintergründe zu wissen. Die erste Auflage des Buchs ist in Italien bereits 1949 erschienen, die deutsche Übersetzung erst jetzt. Die jungen Frauen in der Geschichte hoffen alle auf eine glückliche Zukunft an der Seite eines Mannes. Sehr bald erleben sie aber resigniert, dass die allermeisten Frauenschicksale ähnlich aussehen: Die Männer gelten was, die Frauen werden ans Haus gebunden, unabhängig von ihren Talenten und Wünschen.
Die Mutter von Alessandra nimmt sich aus unerfüllbarer Liebe das Leben. Das bestimmt weitgehend das Leben ihrer Tochter. Sie übersiedelt von ihrem verhassten Vater und dem armseligen Leben in Rom zur väterlichen Großmutter in die Abruzzen. Dort lernt sie das Selbstversorgerleben schätzen und kommt erstaunlich gut mit der strengen Großmutter aus.
Zurück in Rom verliebt sie sich und heiratet – und erlebt, wie sie dabei verkümmert. Auch sie erlebt eine (platonische) Liebesbeziehung außerhalb ihrer Ehe.
Das Buch ist ein Anti-Kriegsroman und möglicherweise in Teilen autobiografisch.
Irritierend für mich war, dass „Antifaschist“ für Alessandra eine schreckliche Bezeichnung ist. Überhaupt sind ihre Gefühlsverwirrungen und ihre sprunghaften Schilderungen schwer nachvollziehbar. Dass das schließlich in einem Verbrechen mündet, ist wohl vor allem dem System und nicht so sehr dem Opfer geschuldet.
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Obwohl das Werk bereits 1949 erschien, hat es leider noch nichts an Aktualität verloren. Es handelt von weiblicher Selbstbestimmung, Gleichberechtigung auf allen Ebenen und dem oft dominierenden Patriarchat. Die Erzählweise ist aus der Ich-Perspektive der Protagonistin Alessandra …
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Obwohl das Werk bereits 1949 erschien, hat es leider noch nichts an Aktualität verloren. Es handelt von weiblicher Selbstbestimmung, Gleichberechtigung auf allen Ebenen und dem oft dominierenden Patriarchat. Die Erzählweise ist aus der Ich-Perspektive der Protagonistin Alessandra erzählt und gleicht dadurch in gewisser Weise einem lebendigen Tagebuch. Der Schreibstil ist durch die Form des Tagebuchs sehr eindrücklich und man ist als Leser:in Teil des Alltags, erlebt, und sieht mit den Augen der Protagonistin. Die Dominanz, die der Vater ausübt ist zu Teilen sehr bedrückend und das Erlebte von Alessandra dadurch um so realer.
Ein tolles Buch, das mit seinen 637 Seiten auf jeden Fall keine schnelle Lektüre ist, aber sie ist es wert, gelesen zu werden.
Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung.
Anmerkung: Der Roman erschien erstmals 1949. Alba de Cespedes war eine kubanisch italienische Schriftstellerin (1911-1997).
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Ich liebe historische Romane, besonders, wenn in ihrem Zentrum Geschichten von Frauen stehen. Es ist sehr inspirierend für mich ihre Lebensgeschichte mitzuverfolgen, aus ihren Fehlern lernen zu dürfen und ich fühle mich immer inspiriert etwas mehr zu mir selbst zu …
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Ich liebe historische Romane, besonders, wenn in ihrem Zentrum Geschichten von Frauen stehen. Es ist sehr inspirierend für mich ihre Lebensgeschichte mitzuverfolgen, aus ihren Fehlern lernen zu dürfen und ich fühle mich immer inspiriert etwas mehr zu mir selbst zu stehen.
Alessandra wächst in der Nähe von Rom, in einem kleinen, dunklen Mehrfamilienhaus auf. Die Männer sind die meiste Zeit auf der Arbeit, weshalb sie hauptsächlich von Frauen umgeben ist: den Nonnen im Hof, der Hausdame Sista, den anderen Mädchen im Haus, ihrer Mutter...
Als Leser steigt man genau an dieser Stelle ein. Man begleitet Alessandras eher tristen und doch sehr eindringlich geschilderten Alltag, lernt mit ihr langsam die Welt der Erwachsenen kennen und die Rolle, in welche die Frau von der Gesellschaft täglich gepresst wird. Gleichzeitig erlebt man durch ihre Augen, das doch sehr tragische Schicksal ihrer Mutter mit und darf die feine, liebevolle Bindung der Beiden miterleben.
Trotzdem fiel es mir am Anfang fiel es mir etwas schwer in das Buch zu finden. Der Schreibstil ist wunderschön, poetisch, auf den Punkt und sehr ehrlich. Ich habe das Buch oft kurz zur Seite gelegt um über kleine Impulse zum Nachdenken zu reflektieren.
Es dauert eine ganze Weile, bis Alessandra älter wird, bis sie beginnt ihren eigenen Weg zu gehen, der für mich auf der einen Seite natürlich sehr feministisch war, auf der anderen Seite aber auch von sehr traumatischen Erlebnissen und vielen inneren Kämpfen geprägt war. Insgesamt hat es mir sehr große Freude gemacht Alessandra zu begleiten und schon bald habe ich auch die kleinsten Detaills in mich aufgesogen. In meinen Augen muss man das Buch langsam lesen, Alessandra wirklich begleiten und nicht erwarten, dass jeder Tag ihres Lebens der prägenste und abwechlungsreichenste ist. Auch die Spaziergänge und generell Szenen aus Rom habe ich als großer Fan der Stadt sehr geliebt und gleichzeitig ziemlich viel Fernweh gehabt.
FAZIT:
Ein sehr interessantes, mit überraschendem Feingefühl, roher Ehrlichkeit und viel Feminismus geschriebenes Buch, dass auch vor dem Erscheinungsjahr 1949 spannend zu lesen ist. Ich habe mich jedoch etwas schwer getan in die Geschichte zu finden und es gab einige Längen. Trotzdem eine große Empfehlung!
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r e z e n s i o n:
h a n d l u n g:
Rom, 1939. Alessandra wächst in bescheidenen Verhältnissen auf. Ihre Mutter – ein außergewöhnliches Klaviertalent – wird vom Ehemann ständig in ihre Schranken verwiesen, und so wird Alessandra früh eingebläut, …
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r e z e n s i o n:
h a n d l u n g:
Rom, 1939. Alessandra wächst in bescheidenen Verhältnissen auf. Ihre Mutter – ein außergewöhnliches Klaviertalent – wird vom Ehemann ständig in ihre Schranken verwiesen, und so wird Alessandra früh eingebläut, welche Rolle für Frauen vorgesehen ist. Nach dem plötzlichen Tod der Mutter wird sie vom Vater in ein Dorf in den Abruzzen geschickt, wo sie lernen soll, sich zu fügen. Doch Alessandra ist ein freier Geist, sie politisiert sich und fordert nichts weniger als die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Als sie zurück in Rom den antifaschistischen Philosophen Francesco kennenlernt, scheint sie endlich am richtigen Ort angelangt zu sein. Doch es wird ihr viel zu spät klar, was ihr für die ersehnte Freiheit abverlangt werden wird.
m e i n u n g:
Ein Buch, welches es in sich hat. Denn dieses fast ähnlich autobiographische Buch erzählt eine Geschichte, dahinter eine Botschaft versteckt ist. Es ist eine wahre Begebenheit und hat mich deswegen mit in den Bann gezogen!
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Fantastisch. Einen großen Dank für die Wiederentdeckung und Neuveröffentlichung des großen Romans "Aus ihrer Sicht" der kubanisch-italienischen Schriftstellerin Alba de Céspedes (1997 in Paris verstorben). Der Roman ist ein Bericht, von der Protagonistin …
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Fantastisch. Einen großen Dank für die Wiederentdeckung und Neuveröffentlichung des großen Romans "Aus ihrer Sicht" der kubanisch-italienischen Schriftstellerin Alba de Céspedes (1997 in Paris verstorben). Der Roman ist ein Bericht, von der Protagonistin Alessandra, der Ehefrau und Mörderin des antifaschistischen Philosophen Francesco, in der Ich-Form im Gefängnis geschrieben. Der Mord steht am Ende der Geschichte, ist aber der Anlass, die Geschichte eines Frauenlebens von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter hinein zu erzählen, auf dem Hintergrund patriarchalischer Familienverhältnisse und des Faschismus in Italien. Alessandra liebt ihre Mutter, die unter der Gefühlskälte und Korrektheit des Ehemannes leidet, sich schließlich in einen für diese Zeit untypischen Mann - einen musischen Schöngeist wie sie selbst - verliebt; Alessandras Mutter wählt den Weg in den Freitod, um sich nicht den herrschenden Konventionen unterwerfen zu müssen. Alessandra wird daraufhin von ihrem Vater aufs Land zur sehr matriarchal ausgerichteten Großmutter geschickt, wo sie ein weiteres Frauenbild kennenlernen darf. Auch hier trifft sie auf Lieblosigkeit. Alessandra entschließt sich, nicht den Hof der Großmutter zu übernehmen und nach Rom zurückzukehren, wo sie auf den Widerstandskämpfer Francesco trifft, sich in ihn verliebt und heiratet. Immer deutlicher wird aber, wie die klassische Ehe zu einem Korsett aus Lieblosigkeit und die Liebende zu einer Leibeigenen wird. Und genau diesen Prozess der Entstehung einer 'Mauer' zwischen den beiden beschreibt die Autorin in hervorragender Weise. Alessandra ist verzweifelt, dachte sie doch lange - anders als es ihrer Mutter noch möglich war - einen Weg gefunden zu haben, wie zwischen Mann und Frau die Liebe in Freiheit wachsen kann - aber für Francesco steht offenbar der politische Freiheitskampf im Vordergrund und darin definiert er seine Rolle als Mann, nicht als Liebender. Doch anders als ihrer Mutter richtet Alessandra die entstehende mörderische Aggression über die herrschenden Konventionen und die Unmöglichkeit der Liebe nicht gegen sich selbst, sondern gegen ihren Mann Francesco. Ein Maniferst für die Liebe, die Freiheit und gegen die traditionelle Ehe als Gefängnis. Unbedingt lesen, weil durchaus immer noch aktuell!
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Alessandra wächst in den 30er Jahren in Rom auf. Die Mutter, eine feinsinnige, sensible Frau, leidet unter dem patriarchalen Machtgefüge der Ehe und der Lieblosigkeit ihres Ehemannes. Frauen, so scheint es, sind einzig dazu da, dem Ehemann den Rücken frei zu halten, den Haushalt zu …
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Alessandra wächst in den 30er Jahren in Rom auf. Die Mutter, eine feinsinnige, sensible Frau, leidet unter dem patriarchalen Machtgefüge der Ehe und der Lieblosigkeit ihres Ehemannes. Frauen, so scheint es, sind einzig dazu da, dem Ehemann den Rücken frei zu halten, den Haushalt zu organisieren und die Kinder zu erziehen. Als Alessandras Mutter aus diesem Gefüge ausbrechen will, kommt es zu einem tragischen Ereignis und Alessandra wird zur Großmutter in die Abruzzen geschickt. Dort gelingt es ihr, ihre eigenen Interessen durchzusetzen: Sie darf lernen und das Examen machen. Zurück in Rom fällt muss sie jedoch die Rolle der Mutter einnehmen, da der Vater mittlerweile erblindet ist. Sie reibt sich auf zwischen Haushalt, Universität und Arbeit in einem Büro. Als sie den Philosophie-Dozenten Francesco, der im Widerstand aktiv ist, kennenlernt, scheinen sich alle ihre Träume und Hoffnungen zu erfüllen – doch schafft sie es, die alten Rollenvorstellungen hinter sich zu lassen?
Die Geschichte wird in der Rückschau aus Alessandras – „aus ihrer“ – Sicht erzählt. Die ganze Handlung und die Darlegung der Strukturen und Gefühle laufen darauf hinaus, zu ergründen, wie es zum zentralen Ereignis, welches am Ende des Romans stattfindet, kommen konnte. Die Missstände des patriarchalen Ehegefüges und die Stellung der Frau in der damaligen Zeit werden dabei sehr genau analysiert, fast schon seziert. Was mir gut gefallen hat, ist, dass im Roman unterschiedliche Frauen- und Männer-Persönlichkeiten dargestellt werden, was nochmal die typischen Gender-Klischees hervorhebt. So gibt es die männlich erscheinende Denise, die im Widerstand aktiv ist, Konkubinen wie Alessandras Freundin Fulvia, die matriarchalische Großmutter, die Mutter als feinsinnige Künstlerin, der Vater als Patriarch, Hervey als Liebhaber, dem quasi alle Männlichkeit abgeschrieben wird. Interessant fand ich auch, wie sich das patriarchale Gefüge letztendlich nicht auflöst, sondern trotz scheinbarer Gleichberechtigung beider Ehepartner bezüglich Arbeit und Bildung bestehen bleibt. Francescos Rücken wird hierbei sinnbildlich als Mauer bezeichnet, gegen die sich nicht ankommen lässt.
Was mich jedoch beim Lesen gestört hat, sind die zum Teil beträchtlichen Längen und die Redundanzen. Alessandras absolute Hingabe und ihre Fokussierung auf die Liebe, ihr schmachtendes Sehnen und ihre fehlgeleitete Leidenschaft wurden für meinen Geschmack zu oft erwähnt und zu sehr ausgeführt. Hier hätten dem Roman ein paar Seiten weniger sicher gutgetan. Auch verkümmert der zentrale feministische Gedanke, der am Anfang noch vorhanden ist, im Laufe der Handlung. Zeigt Alessandra zu Beginn noch einen großen Kampfgeist, wehrt sie sich im Verlauf gegen das Konstrukt der Ehe nur noch in Gedanken und passt sich mehr und mehr an. Sie führt ihre Suche nach Selbstbestimmung nicht weiter, sie fügt sich in ihre Rolle. Selbst ihre Handlungen im Widerstand vollführt sie nicht aus politischer Motivation, sondern um Francesco zu gefallen, um ihm zu zeigen, dass sie ihm ebenbürtig ist.
Sicher ist dies ein feministischer Roman und ein wertvolles Zeitzeugnis (die Erstausgabe erschien 1949), der jedoch das „Genderkorsett“ (siehe das lesenswerte Nachwort von Barbara Vinken) nur andeutungsweise ankratzt.
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Eine starke Frau
Meine Meinung zur Autorin und Buch
Alba de Cespedes , war mir bisher eine unbekannte Autorin. Der Roman erschien schon 1949 in Italien, er ist eine Wiederentdeckung und wurde ins Deutsche übersetzt. Sie galt als brillante Autorin und Widerstandskämpferin. Eine …
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Eine starke Frau
Meine Meinung zur Autorin und Buch
Alba de Cespedes , war mir bisher eine unbekannte Autorin. Der Roman erschien schon 1949 in Italien, er ist eine Wiederentdeckung und wurde ins Deutsche übersetzt. Sie galt als brillante Autorin und Widerstandskämpferin. Eine Feministin durch und durch, das merkt man beim lesen. Ehrlich gesagt es viel mir schwer in die Geschichte hinein zu finden. Ein sehr politisch angehauchtes Buch, das die sozialen und politischen Missstände, der Stand der Frau , in Italien verdeutlicht. Kein Wunder das sie zur Rebellin und Widerstandskämpferin wurde. Sie wollte für die Gleichstellung der Frauen kämpfen. Das alles wird sehr deutlich in dem Buch und verlangt einiges vom Leser ab.
Alessandra wächst in einfachen Verhältnissen auf, ihr Vater ein Beamter und Patriarchat , Ihre Mutter eine begnadete Pianistin, die nur noch Privat unterrichten darf, weil der Vater es so will. Aus ihrer Sicht und ihren Gefühlen erzählt Alessandra ihre Lebensgeschichte. Sie lernt es sich zu ducken und in die Rolle der Frau einzufügen. Es behagt dem Kind einfach nicht, sie möchte nicht so enden wie ihre Mutter. Nach dem Selbstmord ihrer Mutter, wird sie vom Vater aufs Land zur Großmutter geschickt, die ihr Zucht und Ordnung beibringen soll. Aber das Gegenteil geschieht, ihre Großmutter sieht wie Talentiert ihre Enkelin ist, und erlaubt ihr zu studieren. Sie lernt während des Studiums Francesco kennen, einen Philosophen und Antifaschisten. Es scheint als ob sie am Ziel ihrer Vorstellungen angelangt ist, endlich jemand der sie versteht. Aber es wird noch viel auf Alessandra zukommen, ein Schicksal das sie nicht erahnt hat. Aber ob es sich gelohnt hat dafür zu kämpfen? Und den bitteren Preis dafür zu zahlen?
„ Ein Stück Zeitgeschichte „
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Zeitlos und kraftvoll
Für ein Buch, das zuerst 1949 in Italien veröffentlicht worden ist, bietet "Aus ihrer Sicht" eine absolut aktuelle, zeitlose und unmittelbar emotional nachvollziehbare Geschichte einer jungen Frau.
In einer Gesellschaft, in der ihr von allen Seiten …
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Zeitlos und kraftvoll
Für ein Buch, das zuerst 1949 in Italien veröffentlicht worden ist, bietet "Aus ihrer Sicht" eine absolut aktuelle, zeitlose und unmittelbar emotional nachvollziehbare Geschichte einer jungen Frau.
In einer Gesellschaft, in der ihr von allen Seiten vermittelt wird, dass man als Mensch, aber besonders als Frau, gar nicht darauf zu hoffen braucht, im Leben zufrieden und glücklich zu sein, möchte sich die Protagonistin Alessandra damit nicht abfinden. Auch die von einer patriarchalisch bestimmten Welt vorangenommene Rolle einer (Ehe-)Frau und die vorbestimmten Einschränkungen, die sie selbst in der Ehe mit ihrem eigentlich modern eingestellten Mann erfährt, kann und will sie nicht akzeptieren. Ihre starken Überzeugungen bringen sie schließlich dazu, aktiv im antifaschistischen Widerstand zu kämpfen.
Der Roman ist eine recht anspruchsvolle Lektüre, denn die Erzählung ist sehr detailreich und lang - "Sie ist tatsächlich sehr lang, denn auch das kurze Leben einer Frau ist, Tag für Tag und Stunde um Stunde, unendlich lang, und selten gibt es nur einen einzigen Grund, der sie zu einem plötzlichen Aufbegehren zwingt." - und nicht in Kapitel oder deutliche Abschnitte aufgeteilt, und der Spannungsbogen der Handlung und Ereignisse nimmt erst in der zweiten Hälfte des Buches zunehmend Geschwindigkeit auf, aber auf jeden Fall eine sehr bewegende und lohnende Lektüre:
Ein kraftvolles Portrait einer Frau und einer Zeit, mit sehr viel umfassenderen und universellen Botschaften.
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Im beginnenden Faschismus Italiens wächst Alessandra auf in einem Spannungsfeld zwischen ihrer musikalisch hoch begabten und sensiblen Mutter und einem Vater, aus den Abruzzen kommend, welcher der künstlerischen Entwicklung seiner Frau ablehnend gegenübersteht und von ihr das …
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Im beginnenden Faschismus Italiens wächst Alessandra auf in einem Spannungsfeld zwischen ihrer musikalisch hoch begabten und sensiblen Mutter und einem Vater, aus den Abruzzen kommend, welcher der künstlerischen Entwicklung seiner Frau ablehnend gegenübersteht und von ihr das Einfügen in das traditionell vorherrschendes Rollenbild fordert.
Alessandra liebt und bewundert ihre Mutter ist daher von deren Selbstmord sehr getroffen.
Vom Vater wird Alessandra in die Abruzzen zur Großmutter geschickt, wo sie sich einlebt, aber auch rebelliert gegen die dort an sie gestellten Ansprüche.
Zurück in Rom und vor dem Hintergrund des beginnenden 2. Weltkriegs begegnet sie Francesco, einem antifaschistischen Intellektuellen und verliebt sich in ihn.
Aus ihrer Perspektive beschreibt Alessandra ihre Begegnungen, ihr Leben und ihre Liebe, die Charaktere und Ereignisse werden plastisch sichtbar
Es lässt vermuten, was die anderen denken und fühlen könnten - aber es ist ihre Sicht.
Ich habe mit ihr gefühlt, gelitten und gehofft in ihrem Kampf um ihre Liebe, ihre Freiheit und ihr Leben.
Ein einfühlsames Buch über eine Frau, die sich selbst treu bleibt und dabei bis zum Äußersten geht.
Unbedingt lesenswert!
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