Michelangelo Merisi hat schon in jungen Jahren Glück. Er ist nicht unbedingt das Kind armer und einflussloser Eltern. Zudem hat er schon in Caravaggio mächtige Fürsprecher. Und doch ist Michele nie so richtig zufriedenzustellen. Schon als Kind hat er Probleme mit seinem Jähzorn, die auch sein
späteres Leben prägen und aufwühlen sollen. Als Jugendlicher geht er bei verschiedenen bekannten Malern in…mehrMichelangelo Merisi hat schon in jungen Jahren Glück. Er ist nicht unbedingt das Kind armer und einflussloser Eltern. Zudem hat er schon in Caravaggio mächtige Fürsprecher. Und doch ist Michele nie so richtig zufriedenzustellen. Schon als Kind hat er Probleme mit seinem Jähzorn, die auch sein späteres Leben prägen und aufwühlen sollen. Als Jugendlicher geht er bei verschiedenen bekannten Malern in die Lehre, doch will sich schnell selbständig machen, da sein Malstil von diesen nicht gewürdigt wird und er die Themen und Motive seiner Bilder vorgeschrieben bekommt. Dafür, dass Michele behauptet, ein Maler müsse sehr diszipliniert sein, widerspricht sein Lebensstil dem in allen Aspekten: er ist ungepflegt, legt keinen Wert auf Äußeres, wäscht sich nicht, ist unbeherrscht, jähzornig und leicht zu provozieren. Er säuft, schläft den halben Tag und kann sich auch in seiner Liebe nicht festlegen. Ständig ist er hin- und hergerissen zwischen seinem Liebhaber Mario und seiner Jugendfreundin Paola. Doch all diese Fehler, die ihn zu einem völlig unsympathischen Charakter machen, sind beim Betrachten seiner Kunst vergessen. Michelangelo Caravaggio - wie er sich später selbst nennt, steigt von einem der unzähligen Maler Roms zu einem der größten und gefeiertsten Künstler Italiens auf. Doch seine Eitelkeit bezüglich seines Talents soll ihm immer wieder zum Verhängnis werden.
Röhrig eröffnet die Geschichte mit dem Raub der Nativitá aus einer Kirche in Palermo im Jahr 1969. Von dieser Szene schwenkt er in Caravaggios Kindheit und beginnt hier, dessen Lebensgeschichte zu erzählen. Auch wenn Michele ein völlig unsympathischer Protagonist ist, so muss man doch das Genie anerkennen, das in ihm steckt und ihm das Leben so schwer macht. Bei Röhrigs Schreibstil kann man die Farben fast riechen und den Pinsel fast spüren. Auch die Zeiten und Orte werden absolut authentisch und überzeugend geschildert. Zudem werden die Verhältnisse und auch die Ränke und Intrigen deutlich. Allerdings habe ich mehr mit Paola mitgelitten als mit dem absolut egoistischen Michele. Letzten Endes konnte einem Michele dann aber doch fast leid tun, denn der Autor hat sehr anschaulich gemacht, in welche Spirale aus Gewalt der Künstler sich selbst gebracht hat mit seiner aufbrausenden Art und seinem Jähzorn und die letztlich zu seinem Ende führte. Auch über die völlig neue Kunstrichtung, die Caravaggio begründet hat und für die er zu Lebzeiten noch verhöhnt wurde, habe ich durch dieses Buch viel gelernt. Als die Szene am Ende nach Palermo im Jahr 1969 zurückschwenkte, konnte ich den Schmerz über den Verlust eines derartigen Kunstwerkes selbst spüren und der Gedanke, dass das Gemälde möglicherweise unwiderbringlich zerstört sein könnte, hat mich sehr traurig gemacht, denn solche Kunstschätze lassen sich nie wiederherstellen.
Punktabzüge gibt es für mich allerdings auch, denn das Buch war nicht immer besonders fesselnd oder spannend und an manchen Stellen half nur Geduld. Zudem ging mir Micheles schlechter Charakter auch manchmal auf die Nerven. Außerdem scheint auch bei diesem Buch der herausgebende Verlag in eine Falle getappt zu sein, die mir in letzter Zeit oft auch bei anderen aufgefallen ist: der Klappentext greift viel zu weit vor bzw. lässt völlig andere Erwartungen entstehen. Denn die angekündigte Flucht findet erst auf Seite 414 von 487 statt und wird dementsprechend nur äußerst knapp abgehandelt. Da hatte der Klappentext "mehr" versprochen.
Alles in allem ist dem Autor aber ein guter, fundierter und bodenständiger historischer Roman gelungen, der für Kunstinteressierte noch jede Menge Neues enthält und den Leser in eine vergangene Zeit und das Atelier eines der berühmtesten Barockmaler zu entführen vermag ohne auf billige Effekthascherei angewiesen zu sein.