Stoff für 800 Seiten
Es ist kein gutes Zeichen, wenn man einen Krimi fast durchgelesen hat und ihn immer wieder aus der Hand legt. Bei diesem Buch ging es mir so, weil ich schon am Anfang richtig vermutet hatte, wer der Serienmörder sein würde und mich darum gelangweilt und über die vielen
Schwächen dieses Thrillers geärgert habe.
Eine in Kalifornien aufgewachsene Kriminaltechnikerin…mehrStoff für 800 Seiten
Es ist kein gutes Zeichen, wenn man einen Krimi fast durchgelesen hat und ihn immer wieder aus der Hand legt. Bei diesem Buch ging es mir so, weil ich schon am Anfang richtig vermutet hatte, wer der Serienmörder sein würde und mich darum gelangweilt und über die vielen Schwächen dieses Thrillers geärgert habe.
Eine in Kalifornien aufgewachsene Kriminaltechnikerin wandert nach Irland aus, wo sie die Leitung einer neu aufgestellten Abteilung übernimmt. Es ist es ein beruflicher Abstieg, dessen Ursache privater Natur ist. Sie macht eine Therapie, in der sie die Beziehung zu ihrer jüngeren Schwester aufarbeitet, für die sie als Kind Mutterersatz war und zu der sie inzwischen keinerlei Kontakt mehr hat. Ihr Vater lebt ebenfalls seit kurzem in Irland und ist Alkoholiker.
Das Cover für diesen Thriller ist phantastisch: schwarz, rot und silber sind die perfekten Farben, und die gesamte Aufmachung gefällt mir sehr gut. Das war aber leider auch fast das einzige, was mir an diesem Buch sehr gut gefallen hat.
Positiv anzumerken ist sonst nur noch der Ansatz, der nach Klappentext und Leseprobe noch extrem spannend wirkte, außerdem die durchaus gelungenen Haupt- und Nebenfiguren (wobei ich mir für die Nebenfiguren mehr Raum und Handlung gewünscht hätte – ihre Gedanken, ihr Privatleben). Die Einteilung in die einzelnen Kapitel war auch gut und das Kapitelende jeweils passend oder spannend.
Schwächen
Das Hauptaugenmerk war hier zwar die Kriminaltechnik, aber die als Nebenhandlung geschilderte Polizeiarbeit war unglaubwürdig und nicht schlüssig – oder auch schlampig? Es war zum Beispiel kaum nachvollziehbar, weshalb ein Mordopfer mit auffälliger Tätowierung nicht schneller identifiziert werden konnte. Insgesamt hatte ich den Eindruck von sehr wenig hinterfragt, sehr schwammig und sehr vielen losen Enden. Die Identität des Mörders hat daran nichts geändert, der Mörder war aber am Ende viel wichtiger als jedes der Opfer: die Opfer wurden überhaupt nicht als eigenständige Personen dargestellt. Im Vergleich zu anderen Büchern dieses Genres eine unglückliche Verschiebung des Schwerpunkts.
Besonders enttäuschend fand ich, dass die Tabus nur als Schockeffekte benutzt wurden. Die geschilderten Tatorte waren abscheulich und ekelerregend, passend zur Einstufung von Tabus als absolut inakzeptabel und abstoßend. Allerdings wurden hier alle Tabus undifferenziert in einen Topf geworfen und der Leser mit grauenhaften Bildern allein gelassen, ohne an irgendeiner Stelle auf gesellschaftliche Entwicklungen und Veränderungen einzugehen, z. B. zum Umgang mit Homosexualität oder die Diskussion um Sterbehilfe.
Als „Inspirationsquelle“ des Serienmörders wurde immer wieder Freud genannt, aber eben nur genannt – auch hier fehlte eine intensivere, vertiefende Ausarbeitung.Noch so ein oberflächlich angerissenes Thema: Die Hauptperson ist von Amerika nach Irland ausgewandert, was aber mit ein klein wenig Heimweh und zwei Vokabelproblemen sehr flach blieb. Ein weiteres Ärgernis war die rätselhafte Krankheit des einen Polizisten – nachdem man über lange Zeit mit gefiebert hatte, war das Ende dieser Geschichte enttäuschend.
Bewertung
Die angeschnittenen Themen hätten Stoff für mindestens 800 Seiten geliefert, aber leider haben die Autoren nur 400 geschrieben. Das Buch hätte auch in dieser Länge gut werden können, wenn ein klarer Schwerpunkt gesetzt worden wäre: entweder nur die Tabus oder die Familiengeschichte. Leider war das nicht der Fall und beide Handlungsstränge sind deshalb viel zu kurz gekommen, es gab lose Enden und enttäuschende Lücken in der Umsetzung der vielen Themen. Als Bewertung insgesamt sogar etwas schlechter als 2, eher 1,5 Sternchen, und die auch nur für den Ansatz und die Figuren. Es gibt wesentlich bessere Bücher als dieses und schon nach der Hälfte wusste ich: falls es von diesem Autorenpaar eine Fortsetzung oder einen neuen Thriller geben sollte, werde ich damit nicht meine Zeit verschwenden.