Devon ist krank. Nichts Ernstes, denkt Mutter Jennifer, die von der Nachtschicht kommt. Sie plaudert munter vor sich hin und berichtet von den Aufregungen, die ihr auf dem Heimweg begegnet sind. Die gesamte Wohnanlage wurde von der Polizei abgesperrt. In einer Mülltonne vor dem Haus wurde ein, noch
lebendes, Neugeborenes gefunden. "Einfach weggeworfen, wie die Pizzareste vom Vorabend". Wenig…mehrDevon ist krank. Nichts Ernstes, denkt Mutter Jennifer, die von der Nachtschicht kommt. Sie plaudert munter vor sich hin und berichtet von den Aufregungen, die ihr auf dem Heimweg begegnet sind. Die gesamte Wohnanlage wurde von der Polizei abgesperrt. In einer Mülltonne vor dem Haus wurde ein, noch lebendes, Neugeborenes gefunden. "Einfach weggeworfen, wie die Pizzareste vom Vorabend". Wenig später läutet die Polizei an der Haustür. Vielleicht wisse die Tochter etwas, sagt die Mutter dem Kommissar. Devon reagiert nicht. Die Mutter reißt ihr die Decke weg. “Oh, mein Gott” ist ihre erste Reaktion, als sie das Blut bemerkt. Sie schreit, der Kommissar klärt Devon über ihre Rechte auf und das fünfzehnjährige Mädchen fällt in Ohmacht. Endlich ist alles schwarz und still um sie herum.
Schon das erste Kapitel von "Eine Tat wie diese" hinterlässt ein Gänsehautgefühl und den unbedingten Drang sofort weiter zu lesen. Hier hat sich jemand einem Thema angenommen, das so ungeheuerlich ist, dass darüber oft lieber geschwiegen wird: Kindstötung. Ein Tabu. Ein Delikt, so grausam und unmenschlich, das es die absolute soziale Ächtung nach sich zieht. Ein Thema aber auch, das viele Fragen aufwirft. Wie schreit die Mutter hysterisch: “Glauben Sie ich hätte es nicht gemerkt, wenn meine Tochter schwanger gewesen wäre?” Hat sie es bemerkt? Oder hat sie weggeschaut? War sich Devon selber über ihren Zustand im klaren? Fragen über Fragen, die man sich voller Ungeduld stellt und dabei das Buch auf der Suche nach Antworten verschlingt.
Der Ansatz der Autorin liegt zunächst mehr auf der Klärung der rechtlichen Zuständigkeit. Devon steht kurz vor ihrem sechzehnten Geburtstag. Im amerikanischen Rechtssystem ist das die Schwelle von der Jugend- zur Erwachsenen Gerichtsbarkeit. Daher muss geklärt werden, welches Gericht zuständig ist. Devon droht im Fall eines Erwachsenen Schwurgerichtes eine lebenslange Haft. Nach Jugendrecht kann Sie für die Tat maximal mit fünf Jahren Gefängnis belangt werden. Da Devon vorher ein mustergültiges Mitglied der Gesellschaft war (sehr gute Schülerin, ehrenamtlich engagiert, Top Sportlerin) geht es auch um die Frage ihrer Zukunft, das heißt ob man ihr eine solche trotz “einer Tat wie dieser” gewähren will.
Efaw verwendet viel Zeit auf die Beschreibung des Gefängnisses in das Devon gebracht wird. Der Tagesablauf, die Regeln, die anderen Insassinnen. Dazu beleuchtet die Autorin in Rückblenden das Leben des Mädchens bis zur Nacht der Geburt. Devon muss sich den Fragen ihrer Pflichtverteidigerin stellen und sich in Gesprächen einer Psychologin öffnen. Die Autorin arbeitet in diesem Zusammenhang mit Dialogen, ansonsten aber vorwiegend mit den Erinnerungen der Hauptfigur. Sie verwendet dabei konsequent den Begriff “ES” für das Baby wenn Devon ihren Gedanken nachhängt.
Was schockierend klingt, stützt sich auf wissenschaftlich anerkannte Thesen, die durch die Aussage der Psychologin vor Gericht anklingen: “Leugnen ist ein Verteidigungsmechanismus. Es ist die Fähigkeit, vor sich selbst etwas nicht anzuerkennen, was aber tatsächlich geschieht. Ein interessantes Phänomen ist in diesem Zusammenhang, dass Familie und Freunde der Schwangeren in solchen Fällen die Schwangerschaft meist ebenfalls leugnen. Auch wenn der ein oder andere eine Schwangerschaft vermutet haben mag, geäußert hat sich niemand dazu. Für Devon hat es kein Baby gegeben. Von daher hat sie keinerlei Bindung mit dem ungeborenen Kind aufgebaut. Als das Baby geboren wurde, war dieses Ding, das sie vor jedem, einschließlich sich selbst, verborgen hatte, auf unerklärliche Weise plötzlich da. Für sie war es kein lebendiges Wesen. Deshalb hat sie es in einen Müllbeutel befördert und weggeworfen. Und, voilà, das Leugnen ging weiter. Aus den Augen, aus dem Sinn.”
Ein wichtiges Buch, das den Leser zwar mit einem beklemmenden Gefühl, aber auch mit Verständnis für eine Tat hinterlässt für die es “eigentlich” keine Entschuldigung gibt.