Auf die Frage nach seinem prägendsten Erlebnis aus der Kindheit, erzählt Alexander Sommer dem Therapeuten wie sein Freund Georg einen Frosch an Kreuz genagelt hat. „Geekelt hat's mich vor dem Brett mit dem Frosch drauf, mit den Nägeln darin. Und geekelt hat's mich auch vor dem Georg, aber
gleichzeitig hat mich sein Verhalten so fasziniert. Ein oder zwei Jahre später, wollte ich auch einmal so was…mehrAuf die Frage nach seinem prägendsten Erlebnis aus der Kindheit, erzählt Alexander Sommer dem Therapeuten wie sein Freund Georg einen Frosch an Kreuz genagelt hat. „Geekelt hat's mich vor dem Brett mit dem Frosch drauf, mit den Nägeln darin. Und geekelt hat's mich auch vor dem Georg, aber gleichzeitig hat mich sein Verhalten so fasziniert. Ein oder zwei Jahre später, wollte ich auch einmal so was machen. Aus lauter Wut auf den Vater und die Mutter, aus Protest sozusagen. Aber ich habe es nicht zusammengebracht“.
Nach einem traumatischen Autounfall, bei dem Alexander und seine Halbschwester Manuela schwer verletzt werden, müssen sich alle Familienmitglieder einer psychologischen Betreuung unterziehen. Anhand der Gesprächsmitschriften erfährt man was die unbändige Wut des Jungen ausgelöst hat. Judith W. Taschner erzählt in Form dieser Protokolle die düstere Geschichte einer Familie, die nur nach außen harmonisch, zufrieden und glücklich war.
Alexander Sommer kommt Anfang der 1970er Jahre als Pflegekind zur Familie Winter. Diese betreibt in Tirol eine Gästepension. Statt den vollverwaisten kleinen Jungen zu adoptieren, macht der Vater aus ihm und seinem Namen eine Touristenattraktion: Sommer wie Winter! Um die Gäste bei Laune zu halten ist jeder Kalauer recht, auch wenn der sensible Junge sichtlich unter dem darunter leidet. Die Kinder, neben Alexander die drei leiblichen Töchter Anna, Martina und Manuela, werden ohnehin eher als billige Arbeitskräfte betrachtet und dementsprechend ausgenutzt. Alexander hat besonders unter der Lieblosigkeit seiner Pflegemutter zu leiden, die dagegen war ein fremdes Kind anzunehmen. Der Vater wollte unbedingt einen Sohn ins Haus holen. Doch auch er kann keine Gefühle für den Jungen entwickeln.
Taschner's Sprache ist einfach und darum umso eindringlicher. Die Sätze sind kurz und prägnant, die erinnerten Dialoge messerscharf. Für jedes Familienmitglied findet die Autorin einen Tonus, der die Figur unverwechselbar und spannend macht. Die resignierte Mutter, die rebellische Manuela, die abgeklärte Martina, die scheinheilige Anna, der traumatisierte Alexander. Alle Personen tragen durch ihre Aussagen Teile eines schrecklichen Geheimnisses zusammen, das letztendlich in dem tragischen Unfall sein Ventil und seinen Weg nach außen findet.
Mir hat das Buch meine örtliche Buchändlerin empfohlen und ich kann diese Empfehlung nur weitergeben. Es ist leichte Lektüre mit Tiefgang. Man kann das Buch flott herunterlesen. Es bietet aber dennoch genug Stoff zum Nachdenken. Wer das Buch gelesen hat, wird wohl im Urlaub demnächst auch seinen Suppenteller kritischer betrachten. Denn das eingangs erwähnte Scheitern beim Kreuzigen des Frosches hält den Jungen nicht davon ab, sich etwas anderes, nicht weniger schauriges, auszudenken.