Der Kampf Schatten gegen Konzerne wird nie alt. In ihrem Sci-Fi Erstlingswerk „Autonom” greift die Wissenschaftsjournalistin Annalee Newitz neue technische Entwicklungen und Visionen auf, um eine Welt zu zeichnen, in der Drogen und Genmanipulation wichtiger sind als verchromte Cyberware.
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Handlung von „Autonom“ ist schnell umrissen. Auf der einen Seite ist Jack. Die heißt zwar nicht mit…mehrDer Kampf Schatten gegen Konzerne wird nie alt. In ihrem Sci-Fi Erstlingswerk „Autonom” greift die Wissenschaftsjournalistin Annalee Newitz neue technische Entwicklungen und Visionen auf, um eine Welt zu zeichnen, in der Drogen und Genmanipulation wichtiger sind als verchromte Cyberware.
Die Handlung von „Autonom“ ist schnell umrissen. Auf der einen Seite ist Jack. Die heißt zwar nicht mit echtem Namen so, hat aber einen Faible für Piraterie, was sie nicht nur in politischen Aktionen durch Piratenästhetik untermauert, sondern auch in ihrer ganz praktischen Tätigkeit als Patentpiratin. Als hypermoderne Version von Robin Hood versucht sie sich dem Unrecht des Patentwesens entgegenzustellen, dass die Mehrheit der Menschheit von biochemischen Verbesserungen oder auch nur adäquater Gesundheitsversorgung abschneidet. Diese edle Praxis finanziert sich Jack unter anderem mit der illegalen Reproduktion von Drogen aller Art. Ein besonderer Fall ist Zacuity. Eine Arbeitssteigernde Droge, welche die Konsumenten mit dem unstillbaren Drang versorgt, zu arbeiten. Das macht das Schuften nicht nur erträglicher, sondern wird auf dem Arbeitsmarkt zum entscheidenden Vorteil. Solche Arbeitsdrogen sind im mittleren 22 Jahrhundert prinzipiell keine große Besonderheit. Zacuity hat es aber etwas zu weit getrieben, so dass sich einige Konsumenten regelrecht zu Tode arbeiten und dabei teils mittelschwere Katastrophen auslösen. Von Gewissensbissen geplagt und in der Hoffnung, zeigen zu können, dass die Droge vom Großkonzern Zaxy mit genau diesen Gefahren intendiert war, macht sie sich auf den Schaden zu minimieren und auf dem Wege noch den Konzern zu Fall zu bringen.
Altmeister Neal Stephenson lobt „Autonom“ als Neuromancer für das Zeitalter von Biotechnologie und künstliche Intelligenz. Damit sind die Kernthemen von Buch und Welt umrissen. Die Cyber- bzw. besser Biopunkwelt von ‚Autonom‘ spielt auf der Klaviatur organischer Verbesserungen. Hier ist „Autonom“ konsequent und wartet mit vielen kleinen interessanten Innovationen auf, revolutioniert das Genre aber nicht.
Überzeugen können vorallendingen die Fragen nach robotischer Emotionalität, Sexualität und Würde. Besonders entscheidend ist hier eine Gesetzesentscheidung, welche Robotern grundlegende Rechte zuspricht, aber auf Grund der investierten Arbeitszeit des Konzerns eine umfassende Kontraktarbeitszeit erlaubt. Dieses Prinzip – letztlich legalisierte Sklaverei – hat sich natürlich auch auf Menschen übertragen, so dass Menschenhandel in all seinen Facetten vorkommt. Auch diese Unfreiheit wird anhand eines Menschenbots durchgängig thematisiert und mit der Freiheit der piratischen Subkulturen und allgemeiner Enttabuisierung kontrastiert. Möglichkeiten der Selbstgestaltung und -ausbeutung sind durch medizinische Eingriffe auf ein extremes Maß gesteigert. Dem Konzernkapitalismus sind die persönlichen Vorlieben ebenso egal, wie das Wohlergehen seiner Objekte. Offener Umgang mit Sexualität und eine drogenaffine, exzessive Partyszene sind ein Selbstverständlichkeit.
Nicht nur Stephenson lobt „Autonom“ mit seinem Neuromancer-Vergleich in höchsten Tönen. Auch der Schöpfer Neuromancers, Gibson höchstpersönlich, nennt das Buch laut Klappentext „originell und aufregend neu“. Das ist zwar nur Werbung, die passt hier aber noch weniger als üblich. Newitz‘ Roman ist eine gut gemachte Biopunkerzählung. Die Welt ist weitgehend plausibel und gerade wenn es um Gentechnik und Patentfragen geht, erreicht der Roman ein hohes Niveau. Auch die Auseinandersetzung mit Robotorautonomie ist durchdacht und interessant zu lesen. Dennoch ist wenig wirklich „aufregend neu“. Wer einen unterhaltsamen, teils actionreichen Biopunkroman sucht, wird nicht enttäuscht werden, Genredefinierend wie ‚Neuromancer‘ oder revolutionär neu ist „Autonom“ jedoch nicht. Unterhaltsam, zum Nachdenken anregend, aber an vielen Stellen doch primär ‚cool‘ und biopunkig, wozu nicht zuletzt das Klischee der Patentpiratin beiträgt.