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Leronoth

Bewertungen

Insgesamt 25 Bewertungen
Bewertung vom 06.11.2021
Mein Fehler ist, dass ich Dinge nicht zu Ende
Röthemeyer, Axel

Mein Fehler ist, dass ich Dinge nicht zu Ende


ausgezeichnet

Axel Röthemeyer (1976-2020) war als Kulturmayor eine der Darmstädter Kulturkoryphäen. Mit vorliegendem Buch setzen die Herausgeber dem Großmeister des Gagakure ein würdiges Denkmal. Der Band versammelt 36 von Röthemeyers wundervoll kurzweiligen Geschichten, Gedichten und sonstigen Kreativitätsausbrüchen nebst passenden Illustrationen vom Dhummist höchstpersönlich. Übrigens teils auch in Farbe, was das Vergnügen noch einmal aufhellt.
Röthemeyers unerschöpfliche Kreativität zeichnet sich dabei durch einen feinherben Wortspielwitz aus und zieht uns in einen Strudel der aus Albernheit und Tiefsinn etwas Drittes schafft. Es macht einfach Spaß den hochsinnigen Beobachtungen zu folgen, seinen Frontalangriff auf den Erfolgsethos zu lesen und sich gemeinsam über die Wirklichkeit zu erheben. Schonungslos rechnet er mit einer Welt ab in der Zahlen mehr zählen als Menschen die sie zählen und bleibt dabei zutiefst menschlich.
Stellenweise wird es obszön, dann wieder traurig und wenn es um die Lebensgrundlagen unseres Planeten geht, sogar auch einmal ernst.
Röthemeyers Humor ist einzigartig und klingt dank dieses Büchleins noch lange nach. Nicht nur für Freunde und Bekannte des Mayors zu empfehlen, sondern auch für alle die es noch werden wollen. Denn nach Lektüre wird man das Gefühl haben einem ewig bekannten WG-Mitbewohner beim Denken zugeschaut zu haben, dem man gerne die letzte versäumte Rechnung verzeiht. Denn „Geld kommt, Geld geht“ und wie man zufügen möchte: guter Humor bleibt.

Bewertung vom 14.02.2020
Death Asylum - Interaktiver Horror-Roman
Steinmetz, M. H.

Death Asylum - Interaktiver Horror-Roman


ausgezeichnet

In jüngerer Zeit entwickelt sich das Spielbuchgenre deutlich weiter. Statt uns ausschließlich durch Fantasywelten zu kämpfen, werden immer neue Themen ausgelotet. Mit Death Asylum führt uns M. H. Steinmetz nun in seine dunkle Horrorapokalypse. Dabei kann er von seiner Erfahrung mit seiner Totes-Land Zombie-Trilogie zehren, die es ihm erlaubt mit Death Asylum eine packende Geschichte in einer postapokalyptischen Bundesrepublik zu erzählen.
Die Geschichte kann rundum überzeugen, ist aber dennoch nicht für jeden geeignet. Zum ersten wäre da das Thema. Steinmetz liebt es uns mit Ekel- und Schockszenen zu konfrontieren, die wenig Grenzen kennen. Hier wird es selbst für das Zombieformat ungewöhnlich eklig. In Form unseres Charakters werden wir so etwa über einige Abschnitte unmittelbar gefoltert und sind stetiger Augenzeuge einer von Verwesung gezeichneten Welt. Der „Ab-18“-hinweis ist hier bestimmt nicht fehlplatziert. Zum zweiten fallen die Regeln verhältnismäßig kompliziert aus. Das Buch legt Wert auf eine detaillierte Umsetzung der Survivalaspekte und hält so etwa detailliert nach, was wir mit uns tragen. Auch unsere immerhin 7 Attribute werden mit der Zeit verändert. Hinzu tritt ein recht umständliches Kampfsystem. Die Regeln sind gut erklärt und wir werden immer wieder mit nützlichen Erinnerungen aus dem „Off“ unterstützt, gerade Neueinsteiger werden am Anfang aber doch etwas auf die Probe gestellt.

Death Asylum bietet erstklassige Spielbuchkost. Der Autor beherrscht sowohl sein Schreibhandwerk als auch die Kniffe die ein modernes Spielbuch ausmachen. Die Wegführung ist überzeugend gelungen, Objekte können sinnvoll genutzt werden und kreative Rätsel lockern das Lesen neben stimmungsvollen Illustrationen merklich auf. Dadurch, dass das Buch in sich abgeschlossen ist, ist es nicht nur für Spielbuchexperten eine klare Empfehlung, sondern richtet sich trotz teils etwas sperriger Regeln auch an horroraffine Spielbucheinsteiger.

Bewertung vom 05.01.2020
Greystar 03 - Hinter dem Schattentor
Page, Ian;Dever, Joe

Greystar 03 - Hinter dem Schattentor


sehr gut

Dass Spielbücher die Stärke des Mantikore-Verlags darstellen, sieht man schon auf den ersten Blick. Eine modernes Cover, eine schicke Farbkarte und zahlreiche Illustrationen von Hauke Kock laden im vorliegenden Dritten Band der Greystar-Reihe direkt zum Spielen ein. Zusammen mit sauberem Lektorat und angenehmen Textsatz ergibt sich ein Spielbucherlebnis bei dem Abenteueraufbau und Illustrationen einen angenehmen Ton zwischen Retro-Feeling und zeitgemäßem Anspruch treffen. Da beide enthaltenen Abenteuer von einem Künstler illustriert wurden, gelingt darüber hinaus ein einheitlicher Stil. Aber worum geht es inhaltlich?

Hinter dem Schattentor

Nach immerhin zweibändiger Suche nach dem mysteriösen Portal, tritt Silberstern zusammen mit seiner Begleiterin Tanith nun endlich auf die andere Seite. Schnell wird klar, dass dort ganz eigene Gesetze und Konflikte herrschen. Und die können bereits in den ersten Abschnitten ein jähes Ende finden. Es braucht einige Zeit, bis wir uns zwischen fremdartiger Architektur und mysteriösen Bewohnern der Schattenwelt zurechtfinden. Und so ganz heimisch dürften wir hier nie werden. Seltsame Rätsel wollen gelöst werden und dann geraten wir auf der Suche nach dem Mondstein auch noch mitten in einen für uns unüberschaubaren Konflikt zwischen zwei – hier nicht vorweggenommenen – Gruppierungen. Und das nur um zu erfahren, dass wir irgendwo im „Nichts“ gelandet sind. Man muss diesen etwas verrückten Stil schätzen, um das gewohnt umfangreiche Abenteuer wirklich zu genießen. Wer den Band nach den ersten beiden Abenteuern aufschlägt, sollte das aber bereits gewohnt sein. Wer ein Spielbuch mit etwas komplexeren Regeln und einem Fokus auf Magie sucht, wird auch im dritten Band der Reihe nicht enttäuscht und sollte sich die Reihe definitiv anschauen.

Die Ketten von Ghol-Tabras

Wie die Einsame-Wolf Reihe, kommen auch die Greystar-Bände mit einem Zusatzabenteuer daher. Diese Bonusabenteuer bespielen die gleiche Welt und meist ein ähnliches Szenario aus einer anderen Perspektive und halten zunehmend mit dem Hauptabenteuer mit. Den 350 Abschnitten des „Schattentores“, stehen dann auch immerhin 175 Abschnitte der „Ketten von Ghol-Tabras“ entgegen, die damit knapp die Hälfte des Bandes ausmachen. Das von Alexander Kühnert und Vincent Lazzari geschriebene Abenteuer greift ausnahmsweise nicht das Thema der Schattenreiche auf, sondern führt uns in ein piratisch durchtriebenes Setting. Wir verkörpern Havaroez, einen Freibeuter von Shadaki, der zusammen mit seinen Begleitern einen Auftrag annimmt um die grausame Herrschaft des Hexenkönigs abzuschütteln. Dazu schlagen wir uns auf die Seite der Freiheitskämpfer, die sich um „Sado vom Langen Messer“ gruppiert haben. Dabei ergibt sich jedoch ein erstaunlich umfangreiches und äußerst hochwertiges Abenteuer, das sich vor der Haupthandlung nicht verstecken muss. Wir finden eine gut verzahnte Handlung um eine Rettungs- und Sabotageaufgabe vor, die sogar Raum für etwas Stadterkundung lässt. Das mundan-piratische Setting ist überzeugend gestaltet und die Grundentscheidungen werden das Abenteuer über immer wieder gelungen erinnert. Insgesamt ist den beiden Autoren damit ein mehr als solides Abenteuer gelungen, das auch für sich stehen kann.

Fazit

Bei Teilen einer Buchreihe ist ein Fazit immer etwas schwer zu geben. Wer die Reihe begonnen hat und mit Freude spielt, kann auch bedenkenlos zum dritten Band greifen. Die Handlung wird gelungen fortgeführt und leitet mit einem spannenden Endkonflikt in den abschließenden vierten Band über. Sollte einem der „magische“ Ton in den Vorgängern nicht so recht zusagen, wird man auch hier nicht glücklich, da der Stil hier noch einmal angezogen wird. Auf der anderen Seite kann das betont weltliche Bonusabenteuer umso mehr überzeugen. Mit immerhin 175 Abschnitten auf ca. 200 Seiten kann es fast selber ein Kaufgrund darstellen. Das volle Potential entfaltet der Band aber nur als Teil der ganzen Reihe.

Bewertung vom 19.10.2019
Regentänzer / Von Rache und Regen Bd.1
Juretzki, Annette

Regentänzer / Von Rache und Regen Bd.1


ausgezeichnet

Irgendwann hatte es Riagh satt, sich von den Imperialen im Kampf gegen die Verfluchten verheizen zu lassen. Er hatte genug Freunde verloren und will nichts mehr als zu Anryn und damit auch in seine Heimat zurückzukehren. Aufgrund einer Soldatennarbe gestaltet sich die Rückreise äußerst schwer, ist er doch überall als Verräter zu erkennen. Und dann ist da noch das Gewissen, weshalb er exzessiver Gewalt gegen seine Feinde nicht stillschweigend ertragen kann. Daraus entwickelt sich eine überraschende Reise in eine Fantasywelt abseits gängiger Klischees…

Juretzki kann dabei mit einer überzeugend erschaffenen Welt begeistern. Dabei braucht es gar keine innovativen Fantasywesen. Phantastisch sind hier lediglich die Kulturen und eine Prise Magie. Die erwischt Riagh, unseren Hauptcharakter, dafür schon nach wenigen Zeilen. Denn Carthal ist von Verfluchten heimgesucht worden. Wiederauferstandene Tote, die jeden infizieren, den oder die sie beißen. Gegen eine solche Gefahr setzt sich das Imperium mit aller Macht zur Wehr und findet dabei gleich noch einen Vorwand, um sich vormals unabhängige Stämme noch etwas brutaler einzuverleiben. Als Urheber allen Übels sind schnell die Ash’Bahar ausfindig gemacht worden, die offenbar aus purer Bosheit Leid und Elend über die Welt bringen. Und ganz so einfach ist alles dann natürlich doch wieder nicht.

Solcher Komplexität gegenüber ist die Handlung selber deutlich simpler gefasst was mit der charakterzentrierten Erzählweise zusammenhängt. Wir folgen in allen Kapiteln ausschließlich Riagh, der schnell um eine ominöse Begleitung ergänzt wird. Das sorgt für hohes Identifikationspotential, es ist dann aber auch schnell klar, dass Riagh an allen entscheidenden Situationen irgendwie präsent sein wird. Ungewöhnlich für die Fantasy ist der Umgang mit Liebe und Sexualität. (Homosexuelle) Liebesbeziehungen und damit einhergehende gesellschaftliche Ächtung sind präsentes Thema, bestimmen die Handlung jedoch nicht alleine. Was Sexualität angeht, erscheint von Rache und Regen im Vergleich zu Sternenbrand nachgerade züchtig. Stattdessen entwickelt sich eine etwas absehbare, dafür aber gefühlvolle und schrittweise entstehende Romanze. Damit ist Regentänzer ein angenehmes Gegengewicht zur prüden oder übersexualisierten Fantasy und präsentiert trotz ausschließlich männlicher Hauptcharaktere ein zeitgemäßes Geschlechterbild.

Fazit

Das wichtigste vorweg. Von Rache und Regen liest sich äußerst gut und weiß, wie Spannung aufgebaut wird. Obwohl die Handlung stellenweise etwas absehbar ausfällt, bieten die Charaktere und die detaillierte Welt durchweg genug identifikationspotential, um nie das Interesse am Buch zu verlieren. Selten habe ich ein Buch so schnell durchgelesen.
Zwar sollte man keine Scheu vor etwas Romantik haben und die charakterzentrierte Erzählweise mögen, dann wird aber schnell klar, dass hier eine im besten Sinne ungewöhnliche Fantasy vorliegt. Weltenbau und Charakterentwicklung geschehen hier einfach auf hohem Reflexionsniveau und kommen zu erfrischend neuen Konzepten ohne in Extreme zu verfallen. Dass sich dabei auch gesellschaftskritische Aspekte nahtlos in die Handlung einfügen und nicht erzwungen wirken, ist dem Buch hoch anzurechnen. Wer Fantasy mit Charakteren aus Fleisch und Blut sucht und Abwechslung vom klassischen Völkerkanon schätzt, ist hier perfekt aufgehoben. Zu einem rundum gelungenen Lesevergnügen fehlt dann eigentlich nur noch der zweite und abschließende Band. Noch etwas, was Rache und Regen den zahlreichen Legenden, Chroniken, Sagen und Liedern der Fantasyreihen voraus hat…

Bewertung vom 06.01.2019
Autonom
Newitz, Annalee

Autonom


sehr gut

Der Kampf Schatten gegen Konzerne wird nie alt. In ihrem Sci-Fi Erstlingswerk „Autonom” greift die Wissenschaftsjournalistin Annalee Newitz neue technische Entwicklungen und Visionen auf, um eine Welt zu zeichnen, in der Drogen und Genmanipulation wichtiger sind als verchromte Cyberware.

Die Handlung von „Autonom“ ist schnell umrissen. Auf der einen Seite ist Jack. Die heißt zwar nicht mit echtem Namen so, hat aber einen Faible für Piraterie, was sie nicht nur in politischen Aktionen durch Piratenästhetik untermauert, sondern auch in ihrer ganz praktischen Tätigkeit als Patentpiratin. Als hypermoderne Version von Robin Hood versucht sie sich dem Unrecht des Patentwesens entgegenzustellen, dass die Mehrheit der Menschheit von biochemischen Verbesserungen oder auch nur adäquater Gesundheitsversorgung abschneidet. Diese edle Praxis finanziert sich Jack unter anderem mit der illegalen Reproduktion von Drogen aller Art. Ein besonderer Fall ist Zacuity. Eine Arbeitssteigernde Droge, welche die Konsumenten mit dem unstillbaren Drang versorgt, zu arbeiten. Das macht das Schuften nicht nur erträglicher, sondern wird auf dem Arbeitsmarkt zum entscheidenden Vorteil. Solche Arbeitsdrogen sind im mittleren 22 Jahrhundert prinzipiell keine große Besonderheit. Zacuity hat es aber etwas zu weit getrieben, so dass sich einige Konsumenten regelrecht zu Tode arbeiten und dabei teils mittelschwere Katastrophen auslösen. Von Gewissensbissen geplagt und in der Hoffnung, zeigen zu können, dass die Droge vom Großkonzern Zaxy mit genau diesen Gefahren intendiert war, macht sie sich auf den Schaden zu minimieren und auf dem Wege noch den Konzern zu Fall zu bringen.

Altmeister Neal Stephenson lobt „Autonom“ als Neuromancer für das Zeitalter von Biotechnologie und künstliche Intelligenz. Damit sind die Kernthemen von Buch und Welt umrissen. Die Cyber- bzw. besser Biopunkwelt von ‚Autonom‘ spielt auf der Klaviatur organischer Verbesserungen. Hier ist „Autonom“ konsequent und wartet mit vielen kleinen interessanten Innovationen auf, revolutioniert das Genre aber nicht.

Überzeugen können vorallendingen die Fragen nach robotischer Emotionalität, Sexualität und Würde. Besonders entscheidend ist hier eine Gesetzesentscheidung, welche Robotern grundlegende Rechte zuspricht, aber auf Grund der investierten Arbeitszeit des Konzerns eine umfassende Kontraktarbeitszeit erlaubt. Dieses Prinzip – letztlich legalisierte Sklaverei – hat sich natürlich auch auf Menschen übertragen, so dass Menschenhandel in all seinen Facetten vorkommt. Auch diese Unfreiheit wird anhand eines Menschenbots durchgängig thematisiert und mit der Freiheit der piratischen Subkulturen und allgemeiner Enttabuisierung kontrastiert. Möglichkeiten der Selbstgestaltung und -ausbeutung sind durch medizinische Eingriffe auf ein extremes Maß gesteigert. Dem Konzernkapitalismus sind die persönlichen Vorlieben ebenso egal, wie das Wohlergehen seiner Objekte. Offener Umgang mit Sexualität und eine drogenaffine, exzessive Partyszene sind ein Selbstverständlichkeit.

Nicht nur Stephenson lobt „Autonom“ mit seinem Neuromancer-Vergleich in höchsten Tönen. Auch der Schöpfer Neuromancers, Gibson höchstpersönlich, nennt das Buch laut Klappentext „originell und aufregend neu“. Das ist zwar nur Werbung, die passt hier aber noch weniger als üblich. Newitz‘ Roman ist eine gut gemachte Biopunkerzählung. Die Welt ist weitgehend plausibel und gerade wenn es um Gentechnik und Patentfragen geht, erreicht der Roman ein hohes Niveau. Auch die Auseinandersetzung mit Robotorautonomie ist durchdacht und interessant zu lesen. Dennoch ist wenig wirklich „aufregend neu“. Wer einen unterhaltsamen, teils actionreichen Biopunkroman sucht, wird nicht enttäuscht werden, Genredefinierend wie ‚Neuromancer‘ oder revolutionär neu ist „Autonom“ jedoch nicht. Unterhaltsam, zum Nachdenken anregend, aber an vielen Stellen doch primär ‚cool‘ und biopunkig, wozu nicht zuletzt das Klischee der Patentpiratin beiträgt.

Bewertung vom 06.01.2019
Greystar 02 - Die verbotene Stadt
Dever, Joe; Page, Ian

Greystar 02 - Die verbotene Stadt


sehr gut

„Greystar“, bzw. Silberstern bringt frischen Wind nach Magnamund, der Welt von „Einsamer Wolf“. Bei Mantikore geht die Reihe von Ian Page und Joe Dever auch auf Deutsch in die zweite Runde…

Wie der Titel verrät, führt uns die Suche nach dem Mondstein in die „Verbotene Stadt“. Die wird uns nämlich in einer Prophezeiung als Ort des Schattentores gezeigt, dass uns in die Ebene des Daziarns führen soll, wo wir den Mondstein vergangener Zeiten finden können. So mystisch wie diese Vision klingt, ist allerdings nur die Einleitung des Buches aufgemacht. Ja, als Shianti-Magier, kommen wir mit den großen mystischen Sagen des Lone Wolf-Universums in Kontakt, im Abenteueralltag sind wir aber letztlich einfach ein magiebegabter Held.

Unsere Aufgabe ist schnell klar. Wir müssen das Portal in der verbotenen Stadt finden und betreten, bevor es seinen Ort wechselt. Das bedeutet ein klassisches Reiseabenteuer das jedoch ungewöhnlich abwechslungsreich verläuft. Zuerst wäre da der Kontakt mit den Stämmen der Kundi und einem etwas eigenartigen Begleiter zu nennen, der gerne verklausulierte Weisheiten von sich gibt. Darüber hinaus geraten wir in einen Konflikt zwischen den Guerillakämpfern der Freiheitsgilde und den bösartigen Shadakinen, interagieren mit einer sonderlichen Reptiliengattung und betreten schließlich in die mysteriöse verbotene Stadt selber. Alle Etappen sind dabei variationsreich aufgebaut und ermöglichen durch unsere magischen Fähigkeiten und ein mächtiges Artefakt unterschiedliche Lösungen. Der Aufenthalt in der Stadt fällt dabei recht kurz aus, hält aber einige Überraschungen für uns parat. Auch die uns bedrohenden Schrecken sind stimmig und in der Form neuartig.

Am deutlichsten hebt sich der zweite Band der Greystar-Reihe jedoch durch seine Begleiter ab. Nicht nur der Weise Kundi begleitet uns, sondern auch ein Muskelprotz und der zwielichtige Hugi, der in der verbotenen Stadt seine Chance zum großen Reichtum sieht. Die Vorschläge unserer Begleiter erzeugen zusammen mit den gelungenen Illustrationen ein lebendiges Spielgefühl. „Greystar 2“ fühlt sich frisch an, ohne sehr vom Ton der „Einsamer Wolf“-Reihe abzuweichen. Das gilt auch für die Regeln, die durch Magie etwas komplexer ausfallen, grundsätzlich aber altbewährtes behutsam erweitern.

Das Bonusabenteuer von Alexander Kühnert schließt da an, wo die Haupthandlung aufhört. Wir nehmen die Perspektive von Hugi ein, der als Diebesmeister auf Schatzsuche geht. Seine Geschichte fügt sich perfekt in den Hauptstrang ein und ermöglicht uns die verbotene Stadt näher zu untersuchen. Wahnsinn bestimmt die meisten Begegnungen als Hauptmotiv, wodurch ein stimmiges und ungewohntes Abenteuer entsteht, wenngleich die Karikatur des Wahnsinn etwas Klischeehaft ausfällt. Irgendwo zwischen „Alice im Düsterland“ und Poes „Tarr and Feather”, stellt sich die verbotene Stadt als nicht gerade zeitgemäßes Zerrbild von Schwachsinnikeit dar. Überzeugen können hingegen der Schreibstil, der interessante Charakter, ein gelungenes Ende und innovative Rätsel.

Gesamteindruck

Die „Verbotene Stadt“ fällt mit immerhin 340 Seiten deutlich knapper aus als der erste Band. Das hohe Niveau der Reihe wird jedoch problemlos gehalten und die beiden Abenteuer fühlen sich abwechslungsreich und nicht gehetzt an. Die Magieregeln wurden ebenso gut implementiert, wie eine stimmig und plausibel aufgebaute Welt erzeugt.

Auch die Aufmachung kann wieder einmal begeistern. Eine hochwertige Farbkarte und zahlreich Illustrationen werten das Spielerlebnis auf. Die Zeichnungen von Hauke Kock sind dabei modern aber im typischen Spielbuch-Tusche-Stil gehalten. Wer gute Spielbücher schätzt und sich Magnamund in überschaubaren Umfang nähern will, oder einfach nicht genug von Kai und Shianti bekommen kann, darf bedenkenlos zugreifen.

Bewertung vom 24.09.2018
Geisterspuk in der Zwergenmine / Welt der 1000 Abenteuer Bd.2
Schumacher, Jens

Geisterspuk in der Zwergenmine / Welt der 1000 Abenteuer Bd.2


sehr gut

Zwergenkönig Margolix ist verzweifelt. In Scharen verlassenen seine Arbeiter die Silberminen von Gnarling auf der Flucht vor gruseligen Nebelgestalten. Die ganze Silberförderung des Zwergenreiches ist in Gefahr. Wie gut, dass im beschaulichen Dörflein Roog der große Held Bolko lebt. Nunja, was heißt hier schon Held. Genaugenommen handelt es sich um unseren genussfreudigen Vetter Bolko der sich in einem anderen Abenteuer durch unsere Hilfe zum Helden mausern konnte. Da wir schon damals die heimliche Kraft im Hintergrund waren, begleiten wir ihn auch diesmal um der eigentliche Retter des Zwergenreichs zu werden…

Die Welt der 1000 Abenteuer ist ein verhältnismäßig freundlicher Ort. Sicher, auch hier haben wir es mit Fallen, Monstern und zahllosen Toden zu tun. Der Ton der Abenteuer ist aber ungleich lockerer und positiver als der vieler anderer Abenteuerspielbücher. Statt mit markerschütternden Monsterwesen, haben wir es beispielsweise mit Stollentrollen zu tun und mystisches Phosphorade beleuchtet die Zwergenstollen. Die Welt ist nicht unplausibel, aber insgesamt doch etwas lockerer konzipiert als andere Spielbuchklassiker. Dazu trägt nicht zuletzt unser liebenswerter Vetter Bolko bei. Der gilt seit dem „Schatz der Oger“ als großer Held, ist aber eigentlich nur ein habgieriger Faulenzer, der nichts mehr im Sinn hat, als Gold und gutes Essen. Er begleitet uns den ganzen Weg durch die Zwergenmine und lockert so die Geschichte deutlich auf. Seine deplatzierten Essenswünsche und Tollpatschigkeiten nutzen sich etwas ab, halten die Welt aber durch kleine Zwischenszenen lebendig.

Der Geisterspuk in der Zwergenmine ist ein klassisches Spielbuch. Wir entscheiden, wie wir vorgehen, sammeln Objekte und Informationen ein und müssen mitdenken, um das Ende des Buches erfolgreich zu erreichen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Spielbüchern hat sich Jens Schuhmacher in seiner Welt der 1000 Abenteuer für äußerst simple Regeln entschieden. Weder Lebenspunkte noch Rucksackplatz oder Kampfkraft müssen wir nachhalten. Wir wählen lediglich eines von 5 Talenten aus und schon dürfen wir in die Zwergenminen hinabsteigen. Kommt es zu einer „Probe“, wird auf kein kompliziertes Regelsystem zurückgegriffen, sondern eine simple Runentafel. Hier bestimmen wir eine zufällige Rune und schauen in den Abschnitt um zu erfahren, wie es weiter geht. Das ist sofort verständlich und vermeidet jegliche Zahlenspielerei, für Spielbuchfanatiker kann das aber etwas wenig sein. Charakterindividualisierung oder gar Stufenanstiege finden wir gar nicht und auch Kämpfe bestehen üblicherweise aus der Frage ob wir einen bestimmten Gegenstand besitzen oder Runenglück haben. Ohne Ausdauerpunkte bedeutet das üblicherweise Sieg oder Niederlage.

Fazit

Jens Schuhmacher ist auch mit dem „Geisterspuk in der Zwergenmine“ ein guter Spagat zwischen anspruchsvollem Spielbuch und jugendfreundlicher Geschichte gelungen. Auch Spielbuchkenner dürften etwas am Buch zu knacken haben, während das jüngere Publikum mit viel Ausprobieren zum Ziel kommen kann. Die äußerst simplen Regeln sind gut gewählt und der insgesamt freundlichere Ton der Spielwelt ist eine angenehme Abwechslung zu den oft düsteren Vorbildern der Spielbuchlandschaft. Der etwas ausgetretene Pfad durch den Zwergendungeon wird durch ein interessantes Mysterium und auflockernde Interaktionen spannend gehalten. Solide Spielbuchkost für Kenner und fordernder, weitgehend hürdenloser, Spielspaß für Neueinsteiger.

Bewertung vom 04.09.2018
Die Krone von Siyen / Die neuen Kai Krieger Bd.3
Dever, Joe

Die Krone von Siyen / Die neuen Kai Krieger Bd.3


sehr gut

Statt auf eine klassische Schatzjagd nach der Krone von Siyen zu gehen, geraten wir im vorliegenden Band in eine politische Intrige. Oridon IV., König von Siyen wurde tot aufgefunden und der finstere Baron Sadanzo will Anspruch auf den Thron erheben. Der ist zwar für Plünderung und Tyrannei bekannt, will seine Macht aber durch eine legale Thronübernahme sichern. So kommt es nur gelegen, dass sich Prinz Karvas, der rechtmäßige Thronfolger, ins Exil zurückgezogen hat. Die Sitten verlangen jedoch, dass die Krönung erst am Erntemesstag stattfinden kann, der noch 50 Tage auf sich warten lässt. Etwas zu spät reisen wir daher nach Mydnacht, der einzigen Hafenstadt des gebeutelten Siyens um den Prinzen mithilfe eines gigantischen Luftschiffes ausfindig zu machen.
Die übergreifende Handlung ist gut konzipiert. Durch Berichte über andere Mitstreiter wirkt die Welt lebendig und das Gefühl von Zeitknappheit kommt gut auf. Mit Prinz Kervan finden wir einen sympathischen Mitstreiter und die feindliche Übernahme Siyens wird plastisch in Szene gesetzt. Auch die Reiseetappen sind spannend gestaltet und bieten interessante Entscheidungen an. Zwar werden wir immer wieder auf den Hauptweg katapultiert, dürfen aber unterschiedliche Lösungswege und Zwischenstopps auswählen. Auch wenn hier manche Entscheidung etwas vorgetäuscht ist, bietet sich so einige Abwechslung. Auch wenn diesmal die ganz großen Alternativwege fehlen, wird das durch die Länge des Abenteuers wettgemacht. Es tuen sich immer neue Probleme und Ziele auf und das Finale wirkt nicht vorschnell erzwungen. Besonders schön ist, dass uns hier noch einmal deutliche Alternativen erwarten, bevor wir ehrenhaft die Heimreise antreten.
Das Bonus-Abenteuer legt den Blick auf einen Absturz in der sogenannten Kelderödnis, der auch im Hauptabenteuer thematisiert wird. Das Zusatzabenteuer ermöglicht uns so, einen Seitenstrang des Abenteuers eingehender aus anderen Augen zu betrachten. Im „Absturz in der Kelderödnis“ verkörpern wir Zauberer Acraban, Mitglied der Bruderschaft des Kristallsterns und sind aufgeschreckt durch eine Explosion auf der Suche nach einer verschollenen Magierpatroullie.
Ausgestattet mit einigen Zaubern und Psi-Kraft, sowie von zwei fähigen Magiern begleitet, machen wir uns so auf die Suche und stellen uns den Gefahren der Kelderödnis. Die Reise führt uns durch immerhin 150, meist umfangreiche Absätze. Neben den üblichen Fallen und Monstern, geraten wir in den Strudel ominöser okkulter Mächte und müssen uns einem finsteren Pakt hingeben. Die Handlung ist relativ geradlinig, erlaubt uns aber spannende Einblicke in die Geschichte Magnamunds und zweier mysteriöser Fraktionen. Das Zusatzabenteuer ergänzt die Haupthandlung gelungen indem es uns einen guten Einblick in einen angerissenen Seitenstrang der Haupthandlung gibt.

Die Gestaltung der Mantikore-Spielbücher ist durchweg gelungen. Auch die „Krone von Siyen“ stellt dabei keine Ausnahme dar. Das Titelbild ist stilvoll und modern, der Textsatz angenehm luftig zu lesen. Eine vollfarbige Landkarte ermöglicht uns, in das zentrale südliche Magnamund zu versinken, während uns zahlreiche individuelle Vignetten und vollseitige Illustrationen das Lesevergnügen erhöhen und die Orientierung erleichtern. Die Illustrationen sind dabei etwas moderner als die ganz frühen Ausgaben der Bände der 80er Jahre, versuchen aber erfolgreich das klassische Flair beizubehalten. Die Illustrationen von Rich Longmore für das Kelderödnisabenteuers sind insgesamt etwas moderner gehalten, auf ihre Weise aber konsistent und passend.

Fazit

„Die Krone von Siyen“ ist ein gewohnt gelungenes Spielbucherlebnis. Die hohe Qualität der Reihe wird gehalten und wie üblich durch eine tolle Aufmachung unterstützt. Der dritte Band der neuen Kai-Krieger lässt sich auch alleinstehend gut spielen. Zur vollen Blüte kommt die Reihe aber nur als Ganzes. Mit über 550 Seiten Spielspaß und zahlreichen Illustrationen weiß auch das Preis-Leistungsverhältnis zu überzeugen.