Bettina Plecher
Broschiertes Buch
Giftgrün / Frieda & Quast Bd.1
Kriminalroman
Übersetzer: Gunsteren, Dirk van
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Gift & Gallenkolik.Friedas erste richtige Stelle als Stationsärztin an einem Münchner Klinikum beginnt mit einem Paukenschlag: Schon am zweiten Tag ist ihr Doktorvater tot. Colchizin-Vergiftung, stellt Friedas Mitbewohner, der Toxikologe Quast, schnell fest. Für die Klinikleitung ist der Fall damit geklärt - nicht das erste Mal, dass ein Hobbykoch beim Kräutersammeln im Englischen Garten Bärlauch mit der hochgiftigen Herbstzeitlose verwechselt hat. Doch Frieda und Quast hegen Zweifel. Und tatsächlich stellt sich heraus, dass der Tote selbst einige Leichen im Keller hatte - und dass Prof...
Gift & Gallenkolik.
Friedas erste richtige Stelle als Stationsärztin an einem Münchner Klinikum beginnt mit einem Paukenschlag: Schon am zweiten Tag ist ihr Doktorvater tot. Colchizin-Vergiftung, stellt Friedas Mitbewohner, der Toxikologe Quast, schnell fest. Für die Klinikleitung ist der Fall damit geklärt - nicht das erste Mal, dass ein Hobbykoch beim Kräutersammeln im Englischen Garten Bärlauch mit der hochgiftigen Herbstzeitlose verwechselt hat. Doch Frieda und Quast hegen Zweifel. Und tatsächlich stellt sich heraus, dass der Tote selbst einige Leichen im Keller hatte - und dass Professor Naders Ableben mehr als einem Kollegen an der Eisbachklinik durchaus gelegen kommt ...
Friedas erste richtige Stelle als Stationsärztin an einem Münchner Klinikum beginnt mit einem Paukenschlag: Schon am zweiten Tag ist ihr Doktorvater tot. Colchizin-Vergiftung, stellt Friedas Mitbewohner, der Toxikologe Quast, schnell fest. Für die Klinikleitung ist der Fall damit geklärt - nicht das erste Mal, dass ein Hobbykoch beim Kräutersammeln im Englischen Garten Bärlauch mit der hochgiftigen Herbstzeitlose verwechselt hat. Doch Frieda und Quast hegen Zweifel. Und tatsächlich stellt sich heraus, dass der Tote selbst einige Leichen im Keller hatte - und dass Professor Naders Ableben mehr als einem Kollegen an der Eisbachklinik durchaus gelegen kommt ...
Plecher, BettinaBettina Plecher wurde 1969 in München geboren. Nach ihrem Studium der Klassischen Philologie und Germanistik arbeitete sie als Fremdsprachenassistentin, Lehrerin und Schulbuchautorin in Yorkshire, Würzburg und München. Heute lebt sie mit ihrem Mann, einem Klinikarzt, und ihren beiden Kindern in München.
Produktdetails
- rororo Taschenbücher 23562
- Verlag: Rowohlt TB.
- Originaltitel: The Human Stain
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 304
- Erscheinungstermin: 22. April 2013
- Deutsch
- Abmessung: 189mm x 126mm x 25mm
- Gewicht: 300g
- ISBN-13: 9783499235627
- ISBN-10: 3499235625
- Artikelnr.: 36794960
Herstellerkennzeichnung
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Die erlösende Verschmutzung
Rhapsodie des Lebens, Schule des Möglichkeitsdenkens: "Der menschliche Makel", Philip Roths großer amerikanischer Roman
Geheimnis" ist das Zauberwort. Es ist das Schibboleth der Kriminalgeschichten und der Psychoanalyse; es bezeichnet den Urgrund der Verbrechen, der Neurosen und der Mythen. Und es ist der Treibstoff der großen Geschichten, die von alldem erzählen. Philip Roths jüngster Roman ist eine große Geschichte. Das "Geheimnis" ist ihr Leitmotiv, und je häufiger das Wort erscheint, desto größer wird der Zauber.
Dabei scheint auf den ersten Blick noch alles taghell und klar. Der Held, der die Tragödie in Gang setzt, ist Professor für klassische Sprachen und Literatur an
Rhapsodie des Lebens, Schule des Möglichkeitsdenkens: "Der menschliche Makel", Philip Roths großer amerikanischer Roman
Geheimnis" ist das Zauberwort. Es ist das Schibboleth der Kriminalgeschichten und der Psychoanalyse; es bezeichnet den Urgrund der Verbrechen, der Neurosen und der Mythen. Und es ist der Treibstoff der großen Geschichten, die von alldem erzählen. Philip Roths jüngster Roman ist eine große Geschichte. Das "Geheimnis" ist ihr Leitmotiv, und je häufiger das Wort erscheint, desto größer wird der Zauber.
Dabei scheint auf den ersten Blick noch alles taghell und klar. Der Held, der die Tragödie in Gang setzt, ist Professor für klassische Sprachen und Literatur an
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der neuenglischen Universität von (Nomen ist hier wie immer bei Roth überdeutlich Omen) Athena. Eine winzige sprachliche Fehlleistung, böswillig mißverstanden, kostet ihn die Stellung und den Ruf, läßt seinen perfekten Lebenslauf jählings abbrechen und führt, davon ist er überzeugt, sogar den Tod seiner Ehefrau herbei. Die Fehlleistung bestand in nur einem Wort: dem zwischen "Gespenst" und "Nigger" changierenden spooks, das in der deutschen Übersetzung wortreich, aber elegant umschrieben wird als "dunkle Gestalten, die das Seminarlicht scheuen". Daß der Universitätslehrer die Hautfarbe der vermeintlich verspotteten Studenten gar nicht kennen kann, nützt ihm zu seiner Verteidigung nichts mehr. Zu plausibel scheint das Bild vom jüdischen Intellektuellen, der die Schwarzen verhöhnt, zu unglaubwürdig dann die Litanei des zum Rücktritt Gezwungenen, der sich fortan von "schwarzem Antisemitismus" verfolgt fühlt. Einmal in Verdacht geraten, erscheint der weiße Rassist schließlich auch noch als sexueller Ausbeuter. Die Liebesbeziehung zwischen dem einundsiebzigjährigen Professor und der halb so alten Putzfrau seines Colleges nimmt eine junge, ehrgeizige und verbissene Kollegin zum Anlaß für anonyme Drohungen; die Denunziationen ziehen immer weitere Kreise, und bald ist Coleman Silk von Kollegen, Freunden und Kindern verlassen.
Nur Nathan Zuckerman steht ihm bei, der fiktionale Doppelgänger des Philip Roth und Erzähler auch dieses Romans, und die Geliebte selbst. Faunia ist die analphabetische Exfrau eines Vietnam-Veteranen, der sie mit Morddrohungen verfolgt, seit ihre während eines Liebesakts mit einem anderen Mann unbeaufsichtigten Kinder in der Wohnung verbrannt sind. Und da dieser Wahnsinnige überdies nicht nur "Schlitzaugen", sondern auch Juden verabscheut, richtet sich sein Vernichtungswillen bald auch auf Coleman Silk.
So weit die wilde Farce aus Sex, Mord und Totschlag und der political correctness, die in diesem Sommer des Jahres 1998 auch sonst explodiert, in dem sich ein puritanischer Lynchmob unter der Führung des Sonderermittlers Starr zum Angriff auf das liberale Amerika aufmacht. In der bizarren Parallelaktion um Coleman und Faunia, Monica und Bill ist jede Geschichte ein Zerrspiegel der anderen; aber Gut und Böse sind doch ebenso leicht faßlich wie, nun ja, Schwarz und Weiß. Was aber, wenn der weiße Rassist selber ein Schwarzer wäre und der Jude gar kein Jude?
Nach ziemlich genau hundert Seiten beginnen die Fronten und die Identitäten zu bröckeln, und am Ende wird kein Stein auf dem anderen bleiben. Denn Coleman ist "einer der schlauesten Selbsterfinder, die es je gab". Weil er als ein Schwarzer mit nahezu weißer Pigmentierung zur Welt gekommen ist und weil der Heranwachsende "nicht schwarz, nicht weiß, sondern einfach frei und er selbst" sein wollte, hat er seine Familie verraten und sich bei der Navy als Jude ausgegeben, hat als Jude eine Jüdin geheiratet, ist der erste jüdische Professor auf seinem Lehrstuhl geworden. Daß er als jüdischer Rassist attackiert und am Ende als Jude getötet wird, ist die zynische Konsequenz einer Biographie, deren erstaunlichster Zug darin besteht, daß ihr Grundzug gar nicht erfunden ist. Den Rassenwechsel von Schwarz zu Weiß hat Roth dem Vorbild Anatole Boyards nachgestaltet, jenes Starkritikers der "New York Times", dessen erst postum gelüftetes Lebensgeheimnis die physisch nicht mehr wahrnehmbare "schwarze" Abkunft gewesen ist.
Nicht nur der allgegenwärtige Rassendiskurs, der unermüdlich Pigmente zählt und Haarkrausen deutet, muß sich vor diesen Kapriolen im Gestrüpp des eigenen Wahns verfangen, sondern überhaupt die Eindeutigkeit der Identitäten und Beziehungen. Wie sich herausstellt, ist Coleman keineswegs der einzige Selbsterfinder in dieser Geschichte. Seine Geliebte, für Freund und Feind Inbegriff der durch keine Schriftkultur verdorbenen Unschuld vom Lande, wird, was für eine Analphabetin immerhin erstaunlich ist, ein umfangreiches Tagebuch hinterlassen; Ursprung ihres Rollenwechsels ist kein rassisches, sondern ein sexuelles Stigma gewesen, der Mißbrauch durch den protestantischen Vater. Auch Colemans intrigante Feindin ist bei näherem Hinsehen weder seine Feindin noch intrigant; und der Vietnam-Veteran, der rassistische Mörder, den Roth uns mit unbarmherzigem und ebendeshalb barmherzigem Detailrealismus in der Höllenangst seiner Wachträume sehen läßt, erregt nicht nur Furcht und Schaudern, sondern Mitleid. So waghalsig Roth seine Figuren am Rande der Kolportage balancieren läßt, so triumphal verwandelt er vor unseren Augen Chargen in Charaktere.
Weil es in Colemans Drama keine Nebenfiguren gibt, ist es bald nicht mehr nur Colemans Drama. Die fünfaktige Tragödie vom Sturz eines Königs, der schon im vierten Akt stirbt, weitet sich aus zu jener Comédie humaine, auf die einmal beiläufig angespielt wird. Dabei schillert das antikisierende Gewand, das Roth ihr übergeworfen hat, in grellbunten Farben. Zotenreißende Studenten erscheinen als "Chor" des Lewinsky-Dramas und rächende Feministinnen als kollektive Klytämnestra. Coleman, dessen zweiter Vorname "Brutus" lautet, findet sich am Ende so folgerichtig in der Rolle des sterbenden Julius Cäsar wieder, wie er sich vom zürnenden Achill des Anfangs in einen todgeweihten Ödipus verwandelt hat. Er ist Pan und Dionysos; den Vergleich mit Zeus weist er nur zurück, weil dieser Ehrenname nach seiner bescheidenen Meinung eher dem wundertätigen Viagra gebührte. Aber auch wenn der schlaue Selbsterfinder noch häufiger in mythischen Spuren geht, als er selber ahnen mag, so regiert hier doch kein antikes Fatum mehr, sondern die Anarchie der Fortuna. "Welcher Wahnsinnige", fragt Zuckerman einmal, "hat sich das ausgedacht?"
Es ist seine Version der Theodizeefrage, und der Roman bildet den eigenwilligen Versuch einer Antwort. Seit jener traumatischen Nacht, in der eine weiße Prostituierte den weißen Navysoldaten als "echten schwarzen Nigger" hinausgeworfen und dann die Militärpolizei dem auf der Straße Liegenden die Worte "U.S. Navy" in den Oberarm tätowiert hat, trägt Coleman dieses Zeichen "seines Heldentums und seiner Schande" als Inschrift am eigenen Leib, Auszeichnung und Stigma zugleich. Seither plagt ihn "die Angst, demaskiert zu werden, und die Sehnsucht, erkannt zu werden: ein echtes Dilemma". Das Dilemma aufzulösen, zu erkennen, ohne zu demaskieren: davon handelt dieses Buch.
Indem die Tiefenschärfe dieser Porträts keine Ab- und Untergründe verborgen läßt, zeigen sie, wo die Dämmerungszone der letzten Geheimnisse beginnt. Roth folgt dem Modell des analytischen Dramas, aber in Schraubendrehungen, die in unauslotbare Vorgeschichten zurückführen: Es könnte immer noch einmal anders gewesen sein. Weil die Identitäten so brüchig sind, zögert der Erzähler die Identifikation seiner Figuren immer wieder irritierend hinaus. Seitenweise hören wir jemanden reden oder denken und sind gezwungen, uns irgendwie einen Reim auf diese "er" und "sie" zu machen; wenn wir dann zum Pronomen einen Namen erfahren, ist er nicht mehr nur des Rätsels Lösung, sondern zugleich sein Anfang. Dieser Roman ist eine Schule im Möglichkeitsdenken.
Leider, leider verliert Roth gegen Ende etwas von der Beherrschung, mit der er bis dahin Realismus und Parabel in schöner Balance gehalten hat, und zerredet seine Geschichte. Wenn die in ihr Stigma eingesperrte Faunia einen Monolog an eine eingesperrte Krähe richtet und mit den Worten "Du bist mein Schicksal" auch kurzsichtigste Leser auf das Gleichnis hinweist, wenn sie schließlich diesem verwunschenen Prinzen auch noch einen Heiratsantrag zuflüstert, dann ist mit dem bis dahin so sicheren Taktgefühl auch die Wirkung der Szene dahin. Zwar ist es wunderbar, daß ein Zuckerman mit amerikanischer Grandezza von der "Rhapsodie des Lebens" reden kann. Wie jede Unschuld, so nutzt sich auch diese bei zu häufigem Gebrauch ab. Daß "das Herz der menschlichen Finsternis unerklärlich" und "die Wahrheit über uns unendlich" sei, wird Lesern mitgeteilt, die ebendies doch längst als Bauprinzip dieser unendlichen Geschichte begriffen haben.
Auch die Zwillinge Anapher und Epipher, die in einem unbeachteten Moment aus dem Lehrbuch der Rhetorik in Roths Prosa gesprungen sein müssen, treiben ein manchmal ermüdendes Spiel. Es ist dieses Spiel mit der monotonen Wiederholung eines Wortes, dieses Spiel mit dem immer wiederholten Einsatz, dieses entnervende Spiel mit der variierenden Umschreibung, das auch als Spiel mit immer denselben Schlußworten auftauchen kann, als wiederholtes Echo auftauchen kann, bis zum Überdruß wieder auftauchen kann. Daß fast alle Figuren früher oder später in diesem Ton denken, beschädigt ihre Glaubwürdigkeit stärker als jede biographische Volte.
Das sind Schönheitsflecken, nicht mehr. Mit diesem Buch hat Roth endgültig The Great American Novel geschrieben, die Tragikomödie seines Landes im späten zwanzigsten Jahrhundert. Da darf Zuckermans Satz, Sex sei "die erlösende Verschmutzung", die "uns immer wieder daran erinnert, aus welchem Stoff wir gemacht sind", auch für den Roman gelten, in dem er steht. Dies ist ein großes Kunstwerk noch mit seinen Flecken und Rissen. Daß es selbst nicht unbefleckt ist vom menschlichen Makel, gehört zur Comédie humaine.
Philip Roth: "Der menschliche Makel". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Dirk van Gunsteren. Carl Hanser Verlag, München 2001. 400 S., geb., 24,90.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nur Nathan Zuckerman steht ihm bei, der fiktionale Doppelgänger des Philip Roth und Erzähler auch dieses Romans, und die Geliebte selbst. Faunia ist die analphabetische Exfrau eines Vietnam-Veteranen, der sie mit Morddrohungen verfolgt, seit ihre während eines Liebesakts mit einem anderen Mann unbeaufsichtigten Kinder in der Wohnung verbrannt sind. Und da dieser Wahnsinnige überdies nicht nur "Schlitzaugen", sondern auch Juden verabscheut, richtet sich sein Vernichtungswillen bald auch auf Coleman Silk.
So weit die wilde Farce aus Sex, Mord und Totschlag und der political correctness, die in diesem Sommer des Jahres 1998 auch sonst explodiert, in dem sich ein puritanischer Lynchmob unter der Führung des Sonderermittlers Starr zum Angriff auf das liberale Amerika aufmacht. In der bizarren Parallelaktion um Coleman und Faunia, Monica und Bill ist jede Geschichte ein Zerrspiegel der anderen; aber Gut und Böse sind doch ebenso leicht faßlich wie, nun ja, Schwarz und Weiß. Was aber, wenn der weiße Rassist selber ein Schwarzer wäre und der Jude gar kein Jude?
Nach ziemlich genau hundert Seiten beginnen die Fronten und die Identitäten zu bröckeln, und am Ende wird kein Stein auf dem anderen bleiben. Denn Coleman ist "einer der schlauesten Selbsterfinder, die es je gab". Weil er als ein Schwarzer mit nahezu weißer Pigmentierung zur Welt gekommen ist und weil der Heranwachsende "nicht schwarz, nicht weiß, sondern einfach frei und er selbst" sein wollte, hat er seine Familie verraten und sich bei der Navy als Jude ausgegeben, hat als Jude eine Jüdin geheiratet, ist der erste jüdische Professor auf seinem Lehrstuhl geworden. Daß er als jüdischer Rassist attackiert und am Ende als Jude getötet wird, ist die zynische Konsequenz einer Biographie, deren erstaunlichster Zug darin besteht, daß ihr Grundzug gar nicht erfunden ist. Den Rassenwechsel von Schwarz zu Weiß hat Roth dem Vorbild Anatole Boyards nachgestaltet, jenes Starkritikers der "New York Times", dessen erst postum gelüftetes Lebensgeheimnis die physisch nicht mehr wahrnehmbare "schwarze" Abkunft gewesen ist.
Nicht nur der allgegenwärtige Rassendiskurs, der unermüdlich Pigmente zählt und Haarkrausen deutet, muß sich vor diesen Kapriolen im Gestrüpp des eigenen Wahns verfangen, sondern überhaupt die Eindeutigkeit der Identitäten und Beziehungen. Wie sich herausstellt, ist Coleman keineswegs der einzige Selbsterfinder in dieser Geschichte. Seine Geliebte, für Freund und Feind Inbegriff der durch keine Schriftkultur verdorbenen Unschuld vom Lande, wird, was für eine Analphabetin immerhin erstaunlich ist, ein umfangreiches Tagebuch hinterlassen; Ursprung ihres Rollenwechsels ist kein rassisches, sondern ein sexuelles Stigma gewesen, der Mißbrauch durch den protestantischen Vater. Auch Colemans intrigante Feindin ist bei näherem Hinsehen weder seine Feindin noch intrigant; und der Vietnam-Veteran, der rassistische Mörder, den Roth uns mit unbarmherzigem und ebendeshalb barmherzigem Detailrealismus in der Höllenangst seiner Wachträume sehen läßt, erregt nicht nur Furcht und Schaudern, sondern Mitleid. So waghalsig Roth seine Figuren am Rande der Kolportage balancieren läßt, so triumphal verwandelt er vor unseren Augen Chargen in Charaktere.
Weil es in Colemans Drama keine Nebenfiguren gibt, ist es bald nicht mehr nur Colemans Drama. Die fünfaktige Tragödie vom Sturz eines Königs, der schon im vierten Akt stirbt, weitet sich aus zu jener Comédie humaine, auf die einmal beiläufig angespielt wird. Dabei schillert das antikisierende Gewand, das Roth ihr übergeworfen hat, in grellbunten Farben. Zotenreißende Studenten erscheinen als "Chor" des Lewinsky-Dramas und rächende Feministinnen als kollektive Klytämnestra. Coleman, dessen zweiter Vorname "Brutus" lautet, findet sich am Ende so folgerichtig in der Rolle des sterbenden Julius Cäsar wieder, wie er sich vom zürnenden Achill des Anfangs in einen todgeweihten Ödipus verwandelt hat. Er ist Pan und Dionysos; den Vergleich mit Zeus weist er nur zurück, weil dieser Ehrenname nach seiner bescheidenen Meinung eher dem wundertätigen Viagra gebührte. Aber auch wenn der schlaue Selbsterfinder noch häufiger in mythischen Spuren geht, als er selber ahnen mag, so regiert hier doch kein antikes Fatum mehr, sondern die Anarchie der Fortuna. "Welcher Wahnsinnige", fragt Zuckerman einmal, "hat sich das ausgedacht?"
Es ist seine Version der Theodizeefrage, und der Roman bildet den eigenwilligen Versuch einer Antwort. Seit jener traumatischen Nacht, in der eine weiße Prostituierte den weißen Navysoldaten als "echten schwarzen Nigger" hinausgeworfen und dann die Militärpolizei dem auf der Straße Liegenden die Worte "U.S. Navy" in den Oberarm tätowiert hat, trägt Coleman dieses Zeichen "seines Heldentums und seiner Schande" als Inschrift am eigenen Leib, Auszeichnung und Stigma zugleich. Seither plagt ihn "die Angst, demaskiert zu werden, und die Sehnsucht, erkannt zu werden: ein echtes Dilemma". Das Dilemma aufzulösen, zu erkennen, ohne zu demaskieren: davon handelt dieses Buch.
Indem die Tiefenschärfe dieser Porträts keine Ab- und Untergründe verborgen läßt, zeigen sie, wo die Dämmerungszone der letzten Geheimnisse beginnt. Roth folgt dem Modell des analytischen Dramas, aber in Schraubendrehungen, die in unauslotbare Vorgeschichten zurückführen: Es könnte immer noch einmal anders gewesen sein. Weil die Identitäten so brüchig sind, zögert der Erzähler die Identifikation seiner Figuren immer wieder irritierend hinaus. Seitenweise hören wir jemanden reden oder denken und sind gezwungen, uns irgendwie einen Reim auf diese "er" und "sie" zu machen; wenn wir dann zum Pronomen einen Namen erfahren, ist er nicht mehr nur des Rätsels Lösung, sondern zugleich sein Anfang. Dieser Roman ist eine Schule im Möglichkeitsdenken.
Leider, leider verliert Roth gegen Ende etwas von der Beherrschung, mit der er bis dahin Realismus und Parabel in schöner Balance gehalten hat, und zerredet seine Geschichte. Wenn die in ihr Stigma eingesperrte Faunia einen Monolog an eine eingesperrte Krähe richtet und mit den Worten "Du bist mein Schicksal" auch kurzsichtigste Leser auf das Gleichnis hinweist, wenn sie schließlich diesem verwunschenen Prinzen auch noch einen Heiratsantrag zuflüstert, dann ist mit dem bis dahin so sicheren Taktgefühl auch die Wirkung der Szene dahin. Zwar ist es wunderbar, daß ein Zuckerman mit amerikanischer Grandezza von der "Rhapsodie des Lebens" reden kann. Wie jede Unschuld, so nutzt sich auch diese bei zu häufigem Gebrauch ab. Daß "das Herz der menschlichen Finsternis unerklärlich" und "die Wahrheit über uns unendlich" sei, wird Lesern mitgeteilt, die ebendies doch längst als Bauprinzip dieser unendlichen Geschichte begriffen haben.
Auch die Zwillinge Anapher und Epipher, die in einem unbeachteten Moment aus dem Lehrbuch der Rhetorik in Roths Prosa gesprungen sein müssen, treiben ein manchmal ermüdendes Spiel. Es ist dieses Spiel mit der monotonen Wiederholung eines Wortes, dieses Spiel mit dem immer wiederholten Einsatz, dieses entnervende Spiel mit der variierenden Umschreibung, das auch als Spiel mit immer denselben Schlußworten auftauchen kann, als wiederholtes Echo auftauchen kann, bis zum Überdruß wieder auftauchen kann. Daß fast alle Figuren früher oder später in diesem Ton denken, beschädigt ihre Glaubwürdigkeit stärker als jede biographische Volte.
Das sind Schönheitsflecken, nicht mehr. Mit diesem Buch hat Roth endgültig The Great American Novel geschrieben, die Tragikomödie seines Landes im späten zwanzigsten Jahrhundert. Da darf Zuckermans Satz, Sex sei "die erlösende Verschmutzung", die "uns immer wieder daran erinnert, aus welchem Stoff wir gemacht sind", auch für den Roman gelten, in dem er steht. Dies ist ein großes Kunstwerk noch mit seinen Flecken und Rissen. Daß es selbst nicht unbefleckt ist vom menschlichen Makel, gehört zur Comédie humaine.
Philip Roth: "Der menschliche Makel". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Dirk van Gunsteren. Carl Hanser Verlag, München 2001. 400 S., geb., 24,90
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Der Debutroman von Bettina Plecher bietet spannende Unterhaltung von der ersten bis zur letzten Seite. Bereits der wirklich gelungene Prolog überzeugt und eröffnet eine spannende Reise über fast dreihundert Seiten, ohne viel Atempause. Es fällt einfach schwer das Buch aus der …
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Der Debutroman von Bettina Plecher bietet spannende Unterhaltung von der ersten bis zur letzten Seite. Bereits der wirklich gelungene Prolog überzeugt und eröffnet eine spannende Reise über fast dreihundert Seiten, ohne viel Atempause. Es fällt einfach schwer das Buch aus der Hand zu legen.
Die Protagonisten sind sehr menschlich angelegt, mit ihren Stärken und Schwächen, wie aus dem wirklichen Leben und so wirken sie auch sehr authentisch. Aber auch die Nebenpersonen werden sehr gut und detailliert dargestellt, so dass man sich mit ihnen identifizieren kann.
Der bayerische Einschlag wirkt sehr sympathisch und die wenigen im Dialekt geschriebenen Passagen sind gut verständlich.
Sehr schön auch die Einbeziehung von München und bekannten Plätzen, die dem Buch einen besonderen Reiz geben. Die Mischung zwischen der Klinikszene und München wirkt durchaus stimmig.
Der rote Faden der Story bewegt sich durch das ganze Buch, mit kleineren Überraschungen und Wendungen. Getragen von einem Spannungsbogen der schnell aufgebaut wird und langsam bis zum Ende dann Stück für Stück abgebaut ist.
Fazit: Für einen Debutroman wirklich sehr gelungen, vor allem der Schreibstil ist klasse, da kann man noch viel Spannendes erwarten
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Frieda Mays erster Tag in der Münchner Eisbachklinik verläuft alles andere als angenehm: Ihr Doktorvater Georg Nader, wegen dem sie überhaupt erst nach München gekommen ist, wird mit einer Vergiftung eingeliefert. Frieda und ihr Mitbewohner und Kollege Quirin Quast glauben nicht …
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Frieda Mays erster Tag in der Münchner Eisbachklinik verläuft alles andere als angenehm: Ihr Doktorvater Georg Nader, wegen dem sie überhaupt erst nach München gekommen ist, wird mit einer Vergiftung eingeliefert. Frieda und ihr Mitbewohner und Kollege Quirin Quast glauben nicht daran, dass Nader beim Kräutersammeln im Englischen Garten Bärlauch mit Herbstzeitlosen verwechselt hat und versuchen dem auf die Spur zu kommen. Dabei wirbeln sie in der Klinik einigen Staub auf…
„Giftgrün“ von Bettina Plecher ist ein tolles Debüt und ein toller München-Krimi. Die Stärke des Buchs liegt auf jeden Fall in seinen Charakteren. Die beiden Protagonisten Frieda und Quast sind sehr sympathisch, haben aber trotzdem ihre Ecken und Kanten und handeln auch mal unlogisch. Mehr als einmal dachte ich mir: Was macht ihr denn da?? Aber man fiebert immer mit ihnen mit und sie wirken sehr lebendig.
Genauso toll sind aber auch die Nebenfiguren. Da ist zum Beispiel Karl Zitzelsperger, Computerspezialist und waschechter Bayer, der noch bei Mutti wohnt und sich dort bekochen lässt. Oder Margret Ernst, Leiterin der Intensivstation, für die das Rauchverbot in der Klinik nicht gilt und die auch gern mal Tetris spielt, wenn sie Pause hat.
Überhaupt wird in „Giftgrün“ sehr viel geraucht und getrunken (Ärzte sind ja da die Schlimmsten, obwohl sie es besser wissen müssten…) und vor allem gut und bayerisch gegessen. Das macht meiner Meinung nach mit den Charme des Krimis aus. Wenn man die Stadt kennt, findet man sich auch direkt in München wieder. Auch Dialekt und regionale Besonderheiten werden gut dosiert eingesetzt.
Einen kleinen Kritikpunkt habe ich aber doch. Insgesamt hätte ich mir von einem Krimi etwas mehr Ermittlungen erwartet. Hier ermitteln zwar keine Profis, aber manchmal haben sie mir einfach zu sehr im Dunkeln und etwas ziellos rumgestochert. Aber der sehr schöne Schreibstil und die tollen Charaktere reißen das wieder raus.
Ich kann „Giftgrün“ also auf jeden Fall weiterempfehlen! 4 von 5 Sternen.
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Klappentext:
Gift & Gallenkolik. Friedas erste richtige Stelle als Stationsärztin an einem Münchner Klinikum beginnt mit einem Paukenschlag: Schon am zweiten Tag ist ihr Doktorvater tot. Colchizin-Vergiftung, stellt Friedas Mitbewohner, der Toxikologe Quast, schnell fest. Für …
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Klappentext:
Gift & Gallenkolik. Friedas erste richtige Stelle als Stationsärztin an einem Münchner Klinikum beginnt mit einem Paukenschlag: Schon am zweiten Tag ist ihr Doktorvater tot. Colchizin-Vergiftung, stellt Friedas Mitbewohner, der Toxikologe Quast, schnell fest. Für die Klinikleitung ist der Fall damit geklärt – nicht das erste Mal, dass ein Hobbykoch beim Kräutersammeln im Englischen Garten Bärlauch mit der hochgiftigen Herbstzeitlose verwechselt hat. Doch Frieda und Quast hegen Zweifel. Und tatsächlich stellt sich heraus, dass der Tote selbst einige Leichen im Keller hatte - und dass Professor Naders Ableben mehr als einem Kollegen an der Eisbachklinik durchaus gelegen kommt …
Autorin:
Bettina Plecher wurde 1969 in München geboren. Nach ihrem Studium der Klassischen Philologie und Germanistik arbeitete sie als Fremdsprachenassistentin, Lehrerin und Schulbuchautorin in Yorkshire, Würzburg und München. Heute lebt sie mit ihrem Mann, einem Klinikarzt, und ihren beiden Kindern in München.
Meinung:
Das Cover ist sehr auffällig gestaltet und passt sehr gut zu der Geschichte. Das Glas Pesto, die Deck und der blaue Himmel dazu fallen doch sehr auf. Am auffälligsten ist das Glas Pesto mit der roten Aufschrift „Giftgrün“.
Der Schreibstil von Bettina Plecher gefällt mir sehr. Der Roman liest sich angenehm flüssig und ist unterhaltsam und spannend geschrieben.
Die Beschreibungen der Schauplätze in der Münchener Gegend und auch vom leckeren Essen sind sehr gelungen, so dass man sich alles wunderbar vorstellen konnte.
Die Protagonisten sind sehr gut beschrieben und Quirin Quast und Frieda May waren mir gleich sympathisch und auch der Karl Zitzelsberger, der noch bei seiner Mutter wohnt.
Die Assistenzärztin Frieda May und ihr Mitbewohner der Toxikologe Quirin Quast versuchen herauszufinden, wer den leitenden Oberarzt Gabor Nader vergiftet hat und wer dieses Glas Kräuterpesto mitgebracht hat. Ein sympathisches Ermittlerteam und eine spannende und unterhaltsame Geschichte.
Mir hat dieser Krimi sehr gut gefallen und freue mich schon auf den nächsten Band dieser Reihe.
Fazit:
Ein unterhaltsamer und spannender Münchner Giftmord-Krimi.
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Die Ärztin Frieda May folgt ihrem Doktorvater Gabor Nader nach München an die Eisbachklinik um dort einen Stelle als Stationsärztin anzutreten anstatt in die Entwicklungshilfe zu gehen.
Leider hat sie nicht die Möglichkeit mit ihm zusammen zu arbeiten, da Professor Nader bereits …
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Die Ärztin Frieda May folgt ihrem Doktorvater Gabor Nader nach München an die Eisbachklinik um dort einen Stelle als Stationsärztin anzutreten anstatt in die Entwicklungshilfe zu gehen.
Leider hat sie nicht die Möglichkeit mit ihm zusammen zu arbeiten, da Professor Nader bereits am zweiten Tag an einer Vergiftung stirbt. Gemeinsam finden Frieda und ihr neuer Mitbewohner der Toxikologe Quirin Quast heraus, dass anstatt Bärlauch Herbstzeitlose im Pesto war. Handelt es sich um eine Verwechslung von Nader oder war es absichtlich vom letzten Date ins Pesto gemischt worden? Die Polizei glaubt an Selbstverschulden, aber Frieda und Quirin wollen diesem Rätsel lösen und ermitteln getrennt von einander weiter und bringen auch Licht in die Dunkelheiten anderen Geheimnisse.
Der Debütkrimi "Giftgrün" von Bettina Plecher ist sehr flüssig geschrieben und ließ mich nur so durch das Buch fliegen.
Die abwechselnde Sichtweisen, neutral, Frieda und Quast machen das Lesen echt spannend, man bekommt die einzelnen Gedankengänge der Personen mit. Die Beschreibung des Klinikalltag war informativ und interessant. Der Leser erfährt einiges über die Strukturen in einem Krankenhaus, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen.
Die Protagonisten sind mit viel Liebe dargestellt worden und haben unterschiedliche Charaktere, Frieda und Quirin sind mir sehr ans Herz gewachsen.
Diesen Krimi kann ich guten Herzens an alle Krimifans weiterempfehlen.
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Frieda hat gerde erst ihren Doktortitel, als sie ihrem Doktorvater Gabor Nader an die Eisbachklinik nach München folgt. Doch schon bevor sie ihren ersten Arbeitstag antreten kann, wird dieser mit einer Vergiftung in die Klinik eingeliefert. Schon kurz darauf stirbt Nader.
Frieda und ihr …
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Frieda hat gerde erst ihren Doktortitel, als sie ihrem Doktorvater Gabor Nader an die Eisbachklinik nach München folgt. Doch schon bevor sie ihren ersten Arbeitstag antreten kann, wird dieser mit einer Vergiftung in die Klinik eingeliefert. Schon kurz darauf stirbt Nader.
Frieda und ihr Vermieter, der Toxikologe Quirin Quast ermitteln, denn die Polizei geht von einem Selbstverschulden aus. Doch Frieda und Quirin glauben an einen Mord.
In dem Debütroman von Bettina Plecher geht es kurzweilig zu. Die Protagonisten sind interessant und anders, der Schreibstil hat echten bayrischen Charme. Eingeflossen ist nicht nur ab und an die bayrische Mundart, sondern besonders Münchner Schmankerl und bayrische Lebensart finden hier ihren Platz.
Chefarzt-Allüren, Vergiftung, alte Narben, Karrierezicken und Machtlosigkeit, aber auch Rache und Sühne lassen den Roman zu einem Lesevergnügen werden. Bitte mehr davon !
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