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Was ist das Geheimnis des guten Stils, wie wird aus Sprache Literatur? Dieser Frage geht Michael Maar in seinem Haupt- und Lebenswerk nach, für das er vierzig Jahre lang gelesen hat. Was ist Manier, was ist Jargon, und in welche Fehlerfallen tappen fast alle? Wie müssen die Elementarteilchen zusammenspielen für den perfekten Prosasatz? Maar zeigt, wer Dialoge kann und wer nicht, warum Hölderlin über- und Rahel Varnhagen unterschätzt wird, warum ohne die österreichischen Juden ein Kontinent des Stils wegbräche, warum Kafka ein Alien ist und warum nur Heimito von Doderer an Thomas Mann h...
Was ist das Geheimnis des guten Stils, wie wird aus Sprache Literatur? Dieser Frage geht Michael Maar in seinem Haupt- und Lebenswerk nach, für das er vierzig Jahre lang gelesen hat. Was ist Manier, was ist Jargon, und in welche Fehlerfallen tappen fast alle? Wie müssen die Elementarteilchen zusammenspielen für den perfekten Prosasatz? Maar zeigt, wer Dialoge kann und wer nicht, warum Hölderlin über- und Rahel Varnhagen unterschätzt wird, warum ohne die österreichischen Juden ein Kontinent des Stils wegbräche, warum Kafka ein Alien ist und warum nur Heimito von Doderer an Thomas Mann heranreicht. In fünfzig Porträts, von Goethe bis Gernhardt, von Kleist bis Kronauer, entfaltet er en passant eine Geschichte der deutschen Literatur.
Michael Maar, geboren 1960, ist Germanist, Schriftsteller und Literaturkritiker. Bekannt wurde er durch 'Geister und Kunst. Neuigkeiten aus dem Zauberberg' (1995), für das er den Johann-Heinrich-Merck-Preis erhielt. 2002 wurde er in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung aufgenommen, 2008 in die Bayerische Akademie der Schönen Künste, 2010 bekam er den Heinrich-Mann-Preis verliehen. Das Buch 'Die Schlange im Wolfspelz. Das Geheimnis großer Literatur' (2020) stand lange auf der Spiegel -Bestsellerliste. Zuletzt erschienen in Neuausgaben'Das Blaubartzimmer' und der Roman 'Die Betrogenen'. Michael Maar hat zwei Kinder und lebt in Berlin.
Produktdetails
- Verlag: Rowohlt, Hamburg
- Artikelnr. des Verlages: 23154
- 8. Aufl.
- Seitenzahl: 656
- Erscheinungstermin: 13. Oktober 2020
- Deutsch
- Abmessung: 225mm x 150mm x 45mm
- Gewicht: 778g
- ISBN-13: 9783498001407
- ISBN-10: 349800140X
- Artikelnr.: 59385945
Herstellerkennzeichnung
Rowohlt Verlag GmbH
Kirchenallee 19
20099 Hamburg
produktsicherheit@rowohlt.de
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Jan-Frederik Bandel lässt sich von Michael Maar durch dessen ganz private Literaturgeschichte führen und erklären, was Stil ist. Dass sich der Autor bei letzterem nicht wirklich festlegt, sondern lieber seine eher klassischen Helden sprechen lässt (von Benjamin bis Varnhagen), gefällt Bandel gut. Besser jedenfalls, als wenn Maar mahnend (be-)urteilt. Richtig groß ist der Autor laut Bandel darin, einen Stil mit wenigen Worten zu kennzeichnen. Dann ist für den Rezensenten auch Maars Liebe zu seinem Material spürbar.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Keine Liebe ohne Pathos
In guten wie in schlechten Sätzen: Der Literaturkritiker Michael Maar fragt nach dem Geheimnis guten Stils und nimmt die großen Werke der Weltliteratur in seine Lektorenhand.
Ist es wirklich ein Abenteuerbuch, das der Literaturkritiker und -wissenschaftler Michael Maar da geschrieben hat? Die Geschichte einer Schatzsuche? Vom Einband blickt einem eine elegante junge Frau entgegen, ihr Blick, selbstbewusst, aber verträumt, trifft einen nicht direkt, die Linke liegt auf einem aufgeschlagenen Buch, das seltsam unscharf scheint (sind das verschwommene Zeilen, Bilder hinter Pergamentpapier?), die Rechte stützt nicht, wie man bei flüchtigem Blick vermuten könnte, den leseschwer gewordenen Kopf,
In guten wie in schlechten Sätzen: Der Literaturkritiker Michael Maar fragt nach dem Geheimnis guten Stils und nimmt die großen Werke der Weltliteratur in seine Lektorenhand.
Ist es wirklich ein Abenteuerbuch, das der Literaturkritiker und -wissenschaftler Michael Maar da geschrieben hat? Die Geschichte einer Schatzsuche? Vom Einband blickt einem eine elegante junge Frau entgegen, ihr Blick, selbstbewusst, aber verträumt, trifft einen nicht direkt, die Linke liegt auf einem aufgeschlagenen Buch, das seltsam unscharf scheint (sind das verschwommene Zeilen, Bilder hinter Pergamentpapier?), die Rechte stützt nicht, wie man bei flüchtigem Blick vermuten könnte, den leseschwer gewordenen Kopf,
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sondern deutet eine Faust an - eine Drohgebärde? Dazu, farblich vornehm abgestimmt, der Titel: "Die Schlange im Wolfspelz. Das Geheimnis großer Literatur". Ein nur leicht aufdringlich mysteriöses Gemälde, ein kurios verrutschtes Sprachbild und ein Versprechen, so hochgegriffen, dass man dem Autor sofort zutraut, auf seine Einlösung souverän zu verzichten, zumindest diesen Schatz nicht jagen zu müssen. Welchen aber dann?
Den Begriff, um den das ganze Buch - immerhin 656 Seiten - aufgebaut ist, sucht man in dessen Titel vergebens: Stil. Ein altmodisches Wort, allerdings ist gewaltig Spannung drauf. Stil, das meint das höchst Individuelle eines (in diesem Falle: literarischen) Ausdrucks. Stil behauptet einen Gleichklang von Persönlichkeit und Form, was ziemlich vertrackt ist, nicht nur weil Gleichklang nicht leicht zu haben ist, sondern weil so eine Persönlichkeit ohnehin eine reichlich dissonante Angelegenheit darstellt. Stil bildet die Persönlichkeit nicht ab, er müht sich, sie zusammenzuhalten. Allerdings meint Stil zugleich gerade das Überindividuelle: den Stil einer Schule, einer Zeit (sozusagen den Form gewordenen Zeitgeist) oder eben den "guten" Stil (also das unterliegende Regelwerk, das angeblich nur missachten darf, wer es in- und auswendig kennt). Stil ist individuelle Haltung, die sich nicht nur den Anforderungen einer Gegenwart entgegenwirft, sondern, unverfroren genug, dabei auch die einer komplizierten Vergangenheit und einer offenen Zukunft in Anspruch nimmt. Von da ist man natürlich schnell auf den sprach- und identitätspolitischen Schlacht- und Minenfeldern dieser Tage.
Maar, der sich hütet, sich festzulegen auf eine Definition, was "Stil" sein könnte, hat all das im Blick - das Sozial-Historische, zumal das Politische eher halbherzig. Er ist so frei, ein wenig aus der Zeit zu fallen und sich an die "Großen" zu halten, denn eine Abenteuergeschichte braucht Helden, auch fragwürdige, auch komische, strauchelnde. Maars Helden heißen unter anderem: Walter Benjamin, Rudolf Borchardt, Heimito von Doderer, Johann Wolfgang von Goethe, Franz Kafka, Thomas Mann, Martin Mosebach, Robert Musil, Friedrich Nietzsche, Marcel Proust, Joseph Roth, Arthur Schopenhauer, Rahel Varnhagen - eine ziemliche Männerriege, zumindest in prominenten Nebenrollen gibt es schillernde Frauengestalten: Marie von Ebner-Eschenbach, Marieluise Fleißer, Brigitte Kronauer, Christine Lavant. In regelmäßigen Slapstick-Einlagen: Stefan Zweig. Irgendwie schwierig, zwielichtig, doch das gehört ja auch zu einer guten Story: Hans Henny Jahnn und Arno Schmidt. Die Namensreihe gibt bereits einen guten Eindruck vom literarischen Kosmos, in dem Maars Schatzsuche stattfindet. Es geht klassisch-modern zu. Die Grenzen sind, da es um Sprache geht, ziemlich dicht, immerhin Proust hat ein Schlupfloch gefunden.
Auch die Erzählerfigur, die unter anderem unter dem Titel "Stilkritiker" firmiert, ist dadurch schon recht gut konturiert, stellt sich aber vor allem im ersten Drittel des Buches bereitwillig vor. Auch wenn Maar ausdrücklich kein normatives Regelwerk eines literarisch "guten Stils" aufstellen will (so altmodisch mag er es dann doch nicht haben), schon gar keine literaturtheoretische oder -historische Ableitung von Stilbegriffen, führt er in den ersten drei Kapiteln doch eine ganze Reihe von "Instrumenten" des Stils vor, die zugleich dazu herhalten sollen, die zahlreich ausgebreiteten Beispiele kritisch abzuwägen und zu beurteilen. Und beurteilt wird viel in diesem Buch - in diversen Tonlagen, kollegial-anteilnehmend an guten "Einfällen", unvermeidlichen "Schrullen" und "stilistischen Missgriffen", mit zuckender "Lektorenhand" die "Fehler" unterkringelnd, streng-lehrerhaft, dann wieder amüsiert-gütig die "Kunstfehler" scannend.
So arbeitet er sich vor, vom Einzelwort, das sitzen muss, bis hin zur Figurenrede, die stilisiert, aber, bitte schön, dennoch lebendig und glaubwürdig sein soll. Maars Lieblingsbegriff stammt aus der klassischen Rhetorik - "Aptum", das Angemessene. Nichts gegen Extravaganz, aber bitte mit Maß. Nichts gegen Lautstärke, aber bitte nicht dauerhaft. Nichts gegen ausgefallene Worte, aber bitte nur, wenn es keine schlichten gibt, die dasselbe unaufdringlicher sagen. Nichts gegen überraschende Metaphern, nur ins Grübeln sollte man nicht kommen darüber. Natürlich nichts gegen Adjektive, aber doch bitte nur, wenn sie etwas erzählen, das man nicht eh schon wusste. Nichts - und so weiter. Wobei man angesichts solcher Mahnungen zusammenzucken mag, bei den Beispielen (ob abschreckend oder neidenswert) nickt man dann doch des Öfteren. Sie sind auch suggestiv aufbereitet.
Tatsächlich ist das die größte Stärke des Buchs: Maar versteht es, den Stil einer Autorin, eines Autors, eines Textes, eines Zitats mit wenigen Worten, ohne akademische Herleitungen, ohne Jargon zu charakterisieren. Das klingt dann zum Beispiel so: "Grünbein-typisch ist die Kreuzung des Bildungsschweren - Nymphen, Hesperiden-Saft und Sibyllen - mit der saloppen Formel ,Okay'; indirekt also die Schule Gottfried Benns. Rätselhaft das Namen-Zurückziehen, aber Gedichte dürfen enigmatisch sein. Die Adjektive sind etwas erwartbar; die Nymphe scheu, die Boutique kühl. Der Wald, den man vor schlanken Beinen nicht sieht, leuchtet ein; das Wild mit Gürteln, die den Blick doch kaum ablenken, schon weniger." Das sitzt, weil der Stilkritiker sein Material liebt, in guten wie in schlechten Sätzen. Dass er neben präzisen Skizzen dann und wann in mystifizierende Metaphorik abgleitet ("In der Chemie des Stils kommt es auf jedes Element an"), mag nur konsequent sein. Keine Liebesrede ohne Pathos.
Ebenso verständlich, doch auffällig ist, dass das Material zunehmend jedes so nachdrucksvoll eingeforderte Maß sprengt. Formal hat Maars Wälzer sechs Kapitel, inhaltlich besteht er aus drei Teilen: einer kleinen Stillehre, einer langen (zu langen?) Folge zitatreich angelegter Porträts von Prosastilisten mit einem knappen Nachklapp zur Lyrik, schließlich einer thematischen Beispielreihung, in der sich verschiedene Stilisten an einem denkbar schwierigen Thema beweisen sollen: Sex.
Tatsächlich aber gerät das Buch ab etwa Seite 170 zum Florilegium. Mal traut Maar seinem Material zu, seine stilistische Kraft ganz allein zu entfalten, und begnügt sich mit Connaisseur-Einwürfen ("stark", "stilistisch reizvoll"), mal pointiert er es sehr genau, dann wieder flicht er Anekdötchen und Literaturquizze ein, verwandelt sich stilistisch seinem jeweiligen Gegenstand an und versteckt das eine oder andere abgefeimte Easter Egg in der eignen Prosa ("Es ist ein Gedicht mit der Komik-Energie eines durchdrehenden Dynamos"). Unterhaltsam ist das zweifellos, aber auch ein bisschen ausufernd, additiv in seiner Begeisterung.
Die dann allerdings - und das ist keine schlechte Pointe - eine vorläufige Antwort liefern soll auf die vollmundig gestellte, dann links liegen gelassene Titelfrage nach dem "Geheimnis großer Literatur". Die Beispiele gelungenen Stils sollen gegen schlechten empfindlich, am besten überempfindlich machen (meinethalben, Empfindlichkeiten kann man nie genug haben). Aber das Straucheln, das Ungelenke auch "großer Stilisten" zu beobachten könne dann doch etwa vom Geheimnis offenlegen: dass nämlich Literatur nicht mehr ist als Wirklichkeit, sondern immer ein bisschen weniger. Stil ist eine Frage des Scheiterns und Scheitern eine Frage des Stils.
JAN-FREDERIK BANDEL
Michael Maar: "Die Schlange im Wolfspelz". Rowohlt Verlag, Hamburg 2020. 656 S., geb., 34,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Den Begriff, um den das ganze Buch - immerhin 656 Seiten - aufgebaut ist, sucht man in dessen Titel vergebens: Stil. Ein altmodisches Wort, allerdings ist gewaltig Spannung drauf. Stil, das meint das höchst Individuelle eines (in diesem Falle: literarischen) Ausdrucks. Stil behauptet einen Gleichklang von Persönlichkeit und Form, was ziemlich vertrackt ist, nicht nur weil Gleichklang nicht leicht zu haben ist, sondern weil so eine Persönlichkeit ohnehin eine reichlich dissonante Angelegenheit darstellt. Stil bildet die Persönlichkeit nicht ab, er müht sich, sie zusammenzuhalten. Allerdings meint Stil zugleich gerade das Überindividuelle: den Stil einer Schule, einer Zeit (sozusagen den Form gewordenen Zeitgeist) oder eben den "guten" Stil (also das unterliegende Regelwerk, das angeblich nur missachten darf, wer es in- und auswendig kennt). Stil ist individuelle Haltung, die sich nicht nur den Anforderungen einer Gegenwart entgegenwirft, sondern, unverfroren genug, dabei auch die einer komplizierten Vergangenheit und einer offenen Zukunft in Anspruch nimmt. Von da ist man natürlich schnell auf den sprach- und identitätspolitischen Schlacht- und Minenfeldern dieser Tage.
Maar, der sich hütet, sich festzulegen auf eine Definition, was "Stil" sein könnte, hat all das im Blick - das Sozial-Historische, zumal das Politische eher halbherzig. Er ist so frei, ein wenig aus der Zeit zu fallen und sich an die "Großen" zu halten, denn eine Abenteuergeschichte braucht Helden, auch fragwürdige, auch komische, strauchelnde. Maars Helden heißen unter anderem: Walter Benjamin, Rudolf Borchardt, Heimito von Doderer, Johann Wolfgang von Goethe, Franz Kafka, Thomas Mann, Martin Mosebach, Robert Musil, Friedrich Nietzsche, Marcel Proust, Joseph Roth, Arthur Schopenhauer, Rahel Varnhagen - eine ziemliche Männerriege, zumindest in prominenten Nebenrollen gibt es schillernde Frauengestalten: Marie von Ebner-Eschenbach, Marieluise Fleißer, Brigitte Kronauer, Christine Lavant. In regelmäßigen Slapstick-Einlagen: Stefan Zweig. Irgendwie schwierig, zwielichtig, doch das gehört ja auch zu einer guten Story: Hans Henny Jahnn und Arno Schmidt. Die Namensreihe gibt bereits einen guten Eindruck vom literarischen Kosmos, in dem Maars Schatzsuche stattfindet. Es geht klassisch-modern zu. Die Grenzen sind, da es um Sprache geht, ziemlich dicht, immerhin Proust hat ein Schlupfloch gefunden.
Auch die Erzählerfigur, die unter anderem unter dem Titel "Stilkritiker" firmiert, ist dadurch schon recht gut konturiert, stellt sich aber vor allem im ersten Drittel des Buches bereitwillig vor. Auch wenn Maar ausdrücklich kein normatives Regelwerk eines literarisch "guten Stils" aufstellen will (so altmodisch mag er es dann doch nicht haben), schon gar keine literaturtheoretische oder -historische Ableitung von Stilbegriffen, führt er in den ersten drei Kapiteln doch eine ganze Reihe von "Instrumenten" des Stils vor, die zugleich dazu herhalten sollen, die zahlreich ausgebreiteten Beispiele kritisch abzuwägen und zu beurteilen. Und beurteilt wird viel in diesem Buch - in diversen Tonlagen, kollegial-anteilnehmend an guten "Einfällen", unvermeidlichen "Schrullen" und "stilistischen Missgriffen", mit zuckender "Lektorenhand" die "Fehler" unterkringelnd, streng-lehrerhaft, dann wieder amüsiert-gütig die "Kunstfehler" scannend.
So arbeitet er sich vor, vom Einzelwort, das sitzen muss, bis hin zur Figurenrede, die stilisiert, aber, bitte schön, dennoch lebendig und glaubwürdig sein soll. Maars Lieblingsbegriff stammt aus der klassischen Rhetorik - "Aptum", das Angemessene. Nichts gegen Extravaganz, aber bitte mit Maß. Nichts gegen Lautstärke, aber bitte nicht dauerhaft. Nichts gegen ausgefallene Worte, aber bitte nur, wenn es keine schlichten gibt, die dasselbe unaufdringlicher sagen. Nichts gegen überraschende Metaphern, nur ins Grübeln sollte man nicht kommen darüber. Natürlich nichts gegen Adjektive, aber doch bitte nur, wenn sie etwas erzählen, das man nicht eh schon wusste. Nichts - und so weiter. Wobei man angesichts solcher Mahnungen zusammenzucken mag, bei den Beispielen (ob abschreckend oder neidenswert) nickt man dann doch des Öfteren. Sie sind auch suggestiv aufbereitet.
Tatsächlich ist das die größte Stärke des Buchs: Maar versteht es, den Stil einer Autorin, eines Autors, eines Textes, eines Zitats mit wenigen Worten, ohne akademische Herleitungen, ohne Jargon zu charakterisieren. Das klingt dann zum Beispiel so: "Grünbein-typisch ist die Kreuzung des Bildungsschweren - Nymphen, Hesperiden-Saft und Sibyllen - mit der saloppen Formel ,Okay'; indirekt also die Schule Gottfried Benns. Rätselhaft das Namen-Zurückziehen, aber Gedichte dürfen enigmatisch sein. Die Adjektive sind etwas erwartbar; die Nymphe scheu, die Boutique kühl. Der Wald, den man vor schlanken Beinen nicht sieht, leuchtet ein; das Wild mit Gürteln, die den Blick doch kaum ablenken, schon weniger." Das sitzt, weil der Stilkritiker sein Material liebt, in guten wie in schlechten Sätzen. Dass er neben präzisen Skizzen dann und wann in mystifizierende Metaphorik abgleitet ("In der Chemie des Stils kommt es auf jedes Element an"), mag nur konsequent sein. Keine Liebesrede ohne Pathos.
Ebenso verständlich, doch auffällig ist, dass das Material zunehmend jedes so nachdrucksvoll eingeforderte Maß sprengt. Formal hat Maars Wälzer sechs Kapitel, inhaltlich besteht er aus drei Teilen: einer kleinen Stillehre, einer langen (zu langen?) Folge zitatreich angelegter Porträts von Prosastilisten mit einem knappen Nachklapp zur Lyrik, schließlich einer thematischen Beispielreihung, in der sich verschiedene Stilisten an einem denkbar schwierigen Thema beweisen sollen: Sex.
Tatsächlich aber gerät das Buch ab etwa Seite 170 zum Florilegium. Mal traut Maar seinem Material zu, seine stilistische Kraft ganz allein zu entfalten, und begnügt sich mit Connaisseur-Einwürfen ("stark", "stilistisch reizvoll"), mal pointiert er es sehr genau, dann wieder flicht er Anekdötchen und Literaturquizze ein, verwandelt sich stilistisch seinem jeweiligen Gegenstand an und versteckt das eine oder andere abgefeimte Easter Egg in der eignen Prosa ("Es ist ein Gedicht mit der Komik-Energie eines durchdrehenden Dynamos"). Unterhaltsam ist das zweifellos, aber auch ein bisschen ausufernd, additiv in seiner Begeisterung.
Die dann allerdings - und das ist keine schlechte Pointe - eine vorläufige Antwort liefern soll auf die vollmundig gestellte, dann links liegen gelassene Titelfrage nach dem "Geheimnis großer Literatur". Die Beispiele gelungenen Stils sollen gegen schlechten empfindlich, am besten überempfindlich machen (meinethalben, Empfindlichkeiten kann man nie genug haben). Aber das Straucheln, das Ungelenke auch "großer Stilisten" zu beobachten könne dann doch etwa vom Geheimnis offenlegen: dass nämlich Literatur nicht mehr ist als Wirklichkeit, sondern immer ein bisschen weniger. Stil ist eine Frage des Scheiterns und Scheitern eine Frage des Stils.
JAN-FREDERIK BANDEL
Michael Maar: "Die Schlange im Wolfspelz". Rowohlt Verlag, Hamburg 2020. 656 S., geb., 34,- [Euro].
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Wirklich toll ... eine Art von spielerischer, vergnüglicher und bildender Literaturgeschichte. Axel Hacke Brief aus dem Büro (Axel Hacke) 20230301
Ein souveränes Buch das alle anderen Versuche der letzten Jahre mit demselben Ansatz blass wirken lässt. Bestechend in der Formulierungskunst, überzeugend in der Argumentation, überraschend in der Auswahl.
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Was für ein kluges Buch! Michael Maar ist in "Die Schlange im Wolfspelz" dem Geheimnis großer Literatur auf der Spur und analysiert auf unnachahmliche Weise den Stil bekannter und fast vergessener Autoren. Dass er dabei manchmal mit seinem Hang für Gallizismen …
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Was für ein kluges Buch! Michael Maar ist in "Die Schlange im Wolfspelz" dem Geheimnis großer Literatur auf der Spur und analysiert auf unnachahmliche Weise den Stil bekannter und fast vergessener Autoren. Dass er dabei manchmal mit seinem Hang für Gallizismen ("voulu", "idées recues", "tordu") gegen die von ihm angeführte Regel Paul Valérys verstößt ("Zwischen zwei Wörtern wähle das geringere") sei ihm verziehen. Und gerade als man denkt, Stil ohne Inhalt ist wie ein 3-Sternelokal, in dem es nur Desserts gibt, serviert er im letzten Kapitel ("Das Pikante und der Spaß der Welt") kräftige Fleischgerichte.
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Dem Geheimnis auf der Spur
Die Schlange im Wolfspelz von Michael Maar ist ein grandioses Sachbuch über verschiedene Aspekte der Literatur. Betrachtet wird klassische Literatur, aber manchmal auch moderne.
Es ist ein aufregendes Werk, auch eins über das man sich manchmal aufregen kann. …
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Dem Geheimnis auf der Spur
Die Schlange im Wolfspelz von Michael Maar ist ein grandioses Sachbuch über verschiedene Aspekte der Literatur. Betrachtet wird klassische Literatur, aber manchmal auch moderne.
Es ist ein aufregendes Werk, auch eins über das man sich manchmal aufregen kann. Nicht allen provokanten Thesen von Michael Maar stimme ich ohne weiteres zu. Aber viel ist wirklich originell und Michael Maar ist alles andere als dogmatisch. Michael Maar steigert sich ganz schön rein und zieht den Leser mit in einem Taumel literarischer Fragestellungen über Stil, Metaphern, Bildsprache, Dialoge
Es werden beeindruckend viele, überwiegend deutschsprachige Autoren behandelt: Fontane, Thomas Mann, Canetti, Hemingway, Franz Werfel, Goethe, Grimm, Hebel, Hölderlin, Valery, Heidegger, Heine, Stifter, Storm, Rudolf Borchardt, Anna Seghers, Robert Walser, Kafka, Leo Perutz, Thomas Bernhard, W,G,Sebald, Brigitte Kronauer, Herta Müller, Walter Kappacher, Wolfgang Herrndorf, Botho Strauß, Martin Mosebach, Clemens J.Setz, uva.
Es gibt auch einen Ausflug in die Lyrik.
Ob Maar wirklich dem Geheimnis großer Literatur auf die Spur kommt, kann ich nicht sagen. Aber ich habe viel neues erfahren.
Ein kluges Buch mit viel Humor.
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Interessant
Ich bin ohne große Erwartungen an dieses buch gegangen.
Es ist mir tatsächlich auch "nur" aufgefallen, da es für den "Deutschen Sachbuchpreis 2021" nominiert wurde.
Und es hat mich tatsächlich positiv überrascht.
Er untersucht und …
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Interessant
Ich bin ohne große Erwartungen an dieses buch gegangen.
Es ist mir tatsächlich auch "nur" aufgefallen, da es für den "Deutschen Sachbuchpreis 2021" nominiert wurde.
Und es hat mich tatsächlich positiv überrascht.
Er untersucht und beleuchtet verschiedenste Romane, Erzählungen etc und zeigt sie uns auf seine eigene Weise.
Jedes seiner Werke, dass er beleuchtet bekommt ein eigenes Kapitel. So kann man, wenn einem etwas doch gar nicht zusagt es einfach überspringen. Auch ich wollte nicht alles lesen und habe mir zu Beginn nur ein paar einzelne Kapitel rausgepickt. So kann man nach und nach lesen was einen interessiert.
Wer sich also für Literatur und deren Begleitung interessiert, dem lege ich dieses Buch ans Herz.
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Von den Ursachen getrübter Lesefreude
Die Reihe nützlicher Sachbücher zum Thema Literatur ist von Michael Maar mit «Die Schlange im Wolfspelz», einem bei Eva Menasse entlehnten Titel, jüngst um ein populäres Werk ergänzt worden. Der Untertitel «Das …
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Von den Ursachen getrübter Lesefreude
Die Reihe nützlicher Sachbücher zum Thema Literatur ist von Michael Maar mit «Die Schlange im Wolfspelz», einem bei Eva Menasse entlehnten Titel, jüngst um ein populäres Werk ergänzt worden. Der Untertitel «Das Geheimnis großer Literatur» weist auf das durchaus ambitiöse Vorhaben hin, Licht ins Dunkel der Buchstaben-Kunst zu bringen. Wobei der Autor sich als Germanist, wen wundert’s, auf die deutsche Literatur beschränkt. Wer also als Leser in seiner Lektüre mehr sieht als nur einen angenehmen Zeitvertreib, wer sich über die Finessen eines gekonnten Schreibstils umfassend aufklären lassen will, der wird in diesem informativen Buch fündig. Um dann, deutlich besser gerüstet, in künftige Leseabenteuer aufzubrechen.
Diese Stilkunde beginnt denn auch gleich, die Frage «Was ist Stil?» mit vielen Textbeispielen systematisch und unterhaltsam zu klären. Was sind denn wohl die Fallstricke, die beim Schreiben auf den Autor warten? Um zu verdeutlichen, was denn Stil überhaupt ist, zitiert Maar eine kurze Passage aus Daniel Kehlmanns Roman «Die Vermessung der Welt». Darin wird Humboldt von seinen Ruderern gebeten, etwas zu erzählen. Er könne, bietet er ihnen an, das schönste deutsche Gedicht für sie ins Spanische übersetzen: «Oberhalb aller Bergspitzen sei es still, in den Bäumen kein Wind zu fühlen, auch die Vögel seien ruhig, und bald wird man tot sein». Die Zuhörer sind verblüfft. Aber er hat alles richtig gemacht, er hat genau das erzählt, was Goethe, als «Wanderers Nachtlied», 1870 an die Holzwand einer Jagdhütte geschrieben hatte. Inhaltlich also gleich, nur stilistisch nicht! «Über allen Gipfeln / ist Ruh, / in allen Wipfeln / spürest du / kaum einen Hauch; / die Vöglein schweigen im Walde. / Warte nur! Balde / ruhest du auch.» Einprägsamer kann man die Funktion von Inhalt und Stil in der Literatur wohl kaum demonstrieren. Und solche anschaulichen Beispiele gibt es ungewöhnlich viele in diesem Buch! Inhalt und Stil, so lernen wir, kann man eben nicht trennen voneinander. Sie gehören zusammen, bilden eine künstlerische Einheit, die, wenn alles perfekt aufeinander abgestimmt ist, zu großer Literatur werden kann.
Mit vielen Porträts ganz unterschiedlicher Schriftsteller verdeutlicht Maar in unzähligen Textauszügen sprachliche Besonderheiten. Satzbau, Wortwahl, Sprach-Rhythmus, Dialoge, gekonnt eingesetzte Metaphorik oder einprägsame Leitmotive sind Bausteine, aus denen wahre Prosa-Kathedralen entstehen können, wenn Sprachgenies die Baumeister sind. Trotz aller akademischen Bemühungen bleibt die Beurteilung von Sprachkunst aber ein eitles Unterfangen. Das weiß der Autor auch, und so finden sich bei seiner oft sehr strengen Kritik häufig Anmerkungen wie «Die Arno-Schmidt-Jünger werden laut Protest erheben». Es bleibt also auch nicht aus, dass man als Leser manchen Einwand partout nicht nachvollziehen kann. Aber das ist völlig normal und mindert den Wert dieses Literatur-Führers keineswegs. Die Auswahl der als Referenz herangezogenen Schriftsteller ist, Germanisten können wohl nicht anders, zudem derart vorvorgestrig, dass man als heutiger Leser viele nie gelesen hat, bei einigen nicht mal ihrem Namen kennt. Umso erstaunter ist man dann, wenn plötzlich Hildegard Knef auftaucht, deren Autobiografie von Michael Maar stilistisch sehr gelobt wird, - nicht zu unrecht übrigens, wie die Textzitate zeigen.
Wer einigermaßen belesen ist, wird natürlich auch manches finden, bei dem er mitreden, seine Meinung mit dem vergleichen kann, was Maar, oft durchaus scharfzüngig, darüber schreibt. En passant erfahren wir zudem, dass Goethe mit ausgezählten 90.000 Wörtern den höchsten je gemessenen deutschen Wortschatz hatte. Trotzdem sind «Die Wahlverwandtschaften» kein Roman, den heute jemand freiwillig lesen würde, Wortschatz ist eben nicht alles! Schlechten Stil aber dürften aufmerksame Leser nach der Lektüre dieses Ratgebers deutlich besser entlarven können als eine Ursache getrübter Lesefreude!
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Klappentext:
„Was ist das Geheimnis des guten Stils, wie wird aus Sprache Literatur? Dieser Frage geht Michael Maar in seinem Haupt- und Lebenswerk nach, für das er vierzig Jahre lang gelesen hat. Was ist Manier, was ist Jargon, und in welche Fehlerfallen tappen fast alle? Wie …
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Klappentext:
„Was ist das Geheimnis des guten Stils, wie wird aus Sprache Literatur? Dieser Frage geht Michael Maar in seinem Haupt- und Lebenswerk nach, für das er vierzig Jahre lang gelesen hat. Was ist Manier, was ist Jargon, und in welche Fehlerfallen tappen fast alle? Wie müssen die Elementarteilchen zusammenspielen für den perfekten Prosasatz? Maar zeigt, wer Dialoge kann und wer nicht, warum Hölderlin über- und Rahel Varnhagen unterschätzt wird, warum ohne die österreichischen Juden ein Kontinent des Stils wegbräche, warum Kafka ein Alien ist und warum nur Heimito von Doderer an Thomas Mann heranreicht. In fünfzig Porträts, von Goethe bis Gernhardt, von Kleist bis Kronauer, entfaltet er en passant eine Geschichte der deutschen Literatur.“
Es ist im Jahr 2021 nicht mein erstes Buch zum Thema „Lesen“ und ich muss wirklich sagen, das ich überrascht war, was mir hier begegnet ist. Michael Maar nimmt hier alles und jedes Detail aus der Welt des Lesens unter die Lupe. Seine Art dabei ist sehr ansteckend und er macht Lust sich gleich mal einen Klassiker aus dem Bücherregal zu schnappen und das nachzulesen was er dazu so „besonders“ empfindet. Maar dröselt, wenn man so will, die Schreibstile der Autoren auf und will wissen, wer hinter diesen Stilen sitzt und warum dieser Stil so ist wie er ist. Was macht einen Klassiker aus? Was wird zu einem? Was ist „gute“ und was „schlechte“ Literatur? All diese Fragen werden hier sinnvoll und geschmackvoll beantwortet. Man merkt aber auch in jeder Zeile wie besessen Maar von seiner Arbeit ist und was es mit einem macht, so hinter die Kulissen blicken zu wollen. Es gab Passagen, da teilte ich seine Meinung nicht aber das ist ja auch gut so...Geschmäcker und Auffassungsgabe sind nunmal bei jedem Leser anders.
Dies ist ein sehr außergewöhnliches Buch von einem außergewöhnlichen Autor mit einer besonderen Begabung - 4 von 5 Sterne gibt es hier von mir!
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