Jane Gardam
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Ein untadeliger Mann / Old Filth Trilogie Bd.1
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Alles an Edward Feathers ist ohne Fehl und Tadel - seine Garderobe, seine Manieren und sein Ruf als Anwalt mit glänzender Karriere in Hongkong. Nun ist er alt und muss mit dem Tod seiner Frau Betty zurechtkommen, so wie er immer mit allem zurechtgekommen ist. Seine perfekte Haltung täuscht alle und manchmal sogar ihn selbst. Doch mit Bettys Tod bricht etwas in ihm auf, und behutsam beginnt Feathers, vergangene Ereignisse ans Licht zu holen. An einem kalten englischen Wintermorgen setzt er sich ans Steuer seines Wagens und fährt los, das eigene Leben zu erkunden. Mit Jane Gardams meisterhaft...
Alles an Edward Feathers ist ohne Fehl und Tadel - seine Garderobe, seine Manieren und sein Ruf als Anwalt mit glänzender Karriere in Hongkong. Nun ist er alt und muss mit dem Tod seiner Frau Betty zurechtkommen, so wie er immer mit allem zurechtgekommen ist. Seine perfekte Haltung täuscht alle und manchmal sogar ihn selbst. Doch mit Bettys Tod bricht etwas in ihm auf, und behutsam beginnt Feathers, vergangene Ereignisse ans Licht zu holen. An einem kalten englischen Wintermorgen setzt er sich ans Steuer seines Wagens und fährt los, das eigene Leben zu erkunden. Mit Jane Gardams meisterhaftem Roman über ein Leben im British Empire ist eine große Autorin zu entdecken.
Jane Gardam, geboren 1928 in North Yorkshire, wurde für ihr viel bewundertes schriftstellerisches Werk mehrfach ausgezeichnet. Neben der BestsellerTrilogie um Old Filth erschienen zuletzt 'Robinsons Tochter' (2020), 'Mädchen auf den Felsen' (2022) und 'Gute Ratschläge' (2024). Jane Gardam starb 2025 in Oxfordshire.

©Victoria Salmon
Produktdetails
- Old Filth Bd.1
- Verlag: Hanser Berlin
- Originaltitel: Old Filth
- Artikelnr. des Verlages: 516/24924
- 12. Aufl.
- Seitenzahl: 345
- Erscheinungstermin: 24. August 2015
- Deutsch
- Abmessung: 208mm x 128mm x 30mm
- Gewicht: 449g
- ISBN-13: 9783446249240
- ISBN-10: 3446249249
- Artikelnr.: 42716891
Herstellerkennzeichnung
Hanser Berlin
Lehrter Straße 57 Haus 4
10557 Berlin
info@hanser.de
Starke Frauen sind das Gesetz
Sechs erstaunliche Bücher machen diesen Herbst zu einem Lesefest. Und das sind nicht einmal die erwartbar gewichtigen Romane großer Autoren, die ebenfalls zu dieser tollen Saison beitragen.
Dieser Bücherherbst dürfte selbst für Vielleser mit Schnelllesebegabung eine Herausforderung werden. Lange gab es keine ähnlich dicht mit Spitzentiteln gespickte Saison. Das Gerangel um Aufmerksamkeit wird dementsprechend beträchtlich sein; wie viel für die Verlage dabei auf dem Spiel steht, mag man auch daran erkennen, dass die in den letzten Jahren immer beliebter gewordene Strategie, einzelne besonders wichtige, also auch teure Titel erst nach der Buchmesse zu lancieren, damit sie im
Sechs erstaunliche Bücher machen diesen Herbst zu einem Lesefest. Und das sind nicht einmal die erwartbar gewichtigen Romane großer Autoren, die ebenfalls zu dieser tollen Saison beitragen.
Dieser Bücherherbst dürfte selbst für Vielleser mit Schnelllesebegabung eine Herausforderung werden. Lange gab es keine ähnlich dicht mit Spitzentiteln gespickte Saison. Das Gerangel um Aufmerksamkeit wird dementsprechend beträchtlich sein; wie viel für die Verlage dabei auf dem Spiel steht, mag man auch daran erkennen, dass die in den letzten Jahren immer beliebter gewordene Strategie, einzelne besonders wichtige, also auch teure Titel erst nach der Buchmesse zu lancieren, damit sie im
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Weihnachtsgeschäft reüssieren, in diesem Jahr auffällig verbreitet ist.
Vor allem die internationale Literatur glänzt mit großen Namen und gewichtigen Umfängen: Den Anfang macht Kazuo Ishiguro mit dem mythisch aufgeladenen Kraftwerk aus der Frühzeit Britanniens, "Der begrabene Riese" (31. August, Blessing), gefolgt von Jonathan Franzen, der in "Unschuld" (4. September, Rowohlt) von der DDR durchs Internet bis nach Bolivien der unweigerlichen Verdunklung jugendlicher Ideale nachspürt. "Der schmale Pfad durchs Hinterland" (14. September, Piper), der mit dem letztjährigen Booker-Preis ausgezeichnete Roman des tasmanischen Autors Richard Flanagan, versetzt den Leser in ein japanisches Gefangenenlager während des Zweiten Weltkriegs. Der norwegische Schriftsteller Karl Ove Knausgård, der sich dem Leben ausliefert wie ein Extremsportler den Elementen, führt mit "Träumen" sein autobiographisches Erzählprojekt fort (21. September, Luchterhand). Der Spanier Javier Marías bietet in "So fängt das Schlimme an" (S. Fischer, 24. September) ein Mysterienspiel um Liebe und Eifersucht.
Sodann lässt Richard Ford sein Alter Ego Frank Bascombe in "Frank" (28. September, Hanser Berlin) die Nachwirkungen von Hurrikan Sandy für Amerika begutachten. Seit 2012 mit "Der weiße König" sein multiperspektivischer Einblick in die Ceausescu-Diktatur erschien, gilt der junge ungarisch-rumänische Autor György Dragoman als eine der ganz großen Stimmen Osteuropas: "Der Scheiterhaufen" (6. Oktober, Suhrkamp) wird zeigen, wie berechtigt diese Hoffnungen sind. Und gleich nach der Buchmesse erscheint das neueste Verwirrspiel von Italiens Großmeister Umberto Eco ("Nullnummer", 19. Oktober, Hanser).
Man kann diese - übrigens durchweg männliche - Phalanx großer Namen als Verheißung betrachten, aber auch als Bedrohung. Denn in ihrem Schatten - und jenem der Long- und Shortlists einflussreicher Preise - sind andere großartige Bücher leicht zu übersehen. Und weil es auf die ewige Frage "Was soll ich lesen?" in den nächsten Monaten viele einschlägige Antworten gibt, beschäftigt sich diese Vorschau auf den Herbst lieber mit sechs Lektüren für den zweiten Blick. Sie stammen von sechs erstaunlichen Autorinnen.
Den Anfang macht die Engländerin Jane Gardam, die mit 87 Jahren ihr Debüt auf dem deutschen Buchmarkt gibt: "Ein untadeliger Mann" (24. August, Hanser Berlin) erzählt von Sir Edward Feathers, genannt Old Filth. Der Ausdruck "Filth" steht in seinem Fall für "Failed in London, Try Hong Kong" und hat nichts Schmutziges an sich, im Gegenteil: Old Filth oder Sir Edward ist nicht nur äußerlich "sagenhaft sauber" bis zum reinweißen "Rand seiner alten Fingernägel", sondern erscheint auch sonst wie der dezent nach Blenheim Bouquet duftende Inbegriff des englischen Gentleman, diszipliniert, arbeitsam, wortkarg, als Anwalt und späterer Richter in seiner Zunft legendär.
Zu Beginn des Romans, der den Auftakt einer Trilogie über den Niedergang des Britischen Empire bildet, ist Filth frisch verwitwet, als ihn im Ruhestand auf dem englischen Land ein zweiter Schock ereilt: Ausgerechnet Terry Veneering, sein Rivale im Berufs- wie im Privatleben, zieht ins Haus nebenan. Doch diese alte Fehde bildet nur den Rahmen der eigentlichen Geschichte von Eddie Feathers, die von Malaysia nach Wales und auf eine englische Privatschule führt, wo der mutter- und recht eigentlich auch vaterlose Junge erstmals eine Art von Familie findet. Gardam erzählt die brutale Geschichte dieser Raj-Waise (auch Rudyard Kipling war eine solche), die sich überall fremd und "ohne Hintergrund" fühlt, auf mehreren Zeitebenen und in genau nuancierten Abstufungen von Sand, Creme und Beige mit viel Feingefühl und Empathie, aber zugleich jenem Gran urenglischer, stählerner Ironie, die diese Lektüre dunkler Erfahrungen zu einer hellen Freude macht.
"Wo sind Sie aufgewachsen? Welches ist Ihre Muttersprache? Wie viele Menschen gehörten zu Ihrer Familie? Wie sah die Wohnung, das Haus aus, in dem Sie aufwuchsen? Wie haben sich Ihre Eltern kennengelernt? Was gab es zu essen?" Das sind nur einige Fragen, die Richard, einen jüngst emeritierten Altphilologen, umtreiben, seitdem er zum ersten Mal bewusst Asylsuchende mitten in Berlin wahrgenommen hat. Sie treiben ihn in eine zum Flüchtlingsheim umfunktionierte Kreuzberger Schule und potenzieren sich dort noch: "Wann sind Sie aus Ihrer Heimat weggegangen? Warum? Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer Familie? Was haben Sie mitgenommen? Wie haben Sie sich Europa vorgestellt? Was ist anders? Wie verbringen Sie Ihre Tage? Was vermissen Sie am meisten?" Richard, der Homer-Kenner, begibt sich auf seine eigene Odyssee, um Antworten zu bekommen: Jenny Erpenbeck, die geschätzte Autorin von Werken wie "Heimsuchung" und "Aller Tage Abend", hat mit "Gehen, ging, gegangen" (31. August, Knaus) einen beklemmend aktuellen Roman geschrieben über die neuen Nachbarschaften mitten im alten Europa, jenem Warteraum der Politik, in dem die provisorischen Leben der Eingereisten an die rundum eingerichteten, durchgetakteten Leben der Beheimateten grenzen. Doch der Roman ist weit mehr als ein Zeugnis von Nächstenliebe, Scham und Ratlosigkeit. Jenny Erpenbeck weicht den Konflikten, die die Annäherung der Kulturen mit sich bringt, nicht aus. Und was am Ende aufscheint, nämlich Gemeinschaft und Solidarität, erwächst nicht aus guten Absichten allein.
Die Werke der Israelin Zeruya Shalev strahlen stets etwas Unbeirrbares, ja Störrisches aus; es ist die geradezu zwanghafte Emotionalität ihrer Literatur, an der sich die Geister scheiden. Auch in "Schmerz" (14. September, Berlin Verlag) ist der Ton ihrer Ich-Erzählerin Iris rastlos: Seitdem sie vor zehn Jahren bei einem Terroranschlag schwer verletzt wurde, ist ständiger Schmerz ihr Begleiter. Ihre Ehe mit Micki, der an besagtem Tag wieder einmal zu sehr mit einer Partie Schach beschäftigt war, um die Kinder zur Schule zu bringen, scheint am Ende, die Tochter ist aus dem Haus, der Sohn auf dem Sprung. Just als sie das Vakuum im Inneren mit gesteigerter Gehetztheit zu verdrängen sucht, trifft Iris ihre Jugendliebe Eitan wieder, und mit einem Mal scheint ein Neuanfang in greifbarer Nähe. Stoff, Protagonistin, Sprache - zunächst scheint "Schmerz" ein typischer Shalev-Roman. Doch dann gerät mehr ins Wanken als Iris' Selbstgerechtigkeit. Diesmal geht es nicht allein um die Schuld, die fast jede neue Liebe unter Erwachsenen begleitet, sondern auch um die Notwendigkeit, ja sogar Genugtuung von Verzicht. Am Ende erweist sich Iris als die reifste Heldin, die Shalev bisher schuf.
Die Amerikanerin Dorothy Baker war zeit ihres Lebens "sehr traurig und ziemlich deprimiert" über ihre schiefe literarische Karriere. Zwar hatte ihr erster Roman "Young Man with a Horn" 1938 durchaus Erfolg und wurde sogar verfilmt, doch konnte sie mit ihren folgenden Büchern nie daran anknüpfen. Dass Carson McCullers zu den Bewunderern von "Zwei Schwestern" von 1962, ihrem vierten und letzten Roman, gehörte, verwundert nicht angesichts des zielstrebigen, unzimperlichen Tons und der philosophischen Grundierung des Werks, war aber für Baker kein Trost. Als die Autorin 1968 starb, hinterließ sie keine große Trauergemeinde.
Vor einigen Jahren wurden ihr erster und ihr letzter Roman in den Vereinigten Staaten neu aufgelegt, jetzt erscheint "Zwei Schwestern" auch bei uns (23. September, dtv). Es ist eine Art dramatische Variante des Filmklassikers "Die Nacht vor der Hochzeit". Erzählt wird - mal von der einen, dann von der anderen - die Geschichte der Zwillinge Cassandra und Judith, zugespitzt auf jenes Wochenende, an dem Judith heiraten will. Cassandra empfindet diesen Schritt als Aufkündigung der schwesterlichen Symbiose, die stets über solchen Durchschnittserwägungen existiert hatte; indem sie die schwesterliche Eintracht in all ihrer Intensität und Selbstgenügsamkeit noch mal heraufbeschwört, sucht sie Judith umzustimmen. Als dies misslingt, greift sie zu drastischeren Mitteln: Sie belauscht ein Telefonat zwischen Braut und Bräutigam, will den künftigen Schwager vom Zug abholen und sich als Judith ausgeben, schließlich erscheint eine Übersprunghandlung als letzte Chance.
"Sarahs Gesetz", das für mich beglückendste und klügste, zärtlichste und nachhallendste Buch dieser Saison, ist kein Roman (5. Oktober, S. Fischer), sondern ein Porträt, ja ein Doppelporträt. Es enthält wichtige Mosaiksteine der viel größeren Geschichte der Malerin Sarah Schumann, und zu dieser wiederum gehören signifikante Teile der Geschichte der Schriftstellerin Silvia Bovenschen. Seit vierzig Jahren teilen die beiden ihre Leben; zusammen in Berlin leben sie erst, seit ein weiterer Schub ihrer Multiple-Sklerose-Erkrankung es Silvia Bovenschen vor bald zehn Jahren unmöglich machte, in ihre Frankfurter Wohnung zurückzukehren.
Bovenschen verzichtet darauf, dieses Werk der Liebe und des Dankes, der Erinnerung und der Gegenwart an eine Begriffsleine zu legen, wie überhaupt in diesem Buch kein Wort zu viel gemacht wird. "Sarahs Gesetz" handelt vom Wesentlichen zwischen zwei Menschen: dem, was man voneinander wissen kann, dem, was verborgen bleiben muss, und dem, was erfühlt werden darf. Sie wolle nicht eine Wahrheit der Sarah Schumann ausstellen, schreibt Silvia Bovenschen. "Ich will einzig meine liebe Freundin als Erlebnis meines Lebens erstehen lassen." Das gelingt ihr, indem sie schlaglichtartig aus beider Leben erzählt, von den Kriegserlebnissen der zwölf Jahre älteren Gefährtin, von eigenen Kindheitserinnerungen, von Sarahs Weg zur Kunst, von ihrer Malerei, von einer kurzen Ehe und dem Versuch, sich als Frau allein in Italien durchzuschlagen.
Wer ihr "Älter werden" gelesen hat, weiß um Bovenschens Gabe, schreibend unter Tränen zu lachen. Auch "Sarahs Gesetz" ist ganz persönlich und dabei vollendet diskret, mal witzig, mal rauh, immer wahrhaftig. Die Intimität liegt im Ton, nicht im Mitgeteilten. Mit diesem Buch hat Silvia Bovenschen ein Gedächtnis-Bildnis geschrieben, wie Sarah Schumann sie malt und sie selbst sie einmal beschrieben hat: im Wechsel zwischen überscharfer Kontur und Schemenhaftigkeit den Menschen in seiner Einzigartigkeit vergegenwärtigend, immer changierend zwischen innerer Gewissheit und unfassbarer Flüchtigkeit.
Im Mittelpunkt von "Die Gestirne" (9. November, btb) - wenn man einen solchen denn überhaupt ausmachen kann in dieser Wundertüte von Roman, der in deutscher Übersetzung mindestens tausend Seiten haben wird - steht eine Liebesgeschichte, so unwahrscheinlich wie das Zusammenkommen von Sonne und Mond. Die komplexe Handlung, die von Sternbildern und Planetenstellungen überzeugend gesteuert wird, setzt ein am 27. Januar 1866 - "Merkur im Haus des Schützen" - im Rauchzimmer des Crown Hotels in Hokitika, einer Goldgräberstadt im wilden Südwesten Neuseelands. Die Ankunft des jungen Schotten Walter Moody nach langer und beängstigender Überfahrt bringt die Erzählung einer großangelegten Verschwörung in Fahrt, die sich in Duktus und Farbigkeit, Kapitelankündigungen und Namensgebungen lustvoll ostentativ an die große englische Literatur des neunzehnten Jahrhunderts anlehnt, von Dickens über Brontë bis Conrad, sich dann aber immer weiter und rasanter verästelt, so dass der Leser sich gelegentlich fragt, ob alles noch mit rechten Dingen zugeht: Die Protagonisten und Perspektiven wechseln, vermeintliche Gute erweisen sich als Fieslinge, Bösewichte als liebenswürdig, und außer auf die Astrologie scheint auf nichts Verlass.
Die junge Neuseeländerin Eleanor Catton - in wenigen Wochen wird sie dreißig - hat mit "Die Gestirne" einen so altmodischen wie berückend zeitgemäßen Roman über den uralten Dialog zwischen Zufall und Schicksal verfasst. Er wird gespeist aus einem staunenswerten Überfluss an Ideen und Talent, ist dabei gelehrt, unterhaltsam und sehr, sehr witzig.
FELICITAS VON LOVENBERG
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vor allem die internationale Literatur glänzt mit großen Namen und gewichtigen Umfängen: Den Anfang macht Kazuo Ishiguro mit dem mythisch aufgeladenen Kraftwerk aus der Frühzeit Britanniens, "Der begrabene Riese" (31. August, Blessing), gefolgt von Jonathan Franzen, der in "Unschuld" (4. September, Rowohlt) von der DDR durchs Internet bis nach Bolivien der unweigerlichen Verdunklung jugendlicher Ideale nachspürt. "Der schmale Pfad durchs Hinterland" (14. September, Piper), der mit dem letztjährigen Booker-Preis ausgezeichnete Roman des tasmanischen Autors Richard Flanagan, versetzt den Leser in ein japanisches Gefangenenlager während des Zweiten Weltkriegs. Der norwegische Schriftsteller Karl Ove Knausgård, der sich dem Leben ausliefert wie ein Extremsportler den Elementen, führt mit "Träumen" sein autobiographisches Erzählprojekt fort (21. September, Luchterhand). Der Spanier Javier Marías bietet in "So fängt das Schlimme an" (S. Fischer, 24. September) ein Mysterienspiel um Liebe und Eifersucht.
Sodann lässt Richard Ford sein Alter Ego Frank Bascombe in "Frank" (28. September, Hanser Berlin) die Nachwirkungen von Hurrikan Sandy für Amerika begutachten. Seit 2012 mit "Der weiße König" sein multiperspektivischer Einblick in die Ceausescu-Diktatur erschien, gilt der junge ungarisch-rumänische Autor György Dragoman als eine der ganz großen Stimmen Osteuropas: "Der Scheiterhaufen" (6. Oktober, Suhrkamp) wird zeigen, wie berechtigt diese Hoffnungen sind. Und gleich nach der Buchmesse erscheint das neueste Verwirrspiel von Italiens Großmeister Umberto Eco ("Nullnummer", 19. Oktober, Hanser).
Man kann diese - übrigens durchweg männliche - Phalanx großer Namen als Verheißung betrachten, aber auch als Bedrohung. Denn in ihrem Schatten - und jenem der Long- und Shortlists einflussreicher Preise - sind andere großartige Bücher leicht zu übersehen. Und weil es auf die ewige Frage "Was soll ich lesen?" in den nächsten Monaten viele einschlägige Antworten gibt, beschäftigt sich diese Vorschau auf den Herbst lieber mit sechs Lektüren für den zweiten Blick. Sie stammen von sechs erstaunlichen Autorinnen.
Den Anfang macht die Engländerin Jane Gardam, die mit 87 Jahren ihr Debüt auf dem deutschen Buchmarkt gibt: "Ein untadeliger Mann" (24. August, Hanser Berlin) erzählt von Sir Edward Feathers, genannt Old Filth. Der Ausdruck "Filth" steht in seinem Fall für "Failed in London, Try Hong Kong" und hat nichts Schmutziges an sich, im Gegenteil: Old Filth oder Sir Edward ist nicht nur äußerlich "sagenhaft sauber" bis zum reinweißen "Rand seiner alten Fingernägel", sondern erscheint auch sonst wie der dezent nach Blenheim Bouquet duftende Inbegriff des englischen Gentleman, diszipliniert, arbeitsam, wortkarg, als Anwalt und späterer Richter in seiner Zunft legendär.
Zu Beginn des Romans, der den Auftakt einer Trilogie über den Niedergang des Britischen Empire bildet, ist Filth frisch verwitwet, als ihn im Ruhestand auf dem englischen Land ein zweiter Schock ereilt: Ausgerechnet Terry Veneering, sein Rivale im Berufs- wie im Privatleben, zieht ins Haus nebenan. Doch diese alte Fehde bildet nur den Rahmen der eigentlichen Geschichte von Eddie Feathers, die von Malaysia nach Wales und auf eine englische Privatschule führt, wo der mutter- und recht eigentlich auch vaterlose Junge erstmals eine Art von Familie findet. Gardam erzählt die brutale Geschichte dieser Raj-Waise (auch Rudyard Kipling war eine solche), die sich überall fremd und "ohne Hintergrund" fühlt, auf mehreren Zeitebenen und in genau nuancierten Abstufungen von Sand, Creme und Beige mit viel Feingefühl und Empathie, aber zugleich jenem Gran urenglischer, stählerner Ironie, die diese Lektüre dunkler Erfahrungen zu einer hellen Freude macht.
"Wo sind Sie aufgewachsen? Welches ist Ihre Muttersprache? Wie viele Menschen gehörten zu Ihrer Familie? Wie sah die Wohnung, das Haus aus, in dem Sie aufwuchsen? Wie haben sich Ihre Eltern kennengelernt? Was gab es zu essen?" Das sind nur einige Fragen, die Richard, einen jüngst emeritierten Altphilologen, umtreiben, seitdem er zum ersten Mal bewusst Asylsuchende mitten in Berlin wahrgenommen hat. Sie treiben ihn in eine zum Flüchtlingsheim umfunktionierte Kreuzberger Schule und potenzieren sich dort noch: "Wann sind Sie aus Ihrer Heimat weggegangen? Warum? Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer Familie? Was haben Sie mitgenommen? Wie haben Sie sich Europa vorgestellt? Was ist anders? Wie verbringen Sie Ihre Tage? Was vermissen Sie am meisten?" Richard, der Homer-Kenner, begibt sich auf seine eigene Odyssee, um Antworten zu bekommen: Jenny Erpenbeck, die geschätzte Autorin von Werken wie "Heimsuchung" und "Aller Tage Abend", hat mit "Gehen, ging, gegangen" (31. August, Knaus) einen beklemmend aktuellen Roman geschrieben über die neuen Nachbarschaften mitten im alten Europa, jenem Warteraum der Politik, in dem die provisorischen Leben der Eingereisten an die rundum eingerichteten, durchgetakteten Leben der Beheimateten grenzen. Doch der Roman ist weit mehr als ein Zeugnis von Nächstenliebe, Scham und Ratlosigkeit. Jenny Erpenbeck weicht den Konflikten, die die Annäherung der Kulturen mit sich bringt, nicht aus. Und was am Ende aufscheint, nämlich Gemeinschaft und Solidarität, erwächst nicht aus guten Absichten allein.
Die Werke der Israelin Zeruya Shalev strahlen stets etwas Unbeirrbares, ja Störrisches aus; es ist die geradezu zwanghafte Emotionalität ihrer Literatur, an der sich die Geister scheiden. Auch in "Schmerz" (14. September, Berlin Verlag) ist der Ton ihrer Ich-Erzählerin Iris rastlos: Seitdem sie vor zehn Jahren bei einem Terroranschlag schwer verletzt wurde, ist ständiger Schmerz ihr Begleiter. Ihre Ehe mit Micki, der an besagtem Tag wieder einmal zu sehr mit einer Partie Schach beschäftigt war, um die Kinder zur Schule zu bringen, scheint am Ende, die Tochter ist aus dem Haus, der Sohn auf dem Sprung. Just als sie das Vakuum im Inneren mit gesteigerter Gehetztheit zu verdrängen sucht, trifft Iris ihre Jugendliebe Eitan wieder, und mit einem Mal scheint ein Neuanfang in greifbarer Nähe. Stoff, Protagonistin, Sprache - zunächst scheint "Schmerz" ein typischer Shalev-Roman. Doch dann gerät mehr ins Wanken als Iris' Selbstgerechtigkeit. Diesmal geht es nicht allein um die Schuld, die fast jede neue Liebe unter Erwachsenen begleitet, sondern auch um die Notwendigkeit, ja sogar Genugtuung von Verzicht. Am Ende erweist sich Iris als die reifste Heldin, die Shalev bisher schuf.
Die Amerikanerin Dorothy Baker war zeit ihres Lebens "sehr traurig und ziemlich deprimiert" über ihre schiefe literarische Karriere. Zwar hatte ihr erster Roman "Young Man with a Horn" 1938 durchaus Erfolg und wurde sogar verfilmt, doch konnte sie mit ihren folgenden Büchern nie daran anknüpfen. Dass Carson McCullers zu den Bewunderern von "Zwei Schwestern" von 1962, ihrem vierten und letzten Roman, gehörte, verwundert nicht angesichts des zielstrebigen, unzimperlichen Tons und der philosophischen Grundierung des Werks, war aber für Baker kein Trost. Als die Autorin 1968 starb, hinterließ sie keine große Trauergemeinde.
Vor einigen Jahren wurden ihr erster und ihr letzter Roman in den Vereinigten Staaten neu aufgelegt, jetzt erscheint "Zwei Schwestern" auch bei uns (23. September, dtv). Es ist eine Art dramatische Variante des Filmklassikers "Die Nacht vor der Hochzeit". Erzählt wird - mal von der einen, dann von der anderen - die Geschichte der Zwillinge Cassandra und Judith, zugespitzt auf jenes Wochenende, an dem Judith heiraten will. Cassandra empfindet diesen Schritt als Aufkündigung der schwesterlichen Symbiose, die stets über solchen Durchschnittserwägungen existiert hatte; indem sie die schwesterliche Eintracht in all ihrer Intensität und Selbstgenügsamkeit noch mal heraufbeschwört, sucht sie Judith umzustimmen. Als dies misslingt, greift sie zu drastischeren Mitteln: Sie belauscht ein Telefonat zwischen Braut und Bräutigam, will den künftigen Schwager vom Zug abholen und sich als Judith ausgeben, schließlich erscheint eine Übersprunghandlung als letzte Chance.
"Sarahs Gesetz", das für mich beglückendste und klügste, zärtlichste und nachhallendste Buch dieser Saison, ist kein Roman (5. Oktober, S. Fischer), sondern ein Porträt, ja ein Doppelporträt. Es enthält wichtige Mosaiksteine der viel größeren Geschichte der Malerin Sarah Schumann, und zu dieser wiederum gehören signifikante Teile der Geschichte der Schriftstellerin Silvia Bovenschen. Seit vierzig Jahren teilen die beiden ihre Leben; zusammen in Berlin leben sie erst, seit ein weiterer Schub ihrer Multiple-Sklerose-Erkrankung es Silvia Bovenschen vor bald zehn Jahren unmöglich machte, in ihre Frankfurter Wohnung zurückzukehren.
Bovenschen verzichtet darauf, dieses Werk der Liebe und des Dankes, der Erinnerung und der Gegenwart an eine Begriffsleine zu legen, wie überhaupt in diesem Buch kein Wort zu viel gemacht wird. "Sarahs Gesetz" handelt vom Wesentlichen zwischen zwei Menschen: dem, was man voneinander wissen kann, dem, was verborgen bleiben muss, und dem, was erfühlt werden darf. Sie wolle nicht eine Wahrheit der Sarah Schumann ausstellen, schreibt Silvia Bovenschen. "Ich will einzig meine liebe Freundin als Erlebnis meines Lebens erstehen lassen." Das gelingt ihr, indem sie schlaglichtartig aus beider Leben erzählt, von den Kriegserlebnissen der zwölf Jahre älteren Gefährtin, von eigenen Kindheitserinnerungen, von Sarahs Weg zur Kunst, von ihrer Malerei, von einer kurzen Ehe und dem Versuch, sich als Frau allein in Italien durchzuschlagen.
Wer ihr "Älter werden" gelesen hat, weiß um Bovenschens Gabe, schreibend unter Tränen zu lachen. Auch "Sarahs Gesetz" ist ganz persönlich und dabei vollendet diskret, mal witzig, mal rauh, immer wahrhaftig. Die Intimität liegt im Ton, nicht im Mitgeteilten. Mit diesem Buch hat Silvia Bovenschen ein Gedächtnis-Bildnis geschrieben, wie Sarah Schumann sie malt und sie selbst sie einmal beschrieben hat: im Wechsel zwischen überscharfer Kontur und Schemenhaftigkeit den Menschen in seiner Einzigartigkeit vergegenwärtigend, immer changierend zwischen innerer Gewissheit und unfassbarer Flüchtigkeit.
Im Mittelpunkt von "Die Gestirne" (9. November, btb) - wenn man einen solchen denn überhaupt ausmachen kann in dieser Wundertüte von Roman, der in deutscher Übersetzung mindestens tausend Seiten haben wird - steht eine Liebesgeschichte, so unwahrscheinlich wie das Zusammenkommen von Sonne und Mond. Die komplexe Handlung, die von Sternbildern und Planetenstellungen überzeugend gesteuert wird, setzt ein am 27. Januar 1866 - "Merkur im Haus des Schützen" - im Rauchzimmer des Crown Hotels in Hokitika, einer Goldgräberstadt im wilden Südwesten Neuseelands. Die Ankunft des jungen Schotten Walter Moody nach langer und beängstigender Überfahrt bringt die Erzählung einer großangelegten Verschwörung in Fahrt, die sich in Duktus und Farbigkeit, Kapitelankündigungen und Namensgebungen lustvoll ostentativ an die große englische Literatur des neunzehnten Jahrhunderts anlehnt, von Dickens über Brontë bis Conrad, sich dann aber immer weiter und rasanter verästelt, so dass der Leser sich gelegentlich fragt, ob alles noch mit rechten Dingen zugeht: Die Protagonisten und Perspektiven wechseln, vermeintliche Gute erweisen sich als Fieslinge, Bösewichte als liebenswürdig, und außer auf die Astrologie scheint auf nichts Verlass.
Die junge Neuseeländerin Eleanor Catton - in wenigen Wochen wird sie dreißig - hat mit "Die Gestirne" einen so altmodischen wie berückend zeitgemäßen Roman über den uralten Dialog zwischen Zufall und Schicksal verfasst. Er wird gespeist aus einem staunenswerten Überfluss an Ideen und Talent, ist dabei gelehrt, unterhaltsam und sehr, sehr witzig.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Cornelia Geissler ist begeistert von dieser Neuentdeckung. Jane Gardam ist zwar in England bekannt, bei uns kommt sie jedoch mit diesem Buch zum ersten Mal raus. Ganz zur Freude von Geissler, die in der Geschichte über aus Hongkong in die englische Heimat zurückkehrende Kronkolonisten feine Charakter- und Milieuzeichnungen vorfindet. Das Buch handelt von Vorurteilen und verdrängten Ängsten zwischen zwei Welten, erläutert Geissler, die der Roman von seinem Aufbau und seiner Dramatik her an Werke von Ian McEwan erinnert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Jane Gardam mag 85 Jahre alt sein, aber sie schreibt kein bisschen altmodisch oder altbacken. Sie erzählt von einem Leben voller Dramen, bleibt dabei aber ganz leise, schafft mit ihrer Sprache eine ungeheuer gute Atmosphäre, ist nie rührselig, im Gegenteil. Sie hat einen unglaublich guten, staubtrockenen Humor, der einen laut auflachen lässt. ... Ein wunderbares Buch." Christine Westermann, WDR 2 Bücher, 24.01.16 "Das neue It-Girl der englischen Literatur heißt Jane Gardam und ist fast neunzig. ... Die Übersetzung von Isabel Bogdan ist ein großartiger Gegenbeweis zu der oft bemühten These, so leicht und witzig wie die Engländer könne man leider nicht sein, in diesem schweren Deutsch. ... So böse es auch wird in diesem Buch, man kann sich
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darauf verlassen, dass man lächeln muss oder gelegentlich laut lachen. Dabei ist das Schönste noch nicht berichtet, dass es sich um Band eins einer Trilogie handelt." Susanne Mayer, Die Zeit, 21.01.16 "Mit trockenem englischen Humor schildert Jane Gardam die Strategien und Techniken, mit denen Menschen versuchen, den Zumutungen zu begegnen, die das Leben mit all seinen Zwängen, Pflichten und Andorderungen stellt. ... Eine berührende Studie über die Einsichten. Melancholien, Verluste und Herausforderungen des Alters, darüber, wie man diese letzte Wegstrecke mit Würde, Selbstbestimmung und feiner Ironie zurücklegen sollte." Barbara von Becker, Bayern 2 Diwan, 16.01.16 "Jane Gardam schildert ihre Roman mit der für sie typischen Mischung aus Spott und Warmherzigkeit. In England wird die hierzulande bisher unbekannte Schriftstellerin schon lange verehrt - für die Leichtigkeit, mit der sie Jahrhunderte und Kontinente durchmisst, für ihrer witzigen Dialoge, aber vor allem für ihre Figuren, die alles sind: tadellos und fehlerhaft, kindisch und erwachsen, aber niemals langweilig." Brigitte, 11.11.15 "Ein Buch über Selbstdisziplin und den Schutz, den sie bietet, aber auch den Preis, den der Rückzug in die Unverletzlichkeit kostet. Charmant und klug - leichter kann man kaum nachdenken, über das Leben, verpasste Gelegenheiten und wie man im Alter, aller Mühsal zum Trotz, den Kopf oben behält. Sehr, sehr britisch." Edelgard Abenstein, Deutschlandradio Kultur, 10.11.15 "Jane Gardams 'Ein untadeliger Mann' ist ein großartiger Roman. Er beginnt wie eine possierliche Genregeschichte über blumenumrankte britische Lebensart und verwandelt sich im Seitenumdrehen in eine handlungsreiche von Klugheit und Empathie durchtränkte große Betrachtung über das Leben mit seinen unaustilgbaren Schmerzen, Kämpfen und Widersprüchen." Eberhard Falcke, SWR2 Buch der Woche, 09.11.15 "Jane Gardam erzählt mit so viel Witz und Feingefühl, dass man dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen kann." Verena Gonsch, NDR, 08.11.15 "Ein erzählerisches Meisterstück: Melancholie und Witz gehen in diesem ungemein britischen, von Isabel Bogdan elegant übersetzten Roman eine perfekte Allianz ein. Das ist unterhaltsam, anrührend und hat literarische Finesse." Rainer Moritz, Die Welt, 10.10.15 "Filths Lebensbeichte wird keinen Leser aus den Fängen lassen. Die Geschichte klingt so fern und doch kommen wir alle darin vor. Kunstvoll sind alle Enden miteinander verknüpft, mit unfassbarer Leichtigkeit politische Hintergründe dezent vermittelt, die Einblicke ins Leben beharrlich, unbestechlich und von großer Zartheit und Würde. Große Romankunst." Annemarie Stoltenberg, NDR Kultur, 29.09.15 "Jane Gardam ist eine Entdeckung. Mit einer meisterlichen Balance aus Zuneigung und Distanz fächert Gardam das Leben ihres Helden auf, das auch ein Abbild der britischen Geschichte des 20. Jahrhunderts ist." Claudia Voigt, Literaturspiegel, 26.09.15 "Ein warmherziges, kluges und humorvolles Buch über das untergehende British Empire, geschrieben von einer Autorin mit großem Einfühlungsvermögen." Franziska Wolffheim, Brigitte Wir, 16.09.15 "Gardam dosiert Ironie und Psychologie meisterhaft. Zum einen erscheint Sir Ed wie der Inbegriff des englischen Gentleman, der mit steifer Oberlippe und einwandfreien Manieren seine emotionalen Defizite tarnt, was durchaus seine komischen Momente hat - gleichzeitig macht Gardam energisch die Überforderung kenntlich, mit der zum Ende seines Lebens die Vergangenheit auf ihn einstürzt. Es ist als würde ein geliebter Kaschmirpullover Masche um Masche aufgerippelt." Felicitas von Lovenberg, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.08.15 "Ein ergreifendes, wunderbares Buch." Dirk Liebenow, NDR Kulturspiegel, 25.08.15 "Gardam erzählt die brutale Geschichte dieser Raj-Waise, die sich überall fremd und 'ohne Hintergrund' fühlt, auf mehreren Zeitebenen und in genau nuancierten Abstufungen von Sand, Creme und Beige mit viel Feingefühl und Empathie, aber zugleich jenem Gran urenglischer, stählerner Ironie, die diese Lektüre dunkler Erfahrungen zu einer hellen Freude macht." Felicitas von Lovenberg, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.08.15
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Klasse! Sieglinde Neumann Express 20170716
Edward war Kronanwald in Hongkong und ein sehr erfolgreicher. Nun ist er alt und hat sich mit seiner Frau Betty in England zur Ruhe gesetzt. Geboren in Kotakinakulu, die Mutter stirbt bei seiner Geburt, sein Vater ignoriert ihn und lässt ihn von anderen aufziehen. Bis er 5 Jahre alt ist und …
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Edward war Kronanwald in Hongkong und ein sehr erfolgreicher. Nun ist er alt und hat sich mit seiner Frau Betty in England zur Ruhe gesetzt. Geboren in Kotakinakulu, die Mutter stirbt bei seiner Geburt, sein Vater ignoriert ihn und lässt ihn von anderen aufziehen. Bis er 5 Jahre alt ist und nach England gebracht wird. Für die Raj-Waisen ist es zu gefährlich in Malaysia, deshalb werden sie von ihren Eltern in dem Alter nach England geschickt. Wo sie erst in Pflegefamilien kommen und dann auf eine Privatschule gehen sollen. So sieht auch Edwards Zukunft aus. Mit zwei entfernten Cousinen kommt er zu Ma Didds, einer schrecklichen und gewalttätigen Frau, wo sie nur Drohungen, Bestrafungen und Schläge erfahren. Edward übersteht die schlimme Zeit, kommt dann in das Institut von Sir, einem Mann, der seine Privatschule ohne Gewalt führt und bei den Jungen sehr beliebt ist. Auch sein Stottern verliert er dort fast ganz und findet einen Jungen, Pat Ingoldby, der sein bester Freund wird.
Jane Gardam hat einen tollen und flüssigen Schreibstil. Ich war schnell in der Geschichte um Edward Feathers und habe ihn irgendwie in mein Herz geschlossen. Obwohl er ein sehr gefühlsarmer und immer disziplinierter Mann war, mochte ich ihn. Seine Frau Betty mochte ich auch, obwohl ich bei ihr nicht ganz durchblickte. Deshalb bin ich schon sehr auf den zweiten Band "Eine treue Frau" gespannt.
Der Ablauf der Geschichte war gut aufgebaut, man bekam immer mehr Durchblick, was im Leben von Edward geschah und warum er sich teilweise so distanziert verhielt.
Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen. Ich freue mich nun auf den zweiten Band und bin schon sehr gespannt.
Fazit:
Ein interessanter Roman, über das Leben von Edward, einem untadeligen Mann. Er hat mir sehr gut gefallen.
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Old Filth
2015 ist erstmalig ein Roman der inzwischen 87jährigen britischen Autorin Jane Gardam auf dem deutschen Buchmarkt publiziert worden, - daheim wird sie von ihren treuen Lesern schon lange geradezu hymnisch verehrt. «Ein untadeliger Mann» ist Teil einer Trilogie und …
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Old Filth
2015 ist erstmalig ein Roman der inzwischen 87jährigen britischen Autorin Jane Gardam auf dem deutschen Buchmarkt publiziert worden, - daheim wird sie von ihren treuen Lesern schon lange geradezu hymnisch verehrt. «Ein untadeliger Mann» ist Teil einer Trilogie und deutet bereits im Titel auf die Problematik hin, die der Roman behandelt, die Diskrepanz zwischen idealisiertem Habitus eines Mannes und seiner in der Regel weit weniger widerspruchsfreien seelischen Realität, die so gar nicht untadelig ist, aber bestens kaschiert wird. Der vorliegende Roman, dessen Erscheinen die Schriftstellerin in Deutschland überhaupt erst bekannt gemacht hat, wird allenthalben gefeiert, nicht nur als Neuentdeckung.
Edward Feathers, ehemaliger Kronanwalt in Hongkong mit legendärem Ruf, der ihm den etwas gehässigen Spitznamen Old Filth eingetragen hat, Akronym für Failed In London Try Hongkong, ist mit seiner Frau Mitte der neunziger Jahre nach England zurückgekehrt. Das kinderlose Paar lebt sehr zurückgezogen auf dem Land in Dorset in einem komfortablen Ruhestand, als Betty plötzlich stirbt. In der unerwartet entstandenen Leere beginnt der mehr als achtzigjährige Sir Edward, sein Leben kritisch zu überdenken, sucht wieder den Kontakt zu alten Weggefährten, unternimmt sogar noch weite Reisen, um sie wiederzusehen. Diese in der Jetztzeit angesiedelte Rahmenhandlung wird ausgefüllt von zahlreichen Rückblenden bis in die Zeit des British Empire, angefangen von Eddies Geburt in Malaysia, bei dem seine Mutter starb, über seine Jugend bei einer eingeborenen Ziehmutter, bis ihn schließlich der Vater nach England zu einer Pflegefamilie schickt, damit aus ihm ein richtiger Engländer wird. Seine traumatischen Erlebnisse dort enden erst, als er aufs Internat kommt, wo er einen Freund findet, dessen Familie ihn wie einen eigenen Sohn annimmt. Der Zweite Weltkrieg zerstört diese Bindungen, Edward absolviert anschließend mit besten Noten sein Oxford-Studium als Jurist, verliert jeden Kontakt zu seinem Vater, den er als Fünfjähriger zuletzt gesehen hatte, und geht schließlich, als er in London keine Karrierechancen für sich sieht, nach Hongkong, wo er zu Ansehen und Reichtum gelangt und auch seine Frau findet.
Die Autorin hat ihren Roman den Raj-Waisen gewidmet, die wie Eddie als kleine Kinder von ihren in den Kolonien lebenden Eltern nach England geschickt wurden, um dort die Schule zu besuchen, man nannte sie auch Empire-Waisen. Dass in dieser familiären Konstellation die Ursache schwerer Traumata begründet ist, liegt auf der Hand. Der stets die Contenance wahrende Sir Edward jedenfalls ist im Innersten zerrissen, hat vieles aus seinem Leben nicht verarbeitet und versteckt seine psychische Unsicherheit hinter einer snobistischen Fassade. Mit viel Empathie deckt die Autorin Schicht um Schicht das Innerste ihres Helden auf, legt anschaulich die seiner Bindungsunfähigkeit und Asexualität zugrunde liegenden emotionalen Defizite bloß.
Der Plot wird sprachlich kreativ in gut durchdachten, immer wieder Ort und Zeit wechselnden Kapiteln erzählt, die zumeist von realistisch wirkenden Dialogen getragen werden, wobei die Figuren glaubhaft charakterisiert sind und durchaus sympathisch wirken, allesamt very british natürlich. Es gelingt der Autorin mit einer ebenso lockeren wie klaren Sprache, zwei Weltkriege und andere Desaster in ihre Handlung einzubinden, ohne dass ihre Geschichte jemals elegisch zu werden droht. Der von seiner Thematik her nicht gerade neue Erzählstoff von den Brüchen im Leben und den verpassten Gelegenheiten bietet dem Leser ganz nebenbei auch einige Einblicke in historische Zusammenhänge. Für nicht anglophile Leser wie mich anfangs zäh zu lesen, kommt der Roman in der zweiten Hälfte etwas mehr in Fahrt, erfordert jedoch der fragmentarischen Erzählweise wegen einiges an Aufmerksamkeit. Alle rundum begeisterten Leser aber dürfen sich schon auf den nächsten Band der Trilogie freuen, der im kommenden Frühjahr erscheinen soll.
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Ein untadeliger Mann ist der Auftaktband einer Trilogie - aber durchaus auch als abgeschlossener Roman zu lesen.
Zum Inhalt:
Es ist die fiktive Geschichte von Edward Feathers, Kronanwalt in Hongkong, der seinen Lebensabend wieder in der Heimat England verbringt. Die Autorin Jane Gardam springt …
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Ein untadeliger Mann ist der Auftaktband einer Trilogie - aber durchaus auch als abgeschlossener Roman zu lesen.
Zum Inhalt:
Es ist die fiktive Geschichte von Edward Feathers, Kronanwalt in Hongkong, der seinen Lebensabend wieder in der Heimat England verbringt. Die Autorin Jane Gardam springt in seinem Leben vor und zurück - es ist wie ein vor- und zurückblättern in seinen Erlebnissen. Erst nach und nach kommt die ganze Wahrheit, die Vergangenheit, die ihn hat so werden lassen, wie er ist, zutage.
Edward Feathers hat in seinem 80jährigen Leben vieles erlebt, die einschneidenden Wendungen waren immer die, als er verlassen wurde. Dies begann schon sehr früh und zieht sich wie ein Band durch sein Leben.
Die Autorin:
Jane Gardam ist eine englische Schriftstellerin, die im Jahr 1928 geboren wurde. Ihr erstes Buch erschien 1971. "Ein untadeliger Mann" erschien unter dem Titel "Old Filth" 2004, die deutsche Übersetzung im Hanser Verlag 2015. Großes Lob auch an die Übersetzerin Isabel Bogdan.
Meinung:
Jane Gardam ist es gelungen mit einer trockenen, sehr britischen Schreibweise dennoch viel Gefühl zu vermitteln. Als Leser lernt man erst den älteren Edward (The old Filth) kennen, nach und nach leiden wir mit ihm, wenn die Geschichte in die Vergangenheit schweift. Immer wieder sind es diese Szenen, die berühren, die uns mitnehmen in eine andere Zeit des Empires, in der die kleinen (englischen) Kinder, zum Großwerden aus dem Commonwealth nach "Hause" geschickt werden, um als 5,6,7-jährige bei Gasteltern aufwachsen bis sie reif genug sind für die Prep-Internate.
Der Erzählstil der Autorin passt zu dem Charakter des Edward Feathers, den ich mir sehr knochig, einsam, skurril, aber auch über die Maßen korrekt und klug vorstelle. Immer wieder sind es die entscheidenden Wendepunkte in seinem Leben, die hier - nicht chronologisch - erzählt werden und m.E. auch glaubhaft darstellen, wie er so geworden ist, wie er ist.
Fazit:
very british - kühl, tolle Mischung aus ernsten Themen, wie Verlust und Ängsten, aber auch mit einer großen Prise Humor versehen.
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Ich habe das Buch mit höchstem Vergnügen gelesen. Nur eine britische Autorin/Autor kann dieses Thema mit einer solchen Leichtigkeit und erzählerischer Brillanz zu Papier bringen.
Es geht um die Biografie von Edward Feathers, der in der britischen Kronkolonie Malaysia geboren wurde. …
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Ich habe das Buch mit höchstem Vergnügen gelesen. Nur eine britische Autorin/Autor kann dieses Thema mit einer solchen Leichtigkeit und erzählerischer Brillanz zu Papier bringen.
Es geht um die Biografie von Edward Feathers, der in der britischen Kronkolonie Malaysia geboren wurde. Sein Leben wird beispielhaft für die sogenannten raj-Waisen erzählt, die zwischen den Welen, der der Kolonie und der Englands aufwuchsen. Diese Kinder wurden von den Eltern meist im Alter von 5 Jahren nach England zurückgeschickt und wuchsen dort in Leihfamilien auf, die, je nach Geldbeutel, zum Teil wohl recht erbärmlich waren. Die Kinder sahen so ihre Elteren oft monatelang nicht und wurden deshalb auch Waisen genannt. Ihre gesamte schulische und universitäre Ausbildung über bleiben sie in England und wachsen so gänzlich ohne ihre Eltern auf. Hinzu kommt der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, der alles gänzlich und das British Empire verändert. Edward Feathers übersteht die Zeit seiner Kindheit und des Erwachsenwerdens seelisch mit großer Mühe und rettet sich wohl hauptsächlich durch die Heirat mit seiner Ehefrau Betty. Interessanterweise kehrt Fields im Berufsleben in die Kolonien zurück und wird in Asien/Malaysia/Singapur ein angesehener und geschätzter Kronanwalt.
Die Geschichte wird aus der Gegenwart, als Fields ein alter Mann und Witwer ohne Kinder und Familie, vereinsamt in Cornwall lebt. Rückblenden erzählen sein Leben.
Jane Gardam ist eine Entdeckung für den deutschen Büchermarkt. Es wäre schön, wenn bald weitere Übersetzungen ihrer Romane hier erscheinen würden.
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