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Zwei alte Damen leben in der Papierfabrikantenvilla "Pirasol": Die scheue Gwendolin ist 84 Jahre alt, Witwe und Alleinerbin des Hauses, Thea ist fünfzehn Jahre jünger und verfolgt einen eigenen Plan. Als man den vom Vater verstoßenen und seit drei Jahrzehnten verschollenen Sohn Gwendolins in der Stadt gesehen haben will, versucht Thea, ihren Einfluss zu sichern und vollends das Regiment im Haus zu übernehmen. Für Gwendolin der Auslöser, sich zu erinnern: an eine Berliner Kindheit während der Zeit des Nationalsozialismus, an den Verlust der Eltern und das eigene Überleben, an einen neuen Anfang…mehr

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Produktbeschreibung
Zwei alte Damen leben in der Papierfabrikantenvilla "Pirasol": Die scheue Gwendolin ist 84 Jahre alt, Witwe und Alleinerbin des Hauses, Thea ist fünfzehn Jahre jünger und verfolgt einen eigenen Plan. Als man den vom Vater verstoßenen und seit drei Jahrzehnten verschollenen Sohn Gwendolins in der Stadt gesehen haben will, versucht Thea, ihren Einfluss zu sichern und vollends das Regiment im Haus zu übernehmen. Für Gwendolin der Auslöser, sich zu erinnern: an eine Berliner Kindheit während der Zeit des Nationalsozialismus, an den Verlust der Eltern und das eigene Überleben, an einen neuen Anfang mit dem despotischen Papierkönig Willem, einen Brandanschlag und schließlich an die Verbannung des gemeinsamen Kindes. Am Ende lernt Gwendolin, allen Widrigkeiten etwas entgegenzusetzen - sich selbst.
Autorenporträt
Kreller, Susan
Susan Kreller, geboren 1977 in Plauen, studierte Germanistik und Anglistik und promovierte über englischsprachige Kinderlyrik. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde sie 2012 mit dem Jugendbuch »Elefanten sieht man nicht« bekannt. Sie erhielt unter anderem das Kranichsteiner Jugendliteratur-Stipendium, den Hansjörg-Martin-Preis (2013) und 2015 den Deutschen Jugendliteraturpreis für »Schneeriese«. Sie arbeitet als Schriftstellerin, Journalistin und Literaturwissenschaftlerin und lebt in Bielefeld. »Pirasol« ist ihr Roman-Debüt im Berlin Verlag.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Die 84-jährige Gwendolyn hat eine ganz besondere Beziehung zu Papier. Sie ist Alleinerbin der Papierfabrikantenvilla "Pirasol" und bereits in ihrer Kindheit fand sie Hoffnung und Halt zwischen den Seiten von Büchern. Anhand von in Briefen eingebauten Buchzitaten kommuniziert ihr Vater mit seiner Familie aus dem Konzentrationslager, in das ihn ein Buch (Heinrich Heine) gebracht hat. Papier kann Träumen Gestalt verleihen, es kann diese auch zerstören. Das erlebt sie zum ersten Mal, als ihr Vater als gebrochener Mann aus dem Lager zurückkehrt, ein weiteres Mal, als sie ihren Ehemann Willem besser kennenlernt, dessen größte Freude darin zu liegen scheint, sie und den gemeinsamen Sohn zu quälen. Zuerst gehen die Papiertiere, die der Junge voller Stolz gefaltet hat, in Flammen auf. Jahre später die Fabrik des Vaters. Erwachsen geworden setzt sich der Sohn endlich zur Wehr. Erst in hohem Alter, Willem ist schon  lange unter der Erde, entdeckt auch Gwendolyn ihre Wut. Thea, eine unverschämte Alte, die sich in ihrem Besitz einquartiert hat, bekommt sie zu spüren. Susan Kreller, bereits eine preisgekrönte Jugendbuchautorin, ist mit "Pirasol" ein beeindruckender, stark verdichteter Erwachsenenroman gelungen. Gwendolyns lang verzagte Stimme erklingt klar, ihre Worte und Gedanken sind voller Poesie.

© BÜCHERmagazin, Katharina Manzke

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.2017

Der letzte Gruß ist edelbitter

Die Zeit, ein Tableau: In Susan Krellers meisterlichem Roman "Pirasol" geht eine Achtzigjährige endlich auf die Barrikaden.

Ein Schokoladenpapier, so fängt das an: Thea, Seniorin zwar, aber unverkennbar noch derart rüstig, dass man ihr besser nicht in die Quere kommt, wühlt es aus dem Grab des Papierfabrikanten Willem. Dessen Witwe Gwendolin, deutlich älter als Thea, eilt herbei und stellt die Übergriffige halbherzig zur Rede, dringt damit aber nicht durch. Statt dessen manövriert sich Thea nun, da die Bekanntschaft geschlossen ist, immer dichter an Gwendolin heran, zieht schließlich bei ihr ein und dominiert allmählich das Geschehen in der prächtigen Villa "Pirasol", in der sich Gwendolin in ein einziges der vielen Zimmer zurückgezogen hat.

Und da ist noch ein anderes Schokoladenpapier, ein halbes Jahrhundert zuvor, es liegt vor der damals noch jungen Gwendolin auf dem Boden, als sie Willem auf der Kirmes kennenlernt. Willem, umgeben von reichlich angetrunkenen Freunden, hebt das Papier auf, ob aus Achtung vor Gwendolin oder aus Ärger über die Unordnung, ist nicht zu entschlüsseln. Willem wirbt um sie, beharrlich und zurückhaltend zugleich, er zeigt ihr die Villa "Pirasol" und nennt sie "stummes Mägdelein", weil sie zu schüchtern ist, um die Stimme zu erheben, wie er glaubt. Die beiden heiraten, der doppelt so alte Ehemann setzt seinen Anspruch der absoluten Kontrolle mit lächelndem Mund und kühlen Augen durch, und als dem Paar ein Sohn geboren wird, der sich widerborstiger zeigt als seine Mutter, kommt es zur Katastrophe: Der Junge, heißt es, verübt einen Brandanschlag auf die väterliche Papierfabrik und taucht dann unter.

Um Papier, um brennendes zumal, geht es auch in Gwendolins Kindheit während der Naziherrschaft in Deutschland. Ihre Mutter ist Klavierlehrerin, der Vater Theaterkritiker, der wegen seiner oppositionellen Gesinnung bald arbeitslos wird. Die Berliner Wohnung ist voller Bücher, die für ihre Leser Überlebenshilfe und Gefährdung zugleich sind; ein unvorsichtig im Luftschutzkeller vorgelesener Heine-Band bringt Gwendolins Vater schließlich nach Sachsenhausen ins Konzentrationslager. Ein paar Briefe erreichen die Familie noch, die Mutter verschwindet eines Tages während eines Luftangriffs, und die allein gelassene Gwendolin quält sich mit der Vorstellung ab, ihre Mutter sei in einer Feuerwalze umgekommen. Nach Kriegsende entgeht sie mit knapper Not marodierenden russischen Soldaten, und als in einem Folgewinter das Holz ausgeht, brennen Möbel und Dielen. Und am Ende die Bücher.

"Pirasol", der erste Roman, den die als Kinderbuchautorin bekannt gewordene und vielfach ausgezeichnete Susan Kreller für erwachsene Leser geschrieben hat, erzählt Gwendolins Geschichte in drei Strängen, die in drei Zeiten angesiedelt sind, und führt sie mit leichter Hand zusammen: die Erlebnisse von Gwendolins Familie im Krieg und unmittelbar danach, die Ehe mit Willem und schließlich die Gegenwart im Jahr 2014, als Gwendolin durch das Getuschel ihrer Umgebung erfährt, dass ihr vor mehr als dreißig Jahren spurlos verschwundener Sohn in der Stadt gesehen worden ist.

Und so souverän, wie Kreller ihr Material ordnet, öffnet sie auch die jeweiligen Zeitebenen für das, was in den übrigen verhandelt wird - wenn Thea jenes Schokoladenpapier der Sorte "Edelbitter" aus dem Grab zutage fördert, strahlt diese kleine Szene wie alles Beiläufige in diesem Buch in alle Richtungen des Romans aus, in die Vergangenheit und die Zukunft, in Gwendolins Leben so gut wie in Theas und vor allem in das Zusammenleben der beiden.

Kreller folgt dabei ganz den Wahrnehmungen, Erinnerungen und Assoziationen ihrer Heldin und präsentiert deren Leben auf diese irrlichternde, mäandernde Weise nicht als lineare Biographie, sondern eher als Tableau. Das aber wirkt einem kausalen Verständnis von einem schicksalhaft bestimmten Leben gründlich entgegen - Gwendolin muss eben nicht als Opfer einer entsetzlichen Jugend für alle Zeiten die Stimme senken und sich klein machen, bedeutet das, und genau dieser späte Ausbruch im Alter von 84 Jahren, dieser Glaube daran, dass es im Konzept der flächigen Zeit niemals zu spät ist, prägt diesen Roman erheblich.

Das hat Folgen für seinen Inhalt und für seine Erzählstrategie, die deshalb auch nicht voneinander zu trennen sind. Dieses Formbewusstsein der Autorin teilt sich sofort mit, zugleich auch ihr sicherer Instinkt, sprachliche Konventionen zu vermeiden, um nicht die Brüche und Abgründe dieser Biographie zu verdecken. Die zwischen Ruhe und leichter Nervosität oszillierende Sprache besitzt einen eigenen Reiz, besonders dort, wo Kreller mit synästhetischen Beobachtungen eine beinahe an Lyrik erinnernde Wirkung erzielt. Wenn Gwendolin etwa die letzten Kriegsmonate hindurch ohne ihre Mutter verbringt, deren Schicksal so ungewiss ist wie das des Vaters, dann "fuhr Gwendolin mit dem Warten fort, von morgens bis abends bis morgens wartete sie. Sie hoffte sich durch die Tage und die Nächte, sie wartete sich wund und müde, wartete, wenn sie wachte und wenn sie schlief, wartete sogar dann, wenn sie vergessen hatte zu warten" - und damit ist das Warten noch längst nicht an sein Ende gekommen.

All das gewinnt mit jeder neuen Szene an Größe und Bedeutung, und dieser Roman über ein Haus und ein Leben ist auch ein Roman über die Liebe: die zwischen Mutter und Kind, Tochter und Vater, zwischen Leserin und Buchhändlerin sogar. Nur die zwischen Mann und Frau erscheint hier seltsam verkümmert. Was es bedeutet, wenn zwei zusammenkommen, die beide, jeder für sich, von einer entsetzlichen Angst davor geschüttelt werden, allein zu sein, und die jeder Nähe misstrauen, weil sie sich im nächsten Atemzug ins Gegenteil verkehren kann, das schildert der Roman so diskret wie unerbittlich. Am tragischsten ist, wie dabei der Sohn des Paares unter die Räder kommt, als Vertreter einer neuen Generation, die an der Last zu tragen hat, die ihr von der alten aufgebürdet wird. Spätestens an dieser Stelle spricht der Familienroman auch von der Bundesrepublik in den Siebzigern.

Erst im Verlauf des Finales sickert durch, was Gwendolin ohnehin wusste und daher nicht besonders betont, dem Leser aber einige Aufschlüsse verschafft: Gwendolins Geburtsjahr, der Name ihres Vaters und der ihres Sohnes, díe seltsame Verbindung der beiden, die sich nie gekannt haben, und schließlich, warum Gwendolin die Nachricht von der Wiederkehr des Verstoßenen nach der jahrelangen Suche so tatenlos aufgenommen hat. Ein Name aber, der früh vorkommt, verdeckt eher die Identität seiner Trägerin.

Die schönste Pointe ist übrigens die Enthüllung, wie das Schokoladenpapier ins Grab gelangt ist. Kaum vorstellbar, dass man derlei künftig nicht mit anderen Augen sieht.

TILMAN SPRECKELSEN

Susan Kreller: "Pirasol". Roman.

Berlin Verlag, Berlin 2017. 288 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Pirasol ist ein besonderes Buch und birgt eine Geschichte in die man eben durch die Erzählweise tief einsteigt, eine Geschichte die in Erinnerung bleiben wird.", reingelesen.wordpress.com, 15.05.2018