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a.n.
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Insgesamt 125 Bewertungen
Bewertung vom 01.01.2018
Winterengel
Bomann, Corina

Winterengel


sehr gut

Das kitschige Cover enttäuscht. In der Vorweihnachtszeit erschienen, passt das Layout zwar gut in die damit verbundene Kaufphase, hat aber rein gar nichts mit der Handlung an sich zu tun.
An die eher unterkühlt klingende Stimme von Anne Abendroth konnte ich mich während des gesamten Hörens leider nicht gewöhnen. Inmitten von Eis, Kälte und Ungewissheit bezüglich Annas weiterem Schicksal hätte ich mir eine wärmere und vor allem mädchenhaftere Sprechstimme passender gefunden.
Trotz dieser Kritikpunkte hat mich die unterschwellig spannende Handlung des (Hör)Buches nicht enttäuscht. Die Autorin lässt den romantisch veranlagten Leser erneut tief in die geschichtliche Vergangenheit eintauchen und ihn dabei an den Sorgen und dem vielleicht großen Glück der neunzehnjährigen Anna Härtel teilhaben, die nach dem Tod ihres Vaters ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen muss: für eine unverheiratete Frau Ende des 19. Jahrhunderts keine leichte Aufgabe. Wird ihre innere Stärke, ihr unkonventionelles Wesen belohnt werden?
Nun, eins kommt zum anderen und alles kommt, wie es kommen muss. Trotzdem man beruhigt und seufzend ahnt, wie Annas Geschichte ausgehen wird, ist auch dieser von Romantik durchdrungene Roman ein Muss – und das nicht nur für Bomann-Fans.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.11.2017
Sex Story
Brenot, Philippe

Sex Story


ausgezeichnet

Der Blick in tausend Schlafzimmer
So groß und schwer das Buch an sich ist, so zahlreich und prägnant sind die berauschenden Informationen, die es in sich birgt. Das schlichte Cover gibt zudem vorab nichts über den Inhalt preis. Trotzdem kauft man damit nicht die Katze im Sack. Ganz dem Klappentext treu bleibend, werden alle Fragen zum Thema Sex, auch die gar nicht gestellten, beantwortet und das stilvoller und tiefgründiger, als man es erwartet. Viel ernsthafte und umfangreiche Recherchearbeit im Vorfeld war zu bewältigen. Herausgekommen ist ein seltenes Werk, das Mythen, religiöse Überzeugungen und wissenschaftliche Fakten unterhaltsam und informativ miteinander verquickt. Die Auswirkungen auf uns Menschen im Wandel der Zeit haben dabei eine Erlebensspanne, die von fatal bis phantastisch reicht. Die Lust der Götter war (und ist?) allzu oft eine Last für den Menschen. Sex, Liebe, Lust und Leidenschaft hat viele Gesichter und ist dennoch den verschiedensten äußeren Einflüssen unterworfen oder wird von selbigen beflügelt.
Witzig zum einen, kritisch zum anderen. Alles hat eine Kehrseite, die nicht immer sehr schön anzusehen ist. Und auch beim Thema Sex wird hier das Verhältnis zwischen Mann und Frau an Bett UND Tisch nicht ausgeblendet. Auch wenn dabei die Frau erfahrungsgemäß eindeutig / zweideutig fast nie die Hosen anhat, ist Sex Story für uns alle textlich lesens- und bildhaft bewundernswert. In der Praxis steckt mehr Theorie, als man bisweilen wahrhaben will. Die Sexualität im Wandel der Epochen – ein Auf und Ab, ein Hin und Her, ein Vor und Zurück in puncto Freiheitlichkeit und Freizügigkeit. Von Prostitution zu Perversion, von wahrer Liebe zu purem Trieb. Wie viel Natur steckt in Kultur? Nach der Lektüre bleibt auf jeden Fall „mehr hängen“, als nach dem Lesen eines trockenen Sachbuchs. Alles läuft auf eins hinaus – Lustbefriedigung und Fortpflanzung. Schon viel wurde darüber geschrieben, aber noch nie so witzig und interessant in Szene gesetzt. Ein Buch, nicht unbedingt nur für Erwachsene.

Bewertung vom 29.10.2017
Und du kommst auch drin vor
Bronsky, Alina

Und du kommst auch drin vor


gut

Mal was anderes
Das Cover lässt vorab keinesfalls auf den Inhalt schließen. Im Nachhinein allerdings könnte man die vielen Steine als Puzzle oder Mosaik interpretieren, das sich zwar so nach und nach zusammensetzt, doch letztendlich nicht unbedingt ein stimmiges Bild ergeben muss. Die Jugendlichen werden somit auch dem Ende der Handlung mehr abgewinnen können als erwachsene Leser. Das Buch ist leicht lesbar – keine langen und schwierigen Sätze, eher vielsagend mit einfachen Worten. Das Lesepublikum kann also auch etwas jünger sein als die Hauptakteure.
Kim und Petrowna, beide um die 15 Jahre alt, sind die besten Freundinnen. Gegen die mit allen Wassern gewaschene Petrowna wirkt Kim regelrecht naiv, obwohl auch sie nicht auf den Mund gefallen ist, kann sie ihre beste Freundin dennoch nicht in Derbheit und Rigorosigkeit übertreffen. Sie selbst gehen miteinander allerdings schon milder und verständnisvoller um, als sie es beispielsweise mit ihren Klassenkameraden tun.
Der Beginn der Geschichte ist mysteriös. Eine Autorin liest aus ihrem neuen Roman „Dinge, die du nie erfährst“. Kim ist sich auf Anhieb sicher, dass es in der Geschichte genau um ihr Leben geht. Kann so etwas überhaupt möglich sein? Sie muss dieses Buch also unbedingt haben. Als Leser ist man nicht minder neugierig auf das Buch als Kim selbst.
Ganz wie nebenbei treten im Verlauf der Handlung Ansichten und Herangehensweisen von Heranwachsenden zutage, mit denen man als Erwachsener gar nicht rechnet oder ahnt. Der junge Leser hingegen wird sich sehr verstanden fühlen. Besonders Scheidungskinder werden diesem Buch einiges mehr abgewinnen können, erzählt doch Kim ganz offen, wie man sich dabei fühlt und in welche Situationen man dabei kommen kann, eine Thematik, die in vielen Jugendbüchern eher nur unterschwellig behandelt wird, wenn überhaupt. Eine tolle Buchidee. Beim Lesen hatte zumindest ich oft das Gefühl, dass man daraus hätte mehr machen können.

Bewertung vom 15.10.2017
Herrn Haiduks Laden der Wünsche
Beckerhoff, Florian

Herrn Haiduks Laden der Wünsche


gut

Menschen machen Orte besonders
Ein kleiner Ort des Friedens in der Großstadt; für Menschen mit einem Blick, der tiefer geht. Doch es ist einzig und allein Herr Haiduk, der diesem Ort, seinem Laden, genau diesen Flair verleiht und ihn so besonders macht. Alles um diese Insel herum verändert sich. Die Menschen hetzen, die Autos rasen, alles ist auf Eile und Effektivität ausgerichtet. Nur in dem Laden verändert sich nichts, am wenigsten Herr Haiduk selbst. Er hat schon viel gesehen und viel erlebt. Er kennt die Menschen und er liebt sie nach wie vor. Seine Neugier steckt an. Offen, herzlich, geistreich.
Auf den ersten Blick wirken seine Kunden mitunter einfach nur komisch, doch auch sie sind auf ihre Weise Unikate, deren Kennenlernen lohnt. Der Laden ist hierfür die perfekte Plattform. Er überlässt ihnen praktisch das Feld. Doch Herr Haiduk weiß genau, was er tut und ahnt auch meist sehr schnell, was den Menschen fehlt. Er führt sie zusammen, als hätte er schon längst einen Plan mit ihnen. Als wüsste er längst, schon vor den Betreffenden selbst, welchen Wunsch es zu erfüllen gilt.
Owohl es seine Kunden sind, die den Laden betreten, ist es doch Herr Haiduk, der auf leisen Sohlen in ihr Leben tritt. Und er hinterlässt seine Spuren bei denen, die ihm begegnen; selbstverständlich auch beim Leser. Doch es ist fast unmöglich, in Herrn Haiduks Fußstapfen zu treten, denn solche durch und durch gutartigen Menschen, die still ihr Leben leben und ihre Weisheit dezent verschenken, sind selten. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass die anderen Beteiligten, eher farblos und naiv hinter ihm zurückstehen. Auch mein Verständnis für gewisse Aktionen, aus absoluter Naivität geboren, blieb oftmals auf der Strecke. Ich hatte während des Lesens stets den Eindruck, als wolle der Autor seine Geschichte in eine bestimmte Richtung lenken, doch die Handelnden kommen dabei nicht so recht mit. Durch sich aneinanderreihende Absurditäten geht bisweilen das Interesse verloren. Das ist sehr schade, birgt doch der Beginn der Geschichte um den Laden und seine Besucher sehr viel Potential zum Verflechten von Krisen, Hoffnungen, lange gehegten Wünschen und was daraus entstehen kann, wenn die Karten praktisch neu gemischt werden. Und es können eben weitaus vielsagendere Dinge geschehen, wenn Menschen sich begegnen, als das Hickhack um den Lottogewinn. Immerhin ein netter und heiterer Roman, bei dem man nicht denken muss.

Bewertung vom 08.10.2017
Und du wirst den verborgenen Schatz in dir finden
Gounelle, Laurent

Und du wirst den verborgenen Schatz in dir finden


sehr gut

Welten treffen aufeinander
Ort des Geschehens ist das kleine französische Dorf Cluny, in der Alice und Jérémie ihre Kindheit und Jugend verbrachten. Jérémie, inzwischen Priester der Dorfgemeinde, vollbringt derzeit wahrlich keine Wunder. Die Gottesdienstbesucher in der großen Kirche kann man beinahe an zwei Händen abzählen. Irgend etwas scheint er falsch zu machen.
Gott sei Dank tritt in dieser Situation Alice, die Atheistin, auf den Plan. Sie hat ihre Heimat schon vor vielen Jahren verlassen und ist mittlerweile eine sehr erfolgreiche Unternehmensberaterin. Sie ist selbstbewusst, dynamisch und ausgesprochen durchsetzungsstark. Damit ist sie das ganze Gegenteil ihres Jungendfreundes, welcher eher sehr bodenständig, zurückhaltend und still agiert.
Mit ihm wird der Leser auch schneller „warm“ als mit der forschen Alice. Doch schon bald ist man auch von ihr und vor allem ihrem Ideenreichtum fasziniert. Engagiert und ganz auf erfolgreiches Marketing getrimmt, legt sie los, „das Christentum wieder aufzupeppen“.
Der Leser staunt nicht schlecht, wie viele Parallelen es doch zwischen Geistlichkeit und Weltlichkeit gibt. Sie redet mit Engelszungen auf Jérémie ein, der daraufhin gar nicht anders kann, als ihre angedachten Strategien in Wort und Tat umzusetzen. Zu nennen sind da beispielsweise ihre nutzungsorientierte Sicht auf die Spiritualität S. 47 oder dass ein persönliches Coaching nach der Beichte effektiver für den Gläubigen wäre als Absolution S. 81.
Die Thematik Glaube / Ungläubigkeit wird zwar nicht tiefschürfend bearbeitet, aber es wird immerhin ordentlich gekratzt und gebuddelt. Alle Argumente werden so abgehandelt, dass keine Seite als „Sieger“ hervorgeht oder sich als „Verlierer“ fühlen muss. Takt, Toleranz, Wohlgesonnenheit werden groß geschrieben. Es wird Kritik geübt und darüber gesprochen, welche Kraft der Glaube in einem Menschen auslösen kann. Die verschiedenen Sichtweisen stehen gleichberechtigt, treten also nicht in Konkurrenz zueinander.
Zahlreiche lustige Situationen sind vorprogrammiert, die den Leser bestens unterhalten und kurzweilig informieren, kennt er sich doch nach der Lektüre in Glaubens- und Marketingangelegenheiten besser aus als (je) zuvor. Die Zusammenarbeit unserer Haupthelden hinterlässt auch bei ihnen selbst Spuren. Doch vorerst sind sie viel zu sehr mit dem Wiederbeleben der Kirchgemeinde beschäftigt, um dies zu bemerken und den Schatz in sich selbst zu entdecken.
Das Ende dieser unvorhersehbaren Geschichte hätte ich mir zwar anders vorgestellt, doch Gottes Wege sind eben unergründlich.

Bewertung vom 03.10.2017
Der Wunderling
Bartók, Mira

Der Wunderling


ausgezeichnet

Hier stimmt einfach alles
Das Cover, filigran, mit Liebe zum Detail, stellt uns den Wunderling vor, klein, jung, voller Leben und doch so zerbrechlich. Man schließt ihn sogleich ins Herz und empfindet Mitleid mit dem kleinen Geschöpf. Die übersichtliche Kapitelübersicht lässt erahnen, was unserem Helden so alles bevorsteht. Im Nachhinein kann man zudem so seine Lieblingsstelle schnell wiederfinden.
Die Handlung ist düster und ernst. Ein Heim für widerspenstige Geschöpfe, in dem kalte Strenge und Lieblosigkeit herrschen. Auch der Wunderling ist dort eingesperrt und durchlebt all das, wovor einem nicht nur als Kind Angst und bange werden kann; Ausgeliefertsein, Ungerechtigkeit, Gefangenschaft. Einzige Lichtblicke sind die inneren Kräfte und Träume des Wunderlings, deren er sich selbst aber erst nach und nach bewusst wird. Inmitten von menschlicher Kälte und innerer Einsamkeit fristet er ein Dasein, das ans Herz geht. Mira Bartok hat eine zauberhafte Fantasiegeschichte geschaffen, die zudem nie den Bezug zur Gegenwart verliert.
Wunderbar gesprochen von Mechthild Großmann, die vielen bislang sicher nur aus dem Münster-Tatort bekannt ist. Sie verleiht durch ihre tiefe Stimme diesem düsteren Märchen den angemessenen Charakter, der es zugleich einzigartig macht. Man kann sich praktisch von Beginn an keine andere Stimme vorstellen, welche die Geschichte um den Wunderling besser interpretieren könnte. Das Erzähltempo ist eher langsam, dafür aber sehr betont, mit verschiedenen Tonlagen, um die jeweils Handelnden besser heraus zu arbeiten und deren Stimmung eindeutig hervortreten zu lassen. Mystik, Düsternis aber auch Hoffnung und Wärme werden durch ihre markante Stimme wunderbar wiedergegeben. Man lauscht ohne Übertreibung andächtig und gebannt. Worte werden im Kopf zu Bildern, die man nicht so schnell vergisst.
All dies macht dieses Hörbuch zu einem kleinen Kunstwerk. Es ist anders, es ist keine Tralala-Geschichte und somit auch ein Hörbuch, das Jung und Alt gemeinsam hören können und vielleicht sogar sollten. Die Geschichte des Wunderling – wunderlich und wunderschön zugleich.

Bewertung vom 20.09.2017
Der Vater, der vom Himmel fiel
Henderson, J. Paul

Der Vater, der vom Himmel fiel


sehr gut

Das ist eine Familie! Schwierige Charaktere, entsprechend kauziges Verhalten, unherzliches Miteinander. Vor dem inneren Auge des Lesers läuft eine tragikomische Geschichte ab, in der die Beteiligten natürlich am wenigsten zu lachen haben. Für die ist alles bitterernst.
Die Handlung setzt bei der Beerdigung des Vaters ein. Die Familienangehörigen werden uns ohne Umschweife mittels Situationskomik und herrlich deplatzierten Bemerkungen vorgestellt. Stetige Schmunzelmomente sind garantiert, denn hier nimmt keiner ein Blatt vor den Mund. Wie soll es da ausgerechnet Greg, dem schwarzen Schaf der Familie, gelingen, aus diesen Streithähnen wieder eine richtige Familie zu machen? Glück im Unglück – sein Vater lässt ihn dabei nicht im Stich, obwohl sich sein „Erscheinen“ anfangs nicht gerade als große Hilfe erweist.
Wie fast in jeder Familie tun sich auch bei den Bowmans Abgründe auf, die ihresgleichen suchen. Geheimnisse kommen ans Licht, die vielleicht besser im Dunkel geblieben wären. Doch da müssen die Bowmans jetzt durch, dafür wird Greg schon sorgen; zum Vergnügen der Leser.
Handlungstechnisch ist der Vater eher Mittel zum Zweck und fällt nicht weiter ins Gewicht. Obwohl er der Namenspatron des Buches ist, steht er doch eher für das Vermächtnis, das es zu erfüllen gilt. Vorherrschend sind glücklicherweise Wortwitz und Dynamik, aber auch nachdenklich stimmende Situationen, die man mit very britischem Humor verbindet; trocken, schwarz, unvorhersehbar. Die wiederum vorhersehbare Geschichte der Familie Bowman bleibt sich damit treu, der Leser bekommt das, was er von der Lektüre erwartet.
Ähnlichkeiten mit Personen in der eigenen Verwandtschaft waren dabei zwar nicht beabsichtigt, aber eben nicht zu verhindern gewesen. Trotz mancher Absurditäten sind doch alle nur Menschen, ob nun innerhalb oder außerhalb dieses äußerst unterhaltsamen Romans, der mehr hält, als das verwirrende Cover verspricht. Am Ende wird vielleicht sogar alles wieder gut. Doch bis es soweit sein kann, muss jedes einzelne Mitglied dieser Familie so manche Hürde nehmen. Für den amüsierten Leser wird es ein Heimspiel, so er denn humorvolle Familienromane mit leichtem Tiefgang und britischem Flair gern liest.

Bewertung vom 18.09.2017
Die Entdeckung des Glücks
Prophet, Isabell

Die Entdeckung des Glücks


sehr gut

Schon in der Kapitelübersicht klingen Themen rund um das Gefühl des Glücklichseins an, über die gewiss jeder schon einmal nachgegrübelt hat und entweder zu keinem Ende gekommen ist oder das Resultat nicht von Dauer war. Wie kann man das kleine aber dauerhafte Glück, dieses in sich ruhen in sich wachrufen und vor allem auch festhalten? Das Buch wird sehr viele Menschen ansprechen, denn wer hat schon ein Arbeitskollektiv, an dem es nichts auszusetzen gibt oder eine Tätigkeit, die einen wirklich erfüllt? Doch wohl gemerkt: die eben genannten Dinge können wir nicht grundlegend verändern, doch wir können uns ändern. Darauf liegt das Hauptaugenmerk des Buches. Es gibt Antworten und bietet Lösungsansätze, mit denen jeder etwas anfangen und an sich arbeiten kann.
Persönliche Erfahrungen und Empfindungen verschiedener Menschen durchweben die Lektüre gemeinsam mit philosophischen Denkansätzen und wissenschaftlichen Fakten und neuesten Erkenntnissen. Ebenso wird mit der bisherigen Meinung, dass Arbeit und Freizeit strikt getrennt werden sollen, hart ins Gericht gegangen. Es wird erklärt, weshalb dieses ständige An- und Abschalten kontraproduktiv auf unser Empfinden einwirkt. Die Autorin referiert dabei nicht sachlich sondern legt Ursachen, Wirkungen und deren komplexe Zusammenhänge so anschaulich und unterhaltsam dar, dass jeder sehr gut folgen und nachvollziehen kann.
Der Input dabei ist allerdings immens. Ebenso werden eigene Gedanken und Empfindungen sehr stark angeregt. Ein durchgehendes Lesen wäre daher dem Anliegen des Buches nicht angemessen.
Die Wahrnehmung bestimmt unser Empfinden in hohem Maße. Und gerade diese bisherigen Denkschemata, nicht selten durch Erziehung und gesellschaftliche Konventionen bestimmt, sind es, die uns oft daran hindern, das vorhandene kleine Glück überhaupt zu erkennen und als solches anzuerkennen. Und genau da liegt für die Autorin auch der Knackpunkt. Dort setzt sie an und beleuchtet persönliche Erwartungen und Wahrnehmungen und was sie in uns auslösen. Zum sich glücklich fühlen, ohne sich dabei allerdings etwas vorzumachen, braucht man auch die anderen. Glücklich sein kann man wirklich nicht allein, wenn es von Dauer sein soll.
Bei allem Beschriebenen ist nie von dem euphorischen Glück die Rede. Es geht stets um diese innere Zufriedenheit jenseits von höher, schneller, weiter, mehr und besser. Man muss sich auch keine allzu großen Ziele setzen. Was ist dabei, wenn man „überholt“ wird. Sollen die anderen doch hetzen. Wer sich diesem Teufelskreis entziehen will, wird merken, dass dies Kraft und Überzeugung kostet. Zu leicht wird man da als nicht strebsam oder antriebslos angesehen. Daran zeigt sich aber recht schnell, inwieweit man seine innere Überzeugung gefestigt hat.
Man kann nicht alles haben und muss das auch gar nicht. Was dies aber für den Leser im einzelnen bedeutet, obliegt ihm allein. Vernunft, Begehren und Wille sollen im Einklang sein. S. 24 Davon war schon Platon überzeugt. Ängste und Stress im Zaum halten, einen Ausgleich schaffen, der für innere Ruhe sorgt. Vieles wussten wir bereits. Doch es ist sehr interessant zu lesen, wie man all dies mit all seinen notwendigen Tagesaktivitäten gewinnbringend verknüpfen kann; einem Gewinn, der mit Geld nicht zu bezahlen ist.

Bewertung vom 10.09.2017
Ein Gentleman in Moskau
Towles, Amor

Ein Gentleman in Moskau


ausgezeichnet

Die Machthaber wollen den Grafen brechen, ihn am Boden sehen. Doch jede Schikane und Ungerechtigkeit prallen an ihm ab. Der unverbesserliche Optimist Rostov sieht noch in dieser bitteren Situation noch Wege, menschlich zu bleiben und den Umständen mit einem Augenzwinkern zu begegnen. Egal wo, egal wann, das Leben ist immer lebenswert, wenn man es versteht, sich selbst treu und anderen gegenüber offen zu bleiben. Die Herangehensweise des Grafen macht nicht nur ihn sondern auch das (Hör)Buch zu etwas Bemerkenswertem.
Eine gewalttätige Epoche russischer Geschichte wird anhand des bewegten Schicksals eines Aristokraten der Vergangenheit entrissen und zieht sich wie ein roter Faden durch die Handlung. Er fesselt und macht uns zu Augenzeugen ohne dabei den Blick auf die Hauptfigur zu verdecken. Es sind die kleinen Dinge, die in diesem beengten Terrain zu etwas Wichtigem und Besonderem werden. Ähnlich kleinen Sonnenstrahlen erhellen sie auch diese „Welt“. Action und Exzesse sind nicht nötig, um Aufmerksamkeit bei Leser / Hörer zu erregen. Im übertragenen Sinne sind es die leisen tiefen Töne und bezaubernden literarischen Melodien, die nachhallen. Das „Orchester“ sind dabei bei weitem nicht nur die Hotelgäste.
Man wünscht sich die ganze Zeit, dass alles „gut“ ausgehen möge. Dieser besondere Mensch, dieser Freigeist, durch und durch anständig, wirkt in der Härte, Kälte und Willkür, die außerhalb des Hotels herrscht, wie ein Paradiesvogel im Käfig. Es geht unwahrscheinlich ans Herz, wenn man liest / hört, was Rostov alles auf sich nimmt, um dem Mädchen, das ihm anvertraut wurde, die Gitterstäbe vergessen zu machen und ihr eine Welt zu zeigen, die es trotz allem auch noch gibt. Oder ist es etwa die kleine Sofia, die ihrem väterlichen Freund ganz neue Impulse verleiht, ganz, wie es ihre Mutter einst tat?
Der Hörbuchsprecher Hans Jürgen Stockerl scheint für den Gentleman in Moskau ideal besetzt worden zu sein. Die Stimme geht sofort ins Ohr. Intonation und Stimmlage passen sich perfekt an das Handlungsgeschehen an, als würde Stockerl selbst nur zu gut um die Güte des Romans wissen und dies ihn zu der herausragenden Interpretation zusätzlich beflügeln. Das Ergebnis ist somit auch weit mehr als betontes Vorlesen.
Da viel geschieht, von dem entsprechend berichtet wird, ist stetiges aufmerksames Hören sehr zu empfehlen. Man wird nicht berieselt, man wird mit einbezogen. Den Umständen geschuldet, spielt sich ein nicht unerheblicher Teil der Handlung in den Köpfen der Hauptpersonen ab und führt dazu, dass man die Handelnden, insbesondere jedoch ihre Gedanken- und Gefühlswelt nach der Lektüre selbst lange nicht aus dem Kopf bekommt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.