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a.n.
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Insgesamt 126 Bewertungen
Bewertung vom 16.04.2017
Der Mann, der Luft zum Frühstück aß
Knapp, Radek

Der Mann, der Luft zum Frühstück aß


ausgezeichnet

Tatsächlich ist der Erzählstil auffallend kreativ. Die mitunter spezielle Wortwahl, die bildhaften Vergleiche und nicht vorhersagbaren Wendungen verleihen der Handlung Schwung, der durchweg anhält. Auf verschlungenen Wegen voran. Doch wohin eigentlich? Unser junger Held hat es nicht leicht und bleibt doch vorerst beneidenswert frei und vorurteilslos im Geiste, ist neugierig auf das Leben und die Menschen, die ihm begegnen. Doch so wird es nicht bleiben. So mancher fühlt sich berufen, ihn zu modellieren, obwohl er an sich genau richtig ist, wie er nun mal ist. Dies kommt einem Stutzen seiner Flügel gleich. Der Absturz ist lange nicht in Sicht, aber unvermeidlich. Jeder hat Pläne mit dem 14jährigen Walerian, vor allem seine Mutter. Doch er selbst versteht den Sinn nicht. Das zarte Flüggewerden wird so zu einer Art Stoß aus dem Nest. Wie wird er auf dem Boden des Lebens und der Tatsachen ankommen? Landesgrenzen überschreiten ist das eine, doch kommt man damit auch bei den dort lebenden Menschen an? Ist ein vermeintlich besseres Leben dort auch wirklich besser für einen selbst? Das Gehen wird zu einer Art Getriebenheit. Er selbst merkt erst sehr spät, dass er dabei auf der Strecke bleibt. Seine Welt wird dabei nicht größer, er selbst nicht freier. Grenzen überall, die erneut eigene Grenzen innehaben. Nicht jede sind allerdings zum Überschreiten da.
Tragische Elemente wechseln sich mit komischen Situationen ab. So wird auch dem Leser gekonnt verschleiert, dass es in Wahrheit doch alles andere als gut ist, was andere mit gut gemeint so alles anrichten können, wenn es nicht das Eigene ist und nicht von einem selbst kommt. Walerian hat ein dickes Fell, doch was nützt dies, wenn es um ihn herum im übertragenen Sinne immer kälter wird? Die einzig beständige Komponente für sich ist er selbst. Doch er ist sich fremd geworden in der Fremde. Die Diskrepanz zwischen dem eigenen Wollen, den eigenen Lebensvorstellungen und der Tatsache, wie es eigentlich „läuft“, wie die anderen es zulassen, wird zusehends größer. Der eine schwimmt, um voran zu kommen, Walerian allerdings paddelt lange Zeit nur, um nicht unterzugehen.
Vom Gehen in fremden Schuhen, dem Abwerfen und dem barfuß weitergehen, davon handelt diese diese Geschichte. Und sie hinterlässt Spuren beim Leser. Lehrstunden des Lebens.

Bewertung vom 05.03.2017
Mia liebt Pasta
Hoechst, Mirja

Mia liebt Pasta


ausgezeichnet

Mia ist ein wahrer Nudel-Fan. Sie spricht so manchem aus der Seele. Bodenständig, pfiffig, herzlich. Da Pasta auch meine persönliche Leibspeise ist, habe ich dieses Buch, natürlich im übertragenen Sinne, sofort verschlungen. Vorfreude und Appetit stehen im Vordergrund. Dass die Rezepte fast durchweg äußerst lecker schmecken und auch hier eine leichte und schnelle Zubereitung garantieren, versteht sich von selbst.
Dieses Nahrungsmittel, oft als nur typische Kinder-Mahlzeit abgetan, hat es in sich. Stets schmackhaft, vielseitig kombinierbar und damit keineswegs nur etwas für Kinder. Im Gegenteil, Mia versteht es, Nudeln als das in Szene zu setzen, was sie wirklich sind: treue, weil dauerhaft verfügbare Begleiter durch ein ganzes Leben hindurch – als Snack, süßer Kick, Hauptgang eines Menüs, gefüllte Überraschung oder herkömmlich mit extravaganten Akzenten.
Die Autorin hat auch schon beim Teig an alle(s) gedacht, sodass auch ernährungstechnisch eingeschränkte Nudel-Fans einmal nicht auf die herkömmlichen Angebote zurück greifen müssen. Wer sich in Zukunft die Zeit nehmen möchte, um Nudeln von Beginn an selbst zuzubereiten, wäre allerdings mit einen Nudelmaschine nebst verschiedenen Aufsätzen sehr gut bedient, denn das Auge isst ja bekanntlich mit und es gibt ja auch die verrücktesten Nudelformen. Auch geschmackliche Horizonte werden neu eröffnet. Was man mit Nudeln alles machen kann, war mir noch gar nicht bewusst; bis jetzt. Nur bei den Schoko.Ravioli bleibe ich konservativ und somit skeptisch. Ebenso werde ich mich beim Knoblauch etwas zurückhaltender sein.
Die Rezepte sind meist für vier Portionen ausgelegt. Wer keine Familie bekochen muss, kann sich so direkt auch gleich etwas mit vorkochen. Alles selbst machen, angefangen von den Nudeln über bewährte Saucen bis hin zum Pesto – ein ausgesprochen appetitanregendes Erlebnis. Der spätere Verzehr – ein Genuss.
Jeder, der Nudeln liebt, weiß, sie schmecken immer! Und mit dieser Überzeugung in Kopf und Magen, ist es unmöglich, dass eines dieser kreativen Rezepte misslingt. In 1, 2, 3, 4 fertig!

Bewertung vom 19.02.2017
Überleben ist ein guter Anfang
Ulmer, Andrea

Überleben ist ein guter Anfang


ausgezeichnet

Krebs. Die Diagnose ist ein Schock. Lähmende Angst und Beklemmung machen sich breit. Hat mach selbst noch ein Zukunft? Doch genau dagegen versucht die Autorin anzuschreiben. All das, was mit dieser Diagnose und der danach einsetzenden Behandlung einher geht möchte sie umleiten und in etwas umwandeln, was den Gedanken an eine Zukunft ermöglicht, Hoffnung gibt oder zumindest Ablenkung verschafft.
Auch wenn es vielen betroffenen Frauen so vorkommt; man ist nicht allein! - nicht allein mit seiner Angst, seinen Schmerzen, seinen Nebenwirkungen, den Veränderungen von Körper und Seele, der Hoffnungslosigkeit, die sich immer wieder Bahn brechen will. Es gibt viele Betroffene, eine jeder mit ihrem ganz persönlichen Dilemma.
In dieser Geschichte haben sich einige dieser Frauen im wahrsten Sinne des Wortes gefunden. Es ist überwältigend, zu erleben, wie offen und freundschaftlich diese Frauen miteinander umgehen und diesen schweren Weg zurück ins Leben und zu sich selbst gemeinsam gehen. Abgeklärtheit trifft auf Hoffnungslosigkeit, Sarkasmus auf Wehmut, Zuversicht auf Resignation. Alles mischt sich, neue Blickwinkel werden ermöglicht, Stillstand und Abwarten enden. Bewusstes Agieren als Teil einer Gemeinschaft und für sich selbst offenbaren den Wert und die Schönheit des Lebens auch in dunklen Zeiten, in denen man glaubt, dass sie nie vorbei gehen würden. Akzeptanz der Situation, Überwindung des ersten Schocks, dann geht es weiter, ja sogar erst richtig los – im Muss auch ein Wollen.
Dieses Buch zu lesen, zu erfahren, wie Frauen gemeinsam ihr schweres Schicksal meistern, ist wie ein warmer Sommerregen für die Seele, wie ein leises Ausatmen, erleichternde Entspannung. Als enge Angehörige einer Betroffenen hätte ich dieses Buch sehr gern eher in´ Händen gehalten. Man fühlt sich nicht mehr so hilflos und nur danebenstehend. Man kann die eigenen Ängste um den geliebten Menschen besser im Zaum halten und so vor allem eine bessere Stütze und Begleiter sein.
Höhen und Tiefen, Trauer und Freude, Hoffnung und Angst. Kampflos aufgeben? Nein! Sterben ist keine Option. Erst mal Überleben. Das ist ein guter Anfang!

Bewertung vom 12.02.2017
Simple
Henry, Diana

Simple


gut

Groß, dick, schwer. Da hat man wirklich das Gefühl etwas Gutes in den Händen zu halten. Reich an nützlichen Tipps und wahrhaft extravaganten Rezepten, die man einmal mehr, ein anderes Mal weniger gut variieren kann. Neuentdeckungen stehen gleichberechtigt neben alt Bewährtem und werden schmackhaft miteinander vermischt oder ergänzt. Mit diesem Buch isst man sich im wahrsten Sinne des Wortes um die ganze Welt. Es spricht daher vielleicht vorrangig Liebhaber der internationalen Küche an. Ebenso werden experimentierfreudige Hobby-Köche großen Gefallen an diesem Kochbuch finden, erhalten sie hier doch ein reichhaltiges Sammelsurium neuer Gewürze und nicht so oft verwendeter Nahrungsmittel.
Vorab und zwischen durch informiert die Autorin den Interessierten über ihre persönliche Intention und Motivation. Auch wenn die Abbildungen der zubereiteten Speisen mitunter etwas zu rustikal ausfallen, man mitunter selbst nicht von den arrangierten Tellern essen möchte, die Gerichte darauf haben es mir in jedem Falle angetan. Ebenso einfach wie schnell zuzubereiten sollen sie sein und grandios schmecken. Herzhaft steht im Mittelpunkt. Das i-Tüpfelchen bilden süße Sachen ganz am Ende des Buches.
Viele Gerichte waren mir bis dahin völlig unbekannt. Daher war ich nicht ganzh so mutig, auch wirklich alle Rezepte einmal auszuprobieren. Ich habe mich nur an die heran gewagt, bei denen ich auch ungefähr wusste, wie sie am Ende schmecken sollten. Die Mengenangaben beziehen sich hauptsächlich auf zwei Personen. Man kann diese also sehr leicht bis zum zu bewirtenden Personenkreis umrechnen. Für Kinder sicher verträgliche und auch wirklich bevorzugte Speisen sind nicht ganz so häufig vertreten.
Die Beschaffung der Zutaten bei nicht wenigen Rezepturen stellt mitunter eine echt Herausforderung dar. Ganz ohne eine Bestellung im Internet wird es nicht gehen, um die wirklich besondere Note zu erhalten. Nicht ganz so strebsame Köche werden natürlich traditionelle Alternativen finden, obwohl es dann aber nicht mehr dasselbe fertige Gericht wäre. Doch damit wären gerade sie dem eigentlichen Hauptthema „Simple“! Näher gekommen als die Autorin selbst. Ihre inspirierenden Ankündigungen motivieren ungemein, halten aber nicht allen auftretenden Eventualitäten glaubhaft Stand. Ein Kochbuch, das man zwar mit im Schrank haben, das aber dort nicht allein stehen sollte.

Bewertung vom 29.01.2017
Minus 18 Grad / Fabian Risk Bd.3 (2 MP3-CDs)
Ahnhem, Stefan

Minus 18 Grad / Fabian Risk Bd.3 (2 MP3-CDs)


sehr gut

In diesem Krimi stehen die umfangreiche Polizeiarbeit sowie das Privatleben der Ermittler eindeutig im Vordergrund. Die Handlung ist durchwoben von einer eher dezenten Spannung, die nicht auf Sensation, Nervenkitzel oder viel Blut setzt. Vielmehr stehen die individuellen Persönlichkeiten der Polizisten im Vordergrund, die in diesem schwierigen Fall akribisch recherchieren und so sehr realitätsnah einem Täter auf die Spur kommen, dessen wahre Motive schwer nachzuvollziehen sind.
Einen aufwühlenden Einstieg bietet schon der Prolog. Ein Sadist hat das nächste Opfer in seiner Gewalt. Die schrecklichen Momente des Krimis werden danach immer wieder großzügig von anfangs als nebensächlich empfundenen Beschreibungen unterbrochen. Doch auch diese scheinbar stilleren Momente haben es in sich, verdeutlichen sie doch die jeweilige Problematik, die sich hinter einem jeden verbirgt und die er überall mit sich nimmt. Berufliches und Privates verschwimmen oder vermischen sich. Kommissar Risk und seine Kollegen kommen so im Verlauf der Handlung nicht nur dem Täter immer näher sondern auch dem Leser.
Ein Erzählstrang nach den anderen tut sich auf, tangiert einen weiteren oder verschmilz mit einem anderen. Dies führt jedoch zu keinerlei Verwirrung. Die Dynamik der Handlung wird dadurch genährt und ein Fortschreiten selbiger erzeugt.
Die markante Stimme Vorlesers, seine schier punktgenauen Betonungen, besonders bei dramatischem Geschehen oder wörtlicher Rede, machen dieses Hörbuch zu einem Hörerlebnis. Ihm ist es auch geschuldet, dass man den Eindruck bekommt, man hätte den Krimi in seinem Umfang und in seiner Vielschichtigkeit niemals allein lesend ebenso erfassen können. Das Erzähltempo ist angenehm zügig, aber nicht gehetzt und wird auch stets dem Handlungsgeschehen angepasst.
Auch wenn mitunter der Eindruck entsteht, die Handlung entfernt sich vom eigentlichen Kernproblem, verliert es der Autor doch nie aus den Augen und somit der Leser auch nie ganz aus dem Blick. Im Nachhinein wird alles schlüssig und nachvollziehbar. Ein Krimi, der tief blicken lässt; in die Seelen von Jägern und Gejagtem ebenso wie hinter die Kulissen des Polizeiapparates.

Bewertung vom 30.12.2016
Gut & Böse - Ausgegrenzt
Fröhlich, Julian

Gut & Böse - Ausgegrenzt


gut

2031. Pure Willkür herrscht in dieser rauen und harten Welt, in der alles so klar geordnet scheint – vermeintlich „Gute, Rechtschaffene“, sogenannte „Böse, Ausgestoßene“. Es geht ums nackte Überleben. Doch ist das, was dann vom Leben bleibt wirklich lebenswert? Die vielen Parallelen zu unserer Gegenwart machen dieses Szenario noch mehr zu einer Horrorvorstellung. Die Handlung ist zu nah an unserem Jetzt, um wirklich Fantasy zu sein. Und das ist auch so gewollt, um den Leser aufzurütteln und zu sensibilisieren. Beklemmend, düster, kalt, Brutalität und Ausgeliefertsein. Unnütze Menschen? Weg damit! Man selbst wäre in einer solchen Welt sicher verloren. Ein Miteinander, wie wir es kennen, existiert nicht mehr. Für den Einzelnen besteht kaum noch die Möglichkeit, sein Schicksal selbst zu beeinflussen. Alle haben Angst, wissen aber gar nicht richtig, wovor und vor wem es sich in Acht zu nehmen gilt., um nicht aufzufallen. Menschliche Handeln allein kann sich schon als gravierender Fehler erweisen, den man teuer bezahlt. Doch einige haben noch nicht aufgegeben. Zu ihnen gehört auch Samuel. Noch auf der Seite der Guten, bekommt er mehr und mehr Zweifel am Handeln der Regierung. Und damit wird auch er in einen Strudel mit hinein gezogen, aus dem es anfangs kein Entrinnen zu geben scheint.
Keine rasante Handlung, kein nennenswerter Spannungsbogen. Der Autor lässt sich Zeit, legt keinen Wert auf Sensation. Er möchte vielmehr zum wirklichen Nachdenken anregen. Dies wiederum erreicht mitunter belehrende Züge. Er scheint in seinem Werk die Themen Europäische Union, Rassismus, Migration und Flüchtlinge politisch korrekt verarbeiten zu wollen. Der Ansatz dazu ist zwar gelungen, doch blendet auch er einige kritische Aspekte aus. Dem einen wird dies auffallen, anderen Lesern wird dies wiederum nicht gewahr werden. So lange Meinungen auch als Meinungen vertreten werden und nicht den Anspruch von absoluter Wahrheit innehaben wollen, sei es erlaubt, bildet dies doch auch die Grundlage der eigentlichen Geschichte, die erzählt werden soll. Denn auch hier verschwimmen die Grenzen zwischen gut und böse, richtig und falsch fast permanent. Nichts steht wirklich fest, die eigene Position ist fragil, niemand weiß, was als nächstes geschehen wird. Wer auffällt, wird aussortiert. Wer aussortiert wurde, wird ausgrenzt. Wer nun so abseits gehalten wird, läuft Gefahr, ausgemerzt zu werden. Euthanasie, ohne gleich zu töten. Wer die Macht hat, bestimmt, auf welcher Seite jeder einzelne steht. Ist das aber richtig und ist das wirklich gut?

Bewertung vom 02.12.2016
Die Spionin
Coelho, Paulo

Die Spionin


ausgezeichnet

Das Buch beginnt mit den ergreifenden Details der Hinrichtung Mata Haris. Sie faszinierte die Männer. Doch diese waren es auch, die nach ihrem Tod schrien.
Wenn zwei (Mann oder Frau) das gleiche tun, ist es längst noch nicht dasselbe. Das wird am Beispiel des bewegenden Schicksals von Margarethe Zelle alias Mata Hari nur allzu deutlich. Sie war ihrer Zeit voraus und damit auch dem damaligen Rollenbild und Sittenverständnis der Gesellschaft.
Viel wurde über sie berichtet und dies in einer Spannbreite, die von Huldigung bis Verteufelung reichte. Doch hier ist es bemerkenswerte Weise ausgerechnet ein Mann, Paulo Coelho, der diese mutige Frau in seinem Buch zu Wort kommen lässt und ihr damit ein vielschichtiges Denkmal setzt und sie zum einem großen Teil damit auch rehabilitiert. Ihr Worte „mein einziges Verbrechen war, eine unabhängige Frau zu sein“ werden zur Wahrheit.
Sie war nie richtig einverstanden mit dem Platz, den man einer Frau in der damaligen Zeit zudachte. Sie wollte mehr – ein wirklich selbst bestimmtes Leben führen, eine unabhängige Frau sein. Dafür wurde sie von vielen bewundert aber vor allem auch gehasst. Eine erzwungene Freiheit und damit auch kein leichtes Leben, denn die vorausgehen, gehen meist allein. Das war ihr stets bewusst, doch das war es, was sie wollte und wofür sie auch einen hohen Preis bezahlt hatte. Während sie in einem Brief noch einmal ihre Lebensgeschichte an sich vorbei ziehen lässt, ahnt sie nicht, wie hoch dieser Preis tatsächlich für sie sein wird. Das ist bitter für den Leser, denn er lernt eine tapfere, lebensbejahende und kluge Frau kennen, die wegen Hochverrats im Gefängnis sitzt und doch sehr schnell klar wird, dass allein sie es ist, die heimtückisch verraten wurde.
Ja, auch sie strebte nach Geld und macht. Dies sind nicht gerade eherne Ziele, doch was ist schlimmer daran, wenn eine Frau dies tut? Mata Hari ist tot, das Buch geschlossen. Wir bleiben mit Fragen und Erkenntnissen zurück; und vor allem mit Empfindungen, die von Mitleid und Bewunderung bis hin zu Groll reichen. Ist es heute die richtige Zeit für Frauen oder ist es noch immer ein Unterschied, ob Mann oder Frau dasselbe tun? Diese und viele weitere Fragen drängen sich beim Lesen auf. Noch immer ist es mehr Kampf als Selbstverständlichkeit, wenn Frauen ihren eigenen Weg gehen wollen. Die Vergangenheit – ihre Geschichte – für viele noch heute Realität. Ihr Schicksal steht stellvertretend für viele Frauen – aus jeder Epoche – die es wagten, anders zu sein.
Gleichzeitig gibt es aber auch den Blick auf ihre Mitmenschen frei und in die Köpfe der sogenannten feinen ehrenwerten Leute, die in Bigotterie, Vorurteilen und Intoleranz verhaftet waren. Sie selbst hat ihren Platz im Leben nie wirklich gefunden. Dennoch war sie bis zuletzt nicht bereit, diesen sich vo irgend jemandem zuweisen zu lassen.
Nicht unbedingt nur ein Buch für Frauen, waren es doch größtenteils Männer, die das Leben und Streben Margarethe Zelles tiefgreifend beeinflusst haben. Der handgeschriebener Brief einer Frau wird so zum entlarvenden Sittengemälde und zum Spiegelbild der Gesellschaft.

Bewertung vom 23.11.2016
I.Q / Isaiah Quintabe Bd.1
Ide, Joe

I.Q / Isaiah Quintabe Bd.1


ausgezeichnet

Schon die einleitenden Gedanken des ermordeten Rappers Tupac Shakur lassen erahnen, in welche Welt der Leser eintauchen wird. Und tatsächlich bewegt sich unser Titelheld in einer kriminellen Halbwelt, in der das Recht des Stärkeren gilt und störende Leute aus dem Weg geräumt werden. Jeder nimmt sich, was er kann und dabei ist auch jedes Mittel recht.
Spannend, ja bisweilen direkt lustig geht es zu. Zudem stellt sich Isaiah Quintabe schnell als eine sehr seltene Mischung aus Sherlock Holmes und Monk heraus. Seine Beobachtungs- und Kombinationsgabe lassen den Leser permanent erstaunen. Genial. Ein geniales Unikat wurde hier vom Autor kreiert, weder verstaubt noch altbacken, ausgestattet mit einer enormen Kenntnis der menschlichen Natur, dem man sofort an den Lippen hängt und dem man selbst gern sein Vertrauen schenken würde. I. Q.? Mehr als i. O.! Doch man selbst möchte keinesfalls mit ihm tauschen und auch der Umgang mit ihm ist gewöhnungsbedürftig.
Nach dem unerwarteten Tod seines geliebten Bruders ist er ganz allein auf sich gestellt; Wohnung, Geld, Schule. Sein Bruder war ihm Vorbild und Kamerad zugleich. Und so tut er für seinen Lebensunterhalt genau das, was er am besten kann – Rätsel lösen. Das dies mitunter auch sehr gefährlich werden kann, versteht sich von selbst. Ihm zur Seite steht Dodson, ein eher ungeschickter Kleinkrimineller. (Die Namensähnlichkeit mit Sherlocks altem Freund Watson kommt für mich nicht von ungefähr.) Wenn I. Q. einmal Witterung aufgenommen hat, lässt er nicht mehr locker. Seine Erfolgsquote liegt nahezu bei 100 Prozent. Und so wenden sich die verschiedensten Leute lieber an ihn als an die Polizei. Den heiklen Auftrag eines zahlungskräftigen Klienten kann er aus finanziellen Gründen nicht ablehnen, obwohl er sofort ahnt, dass diesmal alles von ihm abverlangen wird. Auch der Tod des Bruders lässt ihm keine Ruhe. Der Verantwortliche läuft noch frei herum.
Trotzdem er sich so in der Gosse bewegt, bleibt I. Q. Für den Leser doch immer rein, reell und vor allem auf der guten Seite. In den Dialogen wird kein Blatt vor den Mund genommen, was daher auch ein jüngeres Publikum sehr gut anspricht. Einzelne Erzählstränge werden unkompliziert ineinander überführt. Der Autor legt Wert auf die Grautöne. Nichts ist einfach nur Schwarz und Weiß. So erscheint auch der fieseste Typ bisweilen als menschlich und sein Handeln als nachvollziehbare Notwenigkeit, weil der Leser die mitunter sehr aufschlussreichen Hintergründe der Personen kennt. Erfrischende Spannung mit zahlreichen Aha-Effekten. I. Q., edelmütig, tapfer, intelligent, einsam, ein eher stiller Held in dieser lauten Welt – doch damit mein neuer Held!