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a.n.
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dd

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Insgesamt 127 Bewertungen
Bewertung vom 23.11.2016
I.Q / Isaiah Quintabe Bd.1
Ide, Joe

I.Q / Isaiah Quintabe Bd.1


ausgezeichnet

Schon die einleitenden Gedanken des ermordeten Rappers Tupac Shakur lassen erahnen, in welche Welt der Leser eintauchen wird. Und tatsächlich bewegt sich unser Titelheld in einer kriminellen Halbwelt, in der das Recht des Stärkeren gilt und störende Leute aus dem Weg geräumt werden. Jeder nimmt sich, was er kann und dabei ist auch jedes Mittel recht.
Spannend, ja bisweilen direkt lustig geht es zu. Zudem stellt sich Isaiah Quintabe schnell als eine sehr seltene Mischung aus Sherlock Holmes und Monk heraus. Seine Beobachtungs- und Kombinationsgabe lassen den Leser permanent erstaunen. Genial. Ein geniales Unikat wurde hier vom Autor kreiert, weder verstaubt noch altbacken, ausgestattet mit einer enormen Kenntnis der menschlichen Natur, dem man sofort an den Lippen hängt und dem man selbst gern sein Vertrauen schenken würde. I. Q.? Mehr als i. O.! Doch man selbst möchte keinesfalls mit ihm tauschen und auch der Umgang mit ihm ist gewöhnungsbedürftig.
Nach dem unerwarteten Tod seines geliebten Bruders ist er ganz allein auf sich gestellt; Wohnung, Geld, Schule. Sein Bruder war ihm Vorbild und Kamerad zugleich. Und so tut er für seinen Lebensunterhalt genau das, was er am besten kann – Rätsel lösen. Das dies mitunter auch sehr gefährlich werden kann, versteht sich von selbst. Ihm zur Seite steht Dodson, ein eher ungeschickter Kleinkrimineller. (Die Namensähnlichkeit mit Sherlocks altem Freund Watson kommt für mich nicht von ungefähr.) Wenn I. Q. einmal Witterung aufgenommen hat, lässt er nicht mehr locker. Seine Erfolgsquote liegt nahezu bei 100 Prozent. Und so wenden sich die verschiedensten Leute lieber an ihn als an die Polizei. Den heiklen Auftrag eines zahlungskräftigen Klienten kann er aus finanziellen Gründen nicht ablehnen, obwohl er sofort ahnt, dass diesmal alles von ihm abverlangen wird. Auch der Tod des Bruders lässt ihm keine Ruhe. Der Verantwortliche läuft noch frei herum.
Trotzdem er sich so in der Gosse bewegt, bleibt I. Q. Für den Leser doch immer rein, reell und vor allem auf der guten Seite. In den Dialogen wird kein Blatt vor den Mund genommen, was daher auch ein jüngeres Publikum sehr gut anspricht. Einzelne Erzählstränge werden unkompliziert ineinander überführt. Der Autor legt Wert auf die Grautöne. Nichts ist einfach nur Schwarz und Weiß. So erscheint auch der fieseste Typ bisweilen als menschlich und sein Handeln als nachvollziehbare Notwenigkeit, weil der Leser die mitunter sehr aufschlussreichen Hintergründe der Personen kennt. Erfrischende Spannung mit zahlreichen Aha-Effekten. I. Q., edelmütig, tapfer, intelligent, einsam, ein eher stiller Held in dieser lauten Welt – doch damit mein neuer Held!

Bewertung vom 10.11.2016
Winterblüte
Bomann, Corina

Winterblüte


sehr gut

Jahrhundertwende. Trister Alltag in engen Bahnen bestimmt das Leben der Frauen, besonders junger Mädchen. Ihre Wege sind vorgegeben. Standesdünkel und Traditionen. Etikette, Ansehen und eine eventuelle Chance zu gesellschaftlichem Aufstieg bestimmen das Denken und Handeln. Kein guter Platz für frei denkende und lebensfrohe junge Menschen. Das bekommen auch die Geschwister Johanna und Christian Baabe aus dem Kurort Heiligendamm zu spüren. Sie ist heimlich verliebt in einen jungen Mann, der nicht ihres Standes ist und auch ihr Bruder läuft Gefahr, jemanden heiraten zu müssen, den die Eltern für ihn auserkoren haben. Wir tauchen ein eine Welt, die man sich heute nur noch schwer vorstellen können und doch ist alles noch gar nicht so lange her. Es herrscht Winter im Land, doch Sommer im Geiste dieser jungen Menschen. Sie werden ihr erhofftes Leben nicht so leicht aufgeben und zumindest versuchen, ihrem gesellschaftlichen Korsett zu entkommen. Das Schicksal wird ihnen dabei behilflich sein. Eine Fremde tritt in ihr Leben und mit ihr die Hoffnung.
Eindringlich schildert die Autorin die seelische Zerrissenheit und den bedrückenden Gewissenskonflikt der beiden jungen Mädchen. Es wird aber auch deutlich, dass es den Männern in Hinsicht auf Freiheit nicht unbedingt besser erging als den Frauen.
Das tragende Element dieser bittersüßen Geschichte ist der Barbarazweig, den die Fremde bei ihrer Auffindung bei sich hatte. Blüht dieser zu Weihnachten und trägt seine Winterblüte, weist dieses Ereignis in eine positive Zukunft. Die Knospen erwachsen wie auch die vier jungen Menschen. Sie finden zueinander und damit auch zu sich selbst, getragen stets von der Hoffnung auf das ersehnte Blühen. Ehre und Pflicht im herkömmlichen gesellschaftlichen Sinne wandeln sich in ihnen zum zueinander halten und sich füreinander zu bekennen – eine ganze andere Ehre, eine ganz persönliche Pflicht, bietet nur diese allein eine Chance auf wirkliches privates Glück.
Die Spannung wird ununterbrochen durch das Auftauchen von allerlei Geheimnissen und vielen sehr romantischen Intermezzi gehalten. Man möchte das Buch in einem Stück lesen, zu sehr ist man von der abwechslungsreichen Handlung ergriffen. Die Autorin versteht es auch gekonnt, die Geschehnisse immer wieder zuzuspitzen. Dennoch auf ein gutes Ende hoffend, begleitet man Johanna, Barbara, Christian und Peter auf ihrem beschwerlichen Weg zueinander, in finsteren Momenten allein getragen durch den Gedanken an ein Wunder, an ein Erblühen trotz Kälte; genau wie dieser magische Zweig.

Bewertung vom 28.10.2016
Das Nest
Sweeney, Cynthia D'Aprix

Das Nest


gut

Vier Geschwister, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Nur die Aussicht auf das baldige Erbe verbindet sie und ist auch der einzige Anlass, sich wiederzusehen. Was daraus entsteht, ist wenig humorvoll. Egoismen, mangelnde Moral, Kriecherei. Jeder möchte sein Stück vom Kuchen abhaben und jeder denkt dabei, dass er das größte Stück verdient hat. Es muss etwas herausspringen, denn das noch nicht einmal geerbte Geld hat jeder schon für sich verplant. Melody wachsen die Ausgaben für Haus und Kinder über den Kopf, Playboy Leo braucht sowieso immer Geld, Beatrice, wenn schon nicht so erfolgreich im Beruf, möchte sich wenigstens ein schöneres Heim gönnen und Jack Geschäft lechzt schon seit längerem nach einer Finanzspritze. Was steht einem zu? Was ist man selbst schuldig? Die verschiedenen Ansichten darüber machen Diskrepanzen deutlich und provozieren Konflikte.
Im ersten Teil des Buches treffen sich die Plumb-Geschwister in einer Bar. Während alle nacheinander eintrudeln, bekommt der Leser umfassend Gelegenheit, die vier kennen zu lernen, ihre Vergangenheit, ihr vermeintlich eigenständiges Leben, ihre Freuden und Ängste, aber vor allem ihre neuen Pläne mit dem Geld – des Nestes, ihres Erbes. Sympathischer werden sie einem dadurch nicht. Man kommt ins Grübeln, was in der Kindheit schief gelaufen ist. Geschwisterliebe ist kaum zu spüren. Ebenso wenig gehen sie auf die Trauer der Mutter ein. Sie kommt in diesem Buch bezeichnenderweise am wenigsten zu Wort.
Das Nest, der Hort ihrer Kindheit, im Laufe der Jahrzehnte zum späteren Erbe geworden, ist nun ein Pulverfass. Und der Druck wächst dementsprechend. Als Leser möchte man fest daran glauben, dass es in der eigenen Familie anders aussieht. Doch tut es das wirklich? Auch die Plumbs ahnten vorher nicht, was eine Erbschaft so alles auslösen kann. Dem einen oder anderen wird so der Spiegel vorgehalten. Es liegt an uns, ob wir hineinsehen und erkennen oder nicht.
Vor uns spielt sich ein eher tragischer als komischer Zirkus ab, eine abgründige Offenbarung des menschlichen Wesens, ein Seelen-Striptease, bei dem jeder die Hüllen fallen lässt, sich aber warm angezogen fühlt. Man steht aber dennoch unbeteiligt dabei. Ich zumindest bin mit den Charakteren nicht so recht warm geworden. Das liegt aber weniger am Schreibstil als vielmehr an meiner eigenen Sicht auf die Dinge. Manche Interna einzelner Familienangehöriger gehen mich auch einfach nichts an, sind nebensächlich. Die Familie bleibt unter sich. Interessant wiederum ist die Meinung, die jeder so für sich privat über die anderen hat. Der Leser ist somit stets der Einzige, der alles weiß.
Im ersten Teil des Buches ist noch alles soweit in Ordnung, doch die An(Spannung) steigt mit der Angst der Geschwister, zu kurz zu kommen. Der Ton wird allmählich schärfer. Diese Steigerung flaut allerdings hin und wieder ab, weil die Handlung sich zeitweise in Nebensächlichkeiten verliert und man als Leser den Eindruck hat, dass die Handlung abschweift.
Eine Analyse des Miteinanders bleibt auch im zweiten Teil aus. Jeder dreht sich um sich. Es wird ruhiger. Die Konfrontationen verebben, jeder leckt seine Wunden, die das Leben schlug. Bedauernswert einerseits, doch nicht zu bedauern andererseits. Eine gehobene Gesellschaft und doch irgendwie verkommen.
Der letzte Teil des Buch beinhaltet die Konsequenzen, die jeder für sich aus den Geschehnissen zieht. Eine gewisse, wenn auch für manches Familienmitglied unbefriedigende Struktur ist wieder erkennbar. Hat sich wirklich etwas verändert? Geht nun wieder jeder seiner Wege, driftet man wieder auseinander?
Eine Handlung, die bei mir nach dem Lesen schnell verblassen wird, tangieren die Befindlichkeiten dieser Familie meine eigenen glücklicherweise nicht im geringsten.

Bewertung vom 16.10.2016
Ormog
Engel, Thomas

Ormog


gut

Die jungen Leser werden es vielleicht nicht mitbekommen, doch der Prolog liest sich für mich wie eine kindgerecht beschriebene Zusammenfassung derzeitiger politischer und gesellschaftlicher Ereignisse. Anderer Planet, gleiches Dilemma also?
Unabhängig davon kommt das Buch auch so sehr komplex und damit anspruchsvoll daher. In ihm finden die unterschiedlichsten Genre ihren Anklang – Märchen, Fantasy, Science Fiction, Historie, Action, Mantel- und Degen-Mentalität. Romantische Momente sind hingegen kaum zu finden, was diese Lektüre wiederum mehr für Jungen / angehende Männer favorisiert.
Auch spielen hier Menschen nur eine Nebenrolle. Sie leben lediglich mit im Land der Magier, werden geduldet. Sie nützen an sich nicht viel, sind sie doch schwach und keiner Magie mächtig. Auf sie wird dementsprechend wenig Rücksicht genommen, womit die Magier beider verfeindeter Seiten zusätzlichen Hass auf sich ziehen. Konfliktpotential, Dunkelheit und Disharmonie sind also mehr als genug vorhanden.
Auf Magnus, speziell im Land Kamal ist Zauberei eine Selbstverständlichkeit. Zwischen dem Weißen Orden, dem auch Ormog angehört und der Scharzen Gorgul-Sekte ist ein ungeheurer Machtkampf im Gange, der auch mit allen Mitteln ausgefochten wird. Keine heile Welt und auch kaum Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Begrifflichkeiten wie Meuchelmord, Verlangen nach Blut, Brandgeschosse, Schreie von Sterbenden etc. verdeutlichen drastisch, wie gewalttätig und unnachgiebig sich die Parteien bekämpfen und ist daher eher nichts für zartbesaitete Leser. Die komplexe Handlung mit ihren verschiedenen Zeit- und Handlungssträngen kann ebenso leicht überfordern wie die schwer einprägsamen Phantasienamen. Der epenhafte Roman ist doch eher besser für Viel- denn für Erstleser geeignet.
Die Vergangenheit und das Jetzt wechseln sich ab, ebenso die Berichte der einzelnen Handelnden. Obwohl die einzelnen Kapitel getrennt und eindeutig benannt sind, muss man als Leser doch immer wieder umdenken, damit man einigermaßen folgen kann. Das macht das Lesen allerdings sehr unruhig und stockend. Ab der Buchmitte kehrt dann diesbezüglich etwas „Ruhe“ ein. Die einzelnen Stränge haben sich verbunden oder laufen alle in dieselbe Richtung.
Als Buch ist der Lesekreis doch ziemlich eingeschränkt. Es wäre daher wünschenswert, wenn es eines Tages verfilmt werden würde, damit mehr junge Leute einen Zugang zu dieser beispielhaften Geschichte finden.

Bewertung vom 06.10.2016
Wunderbare Möglichkeiten
Mai, Manfred

Wunderbare Möglichkeiten


ausgezeichnet

Ein tiefgründiges Kinderbuch, das auch Erwachsene lesen sollten; Kinder mit ihren Eltern gemeinsam, bietet es doch eine einzigartige Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen, sich wirklich einmal auszutauschen und sich miteinander zu beschäftigen. Eigene Kindheitserinnerungen werden wach. Man kann die Eltern wieder hören, wie sie einst sagten: „Das ist nun einmal so. Dafür bist du noch zu jung. Das verstehst du noch nicht.“
All das bekommt auch der 11jährige Maximilian des öfteren zu hören. Belesen, redegewandt und neugierig auf das Leben, das ihm viele Fragen stellt. Obwohl er von den Erwachsenen nicht ernst genommen wird, findet er sich nicht damit ab. Er macht sich nach wie vor viele Gedanken und stellt seinerseits Fragen, die es in sich haben. Ist alles nur Zufall, was geschieht oder steckt ein Plan dahinter? Welche Chance hat da noch der Einzelne? Kann man unter diesen Umständen noch Akteur sein oder ist man nur ein Spielball des Schicksals? Soll man sich treiben lassen oder gegensteuern? Dieses Dilemma ist der Dreh- und Angelpunkt des Buches, stößt es doch ähnlich wie eine Billardkugel alle Bereiche des Lebens an. Bindungen und Beziehungen werden hinterfragt ohne sie dabei wertend auf den Prüfstand zu stellen.
Unglaublich, wie sich Maximilian ernsthaft damit auseinandersetzt warum man überhaupt dieses oder jenes tut. Doch ihm fehlen Gleichgesinnte, Freunde, mit denen er sich wirklich austauschen kann. In Yasin hat er zwar einen sehr guten Freund, der ihm, dem häufig in Gedanken versunkenen Maximilian, den Rücken frei hält, doch ein wirklich Vertrauter im Geiste ist er eben nicht.
Seine tiefgründige Gedankenwelt ist durch eine Veränderung der Schriftart vom realen Geschehen abgegrenzt. Die Begebenheiten um ihn herum sind zwar nicht nebensächlich, doch das Hauptaugenmerk liegt eben auf den Gedanken, die sich der Junge so macht. Die Kontroverse dabei ist, dass das Handeln die Gedanken eher beeinflusst, als umgekehrt. Und so soll es ja eigentlich nicht sein.
In diesem Alter werden sich gewiss nicht viele Kinder mit solchen Themen beschäftigen. Aber manche tun es eben doch. Da dieses Buch nicht alle Kinder ansprechen wird, ist es aber ein sehr gutes Barometer und ein Plädoyer für das (Nach)Denken – in jedem Alter. Es ist ein Geschenk, das man sich selbst machen kann. Zwischen vergeistigt sein und tun, was einem gerade in den Kopf schießt, tut sich ein weiter Spiel- und Handlungsraum für jeden Einzelnen auf und bietet wunderbare Möglichkeiten. Ob nun Zufall oder Plan, die dritte Variable ist man selbst.

Bewertung vom 01.10.2016
Was geschah um 16:08? / Travis Delaney Bd.1
Brooks, Kevin

Was geschah um 16:08? / Travis Delaney Bd.1


gut

Den heutigen Heranwachsenden kann man da schon etwas mehr zutrauen; sollte man sogar. Entstanden ist eine spannende Mischung aus Kinderbuch, Kriminalroman und Detektivgeschichte. Opfer, Trauer, Tätersuche – und mittendrin der 13jährige Travis Delaney. Die Handlung setzt bei der Beerdigung seiner Eltern ein. Travis bemerkt trotz seiner Traurigkeit einen ungebetenen Gast, einen ihm unbekannten Mann, der ihn und das Geschehen zu beobachten scheint. Als er noch dazu die Kamera bemerkt, mit der alles von dem Mann gefilmt wird, wird Travis argwöhnisch. Er hat eine böse Ahnung: wurden seine geliebten Eltern etwa ermordet? Wem waren sie zuletzt auf der Spur? Was haben sie herausgefunden, dass man sich genötigt sah, sie auf diese perfide Art für immer zum Schweigen zu bringen? Sie waren doch immer so vorsichtig.
Der frühe Tod der Eltern, ein Alptraum für jedes Kind. Und jetzt noch dieser ungeheure Verdacht. Der Junge hört auf seine innere Stimme und beginnt zu recherchieren. Aus dieser tiefen Trauer und den aufkeimenden Zweifeln erwächst die Spannung für den Leser. Aber was kann ein Kind gegen das sich eröffnende Mysterium ausrichten? Travis ist unwahrscheinlich tapfer und mutig. Unverdrossen nimmt er das Vermächtnis an, die Mörder seiner Eltern ausfindig zu machen. Man fühl mit ihm und möchte unbedingt, dass er die Schuldigen findet und dass ihm dabei nichts geschieht.
Er selbst hat sich erstaunlich schnell gefangen. Die Suche beginnt im Büro der Eltern. Tausend Gedanken gehen ihm durch den Kopf, ebenso dem jungen Leser. Die Hauptperson ist ja auch im selben Alter. Dadurch fesselt seine Situation noch mehr. Travis ist sehr reif und verständig für seine Jugend. Ihm wird jetzt erst so richtig klar, wie sehr seine Eltern ihm Vorbild waren, wie sehr er unbewusst von ihnen gelernt hat. Dies kommt ihm aber nun sehr zu gute. Er sucht verschiedene Lokalitäten auf, spricht mit sehr vielen Menschen verschiedenster Kolör. Dabei stellt er Fragen, wie es selbst ein ausgebildeter Kriminalkommissar nicht besser könnte. Dabei erkennt man das Kind, das er ja nun mal auch noch ist, kaum wieder. Der Personenkreis erweitert sich, je tiefer er sich in die Materie gräbt.
Trotz der vielen Dialoge und Ereignisse bleibt der Satzbau verständlich einfach und es wird nicht hastig erzählt. Das ändert sich aber nach dem ersten Drittel des Buches. Es werden Begebenheiten beschrieben, wo man auch gut den Jungen in Travis erkennen kann, seine Naivität und Offenherzigkeit. Das durchbricht den bisher erlangten Spannungsbogen teilweise und baut gleichzeitig auch eine Brücke zum Genre Kinderbuch. Turbulenzen treten auf, Action tritt in den Vordergrund. Es wird unruhiger, die kriminalistisch dominierte Spannung verändert sich, wie ich finde, etwas nachteilig. Eine Straßen-Kid-Gang ist nun ebenso involviert wie der britische Geheimdienst. Für mich als Erwachsenen zwar zu abstrus und wie mit Macht auf Unterhaltung getrimmt, werden die Jungen Leser dies mit Sicherheit nicht bemerken und einfach begeistert weiterlesen. Dennoch ein gelungener Auftakt für eine Kinder-Krimi-Reihe, weiß man doch nun alles über Travis, was es zu wissen gibt. Er kann ja das nächste mal auch etwas kleinere Bötchen backen. Das große Brot hat er ja hiermit gebacken.

Bewertung vom 28.09.2016
Brot backen in Perfektion mit Hefe
Geißler, Lutz

Brot backen in Perfektion mit Hefe


ausgezeichnet

Ein Buch, wie das Brot selbst – groß, dick und prall gefüllt mit gesunden Zutaten. Alles für Brot, Brötchen und Süßgebäck aus der eigenen „Backstube“. Kein einziges Wort des Klappentextes ist übertrieben. Nur da weiß man, was wirklich drin ist. Brotbackautomat adé! Der Autor steht praktisch mit Rat und Tat zur Seite, für mich als Backanfänger beruhigend und äußerst hilfreich. Auf alle Eventualitäten geht er ein, man muss nur etwas weiter- oder zurück blättern. Es wird allzu deutlich, dass er wirklich liebt, was er tut. Er gibt in diesem Buch den „Teig“ an uns weiter, mit Enthusiasmus, Motivation, diversen Rezepten und umfangreichen Anleitungen. Wenn das Grund-Prozedere erst einmal sitzt, ist alles andere nicht mehr schwer.
Übung macht auch hier den Meister und man verfeinert zunehmend regelrecht sein Gespür für den Teig, die Zeiteinteilung und ggf. notwendige Korrekturen. Ich würde es mit dem Stricken vergleichen. Grundprinzip erkannt, Mustervorlagen bitte! Ausprobiert habe ich als erstes das Dinkelbrot. Das kam nicht von ungefähr. Eine Freundin von mir leidet seit einiger Zeit unter einer Weizen-Unverträglichkeit. Bäcker bestätigten ihr, dass an sich an jeder erhältlichen Brotsorte immer etwas Weizen mit beigemengt ist. Wie eingeschränkt sie war, da musste ich etwas unternehmen. Mein erstes Dinkelbrot sah zugegeben etwas anders aus, als auf dem Foto; komische Form und sehr fest. Ich ahnte es bereits, hatte ich mir zu Beginn nicht gerade das leichteste Brotrezept herausgesucht. Die Zutaten habe ich mir zu überraschend günstigen Preisen im Internet bestellt. Ja, selbst gebackenes Brot ist teurer als das im Laden, doch das ist es Wert. Man kauf gleichzeitig individuelles Zubereiten, gesunde Ernährung, Freude am Brot backen und Kontrolle über die Inhaltsstoffe mit ein. Trotzdem total stolz auf mein Erstlingswerk lud ich meine Allergie geplagte Freundin ein. Serviert, wie empfohlen mit einem milden Käse, hat es wunderbar geschmeckt, auch irgendwie intensiver und vor allem: es ist ihr sehr gut bekommen! Die Kreativität steigt mit dem Erfolg. Individuelles Backen leicht gemacht, mit gesunden Zutaten. Das alles muss keinesfalls aus einer Notwenigkeit heraus entstehen, wie es bei mir der Fall war. Man selbst entscheidet und kreiert. Man stellt selbst, mit der eigenen Hände Arbeit, ein Nahrungsmittel her. In Zeiten von Fastfood und Tütensuppe ist das was! Es entspannt, man nimmt sich einfach die Zeit – und genießt so schon den Herstellungsprozess. Die wirklich zahlreichen Backvorschläge können erweitert und so noch individueller an die eigenen Geschmacksvorlieben angepasst. Eigene Hände, eigener Herd – und dieses Buch reichen aus, um Horizonte zu öffnen. Das, was dabei entsteht, bekommt man wahrlich in keiner Bäckerei zu kaufen.

Bewertung vom 21.09.2016
Von Krösus lernen, wie man den Goldesel melkt
Schnoy, Sebastian

Von Krösus lernen, wie man den Goldesel melkt


gut

Hand aufs Geldtäschchen, wer träumt nicht davon, reich zu sein oder zumindest genug Geld zu haben, verbindet man doch damit schon über Jahrhunderte hinweg Zufriedenheit, gesellschaftlichen Aufstieg, Macht und sogar Glück. Arm und Reich, getrennt durch die Verhältnisse, verbindet doch dieses uralte und vielleicht auch ewige Streben. Wider besseren Wissens, so scheint es. Geld macht definitiv nicht glücklicher. Im Gegensatz dazu ist leider ebenso wahr, dass Geld die Welt regiert. Alles hat seinen Preis.
Vielversprechend schon das Kapitelverzeichnis. Schulden bei der GEZ, der Zins im Islam, die Abschaffung des Bargeldes, die reichsten Menschen der Welt, Schwarze Freitage, was kostet die Liebe, unverkäufliche Dinge beispielsweise sollen näher betrachtet werden. Das Feld ist weit und unübersichtlich. Doch Schnoy bahnt sich einen für uns recht unterhaltsamen Weg hindurch – bis an den Horizont, und darüber hinaus. Grenzen, Möglichkeiten und Moral werden dabei gewollt überschritten, die sich gegenseitig immer wieder anstoßende Wechselwirkung zwischen Ursache und Ertrag werden historisch fundiert, psychologisch erklärt und philosophisch unterfüttert.
Ja, es geht nur um den schnöden Mammon. Dennoch hat man beim Lesen der teils witzigen aber immer anspruchsvollen Lektüre das angenehme Gefühl, sich selbst für einen Augenblick der Jagd zu entziehen und genüsslich andere bei ihrer Hatz zu beobachten.
Wohin wird das alles führen? Wie lange kann das noch gut gehen? Eine alte Weissagung der Indianer besagt: Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann. Keiner von uns wird sich zwar daran beteiligt fühlen, doch genau das ist mit im Gewinn enthalten, von dem ja jeder etwas (mehr, mehr, mehr) abhaben will. Hinzu kommt, dass Geiz geht schon geil genug ist. Ich bin reich! Oder doch besser: Es reicht?
So weit und so kritisch geht das Buch bei Weitem nicht, das ist auch nicht das Anliegen des Autors. Zwar geht Schnoy wirklich unparteiisch und unvoreingenommen ans Werk, doch wirkt seine Abhandlung damit bisweilen auch unbeteiligt und oberflächlich. Eine echte Analyse findet nicht statt, aber immerhin eine sehr umfangreiche Bestandsaufnahme, die etwas andere Daseinsinventur. Man sollte das Buch daher zwar ernst nehmen, dennoch mit Humor betrachten. Andere Länder, KEINE anderen Sitten. Was oder besser wer macht das Treiben wirklich verrückt?
Immens viele Fakten, Meinungen, Sachverhalte, Machenschaften und Zitate aus verschiedenen Epochen und Kulturen stehen sich gegenüber und bauen aufeinander auf. Durch das ständige Switchen zwischen den geschichtlichen und gesellschaftlichen Bereichen, der Arbeitswelt und dem Privaten lässt keine Tiefenschürfung zu. Es bleibt zwar durchweg informativ und unterhaltsam, doch manches hätte ich eben doch gerne noch etwas genauer gewusst. Ein riesiger Background, doch keine Abrechnung, kein Ergebnis.
Die persönliche Meinung zum Thema Geld, dem Haben und Wollen, das damit verbunden ist, wird das Lesen des Buches nicht verändern. Und auch so wird alles bleiben, wie es ist. Aufrechnen und heimzahlen kann man ja bekanntlich auch ohne Geld. Und umgekehrt kann man auch mit Geld Schuld(en), Verluste oder etwas gut haben.
Ich stimme dem Autor zu – es gab eine Welt vor dem Geld und es wird eine nach dem Geld geben. Übrig aber bleiben in jedem Falle wir. Jeder ist mit im großen Hamsterrad, doch das Tempo und die Intensität des Mitstrampelns können wir ein gutes Stück weit doch immer noch selbst bestimmen. Und so soll der Hund ruhig auf den großen Haufen gehen, ich erfreue mich an meinem Kleinvieh und lächle dem sich mühsam ernährenden Eichhörnchen zu. Es zwinkert zurück.

Bewertung vom 10.09.2016
Life changing Food
Fischer, Eva

Life changing Food


ausgezeichnet

Du bist, was du isst, wie wahr ist dieser Spruch. Gehören doch vor allem Wille, Einsicht und Motivation dazu, um eine Veränderung herbei zu führen – im Leben, in der Person, im Denken und bei den Essgewohnheiten. Man muss sich auf dieses Buch einlassen, Zeit haben und ein gewisses Grundbedürfnis, vielleicht auch eine Art Leidensdruck verspüren, bisheriges verändern zu wollen. Der Klappentext ist zusätzlich sehr viel verheißend. In den Ausführungen ist von Verjüngung, Ausstrahlung, Leistungsfähigkeit und Schlankheit die Rede. Jeder kommt früher oder später einmal an einen Punkt, an dem er sich sagt „so kann es nicht weitergehen“. Für Eva Fischer war es die Diagnose Zöliakie, die sie dazu bewog, sich intensivst mit dem Thema Ernährung auseinander zu setzen. Inwieweit das Koch- und, ja, auch Lebenshilfebuch tatsächlich ein Weg zum Glück ist, hängt allerdings von jedem selbst ab. Doch der Glaube versetzt ja gewöhnlich auch Berge. Die Autorin ist überzeugt von ihrer Methode. Zusammen mit ihren zahlreichen Tipps, eigenen sehr persönlichen Erfahrungen und neuesten wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen, ist sie sehr glaubwürdig und wirkt auf den Leser außerdem sehr verständnisvoll und vor allem motivierend, es selbst einmal zu versuchen. Ein Buch als täglicher Begleiter, das man nicht einfach aufmacht, etwas daraus kocht und dann wieder schließt. Es ist ein Sammelsurium aus Dingen, die einen Großteil des Lebens abdecken. Nicht nur „das Buch und ich“, nein, wenn man in ihm liest, ist es, als befindet man sich in einer Gruppe Gleichgesinnter, steht also nicht allein mit seinem Problem da. Hat man das Anliegen der Autorin, ihre Ideen und ihre Anleitungen verinnerlicht, stellt die LCF – Methode eine gesunde Alternative dar, die erheblich länger nachwirkt als 21 Tage, vielleicht sogar ein Leben lang. Es ist erstaunlich, wie alles zusammen hängt. Behutsam führt Eva Fischer an die Thematik heran. Sie hat auch sonst an alles gedacht – Mahlzeiten, die den gesamten Tag abdecken, auch das „kleine Hüngerchen“ oder die vielleicht eintretende Motivations-Flaute behält sie gekonnt im Blick. Die Zutaten sind mitunter neu, weil ja bisher auch selten oder nie verwendet. Eine Beschaffung selbiger, u.a. was die verschiedenen Nussarten und Gewürze betrifft sollte im Zeitalter des Internet keine Hürde darstellen. Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen. In diesem Fall ist es die Liebe zu sich selbst; in rein positivem Sinne versteht sich. Dieses Buch bietet die Möglichkeit, um aus der Spirale einen Kreis zu machen, der sich endlich schließt.