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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Elohym78
Wohnort: 
Horhausen

Bewertungen

Insgesamt 381 Bewertungen
Bewertung vom 10.08.2022
Snowflake
Nealon, Louise

Snowflake


ausgezeichnet

An Debbies erstem Tag an der Uni geht einfach alles schief und sie merkt schnell, dass sie mit ihrer gutgläubigen und zuversichtlichen Art hier falsch ist. Statt bei ihren Fehlern Hilfe zu bekommen, erntet sie Spott, auch wenn die anderen dies durchaus nicht böse meinen. Debbies eigentlich schönster Tag entwickelt sich mehr und mehr zu einem Alptraum, dem sie einfach nur entkommen möchte. Doch nach und nach findet sie sich im Uni-Leben ein, vor allem Dank der Hilfe Xanthes, die ihr mit Rat und Tat zur Seite steht. Xanthe ist auch etwas anders, überspielt dies aber geschickter.

Das Cover zeigt Debbie, die an der Wasserkante steht und aufs Meer hinaus blickt. Debbie ist in schatten-schwarz gehalten, als wenn sie erst aus dem Dunkel ins Licht treten müsste, damit sie ganz zu sehen ist. Das Meer schimmert in einem flüchtigen Morgenrot und verspricht einen neuen Tag. Das Dunkel geht, die Helligkeit kommt. Ich finde das Bild wunderschön zu Titel und Inhalt des Buches gewählt und hätte mir kein schöneres und ausdrucksstärkeres Bild wünschen können.

Louise Nealon beschreibt Debbies Leben, Denken und Fühlen ungewohnt eindringlich und berührend. Ich fühlte mich sofort angesprochen und konnte Debbies Gefühle nachvollziehen. Die Hoffnung, die Freude auf ihren neuen Lebensabschnitt und ihr Verletzt sein ob der Zurückweisung. Ich habe schallend gelacht, Tränen geweint, mich maßlos geärgert, mich fremd geschämt und war gelangweilt. Kurz: Ich habe das Buch gelebt und konnte mich komplett in Debbies ungewöhnliches Leben fallen lassen. Mir kam es allerdings nur so ungewöhnlich vor, weil sie als junge Frau auf der einen Seite absolut weltfremd zu sein scheint und dann wieder wie eine Mensch, der schon unfassbar viel Lebenserfahrung gesammelt hat. In ihrer Welt, der Welt des Bauernhofes und des Dorflebens hat sie schon alles mitgemacht; jeglichen Höhen und Tiefen erlebt und als sie den Schritt an die Universität macht, betritt Debbie eine neue Welt. Vermutlich geht es jedem von uns so, nur keiner spricht offen darüber. Beziehungsweise, die meisten Menschen haben es gelernt, ihre Fehler zu kaschieren; Debbie nicht. Sie spiegelt ihre Selbstzweifel und ihre Unsicherheit nach außen.

Louise Nealon ist mit Debbie eine herzerwärmende Protagonistin gelungen, die mich von der ersten Seite an berührte. Debbie ist so einzigartig wie eine Schneeflocke, aber längst nicht so zerbrechlich. Auch wenn sie ihre innere Stärke erst finden und erkennen muss. Denn Debbie trägt ihre Wünsche wie Löwenzahn mit sich. Leicht, für jeden zugänglich, luftig und doch unbeugsam. Eine luftige Mischung, die eisern sein kann. Ohne wenn und aber arbeitet sie auf dem Bauernhof mit, kümmert sich um ihre debile Mutter und ihren kauzigen Onkel. Ganz selbstverständlich und zieht keine Sekunde in Zweifel, dass es anders sein könnte. Erst der abgewandte Blick zeigt ihr andere Möglichkeiten und neue Wege. Wege, die nicht besser oder schlechter sind, sondern anders.

Mein Fazit
Ein wunderschönes, berührendes und tiefes Buch. Mein bisheriges Highlight!

Bewertung vom 07.08.2022
Sharing - Willst du wirklich alles teilen?
Strobel, Arno

Sharing - Willst du wirklich alles teilen?


sehr gut

Markus wartet. Und wartet. Doch seine Frau Bettina kommt nicht wie abgesprochen nach Hause. Stattdessen meldet sich ein Fremder und gibt ihm einen Link, der Markus ins Darknet führt. Zu einer Internetseite, auf der seine Bettina unter den Augen von tausenden Usern geteilt wird. Morgens liegt sie tot in einer ihrer Wohnung. Schnell ist für die Polizei klar, dass Markus der Täter ist. Doch dann verschwindet auch noch seine Tochter Leoni und gnadenloser Wettkampf gegen die Zeit beginnt.

Das Cover zeigt ein Smartphone-Display, auf dem der Kopf einer Frau zu erkennen ist. Über ihre Augen ist ein gelber Klebestreifen geklebt, der einen Großteil des Gesichts unkenntlich macht. Besonders inspirierend fand ich das gewählte Bild nicht. Es hat zwar den Inhalt des Buches perfekt widergespiegelt, berührt hat es mich allerdings nichts.

Arno Strobel ist mir als Autor von interessanten und spannenden Thrillern bekannt. Mit dementsprechend hohen Erwartungen ging ich an das Buch heran und wurde absolut nicht enttäuscht! Von der ersten Seite an ist es dem Autor mal wieder gelungen, mich in seinen Bann zu schlagen. Mit seinem unnachahmlich hohen Tempo stieg er sofort in die Handlung ein und schaffte es auch, den Spannungsbogen nicht nur hoch zu halten, sondern sogar, das Tempo noch zu steigern und den Druck zu erhöhen. Mal wand sich die Handlung hier hin, mal dort hin und ich begleitete Markus auf der Suche nach den Mördern seiner Frau Bettina und Entführern seiner Tochter Leonie. Dabei gerät er immer stärker ins Fadenkreuz der Ermittlungen und ja, auch ich zweifelte mehr und mehr an seiner Unschuld. Mit perfider Bösartigkeit säte Arno Strobel Zweifel an der Unschuld von Markus und der grandiosen Idee seiner Sharing-Firma und das Saatkorn ging auf. Nur mit Mühe konnte ich mich dem Strudel der Gewalt und der Schuldzuweisung entziehen und objektiv auf die Geschehnisse blicken. Bis mich doch wieder die Ereignisse mitrissen.

Das Thema Sharing finde ich spannend und gut gewählt. Auch, dass es von Arno Strobel nicht als das Allheilmittel hingestellt wird. Stattdessen geht der Autor mit Sinn und Verstand an die Sache und zeigt neben den Vorteilen auch Nachteile auf, die jeder für sich selber ergründen sollte. Verantwortung steht an erster Stelle. Aber nicht nur die für die zu teilenden Dinge, sondern auch der verantwortungsvolle Umgang der Nutzer mit den Dingen. Es kann nur funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen. Neben diesem interessanten Thema stand auch das Darknet im Mittelpunkt, dass wie das Sharing eigentlich als gute, ja hervorragende Sache geplant gewesen war. Sollte es verfolgten Menschen helfen, ihre Meinung in die weite Welt zu tragen, ohne Angst vor Verfolgung und Tod, entdeckten es bald Verbrecher für sich. Das Darknet an sich, ist nicht schlecht oder schlimm, nur das, was wir daraus oft machen. Sharing und Darknet sind mit Sicherheit kontrovers diskutierte Themen, die Arno Strobel wunderbar in seinem Buch umsetzt.

Mein Fazit
Ein bösartiger, brutaler und rasant spannender Thriller!

Bewertung vom 02.08.2022
Mörderische Masche / Der Häkelclub ermittelt Bd.1
Letterman, Karla

Mörderische Masche / Der Häkelclub ermittelt Bd.1


sehr gut

Nach dem Unfalltod seiner Frau Maike, steht Henri völlig neben sich. Nur mit Mühe kann sich der junge Witwer aus seiner Lethargie reißen und das Leben in Angriff nehmen. Denn neben Maikes Laden Nähschiff & Nadelflotte warten einige Überraschungen auf Häkel-Henri, wie er bald schon genannt wird.

Das Cover zeigt ein Häkeldeckchen und Totenkopfmotiv, auf dessen feine Spitze Blut tropft. Männerhände halten die blutige Nadel, während eine herrenlose Schere den Faden gekappt hat, der das Motiv fertig stellen sollte. Das Bild wirkt auf mich lustig-bösartig und hat mich zusammen mit dem Klapptext neugierig auf das Buch gemacht.

Von komisch bis traurig über spannend und mysteriös, war einfach alles in dem Häkel-Krimi von Karla Letterman vertreten. Der lebendige Schreibstil der Autorin fesselte mich von der ersten Seite an und brachte mich oft zum Schmunzeln. Tiefgründig erschien mir Karla Lettermans Stil anfangs nicht, aber bewegend; die Dialoge voller Esprit und die Handlung öffnete sich erst nach und nach vor meinen Augen. Zu Beginn des Buches dachte ich mir nicht viel bei dem Tod von Maike, doch nach und nach entfernte sich der Schleier des Hinnehmens, in gleichem Maße, wie Henri gegen seine tiefe Trauer kämpfte und nach den Gründen für ihren Tod forscht.

Henri sinnt nicht auf Rache, er ist kein bösartiger, rachsüchtiger Mensch, aber er möchte verstehen. Und genau das, macht ihn in meinen Augen so sympathisch. Er ist nicht Kopflos, sondern überlegt und würde niemals bösartig auf andere los gehen. Durch die Bank weg haben mich alle Charaktere begeistert und fasziniert! Egal ob jung oder alt, männlich oder weiblich, alle haben mich interessiert, da Karla Letterman sie so lebendig und lebensnah beschrieb, dass ich fast das Gefühl bekam, sie schreibt über nahe Bekannte. Auch hier greift ein Rädchen ins andere. Eine Person, die anfangs nur eine Randfigur war, tritt aus dem Schatten in den Mittelpunkt. Speziell die Namen zauberten mir immer wieder ein breites Grinsen ins Gesicht: Ob das die Kneipe Max Muckefuck war, Maikes Mitarbeiterin Frollein Edda oder die Tierärztin Peggy Pump. Hinter jeder Person steckt ein weiterer, wenn auch kleinere Handlungsfaden, der sich mit der Gesamtgeschichte zu einem Häkeldeckchen vereinte und erst dann eine runde Sache gab.

Oft machte ich mit Gedanken, in welche Richtung sich die Handlung wohl entwickelt, was hinter Maikes Tod steht und wie es wohl mit dem kleinen Nähladen weiter gehen wird, aber dann kam es zum einen ganz anders, als ich es mir gedacht hatte und zum anderen wollte ich mich auch viel lieber einfach von der Handlung treiben lassen. Denn genau dazu lädt die Autorin ein: Rätseln und treiben lassen. Eine gekonnt schöne, sommerliche Erzählstrategie, die mich begeistert!

Mein Fazit
Ein kleiner Häkel-Krimi ganz groß mit immer wieder überraschenden Wendungen und tollen Charakteren.

Bewertung vom 27.07.2022
Der schönste Zufall meines Lebens
Williams, Laura Jane

Der schönste Zufall meines Lebens


sehr gut

Eigentlich läuft alles super in Pennys Leben: Sie hat den Krebs besiegt, führt ein erfolgreiches Café in London und fühlt sich geborgen im Schoß ihrer Familie. Doch ein Wunsch bleibt: Der Wunsch nach einem Partner für's Leben und eigene Kinder. Doch alles tritt in den Hintergrund, als ihr Onkel David zusammenbricht. Kurzentschlossen übernimmt Penny seinen Pub. Und nicht nur der Pub gibt ihrem Leben eine neue Wendung, sondern auch die Männer, die ihren Weg kreuzen.

Das Cover ist in himmelblau gehalten. Es zeigt Penny, bepackt mit einem kleinen Köfferchen, bereit zum Aufbruch und ihre drei Männer. Alle verbunden durch eine Linie. Die drei Männer sind unterschiedlich dargestellt, genauso, wie sie auch wirklich sind und mir machte es viel Spaß, die Bilder den Protagonisten zuzuordnen.

Auch wenn das Buch mit einer Trennung und Tränen beginnt, hat es mich ab der ersten Seite begeistert und Spaß gemacht! Ja, Liebe schmerzt, ist aber auch wunderschön und absolut erstrebenswert. Und genau dieses Achterbahngefühl vermittelt Laura Jane Williams gekonnt und lebhaft. Ich stand mit Penny vor ihrem Café und verdrückte mir eine Abschiedsträne, ebenso wie mir bei ihrem Flirtversuch die Röte ins Gesicht schoss. Über kurze Intervalle waren Trauer und Freude vertreten und deswegen wirkte das Gelesene auf mich so lebendig und einfach toll! An einigen Stellen war die Handlung frivol und frech, aber das machte den besonderen Charme aus, denn Liebe ist nicht nur Kuscheln, sondern so viel mehr!
Allerdings wird schnell deutlich, dass Penny nicht nur auf der Suche nach einem Mann für's Leben ist, sondern sich auch selber finden muss. Laura Jane Williams schildert dies nicht drückend schwer, es ist keine Sinnkriese, sondern einfach eine Frau auf der Suche nach ihrem Leben, auf die mich die Autorin mitnahm. Sehr gerne begleitete ich Penny auf ihrer Achterbahnfahrt der Gefühle und checkte die Männer gemeinsam mit ihr ab. Dank der besonderen Intensität, die Laura Jane Williams vermittelte, fühlte ich mich nicht als Leserin, sondern als Freundin, der Penny ihr Herz ausschütten kann.
Auch die Atmosphäre hat mir gut gefallen. Mal im quirligen London und in Penny Café, dann in einem eher beschaulichen, gediegenen Pub. Zwei Orte, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, deren Gegensätzlichkeit Penny für ihre Entwicklung allerdings dringend zu brauchen scheint. Will sie Ruhe und Frieden, oder doch eher Action? Die drei Männer scheinen zu jedem Lebensabschnitt zu passen, aber welcher alle Wünsche Pennys vereint, klärt sich nicht ganz so schnell, wie ich anfangs dachte.

Mein Fazit
Ein lockerer und leichter Sommerroman, den ich in einem Rutsch verschlungen habe.

Bewertung vom 17.07.2022
Tot ist sie dein
Casoy, Ilana;Montes, Raphael

Tot ist sie dein


ausgezeichnet

Vor den Augen der Kriminalkommissarin Veronica Torres stürzt sich eine verzweifelte Frau aus dem Fenster. Marta Campos war kurz zu vor bei Veronicas Chef Carvana gewesen, um Anzeige gegen einen Betrüger zu erstattet. Doch sie wurde nicht ernst genommen. Veronica nimmt sie ernst und beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Bald muss die feststellen, dass nicht nur ein Betrüger unterwegs ist, sondern auch ein Serienmörder sein Unwesen treibt.

Eine Holzkiste mit Luftlöchern und blutigen Handabdrücken. Steiniger Boden und Nachtschwärze und somit Angst, Grauen und Ausweglosigkeit, sind die ersten Eindrücke, die das Buch auf mich vermitteln. Zusammen mit dem Klapptext ein Garant, dass ich einfach zu diesem Buch greifen musste!

Ilana Casoy und Raphael Montes schaffen eine bedrohliche und brutale Atmosphäre, deren Sog ich versucht habe zu entkommen. Doch Dank des starken Schreibstils der beiden, gelang dies nur mäßig und ich durfte einen Blick in den Abgrund riskieren. Hier scheint sich ein Thriller-Duo gefunden zu haben, dass unter die Haut geht! Besonders gut hat mir die Verflechtung der Kriminalfälle gefallen, die eigentlich schon jeder für sich ein eigenständiger Thriller hätten sein können! Doch zu keiner Sekunde kam bei mir das Gefühl auf, dass eine Handlung zu kurz oder eine Beschreibung zu ungenau gewesen war.
Gerne stellte ich mir vor, dass jeder der beiden Autoren einen Fall ausgetüftelt und als Bindeglied die bemerkenswerte Kommissarin Veronica Torres kreiert haben. Eine starke Frau mit starken Fehlern, die die Fäden in Händen hält und die Geschicke der Opfer lenkt. Mal ist mir Veronica sympathisch und ich bewundere ihre Art, nie aufzugeben, dann wieder halte ich sie für eine gescheiterte Existenz, die sich die Wahrheit zurecht biegt, wie sie sie gerade braucht. Für mich ist sie eine dunkle Heldin, geprägt von der vorherrschenden Korruption in Brasilien und den Vorurteilen, gegen Frauen und Polizisten. Sie will ein bodenständiges Familienleben, dass ihr Halt in dieser grausamen Welt gibt und gleichzeitig ist ihr das zu langweilig. Eine Frau mit Gegensätzen, die noch auf der Suche nach sich selber ist.

Rückblickend finde ich es faszinierend, dass neben so einer starken Protagonistin die eigentliche Handlung nicht in die zweite Reihe rutscht, sondern alles nebeneinander existieren kann. Ja sogar zwei Handlungsstränge in einer Geschichte funktionieren, ohne das ich den Faden verlor! In meinen Augen haben Ilana Casoy und Raphael Montes sich gesucht und gefunden. Voller Spannung warte ich auf ihr nächstes Buch, dass hoffentlich bald erscheinen wird!

Mein Fazit
Blutig, brutal und spannend bis zum Schluss! Grandios!

Bewertung vom 03.07.2022
Findelmädchen
Bernstein, Lilly

Findelmädchen


ausgezeichnet

Passend zu Weihnachten meldet sich der Vater von Helga und Jürgen und holt die beiden zurück in ihre Heimatstadt Köln. Während des Kriegs hatten Tante Claire und Onkel Albert die beiden Kinder bei sich aufgenommen, aber weiterhin nach deren leiblichen Eltern gesucht. Jetzt ist es endlich soweit und einer glücklichen Familienzusammenführung steht nichts mehr im Wege. Wären da nicht die schrecklichen Erinnerung an den Krieg, das Leid und das Elend, das immer noch auf deutschen Straßen herrscht.

Lilly Bernstein hat einen warmherzigen und interessanten Schreibstil. Ohne Probleme konnte ich mich in die beiden Kriegskinder Helga und Jürgen hineinversetzen. Ihren Schmerz nach empfinden, der sie entwurzelt und unglücklich zurück gelassen hat. Manchmal ist überleben nicht alles, wenn du kein Glück findest. Und diese beiden Kinder haben das Glück bisher noch nicht gefunden. Sie wurden zwar liebevoll von Tante Claire und Onkel Albert betreut und groß gezogen, aber dazugehört haben sie nicht wirklich. Das soll sich endlich in ihrer Heimat Köln ändern, doch auch hier steht den beiden viel im Weg. Zu aller erst sie sich selber. Während Jürgen der Neustart locker zu gelingen scheint, besteht Helgas Leben aus Kampf.
Jürgen findet eine Anstellung bei den Ford-Werken und geht in seiner Arbeit auf. Die Beschreibungen von Lilly Bernstein waren grandios und haben mir Freude und Staunen bereitet. Diese an Ehrfurcht grenzende Verehrung, bei Ford am Fließband arbeiten zu dürfen, ist heute nur noch schwer nachvollziehbar. So erging es mir mit unglaublich vielen Dingen, die die Autorin bildlich und lebendig schildert: Der erste Fernsehkoch und die Gerichte damals (Erfindung des Toast Hawaii), Tanzveranstaltungen, Schulbildung und der ganze Wiederaufbau der Stadt Köln lasen sich wie ein Abenteuerroman und doch war es erschreckend realistisch, da es eben kein fiktiver Ort zu einer fiktiven Zeit ist, sondern meine Heimat. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich die erwähnten Lieder aus dem Buch abgespielt habe, während des Lesens. Gedanklich flanierte ich über die Ringe, über den Eigelstein und erlebte eine Sitzung im Gürzenich. Alles mit Blick auf das Jetzt und gleichzeitig auf das Damals. Sehr viel fand ich wieder, noch mehr allerdings nicht. Besonders die Beschreibung der Hochbunker war mir nicht präsent: Heute Parkhaus, damals Lebensrettung.

Und diese ganzen Schilderungen der tatsächlichen Geschichte verflocht Lilly Bernstein mit den fiktiven Erzählungen über das Geschwisterpaar. Helgas Leben scheint typisch für die damalige Zeit. Für die Zeit des Umbruchs. Kaum vorstellbar, dass man als Frau die Unterschrift des Vaters oder Ehemanns benötigte, um einen Beruf ausüben zu dürfen! Aber noch schlimmer fand ich die Schilderung, dass es ledigen Müttern verboten ist, ein Kind groß zu ziehen. Die Autorin schildert nicht nur eine Zeit des Wandels, sondern auch zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit und Brutalität, die mir unter die Haut ging. Dabei hielt ich mir vor Augen, dass das alles noch gar nicht so lange her ist und der Kampf in vielen Dingen immer noch nicht vorbei ist. Helgas Geschichte steht sinnbildlich für die vieler Frauen, die ein gewisses Maß an Selbstbestimmung haben möchten. Während des Krieges auf sich selbst gestellt, sollen sie jetzt die Zügel wieder aus der Hand geben und andere bestimmen lassen? Merkwürdige Vorstellung. Doch Helga kämpft für sich, ihre Träume und ihre Ideale und diese Geschichte bewegte mich sehr.

Mein Fazit
Ein wunderbar geschriebenes Buch, das mich bewegte, berührte und begeisterte. Nicht nur, wegen des lebendigen Schreibstils, sondern weil es mir meine eigenen Familiengeschichte näher brachte.

Bewertung vom 29.06.2022
Das Letzte, was du hörst
Winkelmann, Andreas

Das Letzte, was du hörst


gut

Drei Frauen, drei Schicksale. Roya Mayer rast auf einer Landstraße zu ihrer Bekannten Martina Spiekermann, die ihren Selbstmord angekündigt hat und verunglückt dabei. Als Roya im Krankenhaus aufwacht, ist Martina tot.
Sarah Henschel sitzt nach der Arbeit im Bus und möchte heim, um sich endlich ihrem Lieblingspodcast anhören zu können. Doch ihr Freund nervt sie mit Anrufen und Nachrichten, da er ihre Liebe zu dem Podcast nicht nachvollziehen kann. Er sieht in dem Podcaster und Coaching-Experte Marc Maria Hagen ein Bedrohung und könnte damit Recht haben.
Kommissarin Carola Barreis hat Royas Hilferuf vernommen und begibt sich an den vermeintlichen Ort des Selbstmordes. Sie findet eine Tote. Aber ob es wirklich Selbstmord war ist fraglich. Ein Geräusch im Unterholz schreckt die Kommissarin auf. Kommissarin Barreis beginnt zu ermitteln und gerät schnell in ein Lügengespinst, das böser nicht sein könnte.

Drei Frauen, drei mal Angst. Ein wirklich gelungener Einstieg in das neue Buch von Andreas Winkelmann. Und das war wirklich nur der Einstieg. Denn Andreas Winkelmann feuert mal wieder ein Feuerwerk an Spannung, Brutalität und Angst ab, das mich von der ersten Seite an fesselte. Zu gerne begab ich mich mit der sehr speziellen Kommissarin Carola Barreis auf Spurensuche. Vom Leben jeglicher Illusionen beraubt, glaubt Carola einzig an das Schlechte im Menschen und hat damit mehr als recht. Trotzdem mag ich ihre Ermittlungsarbeit und ihre knauzige Art sehr. Denn ihr Ziel, das Böse Dingfest zu machen, verliert sie keine Sekunde aus den Augen. Sind die Wege zu diesem Ziel auch eher - nennen wir es mal - ungewöhnlich.
Da ist die Journalistin Roya Mayer schon ein anderes Kaliber. Wie ein Pitbull verbeißt sie sich zwar auch in ihre Ermittlungen, aber der Antrieb ist wesentlich persönlicher. Sie verlor nicht nur Mutter und Schwester, sondern auch ihren Vater. Allein auf sich gestellt, hat sie den selbst ernannten Coaching Experten und Podcast-Gurus den Kampf angesagt. Denn sie wollen nur an das Geld ihrer Opfer und verlieren aus dem Blick, dass hinter dem Geld Leben, Schicksale und Hoffnungen stehen. Oder nehmen billigend in Kauf, dass sie ihre Mitmenschen quälen und in den Tod treiben. Roya Mayer geht dagegen vor, speziell gegen den Podcast Hörgefühlt und Marc Maria Hagen und stößt auf ein dunkle Wahrheit.
Die dritte Frau im Bunde, Sarah Henschel scheint auf den ersten Blicke einfach nur ein Opfer von Marc Maria Hagen zu sein. Doch sie ist so viel mehr. Steht sie doch stellvertretend für alle Opfer dieser Möchtegern-Gurus. Sie ist nicht schwach oder verletzt, sie ist einfach ein Mensch, der zuhört und Anleitung gerne annimmt. Eine ganz normale Frau, die Lebenstipps gerne annimmt und um setzt, ohne zu sehen, dass sie auf ihr Verderben zusteuert.

Um es kurz zu machen, Andreas Winkelmann hat mal wieder einen sehr spannenden und mitreißenden Thriller kreiert, der mit verblüffenden und unvorhersehbaren Wendungen glänzen konnte. Das ganze Buch über konnte ich mit rätseln und fiebern, ging Beziehungen zu den Protagonistinnen ein und genoss das Geschriebene in vollen Zügen. Einzig der Schluss kam etwas überraschend; ein Ende, mit dem ich nie gerechnet hätte.

Mein Fazit
Ein verzwickter Kriminalfall mit überraschenden Wendungen. Interessant zum Lesen und mit Rätseln.

Bewertung vom 18.06.2022
Das U-Boot
Leister, Hans

Das U-Boot


sehr gut

Leah leistet ihren Wehrdienst beim israelischen Militär ab. Als sie für die Besatzung des ersten, rein aus Frauen bestehenden U-Bootes ausgewählt wird, kann sie ihr Glück kaum fassen. Und dass diese Entscheidung tatsächlich über Leben und Tod entscheiden wird, damit hätte die junge Frau nie gerechnet. Denn als die Erde von einer nie dagewesenen Katastrophe überrollt wird, überlebt Leah und die Besatzung des U-Bootes wie durch ein Wunder.
Tarik ist ausgebildeter Ingenieur und wird als Tunnelbauer rekrutiert. Liegt ihm am Leben seiner Familie, baut er Tunnel zwischen Gaza und Ägypten. Nur seiner baulichen Akribie ist es zu verdanken, dass er und seine Tochter die Katastrophe in einem Tunnel überleben.

Das Coverbild zeigt ein U-Boot in aufgewühlter See. Eigentlich schlicht gehalten, spiegelt es unglaublich viel des Inhalt des Buches wieder: Die Unruhe, das drohende Unglück, Hoffnung und Neubeginn. Auf mich wirkt es stark und unbeugsam und war ausschlaggebend, warum ich zu diesem Buch gegriffen habe.

Hans Leister hat einen sehr interessanten und spannenden Schreibstil, der mir schlaflose Nächte bereitete. Mit klaren und doch nachdenklich stimmenden Worten schildert er das Leben auf einem U-Boot, die harte Ausbildung, das Miteinander und die eigentliche Mission, über die ich mir bisher noch nie Gedanken gemacht habe. Ja, es gibt U-Boot und ja, es gibt Atommächte. Aber eine Verknüpfung habe ich bisher nicht hergestellt, dabei ist es doch so offensichtlich. Durch die Weltmeere schippernde Abschussrampen mit Zielen auf die Großstädte dieser Welt. Traurig und erschreckend, gerade in diesen Zeiten! Hans Leister mischt technische Beschreibung mit menschlichen Erfahrungen gekonnt, so dass ich mir ohne Probleme ein Leben auf einem U-Boot vorstellen konnte. Aber auch die Tränen, die Hoffnungen und das Leben der einzelnen Menschen, die so einen Koloss durch die Weltmeere schippern.
Auf der anderen Seite wird der Kampf im Gazastreifen geschildert. Was die Menschen dort antreibt, der Hass der Menschen gegen die andere Seite, die Verbitterung und die Hoffnung auf Besserung. Das schier blinde Vertrauen, dass dieser Krieg irgendwann ein gutes Ende nehmen wird. Ich habe in den Medien schon öfter von den Tunneln gehört, die das Land mit Lebensmitteln, Menschen, Tieren und Baumaterial versorgen, aber Hans Leister gelingt es, dieser Schilderung ein Gesicht zu verleihen. Es menschlich zu machen.

Die ständigen Wechsel zwischen der Jüdin Leah und dem Moslem Tarik sind dem Autor gut gelungen. Nicht nur ihr Schicksals beschreibt er, sondern er schildert die beiden Personen stellvertretend für einen Großteil der Menschheit. Zwei ganz normale Menschen, die ihren Alltag leben, sich Träume ermöglichen, Ziele setzen und vielleicht in diesem Fall, ein etwas außergewöhnlicheres Leben führen als du und ich. Aber trotzdem wünschen sie sich Glück für ihre Familien und ein sicheres Leben und dafür tun sie alles.
Voller atemloser Spannung flog der Text an mir vorbei und ich erlebt harte Schicksalsschläge und Abenteuer mit Leah und Tarik, aber die eigentliche Ursache blieb für mich leider zu sehr im Dunkeln. Der Handlung war es zwar egal, was zu dieser weltweiten Katastrophe führt, meine Neugierde hätte es jedoch befriedigt. Zudem hätte ich mir eine ausführlichere Beschreibung der Auswirkungen gewünscht, um für mich die Geschichte abzurunden.

Mein Fazit
Ein grandioses, spannendes und interessantes Buch!

Bewertung vom 18.06.2022
Als das Böse kam
Menger, Ivar Leon

Als das Böse kam


sehr gut

Juno und Boy wachsen zusammen mit ihren Eltern auf einer einsamen Insel mitten im Nirgendwo auf. Sie müssen sich still und vorsichtig verhalten, denn auf der anderen Seite des Wasser lauern Feinde, die sie töten wollen. Ihr Leben ist geprägt von Eintönigkeit und Angst und mit der Gewissheit, dass bei Entdeckung der Tod oder Schlimmeres droht. Doch was lauert wirklich auf der anderen Seite?

Ein blaues Holzhaus mitten im Wald. Von hohen Bäumen umsäumt, wirkt es düster und beklemmend auf mich, statt behaglich. Die Farbwahl ist dunkel gehalten, auch wenn eins der Fenster hell erleuchtet ist und somit eigentlich einladend wirken könnte. Doch irgendwie musste ich an das Lebkuchenhäuschen und die böse Hexe denken, die voller List und Bosheit auf willige Opfer wartet.

Ivar Leon Menger schreibt spannend und mitreißend! Er hat es ohne Probleme geschafft, den Spannungsbogen durchweg hoch zu halten und mich an seine Geschichte zu fesseln. Die Schilderung der Landschaft, der Natur und des Lebens der Familie ist ihm grandios gelungen. Ich fühlte mich wohl in der Umgebung, auch wenn ein latentes Gefühl der Bedrohung sich nicht abschütteln ließ. Ein einsames, aber schönes Leben. Wenn, ja wenn nicht die Bedrohung auf der anderen Seite des Wassers lauern würde. Ich muss gestehen, dass ich sehr lange überlegt habe, was diese Bedrohung sein könnte und vor allem, wann das Buch überhaupt spielt! Und dieses Rätselraten machte das Lesen noch spannender und interessanter! Erst nach und nach offenbarte Ivar Leon Menger das ganze Ausmaß der Bösartigkeit, die mir unter die Haut ging. Denn nichts, wirklich gar nichts ist so, wie es scheint!

Im Mittelpunkt der Geschehnisse steht Juno. Ein 16jähriges Mädchen, das mit ihren Eltern und ihrem Bruder Boy auf einer einsamen Insel lebt. Das Leben ist schön, wenn auch eintönig. Doch Juno vermisst nichts, kennt sie doch nur ihr kleine Eiland. Doch es muss mehr geben, dass wird ihr immer bewusster, besonders in den Momenten, wenn Onkel Ole die Insel betritt. Außerdem erzählen ihre Eltern von einer anderen Welt, die bedrohlich am anderen Ufer lauert. Eine Welt voller Gefahren, denn ihr Vater hat als wahrer Held gehandelt und wird seit dem von den Fremdlingen verfolgt und von den Wächtern beschützt. Doch wer sind die Fremden und wer die Wächter? Die Neugierde plagt Juno. Sie will unbedingt die Insel verlassen und stellt alles in Frage, was sie seit Kindesbeinen von ihren Eltern gelernt hat. Von dem folgsamen Mädchen wandelt Juno sich zur rebellischen jungen Frau. Diese Entwicklung verfolgte ich mit Spannung, aber auch mit Sorge.

Mein Fazit
Ein Thriller mit vielen überraschenden Wendungen! Kaum Zeit zum Luft holen und absolut lesenswert!

Bewertung vom 16.06.2022
Inselluft
Hansen, Jette

Inselluft


sehr gut

Sarah flüchtet vor ihrer Vergangenheit auf die Insel Föhr. Sie hat eine befristete Stelle für ein halbes Jahr als Postbotin ergattert und nutzt die Zeit, um ihre Gedanken und Gefühl neu zu ordnen. Da kommt ihr die Ablenkung von zwei gut aussehenden Typen gerade recht. Oder auch nicht? Denn plötzlich droht Sarah die Vergangenheit einzuholen. Ist endlich der Moment gekommen, in dem sie sich allem stellen kann?

Das Cover zeigt ein typisches, wunderschönes Friesenhaus, das zum Träumen einlädt. Ein Sandweg, gesäumt von Büschen und Gras führt darauf zu und im Hintergrund spiegelt das Meer den wilden Himmel. Auf mich wirkt das Bild direkt beruhigend und ich fühle mich angekommen. Zusammen mit dem Klapptext war es ausschlaggebend, dass ich zu diesem Buch gegriffen habe.

Jette Hansen hat einen ruhigen, gut zu lesenden Schreibstil. Sie schildert die kleineren und größeren Katastrophen im Leben der Postbotin Sarah interessant und berührend. Ich fühlte mich mit Sarah sofort verbunden, da sie aus meinem Geburtsort stammt und in meinen Sehnsuchtsort auswandert. Deswegen war und ist Inselluft etwas besonderes für mich. Auch Sarahs Art, auf Menschen zuzugehen und Kontakte zu knüpfen, ist mir nicht fremd, so dass es mir mehr als leicht fiel, eine Verbindung mit ihr einzugehen. Ich mag Sarahs lockere Art, die gleichzeitig Tiefgang hat. Sie findet schnell Bekannte, ist aber auch fähig zu einer tieferen Bindung. Eine Powerfrau eben, die aber nicht überdreht wirkt. Mir machte es wahnsinnig viel Freude, gemeinsam mit Sarah Föhr zu erkunden, da Jette Hansen ein wunderbares Talent dafür hat, Orte und die Natur zu beschreiben.
Natürlich darf ein bisschen Drama nicht fehlen, was dem Buch Würze und ein gewisses Maß an Spannung verlieh. Sarah flüchtet vor ihrer Vergangenheit auf die Insel und merkt schnell, dass auch dort nicht alles rund läuft. Doch irgendwie gelingt es ihr endlich, mit sich ins reine zu kommen, anderen zu helfen und eine andere Perspektive auf ihr Leben zu bekommen.

Mein Fazit
Inselluft ist für mich die perfekte Urlaubslektüre! Meer, Sand, Seeluft, Freundschaft, Drama und viel gute Laune!