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Bewertungen
Insgesamt 612 BewertungenBewertung vom 06.07.2017 | ||
An der Schwelle zum dritten Lebensjahrzehnt muss sich der namenlose junge Icherzähler keinen sonderbaren Riten seiner Clique unterwerfen. Nur eine Person stellt Forderungen an ihn. In sieben Nächten soll er jeweils eine der sieben Todsünden begehen und anschließend darüber schreiben. Bisher war der Icherzähler vermutlich so durch sein Leben gerutscht, ohne sich festzulegen. Mit 30 wird von ihm schon bald Karriere und Familiengründung erwartet. Auch wenn der Erzähler seine Eigenheiten bewusst und selbstkritisch analysiert, wirkt sein Leben wie eine leere Comic-Blase, die erst noch gefüllt werden muss. Einziger Fixpunkt darin war 2011 sein 18. Geburtstag, zu dem in Deutschland die Wehrpflicht abgeschafft wurde. Allein aus diesem Übergang ins Erwachsenenalter, von nun an ohne Prüfung des eigenen Standpunkts gegenüber dem Wehrdienst, könnte ein Roman mit hunderten von Seiten entstehen. Dem Erzähler fehlt ohne die Wahl zwischen Dienen oder Verweigern ein Initiationsritus, die Auseinandersetzung mit den Kriegserfahrungen von Vater und Großvater, mit denen er sich zuvor hätte befassen müssen, um vor der Prüfungskommission seine Einstellung aufzublättern. |
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Bewertung vom 06.07.2017 | ||
Beim Klettern über die Dächer des King's College in Cambridge stürzt der Student Elliot Fairbanks in den Tod. Augustus Huff, der Tutor des jungen Mannes, sieht sich plötzlich damit konfrontiert, dass Elliot einen Graupapagei hinterlässt, den er für Versuche zu seiner Promotion trainiert hatte. So kommt Huff zu seinem Mitbewohner Gray, der Stimmen imitiert, herum bröselt, alles vollk.ckt und peinliche Schlager schmettert. Dummerweise leidet Huff unter einer Zwangsstörung, er bezwingt die Zumutungen dieser Welt mit ständigem Händewaschen und peniblen Ritualen. Das Zusammenleben von Mensch und Tier kann eigentlich nur im Chaos enden. Mann und Papagei bilden ein ungewöhnliches Team. Gray macht Dreck und bringt Huff fortwährend in peinliche Situationen, die der normalerweise nicht erträgt. Gray hat als Versuchstier bei Elliot jedoch auch gelernt, Gegenstände zu klassifizieren: rund, rot, weiß, eckig. Die gnadenlose Konsequenz, mit der der Graupapagei Dingen eine Schublade zuweist, bringen wieder Ordnung ins Chaos und Huff damit von seiner Palme wieder auf den Teppich. Während Huff Elliots Tod aufzuklären versucht, muss er dessen Persönlichkeitsbild einige Male der Realität anpassen. Jemand hat aus luftiger Höhe Fotos geschossen, mit denen prominente Mitglieder des Lehrkörpers zu kompromittieren wären. Fragt sich nur, warum. Der Schlüssel zur Auflösung des Falls ist Gray mit seiner Fähigkeit Muster zu erkennen, nur muss dazu erst Augustus erkennen, wie Gray tickt. |
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Bewertung vom 13.06.2017 | ||
Vier unzertrennliche Freunde verbringen ihren letzten Sommer miteinander, bevor ihre Wege sich trennen werden: die Geschwister Sylvie und Benedict, Eva und Lucien. Eva stammt aus einfachen Verhältnissen in der Provinz und musste sich ihr Studium hart erarbeiten. Als Benedict Eva ins Ferienhaus seiner Familie auf Korfu einlädt, ahnt er nicht, dass ein Mädchen wie Eva für einen Urlaub am Meer schlicht nichts anzuziehen besitzt. Beide verpassen den kurzen Moment, in dem aus Vertrautheit mehr hätte werden können als Freundschaft. Benedict heiratet innerhalb seiner Gesellschaftsschicht und geht ans CERN in die Schweiz. Seine Heirat schließt Eva demonstrativ aus Benedicts Kreisen aus. Sie muss sich fragen, ob sie einen Mann lieben könnte, dem Konventionen so viel bedeuten, dass er ihnen vorauseilend gehorcht. Obwohl Eva Physik studiert hat, steigt sie als Junior Traderin für Zinsderivate bei Morton Brothers in den Londoner Docklands ein. Schönheit und Intelligenz sind für eine Bankerin zwar nützlich, meint Kollege Paul. Als Bankerin braucht sie jedoch Beziehungen, um vorwärts zu kommen. Während unter ihren Kollegen gnadenlos ausgesiebt wird, besteht Evas Alltag aus 11 Meetings in 6 Ländern an 8 Tagen. Wann Eva einen Fehler macht, der sie den Kopf kosten wird, scheint nur eine Frage der Zeit. Lucien nimmt sich inzwischen ein Leben als Freigeist vor, als DJ oder Drogenhändler. Sylvie hofft, sich als Künstlerin durchsetzen zu können. Eine Pilgerwanderung auf dem Jakobsweg führt das Kleeblatt 2000 noch einmal zusammen. Mit gegensätzlichen Talenten und Startchancen sind die Vier angetreten. Wie in einer Versuchsanordnung ist nun zu beobachten, ob Aufstieg durch Leistung möglich ist und ob dabei zwangsläufig ein Verlierer zurückgelassen wird. |
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Bewertung vom 13.06.2017 | ||
Sieh nichts Böses / Kommissar Dühnfort Bd.8 Bei der jährlichen Polizeihunde-Prüfung der Münchener Kripo findet an einem ungemütlichen November-Tag eine Leichenspürhündin zufällig eine Leiche. Die Prüfungskommission hatte diesen Fund sicherlich nicht für die Suchhunde präpariert; die Leiche war kurz zuvor im Sturm durch einen stürzenden alten Baum freigelegt worden. Mit der Ermittlung der Familienverhältnisse der Toten sucht Dühnfort im 8. Band der Reihe zugleich nach denkbaren Verknüpfungen zwischen dem Opfer und seinem möglichen Mörder. Wichtiges Indiz ist eine bei der Toten gefundene Figur, auf die sich u. a. der Buchtitel bezieht. Konstantin Dühnfort ermittelt, dass die Tote von ihren Angehörigen nicht als vermisst gemeldet wurde und man sich ihr Verschwinden reichlich hastig mit ihren Schulden erklärte. Für Dühnfort und seine frisch angetraute Frau Gina sind ungeklärte Kriminalfälle vertrautes Gebiet, da Gina bei der Kripo im Team für Cold Cases tätig ist. In einem parallelen Handlungsfaden gerät eine weitere junge Frau in finanzielle Schwierigkeiten. Inge Löhnigs Leser können nun gespannt mit fiebern, ob Dühnfort die Zusammenhänge schnell genug durchschaut, um den Täter festzusetzen und weitere Opfer zu verhindern. Mehrere Fährten zum Täter werden ausgelegt und fast bis zum Schluss des Romans offen gehalten, indem die Autorin Lösungsmöglichkeiten skizziert und zugleich Zweifel daran sät. Auch das Privatleben von Dühnfort und Gina findet Beachtung, in dem aktuell nicht nur Freude und Sonnenschein herrschen. Bis zur Lösung des Falls kommt es zu einigen überraschenden, aber durchaus glaubwürdigen Wendungen. Ob Dühnfort auf seinen Instinkt vertraut oder mit Wahrscheinlichkeiten jongliert - bei jedem Lösungsansatz habe ich befürchtet, dass er auf der falschen Fährte sein könnte und Täter oder Täterin ungeschoren davonkommen würden. |
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Bewertung vom 08.06.2017 | ||
DuMont Reise-Handbuch Reiseführer Südkorea Das Reisehandbuch Süd-Korea ist die 3. aktualisierte Auflage der Ausgabe von 2013. 1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich. |
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Bewertung vom 08.06.2017 | ||
Als China-Veteranin, die das Land 1989 zum ersten Mal besuchte, war die Ostasienwissenschaftlerin Francoise Hauser immer wieder mit dem rasanten Wandel des Reichs der Mitte konfrontiert. Den schnellen Takt hat das Land beibehalten und dabei auf technischem Gebiet so manche Entwicklungsschritte anderer Staaten ausgelassen. 95% der Chinesen nutzen heute ihr Handy als Fenster zur Welt, so dass von einer Nation digitaler Pioniere gesprochen werden kann. Höchst interessant, wie viel in China per Handy gelesen wird. Autoren digitaler Fortsetzungsromane können mit ihren Werken sogar Millionär werden; der Spitzenreiter verdient 4,3 Millionen Euro im Jahr. In Hausers kleinem roten Buch geht es u. a. darum was jemanden (aus eigener oder fremder Perspektive) zum Chinesen macht, um Auslandschinesen und nationale Minderheiten. Die Autorin stillt die Neugier ihrer Leser zu Millionenstädten und rekordverdächtigen Bauten (Brücken, Türme, Eisenbahnstrecken). Es geht ums Alltagsleben, um den Stadt-Land-Konflikt und seine Folgen für die Bildung, um private Träume und Vorstellungen einer idealen Ehe. Warum eine wohlhabende Mittelschicht kein Interesse an Reformen hat, ist zu erfahren und wie sich in China Naturkatastrophen und politische Stabilität gegenseitig beeinflussen sollen. Ergründet wird, ob das Land kommunistisch oder kapitalistisch ist, welchen Einfluss Konfuzius auf chinesische Wertvorstellungen hat und was Chinesen heute über Mao Zedong denken. Hauser berichtet über boomende Industrien, die nicht zu übersehenden Umweltprobleme und den Rohstoffhunger des Landes. Schließlich geht es um chinesischen Pragmatismus, der sich u. a. in der Verhandelbarkeit von Vorschriften zeigt oder der Haltung, dass es noch nie geschadet hat, mehreren Religionen anzuhängen. |
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Bewertung vom 08.06.2017 | ||
In knappen Lebensweisheiten erzählt Ilija Trojanow von Flucht, Staatenlosigkeit und Fremdheit. Wer nicht aussieht wie ein Einheimischer, eine Bindestrich-Identität hat oder einen andersfarbigen Reisepass, trägt das Thema Fremdheit lebenslang mit sich. Selbst wer bereits in der dritten Generation im Land lebt, wird gefragt werden: woher kommst du, wo hast du so gut Deutsch gelernt? Trojanows Themen sind die Peinlichkeit auf beiden Seiten in diesen Gesprächen über Fremdheit, um erwartete Dankbarkeit, den abgeschnittenen Kontakt zur zurück gebliebenen Familie, wie auch das Verhältnis eines Geflüchteten zur Muttersprache, zum Heimatland und zur Frage einer möglichen Rückkehr. Es geht um Anpassung, um Autoritätsverlust von Eltern in einer neuen Umgebung, um Pubertät Jugendlicher ohne einen Gegenpart zum Aufbegehren. Ein Geflüchteter wirft alle Ketten ab von Familie, Religion, provinzieller Enge, verrückt die gewohnte Ordnung und könnte damit Neid erzeugen bei denen, die sich nicht bewegt haben. Bewegung und Veränderung verärgert unbewegliche Zeitgenossen – hier mag der Grund liegen, warum bereits sesshafte Migranten schlecht mit dem Eindruck umgehen können, neuere Geflüchtete hätten es leichter als sie selbst. „Die Vergangenheit ist wie ein unbenutztes Zimmer, in dem sich Staub ablagert“ – viele seiner bildhaften Vergleiche ließen sich als Lebensweisheit notieren und einrahmen. Trojanows eigene Staatenlosigkeit, mit der seine Familie ein halbes Leben lang „den Betrieb an den Grenzkontrollen aufhielt“, bleibt als Schicksal ein Sonderfall. Dennoch verblüfft, wie treffend nah seine Einsichten der deutschen Nachkriegsgeschichte mit 14 Millionen Geflüchteten und Vertriebenen und fast 4 Millionen DDR-Flüchtlingen kommen. 0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich. |
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Bewertung vom 08.06.2017 | ||
Lonely Planet Kinderreiseführer Komm mit nach London (Lonely Planet Kids) Wenn Eltern gemeinsam mit ihren Kindern Städtetouren planen, darf das Wort Museum nicht genannt werden. Wenn dagegen Lonely Planet im Kinder-Reiseführer London Lust auf Monster, Fledermäuse und Katakomben macht, darf selbst das böse M-Wort vorkommen. In 19 kurzen Stadttouren geht es um Straßenkunst, Tunnel, Potter Locations, Busse, die Pest in London oder die Geheimdienste MI5 und MI6. Jede Tour umfasst im Buch maximal drei Doppelseiten. Das Text-Bild-Verhältnis beträgt 1:1, die Touren werden wie von einem roten Faden optisch von Schienen, Kanälen oder Pflastersteinen zusammengehalten. Wie viele Museen den Kids dabei wohlbegründet untergejubelt werden, finde ich beachtlich. Dass Moira Butterfield jugendlichen Lesern mit dem Thema fleischfressende Pflanzen sogar Kew Gardens schmackhaft macht, hätte ich nicht erwartet. Meine Highlights im Buch sind alle Tipps an und auf der Themse – und der She Guardian beim Marble Arch. |
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Bewertung vom 08.06.2017 | ||
Auf der Spur der wilden Bienen Wilden Bienenvölkern bis zu ihrem Stock zu folgen (z. B. Baumhöhlen), scheint unter modernen Lebensumständen eine ungewöhnliche Leidenschaft zu sein. Nicht aber für Thomas D. Seeley, der als Verhaltensforscher über das Nistverhalten schwärmender Bienen promoviert hat und maßgeblich von George H. Edgells The Bee Hunter (1949) angeregt wurde. Seeley profitiert bei seiner Tätigkeit von der beneidenswerten Ausstattung seiner Universität. Die Cornell University in Ithaca/New York verfügt über 1800 Hektar geschützten Wald, der allein zu Forschungszwecken dient und von weiteren geschützten oder brachliegenden Flächen umgeben ist. Wer keinen ganzen Wald zur Verfügung hat, könne auch in öffentlichen Parks einem Bienenschwarm folgen, so der amerikanische Forscher. |
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Bewertung vom 08.06.2017 | ||
Jack Engles Leben und Abenteuer Die Entdeckung eines verschollenen oder bisher unbekannten Manuskripts kann ebenso spannend sein wie die darin erzählte Geschichte. Walt Whitmans Roman „Jack Engles Leben und Abenteuer“ lässt sich zum Glück exakt den Arbeitsnotizen des Autors in seinem Notizbuch zuordnen. Whitman erzählt darin vom elternlosen Jack, der von Mr Forster, einem Lebensmittelkaufmann in der New Yorker Bowery, an Kindes statt aufgenommen wird. Fosters einziges Kind ist verstorben. Den eifrigen und lernwilligen Straßenjungen will Foster unbedingt fördern. Möglicherweise, um seinen eigenen Traum vom Aufstieg verwirklicht zu sehen, verschafft Foster dem Jungen eine Stelle als Botenjunge und Lehrling in der Anwaltskanzlei des Herrn Covert. Das Leben auf der Straße hat Jack gelehrt, über sein eigenes Schicksal hinauszusehen, er ist eine wirklich bemerkenswerte Persönlichkeit. Foster trägt den Ruf eines guten Menschen wie aus dem Bilderbuch vor sich her gütig, bescheiden, selbstlos. Jeder wird dem Kaufmann seinen geschäftlichen Erfolg gönnen, den er sich mit Fleiß und Zuverlässigkeit erarbeitet hat, ohne je sein Mitgefühl für weniger Begünstigte zu verlieren. Jack weiß Fosters Fürsorge zu schätzen, nur ist die Arbeit bei einem dubiosen Rechtsanwalt so gar nicht nach seinem Geschmack. Lieber würde Jack richtig arbeiten; Vorbild ist ihm sein alter Freund Tom Petersen, von Beruf Maschinenschlosser. Mit Hilfe eines betagten Bürodieners durchschaut Jack - dem selbst bisher viel Gutes widerfuhr - Covert. Er kann dieses Wissen nicht nur nutzbringend einbringen, sondern zugleich das Rätsel seiner eigenen Herkunft lösen. In Coverts Kanzlei laufen alle Fäden zusammen. In der editorischen Notiz im Anhang erfährt man, dass Whitman die Tätigkeit eines Büroboten aus eigener Anschaffung beschreibt. 0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich. |
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